Werbung für Medizinprodukte gegenüber niedergelassenen Ärzten

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1 Werbung für Medizinprodukte gegenüber niedergelassenen Ärzten Arne Thiermann, LL.M. (LSE), Rechtsanwalt Hogan Lovells International LLP, München 7. Augsburger Forum für Medizinprodukterecht 14. September 2011

2 Rechtliche Grenzen der werblichen Kooperation Berufsrecht Sozialrecht Strafrecht 2

3 Berufsrecht Ein Brillenhersteller stellt Augenärzten ein E-System zur Verfügung. Das System enthält ein E-Brillensortiment und ermöglicht eine individuelle Brillenanpassung. Der Patient wählt mit Hilfe des Arztes ein bestimmtes Brillengestell in der Augenarztpraxis aus. Der Arzt passt die Brille über das E-System an, gibt die Patientendaten ein und übermittelt sie an den Brillenhersteller. Bestellt der Patient eine Brille, erhält der Augenarzt eine bestimmte (aufwandsbezogene) Vergütung. 3

4 Berufsrecht BGH v (GRUR 2010, 850 Brillenversorgung II): Es stellt eine unangemessene unsachliche Einflussnahme dar, wenn durch das Gewähren oder Inaussichtstellen eines finanziellen Vorteils darauf hingewirkt wird, dass Ärzte entgegen ihren Pflichten aus dem Behandlungsvertrag und dem Berufsrecht nicht allein anhand des Patienteninteresses entscheiden. Werbung für Medizinprodukte darf nicht zu berufswidrigem Verhalten anstiften Verstoß gegen MBO führt zu Wettbewerbsverstoß 4

5 Berufsrecht BGH v (GRUR 2010, 850 Brillenversorgung II): Dem Augenarzt wird mit den ausgelobten Zahlungen eine Verdienstmöglichkeit eröffnet, die mit der eigentlichen augenärztlichen Tätigkeit nicht in einem Zusammenhang steht. Verkürzter Versorgungsweg ist nur erlaubt, soweit die Tätigkeit zu den notwendigen Bestandteilen ärztlicher Therapie gehört, vgl. 3 II MBO Bejaht bei Abgabe und Anpassung von Hörhilfen (BGH GRUR 2000, 1080 Verkürzter Versorgungsweg) Verneint bei Brillenanpassung und -abgabe (BGH Brillenversorgung II) Angemessenheit der Gegenleistung (vgl. 33 I MBO) ist irrelevant, soweit berufsrechtlich nicht zulässig! Bei erstattungsfähigen Hilfsmitteln nur zulässig bei Vertrag zwischen KK und Vertragsarzt, 128 IV, IVa SGB V! 5

6 Berufsrecht Ein HNO-Arzt verweist Patienten für Hörgeräteversorgung stets an nur ein Hörgeräteakustik-Unternehmen. Einige Patienten haben den Arzt um eine Empfehlung gebeten, andere nicht. In der Praxis liegen Broschüren und Flyer des Hörgeräteakustik- Unternehmens aus. Der Arzt hat gute Erfahrungen mit dem empfohlenen Unternehmen gemacht, außerdem ist es durchschnittlich am Günstigsten. Der Arzt nimmt einen Ohrenabdruck für die Herstellung des Hörgeräts und reinigt den Gehörgang; der Ohrabdruck wird direkt an das Unternehmen verschickt. Die Frau des Arztes hat vor einigen Jahren Aktien des Unternehmens erworben. 6

7 Berufsrecht BGH v (GRUR 2011, 345 Hörgeräteversorgung II): "Verweisung" in 34 V MBO umfasst alle Empfehlungen für bestimmte Leistungserbringer, die der Arzt unaufgefordert erteilt. schon Plakate, Flyer, Visitenkarten, Gutscheine ausreichend! Verweisung mit hinreichendem Grund isv 34 V MBO zulässig: (+): spezielle Patientenbedürfnisse in Bezug auf Versorgungsqualität (+): medizinischer Grund (jedoch nicht, wenn nur ein Anbieter des verkürzten Versorgungsweges vor Ort) (-): größere Bequemlichkeit im Allgemeinen, gute Erfahrung oder allgemein hohe Kompetenz Offenlegung von Beteiligungen heilt Verstoß nicht! 7

8 Berufsrecht BGH v , GRUR 2011, 345 Hörgeräteversorgung II: "Zuweisung" in 31 MBO umfasst alle Fälle der Überweisung, Verweisung und Empfehlung von Patienten an Ärzte, Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen Entscheidend ist allein, dass der Arzt einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt. 8

9 Sozialrecht Beteiligungs- und Zuwendungsverbot nach 128 II 1 SGB V: "Leistungserbringer dürfen Vertragsärzte [...] nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen oder solche Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln gewähren." Verkürzter Versorgungsweg ist nur zulässig bei Vertrag zwischen KK und Vertragsarzt ( 128 IV, IVa SGB V) und soweit berufsrechtlich erlaubt, vgl. 3 II MBO. 9

10 Zuwendungsverbot - Beispiele aus der Praxis Medizinprodukte werden gratis mitgeliefert = sonstiger wirtschaftlicher Vorteil zulässig als Sprechstundenbedarf, da nicht individuell verordnet zulässig als handelsübliches Zubehör nach 7 I Nr. 3 HWG? zulässig als Geld- oder Naturalrabatt nach 7 I Nr. 1 HWG? Ausleihe oder Vermietung von teuren Medizinprodukten = sonstiger wirtschaftlicher Vorteil? zulässig nur soweit zu marktüblichen Konditionen Sanktion bei Verstoß nur in den vertraglichen Beziehungen möglich, 128 III SGB V 10

11 Strafrecht Ein Unternehmen vertreibt Geräte, die von Patienten zu Hause zur Schmerzbehandlung, zur Muskelstimulation sowie zur Behandlung von Harninkontinenz eingesetzt werden. Es besteht ein Versorgungsvertrag mit einer Krankenkasse. Verschreibt ein niedergelassener Arzt ein solches erstattungsfähiges Gerät, so erhält er eine Gutschrift von 10 Euro. Mietet oder least der Arzt ein hochwertiges medizinisches Gerät von dem Unternehmen für seine Praxis, so kann er die Gutschrift anrechnen lassen. Strafrechtliche Relevanz? 11

12 Strafrecht Vorlagebeschluss BGH (3. Senat) vom 5. Mai 2011 (Az. 3 StR 458/10): Handelt ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben ( 73 II SGB V; hier: Verordnung eines Hilfsmittels) als Amtsträger im Sinne des 11 I Nr. 2 Buchst. c StGB? bzw. hilfsweise: im Sinne des 299 StGB als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen? (anders Vorinstanz LG Stade Az. 12 KLs 170 Js 18207) 12

13 Voraussetzungen des 331 StGB KK = sonstige Stelle, da behördenähnliche Institution, die rechtlich befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben mitzuwirken. Bestellung als Amtsträger = Zulassung des Arztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nach 95 SGB V. Tatsächliche Eingliederung in die Organisation der öffentlichen Verwaltung ist entscheidend. Nicht erforderlich: "verlängerter Arm" oder Weisungs-/ Aufsichtsverhältnis (so aber Vorinstanz LG Stade) 13

14 Schlüsselfigur 3. Senat Gesamtvergütung 85 SGB V Krankenkasse (KK) Vergütung Kassenärztliche Vereinigung Vertrag über Erbringung der Leistung 2 II 3, 69ff, insb. 126, 127 SGB V Leistungsanspruch 11, 27 SGB V Vertragsarzt Verordnung Zulassung 95 SGB V Leistungserbringer Leistungserbringung Versicherter 14

15 Hilfsweise 299 StGB: Arzt als Beauftragter der KK Verordnung ist für die Begründung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten "conditio sine qua non" Letztentscheidungszuständigkeit über Gewährung einer bestimmten Sachleistung nicht erforderlich für Beauftragtenstellung nach 299 StGB (so aber Vorinstanz LG Stade) Entscheidend ist, dass der Beauftragte die tatsächliche Möglichkeit hat, die betrieblichen Entscheidungen über den Erwerb von Waren oder Leistungen unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen und es ihm im Interesse des Betriebes verwehrt ist, Leistungen der anderen Vertragsseite anzunehmen 15

16 Dienstherrengenehmigung An sich nur vorgesehen bei 331 StGB Wer ist Dienstherr des niedergelassenen Arztes? alle 155 gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland? Einrichtung einer Koordinierungsstelle für die Einholung / Prüfung der Dienstherrengenehmigungen? Sachverhalt muss genehmigungsfähig sein soweit Unrechtsvereinbarung vorliegt oder der Arzt pflichtwidrig handelt ist eine Genehmigung nicht möglich 16

17 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

18 Hogan Lovells hat Büros in: Abu Dhabi Alicante Amsterdam Baltimore Berlin Boulder Brüssel Budapest* Caracas Colorado Springs Dschidda* Denver Dubai Düsseldorf Frankfurt am Main Hamburg Hanoi Ho Chi Minh Stadt Hongkong Houston London Los Angeles Madrid Miami Mailand Moskau München New York Northern Virginia Paris Peking Philadelphia Prag Riad* Rom San Francisco Schanghai Silicon Valley Singapur Tokio Ulaanbaatar* Warschau Washington DC Zagreb* "Hogan Lovells" oder "die Sozietät" bezeichnet eine internationale Anwaltssozietät bestehend aus Hogan Lovells International LLP, Hogan Lovells US LLP, Hogan Lovells Worldwide (einem Verein schweizerischen Rechts) und zugehörigen anderen Gesellschaften, die jeweils eigene Rechtspersönlichkeit besitzen. Hogan Lovells International LLP ist als Limited Liability Partnership unter OC in England und Wales registriert. Registersitz: Atlantic House, Holborn Viaduct, London EC1A 2FG. Hogan Lovells US LLP ist als Limited Liability Partnership im District of Columbia, USA, registriert. Die Bezeichnung Partner bezieht sich auf Mitglieder der Hogan Lovells International LLP oder Partner der Hogan Lovells US LLP oder Mitarbeiter mit entsprechender Stellung und Qualifikation und Partner, Mitglieder oder Mitarbeiter in einer der zugehörigen Gesellschaften mit entsprechender Stellung. Ranglisten und Zitate aus juristischen Verzeichnissen und anderen Quellen können sich auf die Vorgängersozietäten Hogan & Hartson LLP und Lovells LLP beziehen. Sofern Fallstudien dargestellt sind, garantieren die dort erzielten Ergebnisse nicht einen ähnlichen Ausgang für andere Mandanten. Hinweis für den Staat New York: Anwaltswerbung. Hogan Lovells Alle Rechte vorbehalten. *Kooperationsbüros