RECHNUNGSLEGUNGSGRUNDSÄTZE
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1 PERIODICA POLYTECHNICA SER. SOC. MAN. SCI. VOL. 10, NO. 1, PP (2002) RECHNUNGSLEGUNGSGRUNDSÄTZE Éva KARAI Lehrstuhl für Industrielles Management und Betriebswirtschaft Technische und Wirtschaftswissenschaftliche Universität in Budapest H 1521 Budapest, Hungary eva.karai@dpg.hu Eingegangen: 10 Oktober 2001 Abstract The author presents the basic principles declared by the International Accounting Standards (IAS), the German Commercial Code (Handelsgesetzbuch) and the Hungarian Act on Accounting. The first part of the article describes the principles of IAS which are recommendations for the accountancy of the European countries, the second part contains comparison between the German and Hungarian codified principles. Keywords: accounting principles, International Accounting Standards, German Commercial Code, Hungarian Act on Accounting. 1. Rechnungslegungsgrundsätze nach IAS Im Regelwerk des International Accounting Standards Committee (IASC) sind auch allgemeine Grundsätze zu finden, die bei der Rechnungslegung nach IAS beachtet werden müssen. Diese Grundsätze wurden im theoretischen Rahmen der IAS, im Framework for the preparation and presentation of financial statements schriftlich niedergelegt. Bestimmte Grundsätze (going concern, accrual basis, reliability, materiality, prudence, substance over form) wurden im IAS 1 nochmals hervorgehoben, um ihre Wichtigkeit noch ausdrücklicher zu machen. Das Framework (F) bezeichnet die Grundsätze accrual basis (F 22) und going concern (F 23) als Grundannahmen (underlying assumptions). Die Entscheidungsträger erhalten aus den Jahresabschlüssen dann die nützlichsten Informationen, wenn sie Geschäftsvorfälle und andere Ereignisse unabhängig von ihrer Zahlungswirksamkeit zum Zeitpunkt ihres wirtschaftlichen Eintretens abbilden (accrual basis). Die Jahresabschlüsse werden unter der Annahme aufgestellt, daß das Unternehmen tätig ist und die Geschäftstätigkeit in absehbarer Zukunft fortführt (going concern). Qualitative characteristics sind Eigenschaften, die die Informationen des Jahresabschlusses für die Adressaten nützlich machen. Die wichtigsten qualitative characterics sind die Grundsätze der understandability, relevance, reliability und comparability.
2 84 É. KARAI Der Grundsatz der understandability (F 25) besagt, daß die Informationen des Jahresabschlusses für einen sachverständigen Interessierten leicht verständlich sein müssen, aber komplexe Sachverhalte nicht ausgeschlossen werden dürfen, weil sie für bestimmte Bilanzleser schwer zu verstehen sind. Eine Information wird für die Adressaten nur dann nützlich, wenn sie für die Entscheidungsfindung relevant ist. Nach IAS ist die Information relevant, wenn sie die wirtschaftlichen Entscheidungen der Adressaten beeinflußt, indem sie in der Beurteilung vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Ereignisse oder in der Bestätigung bzw. Korrigierung vergangener Einschätzungen hilft (F 26). Von dem Grundsatz der relevance wurde der Grundsatz der materiality (Wesentlichkeit) abgeleitet. Die Relevanz einer Information wird durch ihre Eigenart und Wesentlichkeit bestimmt. In manchen Fällen genügt nur die Eigenart, die Information relevant zu machen, in anderen Fällen sind sowohl Eigenart als auch Wesentlichkeit wichtig. Laut IAS ist eine Information wichtig (wesentlich), wenn ihr Weglassen oder fehlerhafte Darstellung die wirtschaftliche Entscheidungsfindung der Bilanzleser beeinflußt (F 30). Laut dem Grundsatz der reliability muß die Information verläßlich sein. Eine Information ist verläßlich, wenn frei von wesentlichen Fehlern und Subjektivität ist. Die Adressaten können sich daran verlassen, weil sie glaubwürdig darstellt, was tatsächlich passiert oder was normalerweise zu erwarten ist (F 31). Aus dem Grundsatz der reliability wurden die folgenden fünf Grundsätze abgeleitet: Grundsatz der faithful representation, substance over form, neutrality, prudence, completeness. Faithful representation bedeutet, daß die Verläßlichkeit der Information nicht zu erreichen ist, wenn die Information die tatsächlichen Vorgänge nicht glaubwürdig abbildet (F 33). Damit eine Information verläßlich wird, müssen die Geschäftsvorfälle und die sonstigen Ereignisse anhand ihres tatsächlichen wirtschaftlichen Inhaltes und nicht anhand ihrer formellen rechtlichen Ausgestaltung verrechnet werden (substance over form, F 35). Die Information im Jahresabschluß muß neutral, frei von subjektiven Verzerrungen sein. Der Jahresabschluß ist nicht neutral, wenn durch die Auswahl oder Darstellung der Information Einfluß auf die Entscheidungsfindung ausgeübt wird, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen (F 36). Die Unsicherheiten dürfen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses nicht außer acht gelassen werden. Prudence bedeutet, daß man unter unsicheren Umständen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses vorsichtig umgeht, aber die Bildung stiller Reserven und übertriebener Rückstellungen, die bewußte Unterbewertung von Vermögensgegenständen oder Erträgen sowie die bewußte Überbewertung von Verbindlichkeiten oder Aufwendungen sind verboten, weil in diesen Fällen der Jahresabschluß nicht neutral und dadurch nicht verläßlich ist (F 37). Damit ein verläßlicher Jahresabschluß aufgestellt wird, müssen die Informationen im Rahmen der Wesentlichkeit und der angemessenen Kosten vollständig sein. Die Auslassung von Tatsachen kann die Information falsch oder mißverständlich machen. So wird der Jahresabschluß unverläßlich und seine Relevanz wird
3 RECHNUNGSLEGUNGSGRUNDSÄTZE 85 auch niedriger (F 38). Für die Adressaten muß ermöglicht werden, durch den Vergleich mehrerer Jahre die Entwicklung der finanziellen Situation und der Leistung eines Unternehmens erkennen zu können. Es ist auch wichtig, daß sie die Jahresabschlüsse mehrerer Unternehmen vergleichen können, um die finanzielle Lage, die Leistung, die Veränderungen der finanziellen Lage des Unternehmens im Vergleich zu anderen Unternehmen auswerten zu können. So muß man bei der Ermittlung und Darstellung der finanziellen Auswirkungen ähnlicher Geschäftsvorfälle und sonstiger Ereignisse des ganzen Unternehmens beim gleichen Unternehmen zu verschiedenen Zeiten und auch bei verschiedenen Unternehmen zur derselben Zeit konsequent vorgehen (comparability, F 39). Die vier grundlegenden Charakteristiken werden hinsichtlich ihrer Gültigkeit durch die drei constraints on relevant and reliable information eingeschränkt. Wenn über eine Information zu spät berichtet wird, kann diese ihre Relevanz verlieren. Die Unternehmensführung muß deshalb die Vorteile einer zeitnahen Berichterstattung und die Vorteile einer Bereitstellung von zuverlässigen Informationen abwägen. Um das Gleichgewicht zwischen Relevanz und Zuverlässigkeit finden zu können, müssen die Ansprüche der Adressaten hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Entscheidungsfindung in den Vordergrund gestellt werden (timeliness, F 43). Laut dem Grundsatz der balance between benefit and cost sollen die Kosten der Bereitstellung der Informationen nicht den Nutzen der zusätzlichen Information übersteigen. Die Feststellung der Größen der Kosten und Nutzen ist schwierig und häufig nicht frei von Subjektivität. Die Nutzen werden oft nicht nur von den Adressaten genießt, für die die Information bereitgestellt wurde und die Kosten werden nicht nur oder gar nicht von den Adressaten getragen, die die Nutzen genießen. Aufsteller und Adressaten der Jahresabschlüsse müssen jedoch auch auf diese Barriere achtnehmen (F 44). In der Bilanzierungspraxis kommt es oft vor, daß zwischen den einzelnen qualitativen Eigenschaften Kompromiß gefunden werden soll. Das Ziel ist ein Gleichgewicht zu den Charakteristiken zu erreichen, um dem Zweck der Jahresabschlüsse zwischen entsprechen. Die relative Bedeutung der einzelnen Eigenschaften ist von Fall zu Fall eine fachkundige Einschätzung (F 45). Obwohl das Framework auf die direkte Kodifizierung des true and fair view Prinzips verzichtet (es wird sowohl in Ungarn als auch in Deutschland als Generalnorm kodifiziert), geht das IASC davon aus, daß durch die Beachtung der kodifizierten Grundsätze solch ein Jahresabschluß erstellt wird, der den generellen Forderungen der true and fair view entspricht (F 46). Die Gruppierung der Grundsätze nach IAS zeigt die folgende Abbildung (Quelle: COENENBERG, 2000):
4 86 É. KARAI Tabelle 1. Underlying Assumptions Accrual Basis Going Concern Qualitative Characteristics Constraints on Relevant and Reliable Information Understandabibility Comparability Balance between Benefit and Cost Balance between Qualitative Characteristics Timelines Relevance Reliability Materiality Faithful Representation Substance over Form Neutrality Prudence Completeness 2. Kodifizierte deutsche und ungarische Grundsätze 2.1. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) in Deutschland Das Handelsgesetzbuch (HGB) schreibt vor, daß der Jahresabschluß nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) aufzustellen ist ( 243 Abs. 1) sowie, daß der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln hat ( 264 Abs. 2). Das HGB verpflichtet also alle Kaufleute, den Jahresabschluß nach den GoB aufzustellen, was aber unter dem Begriff Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verstanden wird, gibt s dafür keine gesetzliche Definition. Budde und Raff definieren in Beck scher Bilanz-Kommentar, Handels- und Steuerrecht 238 bis 339 HGB den Begriff der GoB folgenderweise: es ist ein System von Regeln, das die gesamte Rechnungslegung umfaßt. Im Begriff wird also das Wort Buchführung nicht im engeren Sinne verstanden, sondern zieht auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Aufbewahrung von Büchern und Belegen, ordnungsmäßiger Inventur und Bilanzierung mit ein. Durch die Tatsache, daß die GoB ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, vermied der Gesetzgeber viele konkrete Einzelregelungen und somit trug zu einer höheren Praktikabilität
5 RECHNUNGSLEGUNGSGRUNDSÄTZE 87 des Gesetzes bei, übertrug dabei jedoch gleichzeitig die rechtliche Entscheidung vieler Einzelfälle auf die Rechtsprechung, die die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu interpretieren hat (COENENBERG, 2000). Mit der Transformation der 4. EG-Richtlinie durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG) wurden folgende Grundsätze im HGB aufgenommen und damit kodifiziert: Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit, Grundsatz der Vollständigkeit, Grundsatz der Bilanzkontinuität, Saldierungsverbot, Going-Concern-Prinzip, Grundsatz der Einzelbewertung, Grundsatz der Vorsicht, Imparitätsprinzip, Realisationsprinzip, Niederstwertprinzip, Grundsatz der Periodenabgrenzung, der Bewertungsstetigkeit und das Anschaffungswertprinzip Gruppierung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Bei der Systematisierung der GoB ist in Deutschland die Methode von Leffson (s. folgende Abbildung) die meist anerkannte. Tabelle 2. Systematisierung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nach Leffson (Quelle: COENENBERG, 2000) Bilanzierungszweck obere Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung abgeleitete untere Grundsätze für... Buchhaltung Inventar Bilanz und GuV Leffson bildet aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zwei Gruppen. Zu den oberen Grundsätzen gehören die Grundsätze, die grundsätzliche, allgemeine Forderungen gegenüber Buchführung, Inventur und Bilanzierung beinhalten. Aus diesen oberen Grundsätzen werden die unteren Grundsätze, d.h. die konkreten Vorschriften zur Buchführung, Inventur und Bilanzierung abgeleitet. Unter den oberen Grundsätzen spricht Leffson über zwei Gruppen: über die Rahmengrundsätze und über die ergänzenden Grundsätze. Zu den Rahmengrund-
6 88 É. KARAI sätzen zählt er die Grundsätze der Richtigkeit und Willkürfreiheit, Klarheit, Vollständigkeit. Die Abgrenzungsgrundsätze, der Grundsatz der Stetigkeit sowie der Grundsatz der Vorsicht bilden die Gruppe der ergänzenden Grundsätze Vergleich der oberen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung mit den entsprechenden ungarischen Grundsätzen Die ungarischen, kodifizierten Rechnungslegungsgrundsätze erscheinen im Gesetz über Rechnungslegung (Szt.) getrennt von den anderen Vorschriften, in einer Gruppe in dem zweiten Kapitel über Rechenschaftslegung und Buchführung unter 15 und 16. Die deutschen kodifizierten Grundsätze wurden im HGB nicht hervorgehoben, sie erscheinen in der Umgebung von den Vorschriften, mit denen sie verwandt sind, deshalb kommt es oft vor, daß ein Grundsatz seinen vollen Inhalt aus mehreren Vorschriften bekommt, oder eine Vorschrift mehrere Grundsätze beschreibt. Über den Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit sagt der deutsche Gesetzgeber nur so viel, daß die Eintragungen in Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen richtig vorgenommen werden müssen ( 239 Abs 2 HGB). Das ungarische Gesetz definiert den Grundsatz konkreter, es besagt, daß die in den Geschäftsbüchern und im Jahresabschluß erfaßten Posten auch in der Wirklichkeit auffindbar, beweisbar und von sachverständigen Dritten feststellbar sein müssen, sowie die Bewertung der Posten den im Gesetz vorgeschriebenen Bewertungsgrundsätzen und methoden entsprechen muß (Szt. 15. (3)). Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit erscheint im Handelsgesetzbuch im ersten Abschnitt, der die Vorschriften beinhaltet, die für alle Kaufleute gültig sind. Unter dem ersten Abschnitt erscheint es aber auf zwei Stellen, erstens im ersten Unterabschnitt über Buchführung und Inventar ( 238 Abs. 1 HGB), zweitens im zweiten Unterabschnitt über Jahresabschluß. Im ersten Unterabschnitt wird ausführlich beschrieben, was die Klarheit und Übersichtlichkeit aus Sicht der Buchführung bedeutet: Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Die Buchführung muß so beschaffen sein, daß sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. Über den Jahresabschluß sagt das Gesetz im zweiten Unterabschnitt nur so viel, daß er klar und übersichtlich sein muß. Die ungarischen Gesetzgeber schreiben bei dem Grundsatz der Klarheit (Szt. 15. (4)) vor, daß die Buchführung und der Jahresabschluß klar und übersichtlich sein sollen. Jedoch ist es nicht weniger ausführlich, als die deutsche Formulierung,
7 RECHNUNGSLEGUNGSGRUNDSÄTZE 89 denn es wird hier noch hinzugefügt, daß sie in einer, dem Gesetz über Rechnungslegung entsprechenden Form erstellt werden müssen. Was Klarheit und Übersichtlichkeit also wirklich bedeutet, stellt sich aus den folgenden Kapiteln, besonders aus den Kapiteln über Jahresabschluß, vereinfachten Jahresabschluß, vereinfachte Bilanz und Gewinn- und Verlustableitung, konsoloidierten Jahresabschluß, spezielle Berichtsformen sowie über Buchführung und Belegbearbeitung heraus. Das Handelsgesetzbuch kodifiziert den Grundsatz der Vollständigkeit in Bezug auf die Buchführung gemeinsam mit dem Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit, in dem es vorgeschrieben wird, daß die Eintragungen in Büchern und die sonstigen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden müssen ( 239 Abs. 2 HGB). Die Vollständigkeit des Jahresabschlusses bedeutet, daß er sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge enthalten muß, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist ( 246 Abs. 1 HGB). Der Grundsatz der Vollständigkeit bestimmt also, daß alle Wertänderungen in der Buchführung und im Jahresabschluß erfaßt werden müssen. Welcher Periode die Wertänderungen zuzurechnen sind, wird nicht von diesem Grundsatz, sondern allein von den Abgrenzungsgrundsätzen festgelegt. Das ist nicht der Fall bei der ungarischen Kodifizierung. Laut dem ungarischen Grundsatz der Vollständigkeit müssen alle Geschäftsvorfälle, deren Wirkung auf Vermögen, Kapital und Jahreserfolg im Jahresabschluß erscheinen muß, gebucht werden, sowohl die, die das Geschäftsjahr betreffen, aber erst nach dem Bilanzstichtag und vor dem Bilanzerstellungstag bekannt wurden, als auch die, die aus Geschäftsvorfällen des mit dem Stichtag abgeschlossenen Geschäftsjahres stammen, erst nach dem Stichtag erfolgten, aber vor dem Bilanzerstellungstag bekannt wurden (Szt. 15. (2)). Nach Leffson gehören zu den ergänzenden Grundsätzen die Abgrenzungsgrundsätze, der Grundsatz der Vorsicht und der Bewertungsstetigkeit. Die sog. Abgrenzungsgrundsätze bestehen aus vier Grundsätzen, aus dem Realisationsprinzip, aus dem Grundsatz der sachlichen Abgrenzung, aus dem Imparitätsprinzip und aus dem Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung. Das Realisationsprinzip regelt es zum einen, wann ein Erzeugnis, bzw. Leistung als realisiert gilt, d. h. zu welchem Zeitpunkt der Ertrag entsteht, zum anderen gibt den Wert an, mit dem die noch nicht realisierten Erzeugnisse und Leistungen in der Bilanz ausgewiesen werden müssen. Dieser zweite Aspekt wird auch Anschaffungswertprinzip genannt ( 253 Abs. 1 HGB). Bei der Ermittlung des Erfolges der Rechnungsperiode ist von den anerkannten Erträgen und den denen entsprechenden Aufwendungen (Kosten) der gegebenen Periode auszugehen, unabhängig davon, ob sie bezahlt wurden oder nicht. Die Erträge und die Aufwendungen (Kosten) müssen der Rechnungsperiode zugerechnet werden, in der sie wirtschaftlich aufgetreten sind. In Ungarn wird der Grundsatz als Verursachungsprinzip genannt (Szt. 15. (7)). Der Grundsatz der sachlichen Abgrenzung bestimmt, in welcher Abrechnungsperiode die durch Leistungserstellung verursachten Wertminderungen als Aufwendungen verrechnet werden dürfen. Der Grundsatz regelt es so, daß die Aufwen-
8 90 É. KARAI dungen der Abrechnungsperiode zugerechnet werden müssen, in der die sachlich zuzuordnenden Erträge realisiert werden. Nach dem Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung müssen alle Aufwendungen und Erträge zeitproportional periodisiert werden. Wenn der Zeitraum, auf den die Aufwendungen und die Erträge beziehen, mehrere Rechnungsperioden berührt, müssen die Aufwendungen und Erträge den Rechnungsperioden in dem Verhältnis zugerechnet werden, in welchem sich der zugrundeliegende Zeitraum auf die Rechnungsperioden verteilt (Szt. 16. (2)). Gesetzlich wird in Deutschland nur so viel vorgeschrieben, daß die Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluß berücksichtigt werden müssen ( 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB). Im deutschen Gesetztext erscheint die zeitanteilige Verteilung der Erträge und Aufwendungen auf die Rechnungsperioden nicht, aber gemeinsam mit dem Realisationsprinzip ( 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) bekommt man es als allein richtige Lösung. Das Imparitätsprinzip gibt solch einen Fall an, wobei die anderen Abgrenzungsgrundsätze nicht angewandt werden. Laut dem Imparitätsprinzip müssen die einzelgeschäftlichen Verluste so früh wie möglich erfolgswirksam erfaßt werden, auch wenn die Leistung noch nicht erbracht oder der Leistungszeitraum noch nicht verstrichen ist. Die Verluste müssen erfolgswirksam berücksichtigt werden, sobald sie mit ausreichender Sicherheit bekannt werden. Vom Imparitätsprinzip läßt sich zum einen das Niederstwertprinzip ableiten, das die Herabsetzung des Buchwertes der Vermögensgegenstände verlangt, wenn der tatsächliche Wert (Tageswert) niedriger ist als der Buchwert (bei den Verbindlichkeiten dementsprechend das Höchstwertprinzip). Zum anderen werden auch bestimmte Rückstellungen (z. B. bei voraussichtlichen Verlusten aus schwebenden Geschäften) wegen des Imparitätsprinzips gebilet. Das Vorsichtsprinzip verlangt, daß die Bücher im Interesse der Eigentümer und der Gläubiger vorsichtig geführt werden sollte, d. h. sie kein zu optimistisches Bild über die Lage des Unternehmens vermitteln sollte. Auch für die vorsichtige Bilanzierung sorgen das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip, deshalb werden sie im Handelsgesetzbuch in einer Vorschrift kodifiziert: Es ist vorsichtlich zu bewerten, namentlich sind alle hervorsehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind, Gewinne sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind. ( 252 Abs. 1. Nr. 4 HGB) Laut dem ungarischen Gesetzgeber (Szt. 15. (8)) darf kein Ergebnis ausgewiesen werden, wenn die finanzielle Realisierung des Erlöses, bzw. des Ertrages unsicher ist und bei der Ermittlung des Jahresergebnisses muß das voraussichtliche Risiko und die vermutlichen Verluste durch die Verrechnung von Wertverlusten oder durch die Bildung von Rückstellungen in Betracht gezogen werden, auch wenn sie nach dem Abschlußstichtag, aber vor dem Bilanzerstellungstag bekannt wurden.
9 RECHNUNGSLEGUNGSGRUNDSÄTZE 91 Die Abschreibungen, die Wertverluste und die Rückstellungen sind unabhängig davon zu verrechnen, ob das Ergebnis des Geschäftsjahres Gewinn oder Verlust ist. Nach dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit sollen die bei dem vorangehenden Jahresabschluß angewandten Bewertungsmethoden beibehalten werden ( 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Dieser Grundsatz dient dazu, daß die Informationen der Jahresabschlüsse verschiedener Zeitpunkte vergleichbar werden Vergleich der kodifizierten abgeleiteten Grundsätze mit den entsprechenden ungarischen Grundsätzen Der Grundsatz der Fortführung der Unternehmenstätigkeit (Going- Concern- Prinzip) wurde nach Leffson aus der Forderung nach Vergleichbarkeit der Jahresabschlußinformationen, dem Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit, dem Realisationsprinzip abgeleitet. Laut dem Grundsatz ist davon auszugehen, daß das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit über den Abschlußstichtag fortführt ( 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Es ist interessant, daß in Deutschland das Prinzip als Bewertungsprinzip, aber sowohl bei den IAS-Grundsätzen, als auch bei den Grundsätzen im ungarischen Gesetz als Grundsatz der Grundsätze behandelt wird, das die Grundannahme für die übrigen Grundsätze gibt. Laut dem ungarischen Gesetz wird bei der Erstellung des Jahresabschlusses, sowie bei der Geschäftsbuchführung unterstellt, daß die Unternehmung seine Geschäftstätigkeit für einen überschaubaren Zeitraum fortführen kann, mit dem Aufhören der Geschäftstätigkeit nicht zu rechnen ist (Szt. 15. (1)). Aus dem Grundsatz der Klarheit abgeleitete Prinzipien sind der Grundsatz der Einzelbewertung (Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlußstichtag einzeln zu bewerten, 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) und das Saldierungsverbot (Aktiv- und Passivposten, sowie Aufwendungen und Erträge dürfen gegeneinander nicht verrechnet werden, 246 Abs. 2 HGB). Die ungarischen Gesetzgeber beschreiben den Grundsatz der Einzelbewertung in dem Sinne ausführlicher, daß nicht nur die Bewertung der Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten, sondern auch die Erfassung in den Geschäftsbüchern einzeln erfolgen soll. Laut dem Gesetz werden auch die Fälle als Einzelbewertung betrachtet, wenn gleiche Vermögensgegenstände, die zu verschiedenen Zeitpunkten erworben und meistens in Gruppen registriert wurden, zum Durchschnittspreis oder mit der FIFO-Methode bewertet werden (Szt. 16. (1), 46. (3)). Die ungarische Formulierung zum Saldierungsverbot (Grundsatz der Bruttoverrechnung, Szt. 15. (9)) spricht statt Aktiva- und Passivaposten über Forderungen und Verbindlichkeiten, obwohl das Problem auch bei anderen Aktivaund Passivaposten auftreten kann. Das ungarische Gesetz regelt die Rechnungslegung ansonsten viel detaillierter als das Handelsgesetzbuch, so dürfen z. B. die verschiedenen Rechte mit den Lasten, die geleisteten Anzahlungen mit den erhaltenen Anzahlungen, die aktiven mit den passiven Rechnungsabgrenzungsposten,
10 92 É. KARAI usw. wegen anderer gesetzlichen Vorschriften auch nicht verrechnet werden. Aus dem Grundsatz der Vollständigkeit läßt sich der Grundsatz der Bilanzidentität (Bilanzkontinuität, 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) ableiten, wonach die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahres mit denen der Schlußbilanz der vorhergehenden Geschäftsjahres übereinstimmen müssen. Wenn es nicht so wäre, wäre nicht gewährleistet, daß die Jahresabschlüsse anhand aller Geschäftsvorfälle in der Periode erstellt wurden. Die ungarischen Gesetzgeber fügen dem Grundsatz der Bilanzkontinuität noch das in Deutschland als Grundsatz der Bewertungsstetigkeit genannte Prinzip hinzu, d. h. in den aufeinanderfolgenden Jahren darf die Bewertung der Aktiva- und Passivaposten, sowie die Ermittlung des Jahresergebnisses nur anhand der Regeln des Gesetzes über Rechnungslegung verändert werden (Szt. 15. (6)). Aus dem Realisationsprinzip leitet sich das Anschaffungswertprinzip ( 253 Abs. 1 HGB) ab, nach dem die Vermögensgegenstände, Leistungen höchstens mit den Anschaffungskosten (Herstellungskosten) zu bewerten sind, auch wenn der Wert über die Anschaffungskosten gestiegen ist. In Ungarn erscheint die Bewertung zum Anschaffungswert (Szt. 53. ) nicht unter den Rechnungslegungsgrundsätzen, sondern im Kapitel III (Jahresabschluß) In Ungarn kodifizierte, in Deutschland nicht kodifizierte Rechnungslegungsgrundsätze In Ungarn wurden außer der oben erwähnten Grundsätze noch vier weitere Grundsätze kodifiziert, die in Deutschland auch zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehören und so bei der Erstellung des Jahresabschlusses auch nicht außer acht gelassen werden dürfen ( 243 Abs. 1 HGB), aber im Handelsgesetzbuch sie nicht extra hervorgehoben wurden. Die vier Grundsätze (der Priorität des Inhalts gegenüber Form, der Wesentlichkeit, des Kosten Nutzen Vergleichs, der Ausweisstetigkeit) wurden schon bei den IAS-Grundsätzen bekanntgemacht, hier wird nur die Formulierung des ungarischen Gesetzes vorgeführt. Nach dem Grundsatz der Priorität des Inhalts gegenüber Form müssen die Geschäftsvorfälle im Jahresabschluß und in den Geschäftsbüchern entsprechend ihrem tatsächlichen wirtschaftlichen Inhalt erfaßt werden (Szt. 16. (3)). Gemäß dem Grundsatz der Wesentlichkeit werden alle Informationen aus Sicht des Jahresabschlusses als wesentlich betrachtet, deren Auslassung oder falsche Darstellung (unter einer vernünftigen Grenze) Einfluß auf die Entscheidung der Bilanzleser ausüben kann (Szt. 16. (4)). Die Nützlichkeit der im Jahresabschluß dargestellten Information soll mit den Herstellungskosten der Information im Verhältnis stehen (Szt. 16. (5), Grundsatz des Kosten Nutzen Vergleichs). Nach dem Grundsatz der Ausweisstetigkeit sind Stetigkeit und Vergleichbarkeit hinsichtlich dem Inhalt und der Form des Jahresabschlusses sowie der diesen unterstützenden Buchführung zu sichern (Szt. 15. (5)).
11 RECHNUNGSLEGUNGSGRUNDSÄTZE Auswertung Wenn man einen allgemeinen Vergleich zwischen den GoB im HGB und den Grundsätzen im ungarischen Gesetz macht, bemerkt man sofort, daß im Handelsgesetzbuch zahlenmäßig weniger Grundsätze kodifiziert wurden und sie meistens weniger ausführlich beschrieben werden. Meiner Ansicht nach ist der Grund dafür in der Tradition des Rechnungswesens zu suchen. Das dritte Buch des Handelsgesetzbuchs beinhaltet die Vorschriften für Rechnungswesen, die anhand einer Bilanzierungspraxis mit großer Tradition zustande gekommen sind. Die Praxis gebärte das Gesetz. In Ungarn ist die Lage umgekehrt. Gesetz über Rechnungswesen existiert erst seit 1992 und das Ziel des Gesetzes war und ist, die europäische Bilanzierungspraxis durch Gesetze beizubringen. Die Vorschriften sind deshalb detaillierter und ausführlicher, in Deutschland fußen die Vorschriften auf der üblichen Praxis, deren Nutzung (s. GoB) auch vom Gesetzgeber verlangt wird. Beide Länder übernehmen inhaltlich die Empfehlungen der IAS, auch wenn sie es nicht mit den gleichen Namen oder in mehreren bzw. wenigeren Vorschriften tun. Literatur [1] COENENBERG, A. G., Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse Betriebswirtschaftliche, handelsrechtliche, steuerrechtliche und internationale Grundlagen HGB, IAS, US-GAAP (Landsberg/Lech, Verl. Moderne Industrie, 2000). [2] KOLLER, I. ROTH, W. H. MORCK, I., Handelsgesetzbuch. Kommentar (München, C. H. Beck, 1999). [3] Nemzetközi Számviteli Standardok (Budapest, Saldo, 1991). [4] SCHMALEN, H., Grundlagen und Probleme der Betriebswirtschaft (Köln, Wirtschaftsverlag Bachem, 1992). [5] Számviteli törvény 2001 (Budapest, Verzál, 2000, szept.).
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