Schiefergasgewinnung in Deutschland Rettungsring oder Bedrohung?

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1 FACHBERICHTE Schiefergas Schiefergasgewinnung in Deutschland Rettungsring oder Bedrohung? Schiefergas, Fracking, Trinkwasser Mechthild Baron Erdgasgewinnung mit Fracking: Retter aus der Energie not oder trojanisches Pferd mit unabsehbaren Folgen für Umwelt und Gesundheit? Ausgehend von Grundlageninformationen über Verfahren und Mengenpotenzial für Deutschland sollen die Argumente der Befürworter und der Gegner kurz kommentiert werden. Ein nüchterner Umgang mit einem Energieträger, der vielleicht als eiserne Reserve für kommende Generationen dienen kann, wäre wünschenswert. Für die Energiewende ist Schiefergas von geringer Bedeutung, da es nicht kurzfristig zur Verfügung steht und der Gasbedarf mittelfristig abnehmen wird. Shalegas in Germany Production of shale gas using the so-called fracking technology is currently the subject of a heated energy and environmental policy debate. Starting with basic information on procedures and the potential of shale gas in Germany the arguments of the proponents and the opponents will be briefly commented. From an energy policy point of view Fracking is not necessary because it cannot make a significant contribution to the German Energiewende. 1. Schiefergas Teil der Lösung oder Teil des Problems? Erdgas ist weltweit ein Energieträger mit wachsender Bedeutung. Konventionell wird es durch Bohrungen in reinen Erdgasfeldern oder als Nebenprodukt bei der Erdölförderung gewonnen, wobei es i. d. R. unter hohem Druck steht und nach Öffnung der Lagerstätte kontrolliert an die Erdoberfläche strömt. Erdgas, das in gering durchlässigem Gestein eingebunden ist, lässt sich dagegen erst nach Aufschluss des Gesteins mittels hydraulic fracturing, kurz Fracking, fördern. Bei diesem Verfahren wird Flüssigkeit mit hohem Druck in die erdgashaltigen Gesteinsschichten (Kohleflöze, Sandstein, Schiefer) verpresst. Durch den Druck entstehen Risse, über die das Erdgas abgezogen werden kann. Je nach Rohstoff das Verfahren wird auch für Erdöl und Erdgas in konventionellen Lagerstätten sowie in der Geothermie angewandt, geologischen Bedingungen und Verfahren enthält die verpresste Flüssigkeit Hilfsstoffe (Stabilisatoren, Biozide, Stützkörper und andere Additive). Die Gewinnung von Erdgas aus dichten Tongesteinen (Schiefergas) mithilfe von Fracking hat seit 2010 rasante Wechsel in der Bewertung erfahren. Waren anfangs die sinkenden Gaspreise in den USA, die durch ein großes Angebot an heimisch gefördertem Schiefergas verursacht wurden, Anlass für große Hoffnungen auf 1 Der Artikel beruht auf der Stellungnahme Fracking zur Schiefergasgewinnung Ein Beitrag zur energie- und umweltpolitischen Bewertung des Sachverständigenrates für Umweltfragen [1]. einen positiven Wirtschaftsschub, löste der Film Gasland im gleichen Jahr ein tiefes Misstrauen in der Öffentlichkeit gegenüber dieser Technik aus. Als Folge begannen auch die Diskus sionen in Europa und Deutschland, welche Rolle Schiefergas als Energieträger spielen kann und soll. Die aktuellen Entwicklungen in Osteuropa schüren derzeit die Ängste vor der Energieabhängigkeit von politisch schwer berechenbaren Nationen, sodass die heimischen Energievor räte erneut im Fokus der Diskussion stehen. Versorgungs sicherheit ist das Zauberwort, das die Überlegungen, in Deutschland Schiefergas zu fördern, wieder beflügelt. 2. Schiefergasgewinnung mit Fracking Verfahren und Potenzial Unkonventionelle Erdgasvorkommen waren lange Zeit technisch und wirtschaftlich nicht förderbar. Erst durch die Weiterentwicklung spezieller Bohrtechniken mit hori zontaler Ablenkung aus einem vertikalen Bohrschacht in Verbindung mit Fracking sind diese Vorkommen mit vertretbarem Aufwand zugänglich. Das Unkonventionelle an dieser Erdgasgewinnung sind also die Besonderheiten des Speichergesteins (hohe Dichte, geringerer Gasdruck, geringere Migrationsneigung) in Verbindung mit einer modifizierten Fracking-Methode (Bild 1). Die Weiterentwicklung des Verfahrens für die Gewinnung von Schiefergas betrifft die Tiefe der Bohrungen (700 bis 6000 m) in Verbindung mit der Horizontalbohrtechnik sowie unterschiedliche Zusätze im Frack- Fluid. Dabei wird eine Tiefenbohrung in die gasführen gwf-wasser Abwasser

2 Schiefergas FACHBERICHTE Bild 1. Fracking-Verfahren [2]. EurActiv.de 2012 den Gesteinsschichten abgeteuft und horizontal bis zu einer Länge von mehreren Kilometern abgelenkt. Die Verrohrung in den Horizontalbohrungen wird vor der Frack-Operation mechanisch perforiert. Anschließend wird unter hohem Druck (bis zu 1000 bar) ein Frack-Fluid (eine Mischung aus Wasser und Additiven) in den Untergrund gepumpt, um Risse zu erzeugen und diese für den Abfluss des freigesetzten Gases offenzuhalten. Neben Sand oder Keramikpartikeln werden den Frack-Fluiden in Abhängigkeit von den geologischen Bedingungen verschiedene chemische Additive zugesetzt. Der Prozess des Aufbrechens des Speicher gesteins dauert wenige Stunden. Mit der Druckentlastung beginnt die Freiförderphase, in der das Flowback, bestehend aus Frack-Fluid und Lagerstättenwasser, an die Oberfläche gelangt. Mit der Zeit stellt sich eine konstante Menge an Flowback ein, in dem der Anteil des Frack- Fluids gegenüber dem Lagerstättenwasser abnimmt. Die Menge hängt von der Lagerstätte und den geologischen Gegebenheiten ab. Anteile der Frack-Fluide verbleiben dauerhaft im Boden. Während der Produktionsphase strömt das freigesetzte Gas durch die Bohrung an die Oberfläche und wird dort aufgefangen. Es enthält Feuchtigkeit, die übertägig kondensiert und als Teil des Flowbacks entsorgt werden muss. Der Flowback kann entweder an anderer Stelle in den Untergrund verpresst oder aufbereitet und eingeleitet bzw. wiederverwendet werden. Lagerstättenwasser, das auch bei der konventionellen Gasgewinnung anfällt, wird derzeit in Deutschland zumeist in Disposalbohrungen oder in alte Produktionsstandorte verpresst [3]. In Deutschland wird Fracking in dichten Sand- und Kalkgesteinen (tight gas) seit den 1960er Jahren eingesetzt, um die Ausbeute in Randbereichen zu erhöhen. Erfahrungen bei der Erschließung von Schiefergasvorkommen über Horizontalbohrungen liegen bisher nicht vor, es gab lediglich erste Erkundungsbohrungen. Innerhalb von Europa sind laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe [4] und der U.S. Energy Information Administration [5] die Hauptvorkommen an Schiefergas in Polen, Frankreich, Rumänien und Dänemark zu finden. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich diese Schätzwerte aufgrund von Wissenszuwachs verschieben werden, wie bereits in den Veränderungen zwischen 2011 und 2013 [5, 6] deutlich wird (Bild 2). Innerhalb Deutschlands werden nennenswerte Poten ziale in Norddeutschland (vor allem in Nordrhein- Westfalen und Niedersachsen) vermutet. Die BGR schätzt die förderbaren Schiefergasressourcen Deutschlands im Mittel (etwas höher als die EIA) auf etwa 1,3 Bill. m 3. Sie legt dafür Schiefergasressourcen zwischen 6,8 bis 22,6 Bill. m 3 zugrunde und nimmt eine Förderquote von 10 % an. Nach dieser Einstufung sind die Schiefergasressourcen in Deutschland erheblich größer als die Erdgasressourcen in konventionellen Lagerstätten (0,02 Bill. m 3 ) [7]. Zur Veranschaulichung der Mengenverhältnisse wird häufig das Konzept der statischen Reichweite verwendet, bei dem gleichbleibender Verbrauch und gwf-wasser Abwasser 1317

3 FACHBERICHTE Schiefergas [Bill. m³] Ressourcen technisch förderbar (Schätzung EIA 2011) Ressourcen technisch förderbar (Schätzung EIA 2013) Bild 2. Technisch förderbare Schiefergasressourcen in Europa (Schätzungen EIA 2011 und 2013) [eigene Darstellung, Datenquelle: 5; 6]. eine vollstän dige Förderung vorausgesetzt wird. Die geschätzten technisch förderbaren Schiefergasressourcen von 0,7 bis 2,3 Bill. m 3 hätten für Deutschland eine statische Reichweite von 8 bis 27 Jahren. Allerdings sind in diesen Schätzungen Umweltschutzauflagen und Ausschlussflächen (wie z. B. für den Trinkwasserschutz) nicht berücksichtigt. Die unter den Restriktionen des Umweltschutzes sowie anderweitiger Raumansprüche förderbaren Mengen an Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten sind vermutlich deutlich geringer als die nach bisherigen Kriterien ermittelten Potenziale. Ein weiterer Aspekt, der die Marktpotenziale des Schiefergases erheblich einschränken dürfte, ist die Wirtschaftlichkeit der Förderung, wenn die Produktion nur unter hohen Umweltauflagen wie es in Deutschland unstrittig wäre stattfinden darf. 3. Umweltrisiken Die Aufsuchung und Gewinnung von Energieträgern stellt immer einen Eingriff in Umwelt und Natur dar. Die unkonventionelle Gasförderung ist mit Umweltbelastungen und -risiken sowohl im unmittelbaren Umfeld der Förderanlagen als auch im Untergrund verbunden. Der Prozess beginnt mit der Erkundung der Lagerstätte durch Tiefbohrungen. Bei Erfolg versprechenden Ergebnissen folgt der Ausbau zur Produktionsanlage und nach Ende der Förderung evtl. der Rückbau der technischen Vorrichtungen. Bild 3 zeigt im Überblick die einzelnen Prozessschritte der Förderung von Schiefergas und mögliche Umweltbeeinträchtigungen, die von unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit, Intensität und Dauer sind. Bei den für die unkonventionelle Gasförderung erforderlichen Tiefbohrungen werden die oberflächennahen Grundwasserschichten, salzhaltige Wasserschichten und abdichtende Barriereschichten bis zur gasführenden Gesteinsschicht durchdrungen. Die Bohrungen werden vor der Gasförderung nach den Regeln der Technik, die in den Länderverordnungen zu Tiefbohrungen festgelegt sind, abgedichtet, unter anderem, um hydraulische Kurzschlüsse zu verhindern. Dennoch bestehen Risiken für die Verunreinigung von Trink- oder Grundwasser mit Chemikalien, Lagerstättenwasser oder Erdgas durch die Schaffung ungewollter Wegsamkeiten, unbekannte geologische Störungen oder Undichtigkeiten der Bohrungen. Für die Freisetzung von Schiefergas müssen die Tongesteinlagerstätten flächenhaft aufgebrochen werden. Diese Maßnahme ist unumkehrbar. Sie bedarf des Einsatzes von Frack-Fluiden, die unbeabsichtigt negative Auswirkungen an der Oberfläche sowie im Untergrund haben können. Mit dem gewonnenen Schiefergas wird gleichzeitig Lagerstättenwasser gefördert, das entsprechend den hydrogeologischen Bedingungen hohe Konzentrationen an Salzen, Schwermetallen, flüchtigen Bestandteilen und radioaktiven Substanzen enthalten kann. Diese Stoffe sind humanund ökotoxisch und dürfen daher weder in das Grundwasser noch in die Oberflächengewässer oder in die Böden gelangen. Der Transport des Flowback in Rohrleitungen und die Beseitigung durch Verpressung ist daher sehr kritisch zu begleiten und zu überwachen. Die Errichtung von Bohrplätzen erfordert die Erschließung (Straßen- und Infrastrukturausbau) sowie das Versiegeln der Flächen. Dies ist zwangsläufig mit einer Flächeninanspruchnahme und Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden. Der Betrieb der Gasförderanlagen bringt Lärm- und Luftschadstoffemissionen mit sich. Die Gewinnung von Schiefergas in relevantem Umfang erfordert die Einrichtung zahlreicher Bohrplätze. Pro Bohrplatz werden bisher ca. 2 ha bis 3,6 ha Fläche benötigt, abhängig von der Art der Bohrung und von der jeweiligen Phase (Erkundung, Gewinnung). Diese Fläche umfasst neben dem eigentlichen Bohrplatz, der versiegelt wird, Lager- und Stellplätze. Erfahrungen in den USA zeigen, dass die geförderten Gasmengen je Bohrloch mit einem Maximalwert beginnen und innerhalb weniger Jahre stark absinken. Dies bedeutet, dass für eine konstante Gesamtfördermenge fortlaufend neue Bohrplätze erschlossen werden müssen. Dies wird in dicht besiedelten Gebieten kaum möglich sein bzw. aufgrund der Flächeninanspruchnahme mit starken negativen Folgen für den Naturhaushalt, Landschaftsbild und Erholungsflächen verbunden sein (siehe [1]). Bei jedem Eingriff in den Untergrund besteht eine seismologische Gefährdung. Nach aktuellem Stand ist diese bei der Gewinnung von Schiefergas eher gering, dies gilt insbesondere für die Betriebsphasen Bohren, Frack-Vorgang, Produktion und Rückbau. Bei der Verpressung von Flowback bzw. Lagerstättenwasser ist jedoch eine seismologische Gefährdung grundsätzlich nicht auszuschließen [8]. Eine belastbare Klimabilanz für Schiefergas, d. h. welche Mengen an CO 2 -Äquivalenten im Vergleich zu 1318 gwf-wasser Abwasser

4 Schiefergas FACHBERICHTE Erkundungsbohrung (ohne Frack) Monate/Jahre Erkundung Fracken zur Erkundung/ Entsorgung Flowback Fracken zur Gewinnung/ Entsorgung Flowback Gewinnung Gewinnung (Betrieb)/ Entsorgung Flowback Bohrplatzrückbau/ Renaturierung Wochen Wochen/Monate Jahrzehnte Monate/Jahrzehnte Bild 3. Wirkungen auf und Risiken für Umwelt und Natur bei der Förderung von Schiefergas [1]. Lärmemissionen Belastungen durch Verkehr Grundwassergefährdung Oberflächenwassergefährdung Wasserverbrauch Lärmemissionen Belastungen durch Verkehr Grundwassergefährdung Oberflächenwassergefährdung Wasserverbrauch Lärmemissionen Belastungen durch Verkehr Grundwassergefährdung Oberflächenwassergefährdung anderen Energieträgern ausgestoßen werden, liegt bisher nicht vor. Zu berücksichtigen sind in einer solchen Bilanzierung u. a., wie viel Energie bei der Bohr locherstellung verbraucht wird und wie viel Methan, das selbst eine große Klimawirkung hat, bei der För derung, Aufbereitung des Erdgases sowie der Entsorgung des Flowback entweicht. Die kumulierten Auswirkungen der Schiefergasgewinnung (Wasserentnahme für die Frack-Fluide aus dem Grundwassersystem, Versiegelung und Zerschneidung von Flächen, Lärm- und Lichtemissionen usw.) können nur regional ermittelt und bewertet werden. 4. Diskussionslinien von Befürwortern und Gegnern Die Diskussionslinien der Befürworter und Gegner werden häufig auf verkürzte Aussagen reduziert, die die Schiefergasnutzung entweder zum Heilsbringer oder aber zum Teufelszeug stilisieren. Wünschenswert wäre dagegen ein nüchterner Umgang mit bekannten Fakten ebenso wie mit bestehenden Wissenslücken. Durchdacht werden muss zusätzlich, wie eine Schiefergasnutzung in die Rahmen bedingungen der Energiewende passen würde. Nachfolgend sollen einige Argumente der Befürworter und Gegner kurz kommentiert werden, eine ausführlichere Diskussion findet sich in der Stellungnahme des Sachverständigenrates für Umweltfragen [1]. 4.1 Pro Fracking Schiefergas kann die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen durch sinkende Energiepreise steigern Um die Marktpreise für einen Energieträger zu beeinflussen, müssen mittelfristig relevante Mengen in Deutschland gefördert werden. Die Potenzielabschätzungen für heimisches Schiefergas widersprechen der Annahme, dass der Markt deutlich beeinflusst werden kann. Der amerikanische Effekt sinkender Preise ist in Deutschland mangels Masse nicht reproduzierbar. Davon abgesehen muss Energiereichtum nicht zwangsläufig zu starker Wirtschaftskraft führen (siehe Naher Osten, Russland oder Venezuela) und starkes Wirtschaftswachstum nicht zwingend von günstiger Energie abhängen (wie derzeit in Deutschland nachzuprüfen). Heimisches Schiefergas ist wichtig für die Versorgungssicherheit, um die Abhängigkeit von Importen zu verringern 2012 wurde der deutsche Gasverbrauch zu 13 % aus heimi schen Quellen gedeckt mit abnehmender Tendenz, da die konventionellen Quellen versiegen. Mit Schiefergas könnte der jetzige Anteil an Eigenförderung maximal konstant gehalten, in keinem Falle aber ausgebaut werden. Auch europaweit wird die Erdgasproduktion trotz zunehmender Nutzung von unkonventionellen Gasvorräten wohl geringfügig sinken. Prognostiziert wird daher in jedem Falle eine steigende Importabhängigkeit [9]. Positive Effekte für eine Eigenversorgung hätten jedoch die Senkung des Gesamtenergieverbrauchs durch Effi zienzmaßnahmen sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien, die eine heimische Erzeugung von 100 % aufweisen. Schiefergas hat eine bessere Klimabilanz als Kohle Diese Wirkung wird genau dann erreicht, wenn Schiefergas-Kohle bei der Energiegewinnung ersetzt. Die verbesserte Klimabilanz der USA, die 2013 schon gwf-wasser Abwasser 1319

5 FACHBERICHTE Schiefergas wieder steigende Emissionen zeigte, geht jedoch mit einer Verdoppelung der Kohleexporte einher [10]. Dies ist also eher eine Addition als eine Substitution. Gleichzeitig ist absehbar, dass sinkende Kohlepreise die Attraktivität und damit den Einsatz von Kohle zur Energiegewinnung auch innerhalb der USA wieder steigen lassen werden. Fracking wird seit Jahrzehnten in Deutschland angewendet wenn auch in anderen Gaslagerstätten und ist beherrschbar Die deutsche Ingenieurtechnik für die Energiegewinnung hat mit Sicherheit ein hohes Niveau. Dennoch wäre es fahrlässig, der Weiterentwicklung einer Technik ohne sorgfältige Prüfung eine Beherrschbarkeit zu bescheinigen. Die Negativbeispiele aus den USA, insbesondere Bohrlochleckagen, weisen den Weg, welche Fehler und Sorglosigkeiten vermieden werden müssen. 4.2 Contra Fracking Chemikalien und Lagerstättenwasser sind eine Gefahr für Grund- und Trinkwasser Das große Interesse der Öffentlichkeit hat die Forschungsanstrengungen bei der Suche nach Alternativen für die kritisierten Zusätze stark vorangetrieben. Aktuelle Planungen sehen nicht nur eine viel geringere Anzahl von Zusätzen vor, sondern auch die Verwendung von Stoffen, die nicht oder nur schwach wassergefährdend sind [11]. Wenn die Entwicklungen weitere Fortschritte in Richtung eines chemikalienfreien Frackings machen, wird die Gefährdung von Grund- und Trinkwasser durch Frack-Fluide weiter abnehmen. Die Diskussion um die Risiken der Beseitigung von Lagerstättenwasser in Disposal(Verpress)-Bohrungen dagegen betrifft ebenso die konventionelle wie die unkonventionelle Erdgasförderung, ist also dringend zu führen, jedoch nicht unbedingt frackingspezifisch. Die Mengen an Flowback, die bei der Gewinnung von Erdgas aus Schiefergestein anfallen werden, sind wegen des geringen Porenvolumens der Gesteine voraussichtlich sogar geringer als aus dem konventionellen Bereich. Die für die Gewinnung von Schiefergas weiterentwickelte Frackingtechnik bringt neue Risiken mit sich, die noch unzureichend untersucht sind Die negativen Erfahrungen aus den USA lassen sich aufgrund unterschiedlicher geologischer Gegebenheiten, geringer Umweltschutzvorgaben und fehlender Untersuchungen nicht einfach auf Deutschland übertragen. Die stürmische Diskussion in Deutschland führte zu verschiedenen Forschungsvorhaben (u. a. UBA-Gutachten 2012 und 2014, BGR, InfoDialog Fracking), die offene Fragen und soweit möglich theoretische Antworten formulierten. Neben technischem Versagen bestehen möglicherweise Risiken durch biogeochemische Reaktionen. Unklar ist, welche Stoffe entstehen könnten, wie eine Freisetzung vermieden werden kann, wie ein effektives Monitoring aussieht und welche Bedeutung die Substanzen für eine mög liche Abwasserbehandlung haben. Für die Beantwortung einiger dieser Fragen wird jedoch der Schritt zum konkreten Pilotprojekt notwendig sein. Billige Energie senkt das Interesse an Effizienzund Energiesparmaßnahmen Es bestehen erhebliche Effizienzpotenziale, mit denen der Energiebedarf und damit auch die Importabhängigkeit Deutschlands gesenkt werden können [12]. Bekanntlich hängt jedoch die Umsetzung solcher Maßnahmen stark an einer kurzfristigen Amortisation der dafür erforderlichen Investitionen. Niedrige Energiepreise würden somit die Einsicht in die Notwendigkeit von Effizienzmaßnahmen deutlich senken und langfristig zu Wettbewerbsnachteilen führen. Bohrplätze und Infrastruktur führen zu Flächenverbrauch und negativen Folgen für die Natur Die kumulierten Auswirkungen der Erschließung von unkonventionellem Erdgas werden regional sehr unterschiedlich ausfallen und ggf. erhebliche negative Effekte verursachen. Je nachdrücklicher jedoch auf diese Wirkungen verwiesen wird, desto ambitionierter kann auch die Suche nach Verbesserungen sein. Dafür besteht durchaus Potenzial, z. B. durch intelligente Logistik, Nutzung vorhandener Infrastrukturen, unterirdische Rohrleitungen, Einhausung der Bohrgeräte u. ä. [13]. Auch Erdgas ist ein fossiler Energieträger, der langfristig durch erneuerbare Energien ersetzt werden muss Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht die Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 80 % gegenüber 1990 vor. Dies wird nur durch den Ausbau der erneuerbaren Energien in Kombination mit einer steigenden Energieeffizienz in allen Bereichen möglich sein. Aufgrund seiner besseren Treibhausgasbilanz hat Erdgas durchaus große Bedeutung für die Energieversorgung, mittelfristig werden die benötigten Mengen jedoch abnehmen müssen [14], um das gesetzte Reduktionsziel zu erreichen. 5. Fazit Die Befürworter der Schiefergasförderung in Deutschland hoffen, dass sich die Effekte sinkender Gaspreise, steigender Wettbewerbsfähigkeit und einer verbesserten Klimabilanz der USA hier wiederholen könnten. Angesichts der vergleichsweise geringen Mengen an Schiefergas in Deutschland sind jedoch sinkende Gaspreise nicht zu erwarten und auch die Abhängigkeit von Gasimporten wird sich durch heimisch förderbares Schiefergas nicht reduzieren lassen. Die verbesserte Klimabilanz der USA lässt sich 1320 gwf-wasser Abwasser

6 Schiefergas FACHBERICHTE tatsächlich auf die zunehmende Substitution von Kohle durch Erdgas zurückführen. Gleichzeitig ist aber aus globaler Klimaperspektive nur wenig gewonnen, da die Kohle nicht etwa im Boden verbleibt, sondern aufgrund der sinkenden inländischen Abnahme als billiger Energieträger mit entsprechenden CO 2 -Emissionen erfolgreich exportiert wird. Die in der breiten Gesellschaft diskutierten Risiken einer Grundwassergefährdung durch die Schiefergasgewinnung oder ein ungewollter Ausstoß von Klimagasen sind real, lassen sich aber voraussichtlich mit weitergehender Forschung, strengen Umweltauflagen und Überwachung beherrschen. Folgen wie Flächenversiegelung sowie Verlust von Natur- und Erholungsraum lassen sich nicht verhindern aber deutlich minimieren. Hier bedarf es einer sorgfältigen Abwägung von Kosten und Nutzen der Schiefergasgewinnung. Es bestehen weiterhin Wissenslücken über Umweltwirkungen und ein geeignetes Monitoring, die vor einer kommerziellen Nutzung mit repräsentativen Pilot projekten geschlossen werden müssen. Schiefergas ist nach jetzigem Wissensstand also weder ein Retter aus der Energienot noch das trojanische Pferd, das unabsehbare Folgen mit sich bringt. Ein nüchterner Umgang mit einem Energieträger, der vielleicht eine eiserne Reserve für kommende Generationen bilden kann, wäre wünschenswert. Die Bedeutung von Schiefergas für die Energiewende ist gering, da es nicht kurzfristig zur Verfügung steht und der Gasbedarf mittelfristig abnehmen wird. Der Schlüssel zu mehr Versorgungssicherheit liegt vielmehr in der Bedarfsreduzierung durch Effizienzsteigerungen in Kombination mit weitgehend heimisch erzeug baren erneuerbaren Energien. Literatur [1] SRU (Sachverständigenrat für Umweltfragen): Fracking zur Schiefergasgewinnung: Ein Beitrag zur energie- und umweltpolitischen Bewertung. Berlin: SRU. Stellungnahme 18, [2] EurActiv.de: Yellow Paper Hydraulic Fracturing. Hydraulic Fracturing auf dem Prüfstand: Potenziale und Risiken. Berlin, 2012: EurActiv.de [3] Rosenwinkel, K.-H., Weichgrebe, D. und Olsson, O.: Stand der Technik und fortschrittliche Ansätze in der Entsorgung des Flowback. Gutachten zur Abwasserentsorgung und Stoffstrombilanz. Hannover: Leibniz Universität, Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfall, [4] BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe): Energiestudie Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen. Hannover, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. 17: 112, [5] EIA (U.S. Energy Information Administration): Technically Recoverable Shale Oil and Shale Gas Resources: An Assessment of 137 Shale Formations in 41 Countries Outside the United States. Washington, DC: EIA, [6] EIA (U.S. Energy Information Administration): World Shale Gas Resources: An Initial Assessment of 14 Regions Outside the United States. Washington, DC: EIA, [7] BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe): Abschätzung des Erdgaspotenzials aus dichten Tongesteinen (Schiefergas) in Deutschland. Hannover: BGR, [8] Dannwolf, U., Heckelsmüller, A., Steiner, N., Rink, C., Weichgrebe, D., Kayser, K., Zwafink, R., Rosenwinkel, K. H., Fritsche, U. R., Fingerman, K., Hunt, S., Rüter, H., Donat, A., Bauer, S., Runge, K. und Heinrich, S.: Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas insbesondere aus Schiefergaslagerstätten. Teil 2: Grundwassermonitoringkonzept, Frackingchemikalienkataster, Entsorgung von Flowback, Forschungsstand zur Emissions- und Klimabilanz, induzierte Seismizität, Naturhaushalt, Landschaftsbild und biologische Vielfalt. Berlin, Dessau-Roßlau: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt. UBA-Texte 53/2014. [9] BP (2014): BP Energy Outlook content/dam/bp/pdf/energy-economics/energy-outlook/ Energy_Outlook_2035_booklet.pdf ( ). [10] Broderick, J. and Anderson, K.: Has US Shale Gas Reduced CO 2 Emissions? Examining recent changes in emissions from the US power sector and traded fossil fuels. Manchester: Tyndall Manchester, [11] Kassner, H.: Neue Frac-Fluide für Schiefergas- und Sandstein(Bö Z11)-Lagerstätten. ExxonMobil im Dialog: Risiken erkennen, Chancen wahren Weiterentwicklung der Erdgasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten, , Osnabrück, [12] Petersdorff, C., Dinges, K., Bosquet, M. und Offermann, M.: Energieabhängigkeit von Russland durch Energieeffizienz reduzieren. Köln, [13] Stegemerten, B.: Flächenbedarf und Raumnutzung bei der Schiefergasproduktion. ExxonMobil im Dialog: Risiken erkennen, Chancen wahren Weiterentwicklung der Erdgasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten, , Osnabrück, [14] Schlesinger, M., Hofer, P., Kemmler, A., Kirchner, A., Strassburg, S., Fürsch, M., Nagl, S., Paulus, M., Richter, J., Trüby, J., Lutz, C., Khorushun, O., Lehr, U. und Thobe, I.: Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung. Studie. Basel, Köln, Osnabrück: Prognos AG, Energiewirtschaftliches Institut, Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbh. Projekt Nr. 12/10. Autorin Eingereicht: Korrektur: Im Peer-Review-Verfahren begutachtet Dr. Mechthild Baron Wissenschaftliche Mitarbeiterin mechthild.baron@umweltrat.de Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) Luisenstraße 46 D Berlin gwf-wasser Abwasser 1321