1 Einleitung. epidemiologische Krebsregisterdaten. in Deutschland Einleitung
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- Helmuth Armbruster
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1 1 1 Einleitung 1.1 Epidemiologische Krebsregistrierung in Deutschland Alexander Katalinic, Stefan Hentschel Einleitung Krebsregister haben das Auftreten und die Trendentwicklung aller Formen von Krebserkrankungen zu beobachten, insbesondere statistisch-epidemiologisch auszuwerten, Grundlagen der Gesundheitsplanung sowie der epidemiologischen Forschung einschließlich der Ursachenforschung bereitzustellen und zu einer Bewertung präventiver und kurativer Maßnahmen beizutragen. Sie haben vornehmlich anonymisierte Daten für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung zu stellen. So beschreibt das im Jahr 2000 ausgelaufene Bundeskrebsregistergesetz die Aufgaben der epidemiologischen Krebsregister. Eine vergleichbare Aufgabenbeschreibung haben heute alle Bundesländer in ihren Landeskrebsregistergesetzen. Hinter diesem nüchternen Gesetzestext stehen wichtige gesundheitspolitische und wissenschaftliche Fragen, wie zum Beispiel: Wie häufig sind Krebserkrankungen? Wie ist die zeitliche Entwicklung und gibt es räumliche (geographische) Häufungen? Wie ist das Überleben nach Krebs? Was sind die Ursachen von Krebs? Werden Krebserkrankungen früh erkannt und nach aktuellen Standards behandelt? Was bewirken Früherkennungsprogramme? Für die Beantwortung dieser Fragen werden aussagekräftige epidemiologische Krebsregisterdaten für ganz Deutschland benötigt. An dieser Stelle sei kurz auf den Unterschied zu den klinischen Krebsregistern der deutschen Tumorzentren, die eng mit den epidemiologischen Krebsregistern zusammenarbeiten, hingewiesen. Im Gegensatz zu den oben genannten Aufgaben der epidemiologischen Register und der Voraussetzung der bevölkerungsbezogenen flächendeckenden Erfassung von neuen Krebserkrankungen arbeiten die klinischen Krebsregister auf Basis eines umfangreicheren Datensatzes als Krankheitsverlaufsregister mit Bezug zur behandelnden Klinik bzw. mit Bezug zur Versorgungsregion und dem Fokus der Qualitätssicherung. Die klinischen Krebsregister in Deutschland haben sich in der ADT (Arbeitsgemeinschaft der deutschen Tumorzentren) zusammengeschlossen. Weitere Informationen zu den klinischen Krebsregistern finden sich unter Beide Registerformen, klinische wie epidemiologische, sind wichtige Bestandteile zur umfassenden Bewertung des Krebsgeschehens in Deutschland. Dass die epidemiologische Krebsregistrierung in Deutschland nichts Neues ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Dass sich Vieles getan hat und noch etwas zu tun verbleibt, ist die aktuelle Situation.
2 Einleitung Historische Entwicklung Die epidemiologische, also bevölkerungsbezogene Krebsregistrierung in Deutschland kann eine lange Tradition aufweisen. Im Jahre 2003 konnte das Gemeinsame Krebsregister (GKR) der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen sein 50-jähriges Bestehen feiern. Im Einzugsgebiet des GKR wurden innerhalb dieser Zeit fast 2,7 Millionen Krebserkrankungen dokumentiert, was das Register auch international zu einer der größten Datensammlungen auf dem Gebiet der Krebsepidemiologie macht [1, 2, 3]. Das älteste deutsche Krebsregister wurde 1926 in Hamburg, damals in Verbindung mit dem Krebsfürsorgedienst, gegründet [4]. Seit 1967 werden im Saarland flächendeckend Krebserkrankungen registriert [5]. Die über Jahrzehnte hinweg konstante und vollzählige Erfassung von Krebsneuerkrankungen im Saarland ermöglicht auch die valide Darstellung von langfristigen Inzidenzverläufen bis in die Gegenwart. In einem Teilgebiet von Nordrhein-Westfalen, dem Regierungsbezirk Münster, kann man inzwischen auch auf eine über 20-jährige epidemiologische Krebsregistrierung (Beginn 1985) zurückblicken [6]. Einen besonderen Erfolg der Krebsregistrierung stellt die nun schon über 25 Jahre andauernde Krebsregistrierung bei Kindern und Jugendlichen durch das Deutsche Kinderkrebsregister dar wurde in Baden-Württemberg mit einem eigenen Krebsregistergesetz die Grundlage für die epidemiologische Erfassung von Krebserkrankungen gelegt [7]. Nach der zwischenzeitlichen Schließung dieses Registers im Jahr 2004 steht hier ein kompletter Neubeginn der epidemiologischen Krebsregistrierung an. Trotz dieser insgesamt positiven Beispiele blieben große Teile Deutschlands, was die bevölkerungsbezogene Krebsregistrierung betrifft, lange Zeit nur weiße Flecken auf der Landkarte. Erst mit dem Inkrafttreten des Bundeskrebsregistergesetzes (KRG) im Jahr 1995 sollte sich diese Situation grundlegend ändern. Dieses Bundesgesetz verpflichtete alle Bundesländer in der Zeit bis zum zur Einrichtung von epidemiologischen Krebsregistern auf gesetzlicher Grundlage [8, 9]. Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Bundeskrebsregistergesetzes hat sich das Bild der bevölkerungsbezogenen Krebsregistrierung in Deutschland deutlich gewandelt. In allen Bundesländern wurden epidemiologische Krebsregister mit entsprechender gesetzlicher Grundlage eingerichtet. In kurzer zeitlicher Folge wurden neue Landesgesetze entwickelt und in Kraft gesetzt begann in Rheinland-Pfalz (Pilotphase ab 1992) [10] und in Schleswig-Holstein [11], 1998 in Bayern [12] und in Bremen [13] und 2000 in Niedersachsen (Pilotphase ab 1995) [14] und in Hessen der Aufbau von epidemiologischen Krebsregistern auf eigener gesetzlicher Grundlage. Mitte 2005 wurde in Nordrhein- Westfalen ein neues Krebsregistergesetz verabschiedet, das die Registrierung in allen Landesteilen beinhaltet, in Baden-Württemberg ist seit 2006 ebenfalls eine neues Krebsregistergesetz verabschiedet (Abbildung 1-1) Entwicklung von Landesgesetzen auf Basis des Bundeskrebsregistergesetzes Das Bundeskrebsregistergesetz (KRG, ) sollte nicht nur die Einrichtung von flächendeckenden Krebsregistern auf gesetzlicher Basis in den einzelnen Bundesländern bewirken, sondern auch eine einheitliche Methodik der Krebsregistrierung für Deutschland insgesamt gewährleisten. Dazu wurde in den Gesetzestext des KRG ein detailliertes Modell (Vertrauensstelle, Registerstelle, siehe Abschnitte 1.2 und 2.1) zur epidemiologischen Krebsregistrierung implementiert. Mit diesem Modell soll gewährleistet werden, dass die namentlichen Angaben einer Person mit Krebs nur für kurze Zeit im Klartext vorliegen. In allen Bundesländern ohne Krebsregistrierung wurden auf dieser Basis bis Ende 1999 eigene Landeskrebsregistergesetze verabschiedet. Von den alten Krebsregistern führt das GKR seit 1995 das KRG, seit 1999 in Zusammenhang mit einem Staatsvertrag der sechs beteiligten Länder, als Arbeitsgrundlage. Das Krebsregister Saarland vollzog die Umstellung im Sinne des KRG zu Beginn des Jahres Damit arbeiten heute, wenn auch mit teilweise deutlichen Modifikationen, fast alle epidemiologischen Krebsregister nach den Vorgaben des KRG. Denn obwohl das Ziel des KRG eine
3 Epidemiologische Krebsregistrierung in Deutschland 3 Abbildung 1-1. Krebsregistrierung in Deutschland, Stand Juni 2007.
4 Einleitung 4 Vereinheitlichung der Krebsregistrierung in Deutschland sein sollte, wurden zwei Öffnungsklauseln in das Gesetz eingebracht. Eine Klausel erlaubte Bundesländern mit bereits bestehenden Registern, an ihrem bisherigen Modell festzuhalten; für neue Register durften die Bundesländer Modifikationen des Bundesmodells vornehmen. Die zweite Klausel erlaubte eine Abweichung von der Flächendeckung der Krebsregistrierung. Beide Klauseln wurden in der Vergangenheit ausgiebig genutzt, sodass sich heute in Deutschland eine heterogene Krebsregisterlandschaft mit vielen unterschiedlichen Landesgesetzen bzw. Ausführungsbestimmungen findet [15]. Obwohl die ständige Weiterentwicklung der Landesgesetze durchaus positive Aspekte hat, stellt die nun vorzufindende Heterogenität ein deutliches Problem für länderübergreifende Fragestellungen (Abgleich zwischen Registern, Austausch von Daten etc.) dar Aktueller Stand der epidemiologischen Krebsregistrierung in Deutschland Eine Übersicht über die wichtigsten Fakten zu den deutschen epidemiologischen Krebsregistern findet sich in Tabelle 1-1 und Abbildung 1-1. Erfassungsgebiet und Flächendeckung Für eine flächendeckende Krebsregistrierung in ganz Deutschland sprechen viele Argumente. Regionale Ereignisse, wie Chemieunfälle (z. B. Freisetzung von Epichlorhydrin beim Güterzugunglück in Bad Münder, 2002; jetzt unter Beobachtung des Krebsregisters Niedersachsen) oder Fragen nach Krebserkrankungen in der Nähe von Kernkraftwerken, Müllverbrennungsanlagen oder Stromleitungen, können nur bei flächendeckender Krebsregistrierung untersucht bzw. beantwortet werden. Auch die umfassende und regionalbezogene Gesundheitsberichterstattung Krebs macht die flächendeckende Registrierung von Krebserkrankungen erforderlich. Die flächendeckende Krebsregistrierung ist für ganz Deutschland im Aufbau (Tabelle 1-1). Im mit 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wird seit Mitte 2005 stufenweise ein flächendeckendes Krebsregister aufgebaut. In Baden-Württemberg wird nach dem Neubeginn ab dem Jahr 2006 ebenfalls am flächendeckenden Ausbau der Krebsregistrierung gearbeitet. In Hessen ist nach zuvor alleiniger Registrierung im Regierungsbezirk Darmstadt ab dem Jahr 2007 ebenfalls eine flächendeckende Krebsregistrierung gesetzlich festgelegt. Damit dürfte die Flächendeckung für Deutschland in den kommenden Jahren zügig erreicht werden. Im Jahr 2006 dürften bereits etwa 75 % der gesamtdeutschen Bevölkerung unter Beobachtung der epidemiologischen Krebsregister stehen. Meldeverfahren und Organisationsstruktur Bei der Umsetzung des KRG wurde in nahezu allen Bundesländern zunächst das im KRG vorgeschlagene Melderecht eingeführt (Ausnahme: Sachsen und Schleswig-Holstein). Im Laufe der Zeit hatten hauptsächlich wegen der besseren Praktikabilität und Durchsetzbarkeit der Krebsregistrierung immer mehr Bundesländer auf die Meldepflicht umgestellt, sodass heute 13 von 16 Ländern eine Form der Pflichtmeldung implementiert haben (Tabelle 1-1). Organisatorisch arbeiten die epidemiologischen Krebsregister überwiegend nach der Vorgabe des KRG, aufgeteilt in Vertrauensstelle (VS) und Registerstelle (RS), wobei zahlreiche Modifikationen existieren. Neue Entwicklungen Neue Wege geht das Bundesland Nordrhein- Westfalen. Das in Münster angesiedelte Krebsregister sieht eine obligate elektronische Meldung vor, wobei die Registermeldung bevorzugt über die onkologische Qualitätssicherung erfolgen soll. Die Daten werden nicht mehr an eine Vertrauensstelle im herkömmlichen Sinn, sondern zunächst an einen Pseudonymisierungsdienst, angesiedelt bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, übermittelt. Dieser verschlüsselt automatisch die zuvor bei der Meldestelle anonymisierten personenidentifizierenden Daten (analog zu einer üblichen VS) und sendet diese dann als Pseudonyme an das Register weiter. In Baden-Württemberg wurde im Jahre 2006 ein Krebsregistergesetz erlassen, welches sowohl die klinische als auch die epidemio-
5 Epidemiologische Krebsregistrierung in Deutschland 5 logische Krebsregistrierung berücksichtigt. Über die Vertrauensstelle soll zunächst eine klinische Registerstelle beliefert werden, die sich im Wesentlichen um die onkologische Qualitätssicherung kümmert. Aus dem Datenbestand der klinischen Registerstelle sollen dann die Tumormeldungen an die epidemiologische Registerstelle weitergegeben werden, wo die epidemiologischen Auswertungen durchgeführt werden sollen [16]. Tabelle 1-1. Überblick über die Krebsregistrierung in den deutschen Bundesländern. Krebsregister Einwohner Grad der Flächendeckung Meldeverfahren Baden- Württemberg 10,7 Mio. 100 % (1994) 2006/7 Beginn der epidemiologischen Krebsregistrierung Organisation Vollzähligkeit Krebs gesamt ohne DCO* Pflicht VS/RS Bayern 12,4 Mio. 100 % 1998 Recht VS/RS % Bremen 0,7 Mio. 100 % 1998 Recht, Pflicht für Pathologen Gemeinsames Krebsregister (GKR) 16,8 Mio. 100 % 1953 VS/RS VS/RS > 95 % Brandenburg 2,6 Mio. 100 % 1953 Pflicht % Berlin 3,4 Mio. 100 % 1953/1995 Pflicht % Mecklenburg- Vorpommern 1,7 Mio. 100 % 1953 Pflicht % Sachsen 4,3 Mio. 100 % 1953 Pflicht % Sachsen-Anhalt 2,5 Mio. 100 % 1953 Pflicht % Thüringen 2,4 Mio. 100 % 1953 Pflicht % Hamburg 1,7 Mio. 100 % 1926 Recht, Pflicht für Pathologen Hessen 6,0 Mio. 100 % 2003 (Pilotphase 1998) Niedersachsen 8,0 Mio. 100 % 2000 Recht, Pflicht (Pilotphase 1995) für Pathologen Nordrhein-Westfalen 18,1 Mio. 100 % 1985/2005 Pflicht (RB Münster/ NRW) Rheinland-Pfalz 4,1 Mio. 100 % 1997 (Pilotphase 1992) Zentral % Pflicht VS/RS VS/RS ~ 90 % Zentral (virtuelle VS) > 95 % (RB Münster) Pflicht VS/RS % Saarland 1,1 Mio. 100 % 1967 Pflicht VS/RS > 95 % Schleswig-Holstein 2,8 Mio. 100 % 1997 Pflicht VS/RS > 95 % Deutsches Kinderkrebsregister 13,0 Mio. (Kinder unter 15) 100 % 1980 Freiwillig Zentral > 95 % (außer für Hirntumoren) VS:Vertrauensstelle, RS: Registerstelle, RB: Regierungsbezirk, *Diagnosejahr 2003
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