S2 Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. Behandlungsleitlinie Persönlichkeitsstörungen
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- Melanie Koenig
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3 S2 Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie Band 1 Behandlungsleitlinie Persönlichkeitsstörungen
4 Beteiligte Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM), Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGP) Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) S2 Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie Redaktion: W. Gaebel, P. Falkai BAND 1 Behandlungsleitlinie Persönlichkeitsstörungen Expertenkomitee Martin Bohus, Peter Buchheim, Stephan Doering, Sabine C. Herpertz, Hans-Peter Kapfhammer, Michael Linden, Rüdiger Müller-Isberner, Babette Renneberg, Franz Resch, Henning Saß, Bernt Schmitz, Ulrich Schweiger, Wolfgang Tress Weitere Mitarbeiter Sabine Eucker, Viola Habermeyer, Max Rotter Federführung Sabine C. Herpertz (DGPPN)
5 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde DGPPN AWMF Register Nr. 038/015 ISBN Steinkopff Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Steinkopff Verlag ein Unternehmen von Springer Science+Business Media Steinkopff Verlag 2009 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Redaktion: Dr. Annette Gasser Herstellung: Klemens Schwind Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden SPIN / Gedruckt auf säurefreiem Papier
6 Vorwort Unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) wurden in den Jahren 2004 bis 2007 S2-Leitlinien für die Diagnostik und Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen entwickelt. Auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) wurde ein Expertenkomitee gebildet, an dem sich neben der DGPPN folgende Fachgesellschaften beteiligten: die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), das Deutsche Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM), die Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGP) sowie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP); alle diese beteiligten Gesellschaften entsandten Delegierte in das Expertengremium. Alle Leitlinien wurden über insgesamt sechs Konsensuskonferenzen systematisch erarbeitet und schließlich konsentiert. Ziel dieser Leitlinien ist die Beschreibung des aktuellen Stands in der Diagnostik und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Persönlichkeitsstörungen. Die Leitlinien sind bestimmt für Ärzte und Psychologen, die Patienten mit Persönlichkeitsstörungen behandeln, und dienen der Qualitätssicherung in der Medizin und Psychotherapie. Die Leitlinien wollen folgende Fragen beantworten: z Was sind notwendige diagnostische Maßnahmen? z Was sind empirisch begründete, d. h. wirkungsvolle Maßnahmen? z Was kann aus klinischer Erfahrung nützlich sein? Sowohl für die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen im Allgemeinen als auch spezifischer Persönlichkeitsstörungen im Besonderen wurde großer Wert darauf gelegt, zunächst über die Therapieschulen hinweg empirisch begründete oder wo fehlend im Konsensusprozess entwickelte therapeutische Interventionen darzustellen. Daran schließt sich die Erläuterung schulenspezifischer Veränderungsstrategien an.
7 VI z Vorwort Für die Bewertung der Wirksamkeit bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen zur Anwendung kommender psychotherapeutischer und psychopharmakologischer Interventionen wurde die Evidenzgradeinteilung für Klinische Studien in Anlehnung an Chambless & Hollon (1998), Segal et al. (2001) und die Ärztliche Zentralstelle für Qualitätssicherung (2003) verwandt. Wo diese nicht vorhanden waren oder nicht eruiert werden konnten, wurden auf der klinischen Erfahrung der beteiligten Experten beruhende Empfehlungen im Konsensusprozess entwickelt und entsprechend gekennzeichnet (Evidenzgrad IV). Evidenzgrad Evidenzbasis Beurteilung I a I b II a II b III IV Metaanalyse(n) über mehrere randomisierte, kontrollierte Studien Mindestens zwei randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) aus unabhängigen Gruppen Eine randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) Serie von gut angelegten quasi-experimentellen Studien (Effectiveness-Studien, prospektive Kohortenstudien, Fallkontrollstudien, experimentelle Einzelfallstudien) Nicht-experimentelle oder deskriptive Studien (Ein-Gruppen-Prä-Post-Vergleiche, Korrelationsstudien) Unsystematische Einzelfallstudien, Kasuistiken, Experten, Konsensuskonferenzen, klinische Erfahrung (I) wirksam (II) möglicherweise wirksam (III) und (IV) bislang ohne ausreichende Nachweise Es ist zu betonen, dass auf dem Gebiet der Persönlichkeitsstörungen empirisch abgesicherte Therapieempfehlungen für drei Störungen vorliegen, und zwar die Borderline-, die antisoziale und die ängstliche (vermeidende) Störung. Die Empfehlungen zur Behandlung der anderen Störungen basieren wegen weitgehend fehlender Wirksamkeitsstudien überwiegend auf der klinischen Erfahrung der beteiligten Experten oder anderer veröffentlichter Expertenmeinungen. Ausgangspunkt für die Leitlinien war eine intensive Literaturrecherche, wobei die Datenbanken PUBMED und MEDLINE verwandt wurden und auch veröffentlichte systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen u. a. von der Cochrane Library berücksichtigt wurden.
8 Vorwort z VII Folgende Experten der oben genannten Fachgesellschaften (z. T. Mehrfachmitgliedschaften) waren beteiligt: Martin Bohus, Peter Buchheim, Stephan Doering, Sabine C. Herpertz, Hans-Peter Kapfhammer, Michael Linden, Rüdiger Müller-Isberner, Babette Renneberg, Franz Resch, Henning Saß, Bernt Schmitz, Ulrich Schweiger, Wolfgang Tress. Weitere Mitarbeiter: Sabine Eucker, Viola Habermeyer, Max Rotter. Rostock, Oktober 2008 Sabine C. Herpertz
9 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung Grundlagen Einleitung, Begriffsbestimmung Epidemiologie und Prävalenz Krankheitsbeginn Geschlechtsverteilung Mortalität Biopsychosoziales Ätiologie-Modell und Risikofaktoren Verlauf und Prognose Diagnostik, Differentialdiagnostik und Klassifikation der einzelnen Persönlichkeitsstörungen Allgemeines zu Persönlichkeitsstörungen Definition von Persönlichkeitsstörungen (ICD-10 Forschungskriterien) Allgemeine Kriterien Symptomatik und Diagnosestellung aller Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV Schizotype Störung (ICD-10) oder Schizotypische Persönlichkeitsstörung (DSM-IV) Paranoide Persönlichkeitsstörung Schizoide Persönlichkeitsstörung Dissoziale Persönlichkeitsstörung Emotional instabile Persönlichkeitsstörung Histrionische Persönlichkeitsstörung Anankastische Persönlichkeitsstörung Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung Abhängige Persönlichkeitsstörung Narzisstische Persönlichkeitsstörung Dimensionale Diagnosen Diagnostische Instrumente... 27
10 X z Inhaltsverzeichnis 2.6 Differentialdiagnostische Abgrenzung Komorbidität (Co-occurence) Komorbidität von Persönlichkeitsstörungen mit anderen Persönlichkeitsstörungen Komorbidität von Persönlichkeitsstörungen mit Achse-I-Störungen Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen und Auswirkungen von Persönlichkeitsstörungen auf die allgemeinmedizinische Behandlung Allgemeines zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen Allgemeine Behandlungsprinzipien Psychotherapie Psychopharmakotherapie Kombination von Psychotherapie und Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Behandlungsprinzipien bei den einzelnen Persönlichkeitsstörungen Behandlungsprinzipien bei Schizotypischer Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick Behandlungsprinzipien bei Paranoider Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick Behandlungsprinzipien bei Schizoider Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick... 74
11 Inhaltsverzeichnis z XI 4.4 Behandlungsprinzipien bei Dissozialer Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick Behandlungsprinzipien bei Emotional instabiler bzw. Borderline-Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick Behandlungsprinzipien bei Histrionischer Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick Behandlungsprinzipien bei Anankastischer Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick Behandlungsprinzipien bei Ängstlicher (vermeidender) Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick Behandlungsprinzipien bei Abhängiger Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer
12 XII z Inhaltsverzeichnis Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick Behandlungsprinzipien bei Narzisstischer Persönlichkeitsstörung Klinische Einführung Psychotherapie Psychopharmakotherapie Behandlungsdauer Verlaufskontrolle Zusammenfassung und Ausblick Sozialmedizinische und rechtliche Aspekte von Persönlichkeitsstörungen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit Minderung der Erwerbsfähigkeit und Grad der Behinderung Strafrechtliche Aspekte Schuldfähigkeit bei Persönlichkeitsstörungen Zusammenfassung und Ausblick Kinder- und Jugendpsychiatrische Aspekte von Persönlichkeitsstörungen Definition Stabilität der Merkmale Diagnostik Häufigkeit und Komorbidität Zusammenhänge von Persönlichkeitsstörungen und Achse-I-Störungen Entwicklungswege spezifischer Persönlichkeitsstörungen Therapieangebote im Kindes- und Jugendalter Reduktion dysfunktionaler elterlicher Einflüsse Verbesserung von positiven Beziehungsaspekten Verbesserung der Selbstkontrolle in Aufmerksamkeit und Affekt Verbesserung der Selbstreflexion und Mentalisierung Stärkung von Selbstwert und Identität Reduktion von Risikoverhalten Evidenzbasierte Maßnahmen Spezifische Interventionen Zusammenfassung und Ausblick Literaturverzeichnis
13 Zusammenfassung Diagnostik z Beim klinischen Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung wird die Durchführung eines halbstrukturierten klinischen Interviews wie das International Personality Disorder Examination (IPDE) oder das Strukturierte Klinische Interview zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen (SKID-II) empfohlen. Dimensionale Persönlichkeitsfaktoren, die ergänzend zur kategorialen Diagnostik zu erheben sind, können auf der Grundlage von Selbstbeurteilungsinstrumenten reliabel und valide beschrieben werden. z Persönlichkeitsstörungsdiagnosen sind vor Abschluss der mittleren Adoleszenz, also etwa dem 14. Lebensjahr, nicht mit ausreichender Sicherheit zu stellen. Bei der adoleszenten Altersgruppe ist in besonderer Weise darauf zu achten, dass dysfunktionale Persönlichkeitszüge stabil seit der Kindheit oder frühen Jugend situationsübergreifend aufgetreten sind. Die Diagnose einer Dissozialen (Antisozialen) Persönlichkeitsstörung sollte nicht vor dem 18. Lebensjahr gestellt werden. z Abgesehen von der Dissozialen (Antisozialen) Persönlichkeitsstörung sind Geschlechtsunterschiede bei weiteren Persönlichkeitsstörungen nicht hinreichend gesichert. Ein unter Klinikern verbreiterter Geschlechtsbias fordert zu einer sorgfältigen Diagnostik auf. Therapie z Persönlichkeitsstörungen im Allgemeinen z Psychotherapeutische Verfahren gelten derzeit als Methode der Wahl zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen. z Die Behandlungsplanung bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen berücksichtigt jenseits der spezifischen psychotherapeutischen Methode eine Hierarchisierung der Behandlungsziele sowie eine detaillierte Problemanalyse unter Berücksichtigung der Erhebung externer Bedingungen, akzentuierter Wahrnehmungen und Interpretationen, akzentuierter Denk-, Erlebens- und Beziehungsmuster, akzentuierter Handlungstendenzen, manifester Verhaltens- und Interaktionsmuster und schließlich die Analyse spezifischer Reaktionen des sozialen Umfeldes.
14 2 z Für die Dissoziale, die Borderline- und die Ängstliche (Vermeidende) Persönlichkeitsstörung liegen manualisierte störungsspezifische Psychotherapiekonzepte vor. Diese maßgeschneiderten Therapien stellen sich bei diesen Störungen als überlegen gegenüber unspezifischen Verfahren dar. z Für die Borderline-Persönlichkeitsstörung liegen derzeit vier störungsspezifische Verfahren mit empirisch belegten Hinweisen auf Wirksamkeit vor: die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), die Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT), die Schematherapie bzw. Schema-fokussierte Therapie (SFT) und die Übertragungs-fokussierte Psychotherapie (TFP). Medikamentös ist für selektive Wiederaufnahmehemmer von einer möglichen Wirksamkeit auf Angst, Depression und Stimmungsschwankungen sowie für atypische Neuroleptika und Stimmungsstabilisatoren auf feindselige Affekte, Ärger, Impulsivität, Aggressivität und Depressivität auszugehen. z Für die dissoziale Persönlichkeitsstörung liegt breite empirische Evidenz vor, dass das Kernmerkmal, das kriminelle Verhalten, wirksam behandelt werden kann, wenn man den drei Prinzipien der Straftäterbehandlung Risikoprinzip, Ansprechbarkeitsprinzip und Bedürfnisprinzip folgt. Empirisch belegte Wirksamkeit liegt z. B. für das am weitesten verbreitez Zusammenfassung z Es wird empfohlen, die Diagnose, eingebettet in ein psychoedukatives Vorgehen und ein sinnstiftendes Erklärungsmodell, unter Bezugnahme auf die biographische Entwicklung mit dem Patienten zu kommunizieren. z Zu Behandlungsbeginn ist die therapeutische Beziehung komplementär zu gestalten, d. h. der Therapeut passt sich an biographisch geprägte Beziehungserwartungen des Patienten an. Im weiteren Verlauf sind dysfunktionale Erwartungen nach und nach zu irritieren und zu neuen Erfahrungen anzuregen. In einer dialektischen Dynamik zwischen akzeptierender Wertschätzung und Irritationen von Selbstbild und erwarteten Interaktionsmustern liegt ein wesentlicher Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung. z Alle pharmakologischen Behandlungsversuche, die auf die Coupierung einer krisenhaften Zuspitzung, auf Komorbidität als auch auf die Behandlung von besonders dysfunktionalen Persönlichkeitsmerkmalen abzielen können, erfolgen off-label (d. h. ohne Zulassung für diese Indikation). Sie sind stets mit Psychotherapie zu kombinieren. Off-label erfolgen Behandlungen nur dann nicht, wenn die komorbide Störung die Hauptindikation darstellt. z Für die Früherkennung und kompetente Diagnostizierung von maladaptiven Verhaltensweisen und dysfunktionalen Formen der Erlebnisverarbeitung ist es notwendig, Entwicklungsstörungen der Persönlichkeit bereits im Kindes- und Jugendalter festzustellen, um gezielte therapeutische Interventionen rechtzeitig zu ermöglichen. z Spezifische Persönlichkeitsstörungen
15 Therapie z 3 te kognitiv-behaviorale Programmpaket Reasoning and Rehabilitation- Program (R&R-Programm) sowie für das aus der Suchtbehandlung kommende Rückfall-Vermeidungsmodell vor. z Bei der Ängstlichen (Vermeidenden) Persönlichkeitsstörung sind Verbesserungen hinsichtlich der Selbstunsicherheit, Angst vor negativer Bewertung, Vermeidung und Depressivität bei Anwendung einer störungsspezifischen kognitiv-behavioralen Behandlung zu erwarten. Empirische Belege für Wirksamkeit finden sich auch bei der interpersonalen Therapie sowie bei der psychodynamischen Therapie. Pharmakologisch kann der Nachweis der Wirksamkeit von Selektiven Wiederaufnahmehemmern, irreversiblen und reversiblen Monoamino-Oxidase-Inhibitoren sowie von dual wirksamen Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern bei der Generalisierten Sozialen Phobie mit Einschränkung auf die Ängstliche (Vermeidende) Persönlichkeitsstörung übertragen werden.
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