Peter Stamm: Ungefähre Landschaft die Kunst, im Ungefähren ein Ausrufezeichen zu setzen Erschließung des Romans in Expertengruppen VORANSICHT

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1 1 von 44 die Kunst, im Ungefähren ein Ausrufezeichen zu setzen Erschließung des Romans in Expertengruppen Arno Brabender, Wipperfürth Eine ungefähre Landschaft ruft die Suche nach Licht und Wegmarken hervor. Schneelandschaft auf Spitzbergen in Norwegen Kathrine, die junge Hauptfigur in Peter Stamms Roman von 2001, steht vor ihrem Leben wie vor der konturlosen winterlichen Weite der Polarregion, in der sie zu Hause ist. In der ungefähren Landschaft sucht sie nach Halt und Orientierung. Schließlich begibt sie sich auf eine Reise durch Europa und zu sich selbst. Ihre Schülerinnen und Schüler untersuchen den Roman, indem sie in Arbeitsgruppen selbst gewählte Schwerpunkte setzen und einander ihre Ergebnisse präsentieren. Dabei charakterisieren sie die Hauptfigur und ihre Entwicklung im Roman, schreiben ein Leser- oder Figurentagebuch und inszenieren fiktive Dialoge. Zur Analyse der Form des Romans erstellen sie eine Spannungskurve und untersuchen die literarische Darstellung von Zeit und Raum. Das Wichtigste auf einen Blick Dauer: Stunden + LEK Kompetenzen: Foto: Marian Brabender die literarische Darstellung von Raum und Zeit analysieren produktionsorientierte Verfahren zur Texterschließung nutzen Interpretationsergebnisse szenisch umsetzen und grafisch darstellen zu ethischen und existenziellen Fragen der Lebensführung Stellung beziehen in Arbeitsgruppen kooperieren und Ergebnisse adressatenorientiert präsentieren

2 12 von 44 I/D Materialübersicht Modul 1 Einführung, Themenfindung, Gruppenbildung M 1 (Gf) Advance Organizer die Unterrichtsreihe im Überblick M 2 (Tx) Erste Begegnung mit dem Roman ein literarisches Gespräch M 3 (Tx) Romananalyse in Expertengruppen Überblick über den Ablauf M 4 (Ab) Ein Lesertagebuch führen Tipps und Anregungen M 5 (Ab) Es wurde Herbst und Winter Zeitdarstellung im Roman M 6 (Tx) Literarische Zeitgestaltung wichtige Begriffe M 7 (Tx) Untersuchung des Romans die Themen im Überblick Modul 2 Erschließung des Romans in Expertengruppen M 8 (Ab) Kathrine vor Beginn der Reise ein Porträt der Hauptfigur Thema A 1 M 9 (Ab) Kathrines Entwicklung Veränderungen auf der Reise Thema A 2 M 10 (Ab) Kathrine und die Männer Untersuchung ihrer Beziehungen Thema A 3 M 11 (Ab) Fieberkurve des Lesers der Spannungsverlauf im Roman Thema B 1 M 12 (Ab) Zeit im Roman Untersuchung erzähltechnischer Mittel Thema B 2 M 13 (Gf) Erzählzeit und erzählte Zeit Muster für ein Zeitdiagramm Thema B 2 M 14 (Ab) Räume im Roman Einflüsse auf die Hauptfigur Thema B 3 Modul 3 Präsentation und Lösungshinweise M 15 (Tx) Porträt der Hauptfigur Kathrine vor der Reise Lösungen A 1 M 16 (Tx) Entwicklung der Hauptfigur Kathrines Reise und die Folgen Lösungen A 2 M 17 (Tx) Beziehungen der Hauptfigur Kathrine und ihre Männer Lösungen A 3 M 18 (Tx) Der Handlungsverlauf Spannungskurve des Romans Lösungen B 1 M 19 (Tx) Die Darstellung von Zeit im Roman eine Textpartitur Lösungen B 2 M 20 (Tx) Räume im Roman Kulissen und Faktoren der Handlung Lösungen B 3 Modul 4 Transfer, Abschluss und Evaluation der Reihe M 21 (Ab) Der Schwindel der Freiheit ein Zitat von Kierkegaard M 22 (Ab) Existieren und Dahinleben wo liegt der Unterschied? M 23 (Ab) Rückblick und Urteil Evaluation der Unterrichtsreihe Lernerfolgskontrolle LEK (Ab) Ungefähre Landschaft der Schluss des Romans Abkürzungen: Ab = Arbeitsblatt; Gf = Grafik; Tx = Text

3 13 von 44 M 1 Advance Organizer die Unterrichtsreihe im Überblick Foto P. Stamm: picture-alliance/dpa; Cover Roman: Fischer Taschenbuch Verlag, ein Unternehmen der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, Dezember 2010

4 16 von 44 I/D M 3 Romananalyse in Expertengruppen Überblick über den Ablauf Viele unterschiedliche Aspekte können bei der Auseinandersetzung mit dem Roman Ungefähre Landschaft eine Rolle spielen. Damit der Unterricht möglichst vielfältig wird und auch individuelle Sichtweisen zur Sprache kommen, werden wir die Arbeit aufteilen. In Arbeitsgruppen werden Sie jeweils zu Experten für einen Themenkomplex. Über die geplanten Arbeitsschritte und was dabei wichtig ist, informiert diese Übersicht. 1. Information und Vorbereitung (im Plenum) Information über den Ablauf und exemplarische Übung zum Thema Zeit im Roman. (Eine Arbeitsgruppe kann später an die Ergebnisse dieser Übung anknüpfen.) 2. Arbeit in Expertengruppen (kooperatives Lernen) Phase 1 Erarbeitung (ca. 4 Stunden) Überblick über die Themenschwerpunkte und Arbeitsmaterialien Themenwahl und Mitgestaltung des Themenpools (Ergänzung der vorgegebenen Themen durch Vorschläge aus dem Kurs) Nutzung von Freiräumen; Übernahme von Verantwortung für den Arbeitsprozess und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Nutzung von Lösungsvorschlägen bei der Erstellung der Präsentation: Ausgabe von Teilen der Lösungshilfen und Tipps durch die Lehrperson Beraterrolle der Lehrperson (gibt Tipps und Hilfen) Phase 2 Präsentation (ca. 3 Stunden) Ergebnispräsentation als Bewährungsprobe für das Geleistete Heranziehen der Lösungsvorschläge vor bzw. nach der Präsentation Markieren von Differenzen zwischen Lösungsvorschlag und eigenen Ergebnissen; Diskussion von Abweichungen bei der Präsentation oder im Anschluss daran 3. Transfer und Evaluation (im Plenum) Gemeinsame Reflexion der Ergebnisse und des Arbeitsprozesses. Ausweitung der Diskussion über den Roman hinaus (weitere Werke des Autors; philosophische Texte). Individuelle Eindrücke und Ideen das Lesertagebuch Ergänzend zur gemeinsamen Arbeit in Ihrer Expertengruppe sind Sie aufgefordert, Ihre individuelle Auseinandersetzung mit dem Roman in einem Lesertagebuch zu dokumentieren. Nutzen Sie dazu die entsprechenden Arbeitshinweise.

5 17 von 44 M 4 Ein Lesertagebuch führen Tipps und Anregungen Das Lesertagebuch begleitet Sie bei der Lektüre von Peter Stamms Roman Ungefähre Landschaft. Sie können darin Ihre Ideen, Gedanken und Gefühle beim Lesen und zu den Ergebnissen im Unterricht festhalten. Ebenso finden Ihre Fragen und Ihre Kritik Platz in Ihrem Lesertagebuch. Praktische Vorbereitung Zweckmäßig ist die Anlage eines Schnellhefters mit einem individuell gestalteten Deckblatt. Die Lesertagebücher können auf freiwilliger Basis am Schluss der Unterrichtsreihe ausgestellt werden. Anregungen zur inhaltlichen Gestaltung In Ihrem Lesertagebuch können Sie Ihr Ge- und Missfallen bezüglich des Romans oder eines Abschnitts oder ganz punktuell zu Papier bringen; Textstellen herausschreiben, die Sie besonders bemerkenswert, spannend oder interessant finden. Erläutern Sie auch, warum diese Stellen Sie besonders ansprechen; Fragen, Reflexionen oder Einsichten zu den handelnden Personen (insbesondere bezüglich der Hauptfigur) notieren; handelnde Personen in ihrer Umgebung oder in einer bestimmten Situation zeichnen und schriftlich erläutern, was Sie dargestellt haben; einen Dialog zwischen den handelnden Personen erfinden so, wie er sich hätte abspielen können; eine der handelnden Personen einen Brief schreiben lassen, den sie an eine Person ihrer Wahl richtet und in dem sie die Handlung aus ihrer Sicht beschreibt; eine der handelnden Personen Tagebuch schreiben lassen (Figurentagebuch): Hierbei stehen dann die Gefühle und Gedanken der Figur im Vordergrund; sich mit weiteren Texten/Büchern des Autors befassen und diese rezensieren; versuchen, die in seinem Werk deutlich werdende Lebensphilosophie Peter Stamms zu skizzieren und zu kommentieren. Buchcover: Fischer Taschenbuch Verlag, ein Unternehmen der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, Dezember 2010

6 25 von 44 M 9 Kathrines Entwicklung Veränderungen auf der Reise Das Ziel Ihrer Arbeit ist es, die Entwicklung zu beschreiben, die die Hauptfigur auf ihrer Reise durchlebt. Was löst die Reise bei ihr aus? Werden Veränderungen sichtbar? Inwiefern ist die Rede von einer Entwicklung gerechtfertigt? Textgrundlage, Kapitel 3 5 (S ) Thema A 2 Aufgaben 1. Verschaffen Sie sich zunächst ein Bild von Kathrine vor Beginn der Reise. 2. Untersuchen Sie die Veränderungen im Zuge der Reise. Wählen Sie dabei die Reisestationen aus, die Ihrer Auffassung nach besonders aussagekräftig sind. Entwerfen Sie entlang dieser Stationen ein möglichst genaues Porträt Kathrines und ihrer Entwicklung. Hinweis: Berücksichtigen Sie besonders die Personen, die für Kathrine wichtig werden (auch die drei Frauen). Welche Begegnungen hinterlassen Wirkung bei der Protagonistin? 3. Beurteilen Sie die Veränderungen: Welche Bedeutung geben Sie der Reise für Kathrine insgesamt? Methodenbausteine Tipps zum Vorgehen Wählen Sie aus folgendem Methodenpaket diejenigen Aufgaben aus, die Sie für besonders geeignet halten, um zu einem differenzierten Bild von Kathrines Entwicklung zu gelangen. Kombinieren und variieren Sie die vorgeschlagenen Methoden. Sie können die Aufgaben auch nach individueller Neigung untereinander aufteilen. Tagebucheinträge: Verfassen Sie Tagebucheinträge der Protagonistin an denkwürdigen Tagen (zu Aspekten wie: Befindlichkeit, Angst, Kraft, Ziele, Hoffnung in bestimmten Situationen). Briefe und Gespräche: Verfassen Sie einen Brief oder ein Gespräch, in dem Linn den anderen beiden schwedischen Frauen von Kathrine erzählt; die Frauen diskutieren über Kathrines Rückkehr in ihr Dorf. Gedanken von Mitreisenden: Versetzen Sie sich in die Rolle eines Mitreisenden, der Kathrine an einem bestimmten Ort begegnet (Paris: Café, Metro; im Zug; an Deck des Schiffs etc.). Wie könnte eine Momentaufnahme von Kathrines Stimmung hier aussehen? Durch kleine Details verraten Sie, wie sie sich fühlt, eventuell nur andeutungsweise. Standbild oder Szene: Um Kathrines Innenleben sichtbar zu machen (z. B. zur Verstärkung des Eindrucks ihrer Ratlosigkeit und Verzweiflung), können Sie ein Standbild mit vielen Romanfiguren bauen. Sie können dies unbewegte Bild auch animieren, indem jede Figur eine vorbereitete Botschaft an Kathrine richtet (nur einen Satz oder ein Wort); die Szene kann traumähnlich wirken und sollte nicht in einen Dialog übergehen. Zusatzaufgaben für Ihr Lesertagebuch: Welche Situationen auf der Reise haben für Sie eine Schlüsselfunktion und inwiefern? Wie würden Sie entscheiden, wie würden Sie sich verhalten, wenn Kathrine wieder einmal fragt: Was machen wir?

7 30 von 44 I/D M 14 Räume im Roman Einflüsse auf die Hauptfigur Thema B 3 Wo die Romanhandlung spielt, ist nicht gleichgültig: Die Räume in einem literarischen Text sind nicht nur Kulissen, sondern meist auch Faktoren der Handlung. Untersuchen Sie, inwiefern das auf Ungefähre Landschaft und auf die dargestellten Landschaften und Schauplätze zutrifft. Ziel Ihrer Arbeit ist es herauszuarbeiten, wie der Raum das Geschehen und die Entwicklung der Figuren beeinflusst. Aufgaben 1. Untersuchen Sie die geschilderten Räume als Kulissen und Faktoren der Handlung. Berücksichtigen Sie dabei folgende Aspekte: die dort herrschenden Lebensbedingungen (z. B. in der Region am Polarkreis); die Art, wie der Erzähler die Räume ins Bild setzt (durch Stil, Sprache, Hervorhebungen oder Aussparungen); die Art, wie die Hauptfigur Kathrine die Räume erlebt, welche Rolle sie für ihr Leben und Handeln spielen. 2. Sammeln Sie Ihre Beobachtungen in einer Tabelle und stellen Sie diese erläuternd vor. Hinweise: Unterscheiden Sie zwischen der Zeit vor, während und nach der Reise. (Vergleichen Sie z. B. die Darstellung von Details aus dem Dorf in der Zeit vor und nach der Reise.) Ihr Auftrag hat sowohl inhaltliche wie formale Schwerpunkte. Die Kombination beider darzustellen, ist besonders anspruchsvoll. Inhaltlich sind der Lebensraum Arktis, die verschiedenen Schauplätze der Handlung vor, während und nach der Reise sowie ggf. auch die diversen Fortbewegungsmittel (Schiff, Zug, Bus etc.) wichtig. Formal von Interesse sind der Stil der Beschreibungen, die Auswahl der Details (vgl. Paris und das Dorf) und die Eindrücke und Wirkungen, die die Umgebung bei Kathrine hinterlassen. Methodenbausteine Tipps zum Vorgehen Mit den folgenden Methoden können Sie besondere Akzente setzen und den Blick für relevante Details schärfen. Sie können die Aufgaben auch untereinander aufteilen. Schreibfantasie I: Befolgen Sie den Tipp aus einem alten Blues: Walk a mile in my shoes, then you ll understand. Schnallen Sie Kathrines Langlaufskier unter und unternehmen Sie eine Rundfahrt durch das Dorf und um das Dorf herum. Versuchen Sie, mit Kathrines Augen zu sehen: Schildern Sie, was sie sieht und fühlt. Schreibfantasie II: Kontrastiv dazu können Sie einen Rundgang durch Ihre eigene Stadt oder Siedlung schildern, per Rad, City-Roller, zu Fuß oder mit Auto, Bus und Bahn. Textcollage: Verschränken Sie beide Schriftstücke kunstvoll miteinander, indem Sie je 2 3 Sätze im Wechsel lesen. (Bei Ihrem Vortrag werden die Zuhörer die Details aus den unterschiedlichen Lebensräumen mit Vergnügen selbst entwirren.) Erstellen Sie auf Grundlage einer Internet-Recherche eine Präsentation über relevante geografische und andere Bedingungen in der Region Nordnorwegen/Polarkreis. Zusatzaufgaben für das Lesertagebuch: Schreiben Sie auf, wie sich die Untersuchung der Räume auf Ihr Gesamtverständnis des Romans auswirkt. Diskutieren Sie Ihre Ansichten vor der Präsentation in Ihrer Gruppe. Stellen Sie eine Betrachtung über folgende Fragen an: Was würde es für mich bedeuten, an einem Ort wie Kathrines Dorf zu leben? Worin bestünden die Schwierigkeiten, worin läge der Reiz?

8 35 von 44 Lösungen B 1 M 18 Der Handlungsverlauf Spannungskurve des Romans In drei verschiedenen Kurven, die sich auch überlagern können, lassen sich die unterschiedlichen Aspekte darstellen. Sie geben damit den Betrachtern interessante Gesprächs- und Diskussionsanlässe, indem sie Antworten auf folgende Fragen geben: Kurve 1 Die Handlungskurve: Wie verläuft das Romangeschehen? Wann nimmt die Spannung bzw. Dramatik der Handlung zu, wann nimmt sie ab? Kurve 2 Die Befindlichkeitskurve: Wie fühlt sich die Protagonistin im Verlauf der Handlung? Wann sind Höhe- bzw. Tiefpunkte von Kathrines Befindlichkeit erreicht? Kurve 3 Die Interessenskurve des Lesers: Wie entwickelt sich Ihr Interesse als Leser an der Entwicklung der Hauptfigur im Verlauf der Lektüre? Beispiel für eine grafische Umsetzung: Hinweise zum Vorgehen 1. Die Handlungskurve: Auf der x-achse markieren Sie ausgewählte Punkte, die für erwähnenswerte Ereignisse der Handlung stehen; auf der y-achse kann (wenn auch ohne exakte Messgenauigkeit) eingetragen werden, wie bewegt, dramatisch, konfliktbeladen oder ruhig und alltäglich oder sogar reizarm die Handlung verläuft. 2. Die Befindlichkeitskurve der Protagonistin: Sie kann der Handlungskurve entsprechen, aber auch davon abweichen (z. B. wenn gerade ein emotionaler Tiefpunkt für Dramatik des Geschehens sorgt oder wenn umgekehrt Kathrine an einem unscheinbaren Punkt des äußeren Geschehens in ihrem Inneren tief bewegt wird). Die y-achse markiert bei dieser Kurve die seelischen Bewegungen Kathrines. 3. Die Interessenskurve des Lesers: Sie kann den beiden anderen Kurven entsprechen, aber auch stark davon abweichen je nachdem, was bei Ihnen jeweils Interesse weckt. Die y-achse kann hier als Skala für durchschnittliches, gesteigertes oder vermindertes Interesse verwendet werden (z. B. aufgrund der Inhalte (ethische Fragen, psychische Vorgänge), der Dramatik der Handlung oder der sprachlichen Gestaltung).