Vorwort. Nils Minkmar, der Feuilletonchef der FAZ, schrieb 2012 unter dem Titel: Die große, große Müdigkeit über das Phänomen Burnout.
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- Chantal Weiß
- vor 6 Jahren
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1 Vorwort Nils Minkmar, der Feuilletonchef der FAZ, schrieb 2012 unter dem Titel: Die große, große Müdigkeit über das Phänomen Burnout. Er meint:
2 VI Stress lass nach! Ausgebrannt zu sein ist heute kein persönliches Schicksal mehr, sondern ein gesellschaftliches. Es rührt von einem System her, das die Kosten historischer Umbrüche immer nur auf denselben Schultern ablädt. ( ) Es vergeht kein Tag, in dem nicht ein Artikel über Burnout in Zeitungen und Magazinen erscheint. Dabei wird er immer als ein privates Problem besprochen, werden gute Ratschläge zu seiner Vermeidung oder Linderung gegeben, die alle auf der Ebene der persönlichen Lebensgestaltung liegen. Zauberformeln werden offenbart: Work Life Balance und Entschleunigung, digitale Abstinenz und Fokussierung auf das Wesentliche. Als wäre das so einfach. Burnout wird einerseits in all seinen dramatischen und zerstörerischen Konsequenzen beschrieben, als eine Krankheit die lebensbedrohlich ist, die Kassen Milliarden kostet und unbedingt ernst zu nehmen ist, die Mittel dagegen aber sind immer rein privat. Als würde man den Arbeitern einer Asbestfabrik empfehlen, zu Hause besser Staub zu wischen, um ihre Lungen vor Krebs zu schützen. Minkmar beklagt zu Recht, dass Stress und Burnout fast ausschließlich auf der Ebene des einzelnen Menschen behandelt werden, obwohl die Ursachen letztlich im System liegen, d. h. in den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen. Der Einzelne wird in eine Kur, in einen Entspannungskurs oder zur Rückenschule geschickt und damit wieder arbeitsfähig gemacht. Bekämpft werden also die Symptome, aber nicht die Ursachen. Leider bietet Minkmar keine alternative Lösung an, sondern kommt lediglich zu dem Schluss, dass die jetzige Situation bei vielen zu Wut und Ärger führe und diejenigen dann lautstark das System beschimpfen würden. Aber ist dies die Lösung?
3 Vorwort VII Sollen wir etwa auf die vielen Trainings- und Fitnessangebote von Volkshochschulen und betrieblichem Gesundheitswesen verzichten und stattdessen einfach darauf warten, dass sich im System etwas verändert? Ich glaube nein. Der Arbeiter in der Asbestfabrik tut gut daran, sich einigermaßen gesund zu ernähren, auf regelmäßige Bewegung zu achten und vor allem das Kettenrauchen einzustellen. Wer die individuellen gesundheitsfördernden Angebote nutzt, stärkt sein persönliches Wohlbefinden und seine Widerstandskraft. Das ist nicht schlecht und liegt angesichts eines trägen Systems auch in der Verantwortung jedes Einzelnen. Das System jedoch, also ungesunde Arbeitsbedingungen, Arbeitsverdichtung, schlechte Entlohnung oder inkompetente Führungskräfte, darf nicht ignoriert werden, sondern muss als eigentliche Ursache klar benannt werden. Aber auch wenn der Einzelne in der Verantwortung steht, schonend mit sich umzugehen er (oder sie) wird das System nicht ändern. Das muss auf anderer Ebene geschehen. Was wir jedoch machen können, ist, uns einer Zwischenebene zuzuwenden, den Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir täglich zusammenarbeiten. Im Team können wir die unmittelbaren Belastungen besser schultern. Wir können uns gegenseitig helfen und unterstützen. Wir können auch gemeinsam aufstehen und versuchen, die Arbeitsbedingungen zu verändern oder dem inkompetenten Vorgesetzten gemeinsam einmal die Meinung sagen. Der Einzelne tut sich schwer, gemeinsam sind wir aber stark. Und genau darum wird es in diesem Buch gehen. In den ersten beiden Kapiteln werde ich einige theoretische Grundlagen zur Stressforschung und die Theorie der
4 VIII Stress lass nach! sozialen Identität erläutern. Henri Tajfel, der Begründer dieser Theorie, war polnischer Jude und kam als französischer Soldat in Kriegsgefangenschaft. Seine gesamte Familie wurde Opfer des Holocaust. Nach dem Krieg studierte er Psychologie in Brüssel und Paris; danach ging er nach England, wo er zunächst in Oxford und danach bis zu seinem frühen Tod in Bristol arbeitete. Die Theorie der sozialen Identität beschäftigt sich mit der Frage, wie es zu Konflikten zwischen Gruppen kommen kann, die im Extremfall sogar bis zum Versuch, die anderen zu vernichten, eskalieren können, und welche Möglichkeiten Menschen unterlegener Gruppen haben, mit ihrem niedrigen Status umzugehen. Dabei galt Tajfels Interesse den Benachteiligten, die oft in der Gesellschaft die Wissenschaft eingeschlossen keine Stimme haben. Deshalb habe ich mir diese Theorie seit vielen Jahren zu eigen gemacht und versuche sie anzuwenden, wo immer sinnvoll und möglich. Ich möchte mit diesem Buch mehrere Ziele verfolgen. Zum einen hoffe ich Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, nahezubringen, dass uns die Theorie der sozialen Identität in der Tat dabei hilft, Stress besser zu verstehen und mit Stress besser umzugehen. Zum zweiten möchte ich zeigen, wie viel Freude Forschung macht und wie kreativ Psychologen dabei sein können, sich gute Forschungsansätze und -methoden auszudenken. Ich werde Ihnen schildern, auf welch clevere Weise man Menschen im Labor unter Stress setzen kann. Ich werde Ihnen den Eiswassertest und den Trierer Stresstest erläutern. Wir werden miteinander ins Theater und ins Gefängnis gehen und ich werde Ihnen von Studien mit Bombenentschärfern, Lehrern oder Callcenteragenten erzählen. Dabei werde ich Sie auch mit ei-
5 Vorwort IX nigen Grundbegriffen der Forschung vertraut machen und in Infoboxen erklären, wozu man überhaupt Experimente braucht, was ein Mediator ist oder wie man die Stimmung messen kann. Forschung ist spannend und wichtig aber noch wichtiger ist eine gute Theorie. Vor allem im letzten Kapitel werde ich Ihnen einige aus der Theorie abgeleitete Tipps geben, wie man die Identität von Gruppen stärken und dadurch den Gruppenmitgliedern helfen kann, mit Belastungen besser umzugehen. Jede und jeder von Ihnen kann morgen anfangen bei sich selbst und bei einer oder mehreren der Gruppen, denen Sie alle angehören. Ich würde mich freuen, wenn es gelänge! Frankfurt im Februar 2015 Rolf van Dick
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I. II. I. II. III. IV. I. II. III. I. II. III. IV. I. II. III. IV. V. I. II. III. IV. V. VI. I. II. I. II. III. I. II. I. II. I. II. I. II. III. I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
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