Sind Sachbezeichnungen als Domain-Namen rechtlich zulässig?
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- Käte Schulz
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1 Publiziert in SWITCHjournal 1/2002 Sind Sachbezeichnungen als Domain-Namen rechtlich zulässig? Dr. Ursula Widmer, Rechtsanwältin, Bern Im Internet werden von Unternehmen häufig Sachbezeichnungen als Domain- Namen verwendet. Auch wenn die Rechtsprechung in der Schweiz noch nicht gefestigt ist, sind Sachbezeichnungen grundsätzlich als Domain-Namen zulässig. Allerdings dürfen sie bei den Internet-Benutzern nicht falsche Erwartungen wecken oder zu gar zu Verwechslungen führen. Sachbezeichnungen werden sehr häufig als Domain-Namen verwendet. In der von SWITCH betreuten Top-Level-Domain.ch sind für die Schweiz z.b. die folgenden Sachbezeichnungen als Domain-Namen registriert: buch.ch, buecher.ch, computer.ch, computermarkt.ch, ferien.ch, reise.ch, reisen.ch, software.ch. Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Immer öfter wird jedoch die Frage gestellt, ob die Verwendung von solchen Sachbegriffen für die Website eines einzelnen Unternehmens rechtlich überhaupt zulässig ist. Es sind in letzter Zeit insbesondere Fälle bekannt geworden, in denen Schweizer Unternehmen von deutschen Anwälten sogenannte Abmahnschreiben erhalten haben. In diesen Schreiben wurden die Unternehmen aufgefordert, auf die Verwendung ihres aus einer Sachbezeichnung gebildeten Domain-Namens zu verzichten. Begründet wurde diese Forderung mit der Behauptung, dass die Verwendung von Sachbegriffen als Domain-Name unlauteren Wettbewerb darstelle. Keine eindeutige Rechtsprechung Die Tatsache, dass zahlreiche Domain-Namen aus Sachbezeichnungen gebildet sind, bedeutet noch nicht, dass dies auch rechtlich zulässig ist. Es besteht in der Schweiz zu dieser Frage noch keine gefestigte Rechtsprechung. Der einzige Fall, der
2 Seite 2 in diesem Zusammenhang relevant ist, ist der Entscheid des schweizerischen Bundesgerichts vom 2. Mai 2000 betreffend die Verwendung der geographischen Bezeichnung Berner Oberland als Domain-Name berneroberland.ch (zu finden auf der Website des Bundesgerichtes bei Eingabe des Suchbegriffes Berner Oberland ). In Deutschland, dessen Recht gegen den unlauteren Wettbewerb mit demjenigen der Schweiz wesentliche Gemeinsamkeiten aufweist, liegen bereits mehrere Gerichtsurteile vor. Diese widersprechen sich jedoch. Bekannt sind einerseits der vom Oberlandesgericht Frankfurt a.m. beurteilte Fall wirtschaft-online.de, in welchem das Gericht keine Unlauterkeit angenommen hatte, und andererseits der Fall mitwohnzentrale.de, in welchem das Oberlandesgericht Hamburg eine Verletzung des Wettbewerbsrechts bejahte. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Frage der Verwendung von Sachbezeichnungen als Domain-Namen durch die Gerichte weder in Deutschland noch in der Schweiz eindeutig entschieden ist. Freie Verwendung von Sachbezeichnungen im Wirtschaftsverkehr Nach schweizerischem Recht ist die Verwendung von Sachbegriffen im Wirtschaftsverkehr zur Bezeichnung von Unternehmen, Waren und Dienstleistungen grundsätzlich zulässig. Zulässig ist es insbesondere auch, dass ein Unternehmen für sich und die von ihm angebotenen Waren und Dienstleistungen unter einer Sachbezeichnung Werbung betreibt. Gelingt es dem Unternehmen, einen Begriff, der ursprünglich eine Sachbezeichnung war, als Kennzeichen für sich, seine Waren oder Dienstleistungen durchzusetzen, kann es diesen Begriff sogar als Marke schützen lassen. Man spricht in diesem Fall von sogenannten durchgesetzten Marken. Bekannt als Beispiele von durchgesetzten Marken sind in der Schweiz insbesondere die Titel von Zeitungen, wie Berner Zeitung oder Tages-Anzeiger. Diese Begriffe, die ursprünglich rein sachbezeichnenden Charakter hatten, haben sich als Marke für bestimmte Zeitungsprodukte durchgesetzt.
3 Seite 3 Bei dieser grundsätzlichen Ausgangslage muss es auch zulässig sein, eine Sachbezeichnung als Domain-Namen zu registrieren. Wenn dabei einem Unternehmen aus der Registrierung eines solchen Domain-Namens ein Vorteil erwächst, weil der gleiche Domain-Name durch kein weiteres Unternehmen registriert werden kann, so ist dies für sich allein nicht rechtswidrig. Es ist dies vergleichbar dem Vorteil, den ein Unternehmen gegenüber anderen Firmen hat, weil sich seine Geschäftsräumlichkeiten an einer besseren Lage befinden oder weil es günstigere Finanzierungsmöglichkeiten hat, indem beispielsweise der Geschäftsinhaber über ererbtes Vermögen verfügt. Der Einsatz derartiger Vorteile im Wettbewerb ist nicht unzulässig und rechtlich nicht zu beanstanden. Damit die Verwendung einer Sachbezeichnung als Domain-Name wettbewerbswidrig ist, müssen somit zusätzliche Gesichtspunkte hinzutreten. Kanalisierungseffekt In dem erwähnten deutschen Fall mitwohnzentrale.de hat das Gericht angenommen, die Verwendung von Sachbezeichnungen als Domain-Namen würde in Bezug auf Kunden zu einem Kanalisierungseffekt führen, wodurch die Konkurrenten unzulässig behindert würden. Das Gericht ging dabei davon aus, dass die Internet-Nutzer häufig keine Suchmaschinen benutzen, sondern direkt Domain-Namen eingeben würden, die sie aus der Bezeichnung für die von ihnen gesuchten Angebote bilden. Wer also im Internet z.b. Bücher oder Wein bestellen will, gibt buch.ch oder buecher.ch bzw. wein.ch ein. Ob diese Annahme tatsächlich zutrifft, scheint fraglich. Da den Internet-Nutzern bekannt ist, dass es für Bücher, Wein, Reisen etc. im Internet zahlreiche Anbieter gibt, werden sie kaum in der vom Gericht angenommenen Weise nach Angeboten suchen. Die Benutzer können bei diesem Vorgehen nicht wissen, ob sie ein Angebot finden, das ihren Ansprüchen genügt. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Internet- Benutzer andere Suchstrategien anwenden werden, und z.b. über eine Suchmaschine oder über ein Internet-Portal ein ihnen zusagendes Angebot auswählen.
4 Seite 4 Sollte ein Internet-Benutzer trotzdem nach dieser Methode suchen, wird er sich jedenfalls bewusst sein, dass er auf diese Weise nur eines von zahlreichen gleichartigen Angeboten rein zufällig aussucht. Unter diesen Voraussetzungen stellt die Verwendung eines aus einer Sachbezeichnung gebildeten Domain-Namens keine Beeinflussung und keine Ausnutzung einer besonderen Erwartungshaltung der Internet-Benutzer dar, die zu einer mit den Grundsätzen des fairen Wettbewerbs nicht vereinbaren Kanalisierung der Kunden führen könnte. Anders verhält es sich allerdings dann, wenn die Internet-Benutzer mit einem Sachbegriff bestimmte Erwartungen verbinden, die der Domain-Nameninhaber für sich auszunutzen hofft, jedoch nicht erfüllt. In solchen Fällen liegen typische Fälle unlauteren Verhaltens vor, wie sie nachfolgend näher analysiert werden. Täuschungsverbot Das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb verbietet insbesondere jedes die Kunden täuschende Verhalten. Wählt ein Unternehmen eine Sachbezeichnung als Domain-Name und betreibt darunter eine Website, so darf dadurch keine Täuschung von Kunden erfolgen. Eine Täuschung liegt vor, wenn die Kunden einen falschen Eindruck über das betreffende Unternehmen oder die von diesem angebotenen Waren und Dienstleistungen erhalten. So wäre es z.b. täuschend und daher unzulässig, wenn unter dem Domain-Namen rechtsanwalt.ch oder arzt.ch von Personen eine Beratung in Rechts- oder Gesundheitsfragen angeboten würde, bei denen es sich nicht um zugelassene Anwälte oder Ärzte handelt. Auch bei der Verwendung von Begriffen wie z.b. Supermarkt oder Möbelzentrum etc. kann es zu einer Täuschung der Kunden kommen. Mit Begriffen der genannten Art wird in der Regel eine gewisse Bedeutung und Grösse des betreffenden Unternehmens und seines Angebotes verbunden. Verwendet daher ein kleiner Möbelladen mit einem limitierten Angebot moebelzentrum.ch als Domain-Name, unter wel-
5 Seite 5 chem er seine Website betreibt, so ist es nahe liegend, dass eine Täuschung der Kunden vorliegt. Verbot der Herbeiführung von Verwechslungen Unter besonderen Voraussetzungen kann die Verwendung von Sachbezeichnungen als Domain-Namen auch zu Verwechslungen mit anderen Anbietern führen. Dann kann Unlauterkeit vorliegen, wenn der Inhaber des Domain-Namens kein besonderes schützenswertes Interesse an der Verwendung des betreffenden Domain-Namens hat, insbesondere wenn er den Domain-Namen gerade deshalb wählt, um die Verwechslungen herbeizuführen, um daraus einen Vorteil für sich zu ziehen. Dies entspricht der Konstellation im Fall berneroberland.ch. Das Gericht ging in diesem Fall davon aus, dass die Internet-Benutzer bei Domain- Namen, die aus geographischen Bezeichnungen gebildet sind, insbesondere wenn es sich um bekannte Tourismusregionen handelt, erwarten, dass die betreffende Website von einer offiziellen Organisation aus der betreffenden Region betrieben wird. Im berneroberland.ch -Fall waren beweisbar Internet-Benutzer dem Irrtum erlegen, bei der von ihnen unter dem Domain-Namen berneroberland.ch gefundenen Website habe es sich um diejenige des Vereins Berner Oberland Tourismus, der offiziellen Tourismusorganisation des Berner Oberlandes, gehandelt. Unter diesen Umständen erwies sich die Verwendung des Domain-Namens berneroberland.ch durch ein Informatikunternehmen als unlauter, weil die Internet-Nutzer über den Betreiber der Website getäuscht wurden und es deshalb zu Verwechslungen kam. Vergleichbare Situationen sind auch bei Sachbezeichnungen denkbar, wenn die Internet-Nutzer mit diesen bestimmte Vorstellungen über den Betreiber der betreffenden Website verbinden. Solche Fälle dürften jedoch selten sein. Sie sind allenfalls bei Sachbegriffen denkbar, die zur Bezeichnung von Institutionen oder Organisationen verwendet werden, die in der Regel über eine gewisse zumindest lokale oder regionale Sonderstellung verfügen, wie z.b. Taxizentrale oder Verkehrsbetriebe.
6 Seite 6 Fazit Grundsätzlich sind Sachbezeichnungen als Domain-Namen zulässig. Es ist dabei jedoch im Einzelfall darauf zu achten, dass die Wahl der Sachbezeichnung zu keiner Täuschung über den Charakter des Unternehmens des Domain-Nameninhabers o- der der von diesem angebotenen Waren und Dienstleistungen und auch nicht zu Verwechslungen mit anderen Unternehmen führt. Solche Täuschungen und Irreführungen sind möglich, wenn die Internet-Nutzer mit bestimmten Sachbegriffen konkrete Erwartungen in Bezug auf den Inhaber des Domain-Namens verbinden, die von diesem jedoch nicht erfüllt werden. Dr. Ursula Widmer ist Rechtsanwältin in Bern. Ihre Kanzlei, Dr. Widmer & Partner, ist spezialisiert auf Fragen des Informatik-, Internet-, E-Business und Telekommunikationsrechts.
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