Überblick über das materielle Strafrecht
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- Herbert Fiedler
- vor 8 Jahren
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1 Überblick über das materielle Strafrecht Ausbildung der Justizwachtmeister Silvia Eger Stand: Januar 2015
2 Unterscheidung materielles und formelles Recht Materielles Strafrecht Formelles Strafrecht Wann liegt eine strafbare Handlung vor? Welche Rechtsfolgen ergeben sich hierfür? Wie ist der Verfahrensablauf für eine objektive Ermittlung der strafbaren Handlung? StGB StPO
3 Der Tatbestand Tatbestand Rechtswidrigkeit Schuld Objektiver Tatbestand Subjektiver Tatbestand Merkmale, die die äußeren Umstände der Tat beschreiben Diese kann man aus den verschiedenen im besonderen Teil entnehmen Merkmale, die den inneren Willen des Täters zur Tat beschreiben Vorsatz 15 StGB Fahrlässigkeit
4 Der subjektive Tatbestand Tatbestand Rechtswidrigkeit Grundsatz 15 StGB: nur vorsätzliches Handeln ist strafbar! Ausnahme 15 StGB: Schuld fahrlässiges Handeln ist strafbar, wenn es das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht
5 Der subjektive Tatbestand Ausnahme: 15 StGB: Fahrlässiges Handeln wird bestraft, wenn es ausdrücklich im Gesetz steht! Tatbestand Rechtswidrigkeit Schuld Definition Fahrlässigkeit: Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, dessen Beachtung im zuzumuten war, außer Acht lässt, d.h. Täter denkt sich wird schon nichts passieren., bzw. Täter handelt aus Versehen.
6 Die Rechtswidrigkeit Tatbestand Rechtswidrigkeit Grundsatz: Schuld Erfüllt der Täter den objektiven und subjektiven Tatbestand ist dies in der Regel auch rechtswidrig (Regel-Ausnahme- Verhältnis) 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB Ausnahmen: Rechtfertigungsgründe, z.b. Notwehr, Nothilfe 32 StGB Vorläufige Festnahme 127 StPO Handlungen im Rahmen des JSOG ivm PAG/StVollzG/BayStvollzG
7 Rechtfertigungsgrund Notwehr/ Nothilfe 32 StGB Tatbestand Rechtswidrigkeit Schuld Angriff = Bedrohung eines Rechtsguts durch menschliches Verhalten Gegenwärtig = unmittelbar bevorstehend, begonnen oder noch andauernd Erforderliche Notwehrhandlung = geeignetes Handeln, um den Angriff mit dem geringsten Schaden abzuwenden Verhältnismäßigkeit!
8 Rechtfertigungsgrund vorläufige Festnahme 127 StPO Tatbestand Rechtswidrigkeit Schuld JEDER kann eine Person vorläufig festnehmen, wenn: sie auf frischer Tat betroffen oder verfolgt ist (dringender Tatverdacht einer Straftat reicht aus) und sie der Flucht verdächtigt ist oder ihre Identität nicht sofort festgestellt werden kann die Festnahme verhältnismäßig ist die Festnahme nur zum Sicherungszweck erfolgt
9 Rechtfertigungsgrund nach JSOG ivm PAG Tatbestand Rechtswidrigkeit Schuld Bei allen Delikten besteht für Maßnahmen des JWM im Rahmen des JSOG ivm. dem PAG ein Rechtfertigungsgrund, soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen! (siehe Unterricht Herr Pöhlmann/Friedlein!) Die Maßnahmen unterliegen also auch immer dem Verhältnismäßigkeitsprinzip!
10 Rechtfertigungsgrund Verhältnis Notwehr - JSOG/PAG - StVollzG/BayStVollzG Tatbestand Rechtswidrigkeit Schuld Notwehr 32 StGB JSOG/PAG StVollzG/BayStVollzG Gilt immer und für jeden unter den Voraussetzungen des 32 StGB Gilt nur für JWM bei sonstigen Personen, die nicht Gefangene sind Gilt nur für JWM und nur bei Gefangenen = wer auf Anordnung eines Richters oder eines dafür zuständigen Beamten in behördlichen Gewahrsam ist
11 Schuld Tatbestand Rechtswidrigkeit Schuld Grundsatz: Erfüllt der Täter rechtswidrig den objektiven und subjektiven Tatbestand ist dies in der Regel auch schuldhaft (Regel-Ausnahme- Verhältnis) Ausnahmen: Schuldunfähigkeit des Kindes unter 14 Jahren, 19 StGB Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung 20 StGB, wenn dadurch keine Unrechtsbewusstsein!
12 Aufbau des Straftatbestandes Tatbestand (objektiv uns subjektiv) Rechtswidrigkeit Straffolge Schuld Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt und rechtswidrig und schuldhaft handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
13 Ausgewählte Delikte (Inhaltsverzeichnis) Allgemeine Delikte: Körperverletzung 223 StGB Sachbeschädigung 303 StGB Beleidigung 185 StGB Freiheitsberaubung 239 StGB Verwahrungsbruch 133 StGB Urkundenunterdrückung 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB Verletzung des Briefgeheimnisses 202 StGB Veränderung und Missbrauch von amtlichen Ausweisen 273, 281 StGB Amtsdelikte: Vorteilsannahme 331 StGB Bestechlichkeit 332 StGB Körperverletzung im Amt 340 StGB Falschbeurkundung im Amt 348 StGB Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht 353b StGB Verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen 353d StGB
14 Hinweis Im folgenden werden insbesondere die objektiven Tatbestandsmerkmale behandelt. Sollten Besonderheiten für den subjektiven Tatbestand oder die Rechtswidrigkeit bestehen, ist dies gesondert vermerkt.
15 vorsätzliche Körperverletzung 223 StGB Körperliche Misshandlung = Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder der körperlichen Unversehrtheit wie z.b.: oder Schmerz Substanzverlust = z.b. Haare abschneiden Erregung von Ekel Beschädigung der Gesundheit = Herbeiführung oder Steigerung einer körperlichen oder seelischen Krankheit einer anderen Person (ggf. Strafantrag erforderlich 230 StGB)
16 fahrlässige Körperverletzung 229 StGB Objektiver Tatbestand Begehen einer Körperverletzung (objektiver Tatbestand) nach 223 StGB Subjektiver Tatbestand Kein Vorsatz Fahrlässigkeit im Gesetz mit Strafe bedroht 15 StGB 229 StGB Fahrlässigkeit = wenn man die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (ggf. Strafantrag erforderlich 230 StGB)
17 Sachbeschädigung 303 StGB Fremde = jemand anderer ist Eigentümer Sache = körperlicher Gegenstand 90 BGB (auch Tiere werden behandelt wie Sachen 90a BGB) beschädigen = bestimmungsgemäßer Gebrauch ist nicht ganz unerheblich beeinträchtigt (auch beschmieren von Wänden, Graffiti, Abkleben von Verkehrsschildern, Luft aus Reifen lassen) oder zerstören = bestimmungsgemäßer Gebrauch ist aufgehoben (Strafantrag erforderlich 303c StGB)
18 Freiheitsberaubung 239 StGB Menschen einsperren = Festhalten in einem umschlossenen Raum, sodass Opfer sich nicht wegbewegen kann oder auf andere Weise Freiheit entzieht = jede Handlung, die Fortbewegungsfreiheit aufhebt (z.b. Festhalten) Achtung bei Rechtswidrigkeit: evtl. Rechtfertigungsgründe nach 127 StPO oder JSOG ivm Art. PAG oder StVollzG/ BayStVollzG!!!!
19 Verwahrungsbruch 133 Abs. 1 StGB Schriftstück oder andere bewegliche Sache (alles außer Grundstücke) befinden sich in dienstlicher Verwahrung oder wird in dienstliche Verwahrung gegeben Zerstören (oder) beschädigen (oder) unbrauchbar machen (oder) der dienstlichen Verfügung entziehen
20 Urkundenunterdrückung 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB Urkunde oder technische Aufzeichnung gehört nicht dem Täter Vernichten oder beschädigen (z.b. auch durch Veränderung) oder unterdrücken (= Benutzung wird entzogen, z.b. auch Verstecken, nicht herausgeben) Achtung bei subjektivem Tatbestand: mit der Absicht, einem anderen einen Nachteil zuzufügen!!!
21 Beleidigung 185 StGB beleidigen = Angriff auf die Ehre eines anderen (auch gegenüber einer Personengruppe, z.b. Verein, Partei, Behörde u.s.w.) durch Kundgabe = Äußerung (wörtlich, schriftlich, bildlich, symbolisch, schlüssige Handlung) der Missachtung oder Nichtachtung (hängt ab von Anschauung und Gebräuchen der Beteiligten und an sprachlichen und gesellschaftlicher Ebene (Strafantrag erforderlich 194 StGB)
22 Verletzung des Briefgeheimnisses 202 Abs. 1 StGB Öffnen eines verschlossenen Briefes oder eines anderen verschlossenen Schriftstücks (z.b. Tagebuch, Notizen, Pläne usw.; Nicht: elektronisch gesicherte Daten), die nicht zu seiner Kenntnis bestimmt sind (Nr. 1) oder Kenntnis vom Inhalt verschaffen durch technische Mittel ohne Öffnen (Nr. 2) Achtung bei nicht zur Kenntnis bestimmt : Briefe, die Sie in der Poststelle öffnen, sind im Rahmen Ihrer Aufgaben (4.2.3 AufgJWD) zu Ihrer Kenntnis bestimmt, da Sie die Briefe ja öffnen ( 12 I AGO) und anschauen müssen, um Sie richtig in den Geschäftsgang bringen zu können ( 12 II AGO)
23 Verändern von amtlichen Ausweisen 273 StGB Amtlicher Ausweis (z.b. Pässe, Personalausweis, Geburtsurkunde, Dienstausweis, Führerschein, Waffenschein usw.) Eintragung entfernen (z.b. Radieren, Abschneiden), unkenntlich machen (z.b. Schwärzen), überdecken (z.b. Überkleben, Weißen), unterdrücken (z.b. Zusammenkleben mehrer Seiten), Seite entfernen (Nr. 1) ODER Gebrauch des veränderten amtlichen Ausweises (Nr. 2) Zur Täuschung im Rechtsverkehr = Täter muss Irrtum erregen und dadurch ein rechtlich erhebliches Verhalten erreichen wollen
24 Missbrauch von Ausweispapieren 281 StGB Ausweispapier = Urkunde, die von Behörde ausgestellt ist und zum Beweis der Identität einer Person dient (z.b. Pässe, Personalausweis, Dienstausweis, Waffenschein) das für anderen ausgestellt ist gebrauchen oder einem anderen überlassen, das nicht für diesen ausgestellt ist Zur Täuschung im Rechtsverkehr = Täter muss Irrtum erregen und dadurch ein rechtlich erhebliches Verhalten erreichen wollen
25 Vorteilsannahme 331 StGB Amtsträger 11 Abs. 1 Nr. 2,3 StGB für sich oder Dritten Vorteil = materielle oder immaterielle Zuwendung, die Amtsträger oder Dritten besser stellt und auf die kein Anspruch besteht fordern (oder) versprechen lassen (oder) annehmen für eine pflichtgemäße Diensthandlung
26 Bestechlichkeit 332 StGB Amtsträger 11 Abs. 1 Nr. 2,3 StGB für sich oder Dritten Vorteil = materielle oder immaterielle Zuwendung, die Amtsträger oder Dritten besser stellt und auf die kein Anspruch besteht fordern (oder) versprechen lassen (oder) annehmen für eine pflichtwidrige Diensthandlung
27 Körperverletzung im Amt 340 StGB Begehung (oder begehen lassen) einer Körperverletzung 223 StGB andere Person körperlich misshandeln oder an der Gesundheit schädigen als Amtsträger 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst (auch außerhalb der Dienstzeit) Achtung bei Rechtswidrigkeit: ggf. Rechtfertigung 127 StPO oder Dienstrechte nach JSOG ivm. PAG oder StVollzG/BayStVollzG
28 Falschbeurkundung im Amt 348 StGB Amtsträger ( 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) der zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt ist Rechtlich erhebliche Tatsachen falsch beurkundet oder in öffentliche Register/Bücher/ Dateien falsch einträgt Innerhalb seiner Zuständigkeit
29 Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht 353b Abs. 1 StGB Geheimnis (dienstlich oder privat) das ihm als Amtsträger ( 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) anvertraut oder sonst bekanntgegeben unbefugt offenbart = öffentliches Bekanntmachen ohne Rechtfertigung dadurch Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen (z.b. Bekanntgabe vom Gang des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und polizeilicher Erkenntnisse, Weitergabe von Prüfungsaufgaben)
30 Verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen 353d StGB Nr. 1: öffentliche Mitteilungen über: Nicht öffentliche Gerichtsverhandlung (z.b. Familiensachen) amtliches Schriftstück (z.b. Anklageschrift) Nr. 2: unbefugte Offenbarung trotz vom Gericht oder Gesetz auferlegte Schweigepflicht über: Nicht öffentliche Gerichtsverhandlung amtliches Schriftstück Nr. 3: öffentliche Mitteilung im Wortlaut (nicht nur inhaltliche Wiedergabe) vor Verhandlung über bzw. Entscheidung von: Anklageschrift anderen Schriftstücken im Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren
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