CONIAS Risk-Overview. Oktober Risk-Level: 5 Trend: KEY FIGURES TÜRKEI. Max Intensity per Conflict POLITISCHE RISIKEN
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- Clemens Lorentz
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1 T CONIAS Risk-Overview Risk-Level: 5 Trend: KEY FIGURES TÜRKEI OKT SEP T Höchste Risikostufe im Land 5 5 Anzahl der Konflikte 7 7 Anzahl der Gewaltaktionen 5 1 Anzahl Tote (max) Anzahl Tote (min) Provinzen mit pol. Gewalt 1 29 Gewalt an Zivilbevölkerung 1 9 Gesamtzahl Maßnahmen Abbildung 1 Risk Level Türkei Okt POLITISCHE RISIKEN STATUS Die politische Lage in der Türkei ist von einer Vielzahl innerstaatlicher Konflikte geprägt, die vor allem im Südosten des Landes gewaltsam ausgetragen werden und vereinzelt auch die städtischen Zentren erreichen. Kritiker beobachten eine starke Schwächung demokratischer Strukturen. Die teilweise prekäre Sicherheitslage wichtiger Nachbarstaaten belastet u.a. den Außenhandel der Türkei. ENTWICKLUNG Die Wahlen im November haben zu klaren Machtverhältnissen im Parlament geführt und die politische Patt-Situation aufgelöst. Die Opposition wird weiterhin unter massiven Druck gesetzt. Die Gewalt hat im Vergleich zum Vormonat vor allem an der Peripherie deutlich abgenommen. Intensity Max Intensity per Conflict TREND Für die weitere politische Stabilität in der Türkei wird es entscheidend sein, wie Erdogan im Konflikt mit der Opposition und der PKK agieren wird. Die neu gesicherte Machtposition könnte stabilisierend wirken, allerdings ist mit weiteren Einschnitten im demokratischen System zu rechnen. 1 Sept Oct
2 Abbildung 2 Übersicht der versch. Bedrohungslagen Verlauf der Konfliktbelastung 5 Risk Level Höchste innerstaatliche Konfliktbelastung Höchste zwischenstaatliche Konfliktbelastung Abbildung 3 Übersicht Akteure und Todesopfer Coded measures per conflict Oct 15 1 Occurences Syria - Turkey Turkey - Armenia Turkey - Greece (border) Turkey - Iraq Turkey (Hüda Par) Turkey (opposition) Turkey (PKK) Other Non violent measures Violent measures 2
3 POLITISCHES SENTIMENT Occurences Political Sentiment Sep 15 Oct 15 Non violent repressions Negative political expressions Die grundlegende politische Stimmung in der Türkei war im Oktober geprägt vom politischen Wahlkampf um das Parlament und dem Terroranschlag in Ankara am 1. Oktober mit mehr als 1 Toten. Im Vergleich zum September lässt sich eine klare Veränderung im politischen Alltag feststellen, wie auch die Grafik links unterstreicht: Die staatlichen Stellen greifen deutlich häufiger zu repressiven Maßnahmen. Darunter fallen etliche Verhaftungen, insbesondere von PKK-Anhängern aber auch von Journalisten und massive Einschränkungen von AKP-kritischen Medienhäusern. Im Gegenzug gibt es weniger kritische Debatten und öffentliche Anklagen beispielsweise gegen die Korruption der AKP. Kritiker der AKP interpretieren die wachsende politische Unordnung der letzten Monate, die im Terroranschlag in Ankara gipfelte, als bewusstes Signal der AKP an die Bevölkerung, um zu demonstrieren, wie eine Türkei mit einer weiterhin geschwächten AKP aussehen würde. Der klare Wahlerfolg mit der wiedererlangten absoluten Mehrheit gibt der AKP nun die Möglichkeit, verstärkt einen repressiven Kurs gegen die Opposition und die PKK zu führen. Die erneute Machtkonzentration auf die AKP wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Stabilisierung der politischen Lage in den nächsten Monaten führen. Die Gefahr liegt in einer weiter wachsenden Klientel- und Korruptionswirtschaft, die langfristig Wachstum und Stabilität der Türkei gefährdet. Kritisch ist auch die geplante weitere Machtfokussierung auf Präsident Erdogan zu sehen. Die Wahlen haben gezeigt, dass es kaum Alternativen zu ihm gibt. Abbildung 4 Politisches Sentiment Okt 3
4 PHYSISCHE SICHERHEITSBEDROHUNGEN Occurences 1 5 Physical Security Sep 15 Oct 15 Non violent threats against civilians Other political violence Violence against civilians Trotz des gewaltigen Terroranschlag am 1.Oktober in der Hauptstadt Ankara, bei dem nach Regierungsangaben 13 Menschen getötet und mehr als 2 verletzt wurden, ist die Anzahl der politisch motivierten Übergriffe auf die physische Unversehrtheit im Vergleich zum Vormonat rückläufig. Diesen Befund unterstreicht auch der Rückgang der Anzahl der Todesopfer aus politischen Konflikten von ca. 53 im September auf ca. 34 im Oktober. Das größte Risiko besteht nach wie vor im Osten bzw. Südosten des Landes im Konflikt der Regierung gegen die PKK. In den großen Städten kam es lediglich zu größeren Demonstrationen, die mit der angesprochenen Ausnahme in Ankara sonst gewaltlos verliefen. Insbesondere nach dem klaren Ausgang der Wahlen ist zu erwarten, dass die Regierung die Sicherheitsaparate restriktiv einsetzen wird und so in den nächsten Monaten die Intensität der Konflikte im Osten des Landes in etwa gleich bleibt, in den übrigen Teilen absinkt. Allerdings besteht weiterhin eine hohe Gefahr terroristischer Anschläge, insbesondere in den Ballungszentren und Wirtschaftsmetropolen. Abbildung 5 Physische Sicherheitsbedrohungen Okt 4
5 BEDROHUNGEN FÜR LIEFERKETTEN Occurences Supply Chain Sep 15 Oct 15 Combat operations Damage of infrastructure Social unrest Mit Ausnahme des Ostens des Landes sind die Transportwege innerhalb des Landes sowie die großen Hafenstädte im Oktober 215 weitgehend unbelastet. Eine Gefahr für die Unterbechung der Lieferkette bestand außerhalb des Kampfgebietes im Osten des Landes nicht. In den Zentren des Landes sorgten lediglich einige Großdemonstrationen in Ankara und Istanbul für Straßensperren, die aber von der Polizei kontrolliert und geregelt wurden. Der Rückgang der Häufigkeit lässt sich u.a. erklären mit dem Terroranschlag in Ankara und darauf folgende Absagen weiterer Demonstrationen der Opposition aus Furcht vor ähnlichen Ereignissen. Nach der Wahl am 1. November, die ein klares Ergebnis gebracht hat, ist vorerst mit einem weiteren Rückgang politischer Demonstrationen zu rechnen. Die größte Bedrohung für den Transport von Waren resultiert derzeit aus dem Konflikt mit der PKK im Osten des Landes. Zwar könnte Erdogan aus der neu gewonnen Stärke heraus neue Gespräche mit der PKK anbieten und sich daraus ein neuer Friedensprozess entwickeln, dennoch ist nicht von einem raschen Abflauen der Kampfhandlungen im Osten auszugehen. Abbildung 6 Bedrohungen für Lieferketten Okt 5
6 LAUFENDE POLITISCHE KONFLIKTE Türkei (PKK): Türkische Regierung und Sicherheitskräfte (Polizei, Gendarmerie, Armee) sowie die KCK (Group of Communities in Kurdistan), die als Dachverband für unter anderen die PKK und deren Jugendorganisation YDG-H (Patriotic Revolutionary Youth Movement) fungiert, die HDP, die sich in den Verhandlungen zwischen den beiden Seiten als Vermittler und Mediator einbrachte, und die MHP (Nationalist Movement Party), die Autonomiebestrebungen skeptisch gegenübersteht und einen bewaffneten Arm, die Grauen Wölfe hat. Autonomie 5 Der Konflikt zwischen der Türkei und der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) startete mit dem Ziel eines kurdischen Staates und beschränkt sich mittlerweile auf größere Autonomie innerhalb des türkischen Nationalstaats sowie größere kulturelle und politische Rechte für Kurden. Trotz verschiedener Waffenstillstandserklärungen eskaliert der Konflikt seit 1984 in unregelmäßigen Abständen. Erst jüngst flammten neue Gewaltakte als Folge der Kämpfe zwischen dem Islamischen Staat und der syrischen (und türkischen) Kurden im syrischen Bürgerkrieg während der Belagerung von Kobane 214 auf. Ein Selbstmordattentat in Suruc am 2. Juli 215, für das der Islamische Staat die Verantwortung übernahm und bei dem 33 Menschen starben und 14 verletzt wurden, führte zur Eskalation der Lage im Südosten der Türkei. Abbildung 7 Türkei PKK Konflikt mit Maßnahmen 6
7 Türkei (Oppositionsbewegung): 213 Türkische Regierung, Präsident und zivilgesellschaftliche Gruppen, Aktivisten, Regimekritiker / Demokratiebefürworter, regierungskritische Medien (vor allem Print und Fernsehen), Gülen-Bewegung, politische Parteien (HDP, die auch dem PKK Konflikt zugewiesen ist, CHP (Republican People s Party, kemalistische Partei)) Ideologie / System 3 Die Oppositionsbewegung entstand im Sommer 213 aus dem Widerstand der Bevölkerung gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks in Istanbul. Ein gewaltsamer Polizeieinsatz Ende Mai führte zur Eskalation der Ereignisse und aus dem ursprünglichen Ziel, das Bauprojekt zu verhindern, wurden Forderungen nach mehr bürgerlichen Freiheiten, freien und fairen Wahlen, sowie dem Rücktritt des Erdogan Kabinetts. Mittlerweile werden zu diesem Konflikt jedoch nicht nur Bürgerbewegungen, sondern auch Parteien hinzugerechnet, die den von Erdogan angestrebten Wandel im politischen System hin zu einem semi-präsidentiellen Regime kritisch gegenüberstehen und seine Methoden, dieses Ziel zu erreichen, kritisieren. Darüber hinaus werden Aktionen von bzw. gegen die sogenannte Gülen-Bewegung zu diesem Konflikt gezählt. Fetullah Gülen, ein Prediger und früherer Verbündeter Erdogans, lebt seit 1998 im selbstauferlegten Exil in den USA und finanziert Bildungseinrichtungen weit über die Türkei hinaus und hat mutmaßlich Verbindungen zu anderen Wirtschafts- und Medienunternehmen. Die Gülen-Bewegung wurde von der türkischen Regierung als terroristische Vereinigung klassifiziert. Anhänger der Bewegung werden im gesamten Staatsapparat, der Judikative und den Sicherheitskräften vermutet. Abbildung 8 Türkei Oppositionskonflikt mit Maßnahmen 7
8 TÜRKEI (HÜDA PAR - PKK/KURDISCHE GEBIETE): 1992 PKK und Hüda Par als gewaltbereite Akteure. Andere kurdische politische Parteien sind die HDP und die DBP (Demokratische Partei der Regionen), die auch beide in regionalen und lokalen Ämtern vertreten sind. Ideologie/ System 1 Der Konflikt zwischen der Partei der Freien Sache (Hüda Par, Free Cause Party) und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wird um das Vorrecht geführt, für die gesamte kurdische Bevölkerung der Türkei sprechen und handeln zu können. Hüda Par ist eine islamische, kurdisch-nationalistische und konservative Partei, wohingegen die PKK eine ursprünglich sozialistische, ebenfalls kurdischnationalistische Partei ist. Beide Organisationen haben die Lösung der Kurdenfrage und stärkere politische und kulturelle Rechte von Kurden innerhalb der Türkei als Ziel. Die PKK ist graduell von der Erschaffung eines unabhängigen Kurdenstaates zur Autonomie der mehrheitlich kurdischen Gebiete innerhalb der Türkei abgewichen. Zeitweise hatte der Konflikt Einfluss auf die Sicherheitslage der mehrheitlich kurdischen Gebiete im Südosten der Türkei und selten in anderen Regionen. TÜRKEI - Zypern (GRENZE): 25 Zypern vs. Türkei Grenze 1 Der Konflikt zwischen der Türkei und Zypern wird um Territorialansprüche und Ressourcen geführt. Er ist eng verwoben mit dem innerzypriotischen Konflikt um die Souveränität auf der Insel. Die Türkei beansprucht Seegebiete und Ressourcen um und nahe der ausschließlich von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern, wohingegen die Republik Zypern diese Gebiete für sich beansprucht. Der Konflikt hat keinen Einfluss auf die Sicherheitslage in der Türkei. TÜRKEI - GRIECHENLAND (GRENZE): 1973 Türkische und griechische Regierung sowie die jeweiligen Armeen (zumeist Grenze 2 Luftwaffe aber auch Seestreitkräfte) Der Grenzkonflikt zwischen der Türkei und Griechenland bezieht sich auf die Seegrenze in der Ägäis und beinhaltet konkurrierende Besitzansprüche an verschiedenen Inseln. Konkret wird um die Demarkierung von Küstenmeer, den nationalen Luftraum, ausschließliche Wirtschaftszonen und die Nutzung des Festlandsockels gerungen. Mit der Stärkung des internationalen Rechts nach dem Zweiten Weltkrieg und darauf fußenden sich widersprechenden Interpretationen der Konfliktparteien, bekam der Konflikt eine neue Dynamik. Die Türkei weist die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zurück und beharrt auf ein bilaterales Abkommen, wohingegen Griechenland auf eine Einigung besteht, die eine internationale Institution beinhaltet. Der Konflikt zwischen den beiden NATO-Partnern hat keinen Einfluss auf die Sicherheitslage in der Türkei. TÜRKEI - ARMENIEN: 1991 Türkische und armenische Regierung, andere Gruppen oder Regierungen bzw. Organisationen, die sich in den Konflikt einmischen (Beispiel: der Papst nennt den Völkermord an den Armeniern einen Genozid, die Türkei weist die Äußerung des Papstes zurück) Internat. Macht, Andere 1 Der Konflikt zwischen der Türkei und Armenien handelt hauptsächlich von der (Nicht-)Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich im Jahr Darüber hinaus lebt eine Minderheit von Armeniern in der Türkei; Schätzungen gehen von rund 7. Armeniern aus. Die Türkei und Armenien unterhalten keine diplomatischen Beziehungen. Als Resultat des Bergkarabach-Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan ist ferner die türkisch-armenische Grenze seit 1993 geschlossen und die Türkei hat ein Wirtschaftsembargo gegen Armenien auferlegt. Nichtsdestotrotz gab es seit 28 vorsichtige Annäherungsversuche, die bisher allerdings noch keine Früchte trugen. Der Konflikt hat keinen Einfluss auf die Sicherheitslage in der Türkei. 8
9 TÜRKEI - IRAK: 1979 Türkische und irakische Zentralregierung sowie Regionalregierung Irakisch- Internat. 1 Kurdistan s, PKK Verbände Macht Der Konflikt besteht in erster Linie zwischen der Kurdistan Regionalregierung im Nordirak und der Türkei. Der Nordirak entstand als Rückzugsgebiet und Hauptquartier der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Folge des Machtvakuums nach dem ersten Golfkrieg und der Irakinvasion 23. Um die PKK mit Luftangriffen, selten auch mit Bodentruppen, im Nordirak zu bekämpfen, dringt die Türkei gelegentlich in irakisches Hoheitsgebiet ein, was zu diplomatischen Verstimmungen führte. Ferner beherbergt der Irak eine Minderheit irakischer Turkmenen, deren Rechte immer wieder angesprochen werden; Angaben zu deren Bevölkerungsstärke schwanken von 6. bis mehr als drei Millionen. Der Konflikt betrifft indirekt die Sicherheitslage innerhalb der Türkei, da sich das PKK Hauptquartier und einige weitere Lager mit Waffendepots und Logistikzentren im Nordirak befinden. Der direkte Einfluss des Konfliktes beschränkt sich hingegen auf das unmittelbare Grenzgebiet, da gelegentlich Angriffe von irakischem Boden auf die Türkei stattfinden. Syrien - Türkei: 1983 Syrische und türkische Regierung sowie deren Streitkräfte und Rebellengruppen im unmittelbaren syrischen Grenzgebiet (syrische Kurden, IS, diverse syrische Gruppierungen) Internat. Macht, Territorium 2 Der Konflikt zwischen Syrien und der Türkei betrifft strittige Gebiete und internationalen Machtanspruch. Das umstrittene Gebiet ist die türkische Provinz Hatay, die sich 1939 als neue unabhängige Republik Hatay der Türkei angeschlossen hatte. Viele Syrer betrachten das Gebiet als historisch syrisch, und um die Selbstannexion per Referendum ranken sich Ungereimtheiten und politische Motive der damaligen Alliierten. Syrien unterstützte lange Zeit die PKK und eine armenische Freiheitsbewegung, seit der Auslieferung des PKK Oberhauptes Abdullah Öcalan 1998 haben sich die Beziehungen allerdings normalisiert. Nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs ist jedoch wieder eine deutliche Verschlechterung zu verzeichnen. Die Türkei möchte verhindern, dass sich im Grenzgebiet auf syrischer Seite ein Machtvakuum bildet, das zur Ausrufung eines kurdischen Staates führen könnte. Der syrische Bürgerkrieg hat durch Flüchtlingsströme, Querschläger im syrisch-türkischen Grenzgebiet und dortige Luftraumverletzungen direkten Einfluss auf die Sicherheitslage in der Türkei. 9
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