Reformbedarf im deutschen Jugendstrafrecht?
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- Hans Becke
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1 Reformbedarf im deutschen Jugendstrafrecht? Ein Beitrag zur kriminalpolitischen Diskussion Dr. Ineke Pruin / Universität Greifswald Klausurtagung der SPD-Fraktion Baden-Württemberg am 11. Januar 2008 in 1
2 Tatverdächtigenbelastungs- und Verurteiltenziffern Jugendlicher und Heranwachsender in Deutschland, HZ je der deutschen Wohnbevölkerung TV- J TV- H TV-JE TV-VE VU- J VU- H VU-JE VU-VE Konstanzer Inventar Kriminalitätsentwicklung KIK: DTVDVU # *IN* Straftaten insgesamt (ohne Verkehrsdelikte) TV: Tatverdächtigenbelastungszahl VU: Verurteiltenbelastungszahl, berechnet für je der deutschen Wohnbev. J: Jugendliche (14 b.u. 18 J.) H: Heranwachsende (18 b.u. 21 J.) JE: Jungerwachsene (21 b.u. 25 J.) VE: Vollerwachsene (25 J. und älter) Alte Länder mit Westberlin, ab 1991 mit Gesamtberlin. 2
3 3
4 Warnschussarrest Neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe soll es möglich sein, einen Warnschussarrest anzuordnen. So kann dem Jugendlichen klar werden, was auf ihn zukommt, wenn er sich nicht ändert und verhindert werden, dass er die Bewährungsstrafe als "Freispruch zweiter Klasse" empfindet. ( Wiesbadener Erklärung, III.) 4
5 Legalbewährung und Rückfall nach allgemeinem Strafrecht und nach Jugendstrafrecht Bezugsjahr 1994 Quelle: Jehle, Heinz u. a., 2003, S
6 Verbindung von Bewährungsstrafen mit dem Jugendarrest (sog. Warnschussarrest) Der Jugendarrest ist diejenige Maßnahme des Jugendstrafrechts, die sich neben der unbedingten Jugendstrafe am schlechtesten bewährt hat. Rückfallquoten von 70% sind nicht geeignet, ein auch nur geringfügiges Resozialisierungspotenzial zu belegen. Auch die Abschreckungsfunktion (sowohl in positiv- wie negativ-generalpräventiver Sicht) ist nicht belegbar, im übrigen ist Generalprävention keine im Jugendstrafrecht zulässige Strafzumessungserwägung (vgl. Rspr. des BGH) Ausländische empirische Studien haben den sog. Warnschussarrest als weniger effektiv im Vergleich zur traditionellen Strafaussetzung ausgewiesen. 6
7 Erziehungscamps Jugendliche Straftäter müssen frühzeitig, nicht erst nach einer langen kriminellen Karriere, etwa in Erziehungscamps mit therapeutischem Gesamtkonzept ein Leben mit fester Struktur und Respekt vor Anderen lernen. Es bestehen insbesondere in unionsgeführten Ländern bereits vorbildhafte Projekte, in denen jugendliche Täter mit strengen Regeln, Sport, Disziplin, Arbeit und Verhaltenstraining wieder einen Weg in die Gesellschaft finden. Diese müssen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger flächendeckend ausgebaut werden. Die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Erziehungscamp muss auch bei einer Bewährungsstrafe erfolgen können. ( Wiesbadener Erklärung, III.) 7
8 Heranwachsende - Wir wollen für Täter ab einem Alter von 18 Jahren bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts wieder zum Regelfall, das Jugendstrafrecht zur Ausnahme machen. - Gegen Heranwachsende, auf die wegen ihrer mangelnden Reife noch Jugendstrafrecht anzuwenden ist, soll für schwerste Verbrechen eine Jugendstrafe von bis zu 15 Jahren statt maximal 10 Jahren verhängt werden können. ( Wiesbadener Erklärung, III.) 8
9 BGHSt 36, S. 37 ff. 1. Für die Gleichstellung eines Heranwachsenden mit einem Jugendlichen ( 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) ist maßgebend, ob in dem Täter noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam sind; ob er das Bild eines noch nicht Achtzehnjährigen bietet, ist nicht entscheidend. 2. Bei einem Heranwachsenden steht die Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht nicht im Verhältnis von Regel und Ausnahme. 9
10 70 Anteile der nach Jugendstrafrecht bestraften Heranwachsenden an allen verurteilten Heranwachsenden, % Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafverfolgungsstatistik , eigene Berechnungen
11 Alter zur Zeit der Tat ab 21 Jugendgericht 105 JGG Allgemeines Strafgericht % Rechtsfolgen aus dem Jugendstrafrecht: Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, z.b. Aufenthalts- oder Wiedergutmachungsweisungen, Arbeitsauflagen, Geldauflagen, Jugendarrest Jugendstrafe auf Bewährung (-2 Jahre) Jugendstrafe ohne Bew. (-10 Jahre) 37% Strafen des allgemeinen Strafrechts: Geldstrafe Freiheitsstrafe auf Bewährung (-2 Jahre) Freiheitsstrafe ohne Bewährung (-15 Jahre oder lebenslänglich) 11
12 Altersgrenzen im deutschen Recht Zivilrechtl. Volljährigk Straßenverk.: Führen von Pkw Strafr.: Volle Strafmündigkeit Strafr.: An w. Erwachsenenstr Obergrenze Justrafvollzug WaffG: Unbedenklichkeitspr JugendhilfeR Anw.barkeit Strafr.: Rel. Strafmündigkeit Straßenverk.: leichte Krafträde Alter
13 Leitlinien der Jugendstrafrechtsreform Europa: Frühere Empfehlungen des Europarats (1987), die als Leitlinien die Erziehung, Resozialisierung, geringst mögliche Intervention, den Vorrang von Alternativen zur Freiheitsstrafe und zur U-Haft hervorheben, die insoweit mit der neuen Europaratsempfehlung, Recommendation 2003 (20), übereinstimmen. 13
14 Europaratsempfehlung Rec (2003) 20 Nr. 11: Um der Verlängerung der Übergangszeit zum Erwachsenenalter Rechnung zu tragen, sollte es möglich sein, dass junge Erwachsene unter 21 Jahren wie Jugendliche behandelt werden und die gleichen Maßnahmen auf sie angewandt werden, wenn der Richter der Meinung ist, dass sie noch nicht so reif und verantwortlich für ihre Taten sind wie wirkliche Erwachsene. Quelle: Nichtamtliche Übersetzung des Bundesministeriums für Justiz 14
15 Sonderregelungen für Heranwachsende im europäischen Vergleich Länder mit speziellen Regelungen für Hwe im allgemeinen Strafrecht (Milderungsvorschriften) Bosnien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien Kroatien, Litauen, Österreich, Polen Portugal, Schottland, Serbien, Slowakei, Schweden, Schweiz, Tschech. Rep. Ungarn, A, BOS, CR, CZ, D, LIT, SK Österreich, Bosnien, Kroatien, Tschech. Rep., Finnland, Deutschland, Litauen, Niederlande, Schottland, Slowakei Slowenien, Spanien, Schweden* Länder mit speziellen Regelungen für Hwe im Jugendstrafrecht (Anwendung jugendstr. Sanktionen) England/ Wales, Estland, Lettland, Spanien * kein spezielles Jugendstrafrecht, aber Transfer ins Jugendhilferecht Länder ohne spezielle Regelungen für Heranwachsende 15
16 Vielen Dank! Dr. Ineke Pruin Schimperstraße
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