Urteil Az. 2 Ca 1173/01

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Julian Voss
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1 Urteil Az. 2 Ca 1173/01 ArbG Essen 15. Mai 2001 Leitsätze Zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt im Sinne von Ÿ37 Abs. 2 BetrVG eines im Schichtdienst beschäftigten und dann nach Ÿ38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieds gehören auch Schichtzulagen und Gefahrenzulagen. Tenor Der beklagte Verein wird verurteilt, an die Klägerin DM 471,20 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 03. April 2001 zu zahlen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der beklagte Verein zu tragen. 3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 471,20 DM festgesetzt. 4. Die Berufung wird nicht zugelassen. Tatbestand 7 Die Parteien streiten darüber, ob Schichtzulage und &132;Gefahrenzulage&147; (= openjur 2011, 16108) 1

2 8 9 zum Arbeitsentgelt im Sinne des Ÿ37 Abs. 2 BetrVG zählen Die Klägerin ist seit dem 01. April 1975 bei dem beklagten Verein als Krankenschwes- ter vollschichtig beschäftigt. Zuletzt war sie im Schichtdienst tätig und mit der Stationsleitung der Transplantationsstation betraut. Für den Einsatz im Schichtdienst zahlte der beklagte Verein ihr eine Schichtzulage von monatlich 70,00 DM und für die Tätigkeit auf der Transplantationsstation zusätzlich eine sog. &132;Gefahrenzulage&147; in Höhe von monatlich 90,00 DM. Seit dem 08. Mai 2000 ist die Klägerin in ihrer Eigenschaft als stellvertretende Betriebsratsvorsitzende gemäÿ Ÿ38 BetrVG von ihrer beruichen Tätigkeit freigestellt. Daraufhin behielt der beklagte Verein, der die in Frage stehenden Zulagen zunächst unverändert weitergezahlt hatte, mit der Lohnabrechnung für den Monat Januar 2001 die in den Monaten August 2000 bis Dezember 2000 gezahlten Zulagen von der Vergütung der Klägerin ein. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 08. März 2001 bei Gericht eingegangenen Zahlungsklage. Sie weist darauf hin, dass die in Frage stehenden Zulagen ihr in der Vergangenheit auch stets während Zeiten des Urlaubs oder der Arbeitsunfähigkeit gewährt worden seien, so dass es sich um keine echten Leistungszulagen handele. Die Klägerin beantragt, den beklagten Verein zu verurteilen, an die Klägerin DM 471,20 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 03. April 2001 zu zahlen. Der beklagte Verein beantragt, 2

3 die Klage abzuweisen. Zur Begründung macht der beklagte Verein geltend, für die Zahlung der Schichtzulage wie auch der &132;Gefahrenzulage&147; sei maÿgebend, dass die Klägerin sowohl in der Gefahr arbeite als auch Schichtarbeit leiste. Da sie jedoch infolge ihrer Freistellung für die Betriebsratsarbeit weder einer Gefahr ausgesetzt sei noch Schichtarbeit leiste, stünden ihr beide Zulagen nicht zu. Gründe Die zulässige Klage ist in vollem Umfange begründet. I. Der beklagte Verein ist verpichtet, an die Klägerin die mit der Lohnabrechnung für den Monat Januar 2001 einbehaltenen Schichtzulagen und &132;Gefahrenzulagen&147; für die Monate August 2000 bis Dezember 2000 zur Auszahlung zu bringen. 1. Zu dem von dem beklagten Verein nach Ÿ611 Abs. 1 BGB geschuldeten Arbeitsentgelt der Klägerin im Sinne von Ÿ37 Abs. 2 BetrVG zählen sowohl die Schichtzulage als auch die &132;Gefahrenzulage&147;. Gemäÿ Ÿ37 Abs. 2 BetrVG ist der Arbeitgeber nach dem sog. Lohnausfallprinzip verpichtet, an freigestellte Betriebsratsmitglieder das Arbeitsentgelt zu zahlen, welches das Betriebsratsmitglied erhalten hätte, wenn es während der Zeit der Betriebsratstätigkeit gearbeitet hätte (vgl. BAG vom 18. September AZR 102/73 - AP Nr. 3 zu Ÿ37 BetrVG 1972 = EzA Ÿ37 BetrVG 1972 Nr. 12). Im Rahmen des Lohnausfallprinzips sind neben der Grundvergütung alle Zuschläge und Zulagen zu bezahlen, die das Betriebsratsmitglied ohne Arbeitsbefreiung verdient hätte, insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, Erschwernis- und Sozialzulagen (vgl. statt vieler: BAG vom 06. Nov ABR 8/73 - AP Nr. 5 zu Ÿ37 BetrVG = DB 1974, 780 = SAE 1975, 155; BAG vom 29. Juli AZR 231/78 - AP Nr. 37 zu Ÿ37 BetrVG 1972 = DB 1981, 427 = SAE 1982, 69; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 20. Au., Ÿ37 Rz. 46 ; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Au., Ÿ37 Rz. 45; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider/Blanke, BetrVG, 6. Au, Ÿ37 Rz. 48; Wiese in GK-BetrVG, 6. Au. 1997, Ÿ37 Rz. 60 ; Bachler in BR-Info 6/94, 9, 12, 3

4 jeweils m.w.n.) Hingegen hat das Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf Beträge, die nicht für die Arbeit selbst, sondern als Aufwendungsersatz gezahlt werden - wie z.b. Wege- (Kilometer-) Gelder, Auslösungen, Verpegungszulagen - wenn das Betriebsratsmitglied die Aufwendungen zwar ohne die Arbeitsbefreiung gehabt hätte, sie ihm aber tatsächlich nicht entstanden sind. Es sei denn, dass der Aufwendungsersatz tatsächlich der Verbesserung des Lebensstandards des Arbeitnehmers dient und ihm insoweit keine tatsächlich entstehenden Aufwendungen gegenüberstehen (vgl. BAG vom 10. Februar AZR 36/87 - AP Nr. 64 zu Ÿ37 BetrVG 1972 = EzA Ÿ37 BetrVG 1972 Nr. 91). Eine dritte Kategorie von Zahlungen, nämlich solche, die weder Aufwendungsersatz noch Arbeitsentgelt darstellen, ist der gesetzlichen Regelung des Ÿ37 Abs. 2 BetrVG fremd (vgl. BAG vom 13. Juli AZR 477/93 - AP Nr. 97 zu Ÿ37 BetrVG 1972, zu 1 b der Gründe = NZA 1995, 588, 589). Für die Frage, ob eine Leistung des Arbeitgebers zu dem dem Minderungsverbot unterliegenden Arbeitsentgelt im Sinne des Ÿ37 Abs. 2 BetrVG zu zählen ist oder nicht, ist unerheblich, ob das Betriebsratsmitglied die Arbeit, für die die zusätzliche Leistung bezahlt wird, tatsächlich geleistet hat oder nicht. Vielmehr soll gerade die Nichtleistung der Arbeit aufgrund erforderlicher Betriebsratstätigkeit nach dem Willen des Gesetzgebers einschränkungslos nicht dazu führen, dass - von steuerlichen Fragen abgesehen - das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitgliedes gemindert wird. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht zu der mit Ÿ37 Abs. 2 BetrVG insoweit vergleichbaren Vorschrift des Ÿ42 Abs. 2 LPVG NW in Verbindung mit Ÿ107 BPersVG angenommen, dass ein Anspruch auf Zusatzurlaub für besonders gesundheitsgefährdende Arbeiten auch dann einem Betriebsratsmitglied erhalten bleibt, wenn es infolge seiner Freistellung diese besonders gesundheitsgefährdenden Arbeiten nicht mehr verrichtet (vgl. BAG vom 08. Oktober AZR 81/79 - AP Nr. 2 zu Ÿ49 BAT; BAG vom 13. Juli AZR 477/93 - a.a.o.). 2. a) Zu dem vom Arbeitgeber fortzuzahlenden Arbeitsentgelt gehört nach einhelliger Rechtsaufassung in Rechtsprechung und Rechtslehre die vorliegend von dem beklagten Verein gezahlte Schichtzulage (vgl. LAG Niedersachsen vom 01. August Sa 29/79 - EzA Ÿ37 BetrVG Nr. 68; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider/Blanke, a.a.o., Ÿ37 Rz. 48; Stege/Weinspach, BetrVG, 8. Au. 1999, Ÿ37 Rz. 13; Wiese in GK-BetrVG, Ÿ37 Rz. 60 ). b) Auch die &132;Gefahrenzulage&147; unterliegt als Bestandteil des Arbeitsentgelts (Ÿ611 Abs. 1 BGB) dem betriebsverfassungsrechtlichen Minderungsver- 4

5 bot des Ÿ37 Abs. 2 BetrVG Der beklagte Verein kann insoweit auch nicht mit dem Einwand gehört werden, die &132;Gefahrenzulage&147; stehe der Klägerin nur dann zu, wenn die &132;Gefahr&147; tatsächlich vorhanden sei. Gleichwohl handelt es sich nämlich bei der &132;Gefahrenzulage&147; um einen vertraglichen Anspruch der Arbeitnehmerin und nicht etwa um Leistungen zum Ersatz echter Aufwendungen, die von einem freigestellten Betriebsratsmitglied nicht verlangt werden könnten, etwa weil ein entsprechender Aufwand infolge der Freistellung fortgefallen wäre. Abgesehen davon, dass - worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat - die Beklagte vorliegend die &132;Gefahrenzulage&147; auch für Zeiten der Abwesenheit wegen Urlaubs bzw. Arbeitsunfähigkeit gezahlt hat, sind nach ganz herrschender Auassung im Falle der Freistellung z.b. Schmutzzulagen, die als Entgelt für die Leistung schmutziger Arbeit, nämlich für eine entsprechende Erschwernis, gewährt werden, auch bei Freistellung weiterzuzahlen, sofern diese Aufwendungen nicht infolge der Freistellung entfallen (vgl. z.b. für die Reinigung der Bekleidung: Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.o., Ÿ37 Rz. 51; vgl. für Erschwerniszulagen: Eisemann in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2. Au. 2001, Ÿ37 Rz. 8; Stege/Weinspach, a.a.o., Ÿ37 Rz. 13 m.w.n.). Ebenso wie nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Schmutzzulagen zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt des freigestellten Betriebsratsmitglieds gehören, ist dies bei der vorliegend in Frage stehenden Erschwerniszulage (&132;Gefahrenzulage&147;) der Fall, denn auch diese wäre an das freigestellte Betriebsratsmitglied gezahlt worden, wenn es gearbeitet hätte. Demgemäÿ war der beklagte Verein antragsgemäÿ zu verurteilen. II. 1. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf Ÿ288 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Ÿ284 Abs. 1 S. 1 BGB. Gemäÿ Ÿ288 Abs. 1 S. 1 BGB kann die Klägerin 5 % Zinsen über dem Basis- zinssatz der Europäischen Zentralbank nach Ÿ1 des Diskontsatz-Überleitungs- gesetzes vom 09. Juni 1988 seit Rechtshängigkeit fordern. 5

6 Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäÿ Ÿ91 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit Ÿ46 Abs. 2 ArbGG die Beklagte zu tragen. 3. Den Wert des Streitgegenstandes hat die Kammer gemäÿ Ÿ61 Abs. 1, Ÿ46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit den ŸŸ3 ZPO in Höhe der Klageforderung festgesetzt.... gez. B a c h l e r 6

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