Von den Wurzeln von Collaborative Law zur aktuellen Situation in Österreich / From the roots of collaborative law to the actual situation in Austria



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Transkript:

Von den Wurzeln von Collaborative Law zur aktuellen Situation in Österreich / From the roots of collaborative law to the actual situation in Austria 1) Beginn und Entwicklung / Originals and development Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich beim heutigen Kongress in der wunderschönen Stadt Bilbao die Möglichkeit habe, über die Entstehung und die aktuelle Situation von Collaborative Law in Österreich zu erzählen. Wie hat es eigentlich angefangen? Ins Leben gerufen wurde das Collaborative Law-Verfahren in den 80er Jahren von Stu Webb in Kanada. Obwohl relativ rasch auch eine Etablierung in den USA und in Großbritannien erfolgt ist, war Collaborative Law in Österreich viele Jahre überhaupt kein Thema. Im Jahr 2003 wurde die kanadische CL-Anwältin Elise Schopper von der AVM, der Anwaltlichen Vereinigung für Mediation und kooperatives Verhandeln zu einem Vortrag eingeladen. Die Initialzündung war aber dann die erste europäische Collaborative Law Konferenz in Wien im Jahr 2007. Diese Konferenz war sowohl von Seiten der Teilnehmer als auch von Seiten der Vortragenden international besetzt. Bereits ein Jahr später fand die zweite internationale Konferenz in Cork, Irland, statt. Ich hatte Gelegenheit, daran mit 4 weiteren Anwältinnen und 1 Psychotherapeutin für Österreich teilzunehmen. Wir waren bei dieser Konferenz von dem nahezu spirituellen Geist des Konsenses so begeistert, dass wir kurz darauf beschlossen, ein Collaborative Law Team in Wien zu gründen. Dieses erste CL-Team besteht aus 9 Rechtsanwälten, 2 Finanzcoaches und 8 Erwachsenencoaches und Kindercoaches. 1

Das CL-Team Wien trifft sich regelmäßig zu Sitzungen und hat bereits einige Fälle in familienrechtlichen Causen nach der Methode des Collaborative Law-Verfahrens gelöst. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es unabdingbar ist, für die Bewältigung der in jedem Verfahren auftretenden Emotionen Erwachsenencoaches beizuziehen. Auch die Einbindung der Kindercoaches für die Belange der Kinder hat sich bestens bewährt. Über die Arbeit eines Kindercoaches in einem Collaborative Law-Verfahren wird uns anschließend Veronika Richter berichten. Derzeit sind in Österreich 3 interprofessionelle Teams etabliert, ein 4. Team wird derzeit gegründet. Die bisherigen bekannten CL-Verfahren wurden ausschließlich in familienrechtlichen Belangen durchgeführt, zu Causen mit ökonomischem Bezug gibt es in Österreich noch keinerlei Erfahrungswerte. Gerade im Wirtschaftsbereich würden sich CL-Verfahren jedoch besonders gut anbieten. Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Die Parteien erhalten ihre Handlungsautonomie, ihre Geschäftsbeziehung und können den Ablauf des Verfahrens entsprechend ihrer Interessenlage selbst bestimmen. Damit Wirtschafts-CL in Österreich auch ein lebendiges Verfahren wird, wurde eine Arbeitsgruppe von Wirtschaftsanwälten ins Leben gerufen, mit der Idee, ein eigenes Wirtschafts-CL-Team zu gründen. Auch in den bestehenden CL-Teams sind Wirtschaftsanwälte vertreten, sie wurden jedoch bisher möglicherweise nicht als solche wahrgenommen. Wir hoffen, dass durch ein spezialisiertes Team Wirtschafts-CL zu einem lebendigen Instrument der außergerichtlichen Konfliktlösung wird. 2) Collaborative Law-Teams (Vernetzungstreffen) Ganz wichtig für die Zusammenarbeit und den gedanklichen Austausch zwischen den CL-Teams sind die jährlichen Vernetzungstreffen, die den Kontakt und den Erfahrungsaustausch zwischen allen österreichischen Teams intensivieren. 2

Jedes Vernetzungstreffen ist mit einem Fortbildungsseminar verbunden. Damit auch der internationale Erfahrungsaustausch nicht zu kurz kommt, konnten in den letzten Jahren renommierte ReferentInnen gewonnen. Duane Plant und William Hogg referierten über den Ablauf der CL-Verfahren in Großbritannien, Tom Farrell, ebenfalls aus Großbritannien, informierte auf einem Seminar über die Bedeutung des Financial Coach im Rahmen eines CL-Verfahrens. Zu dem besonders wichtigen Thema für alle CL-Teams, nämlich zur Frage, was braucht es, um ein effizientes CL-Team zu entwickeln, hat Susan Gamache aus Kanada referiert. Für das heurige Jahr konnte der renommierte Rechtsanwalt, Therapeut und Mediator William A. (Bill) Eddy aus San Diego für ein eintägiges Seminar gewonnen werden. Sein Thema: Managing High Conflict Personalities. Collaborative Law-Teams (Öffentlichkeitsarbeit) Immer wieder wird die Frage aufgeworfen und erörtert, wie das CL-Verfahren einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Die Maßnahmen, die wir bisher dazu gesetzt haben, sind zahlreiche Informationsveranstaltungen für Anwaltskollegen und Richter aus dem Familienrecht. Wir sind bemüht, einen positiven Kontakt zu den Vertretern der Rechtsanwaltskammern in Österreich herzustellen, da es nur mit guter Information möglich ist, auch eine entsprechende Unterstützung zu erreichen. Erfreulicher Weise ist dazu zu berichten, dass es Bestrebungen gibt, die Definition des CL-Lawyers und die damit im Zusammenhang stehenden Ausbildungskriterien in die Bestimmungen zur Ausübung eines Rechtsanwaltsberufes aufzunehmen. Der AVM wurde zur Formulierung dieser sogenannten Richtlinie ein Vorschlagsrecht eingeräumt. Schon die Tatsache, dass sich die Vertretungsorgane der Rechtsanwälte in Österreich mit der Etablierung des CL-Verfahrens in der österreichischen Rechtsordnung befassen, ist ein positives Anzeichen dafür, dass das CL-Verfahren 3

mittlerweile ähnlich wie die Mediation als reale Tätigkeit der außergerichtlichen Konfliktlösung wahrgenommen wird. Wir versuchen weiters durch Pressearbeit und Kooperation mit Netzwerken für außergerichtliche Konfliktlösungen den CL-Gedanken allgemein bekannt zu machen. Unbedingt notwendig ist die Erweiterung des Kreises der CL-Lawyer, wir forcieren daher die Ausbildung, Ina Auer wird uns dazu im Detail berichten. 3) ENCP (European Network for Collaborative Practice) Als äußeres Signal und zur Schaffung der Struktur für das gemeinsame Vorhaben der Weiterentwicklung und Vereinheitlichung des Verfahrens und der Methodik gründeten europäische Trägervereine einzelner Staaten im Dezember 2014 einen Dachverein unter der Bezeichnung European Network for Collaborative Practice, Kurzform ENCP. Die Gründungsvereine der ENCP kommen aus der Bundesrepublik Deutschland, England und Wales, Schottland, Italien, Frankreich, Schweiz, Niederlande, Tschechien, Irland und aus Österreich. Ich hoffe sehr, dass auch unser Gastgeberland für eine Mitgliedschaft gewonnen werden kann. Österreich wird durch die AVM, der anwaltlichen Vereinigung für Mediation und kooperatives Verhandeln, vertreten. Der Vereinszweck der ENCP ist die Weiterentwicklung und Förderung von Collaborative Law und Collaborative Practice in Europa. Dies soll insbesondere durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit und Zusammenarbeit der Trägervereine der einzelnen europäischen Länder erreicht werden. Im März 2015 fand in Straßburg das erste ENCP board meeting statt, bei dem ich die Ehre hatte, eingeladen zu sein. Es fand ein intensiver Gedankenaustausch über die Möglichkeiten der weiteren Verbreitung und Gewinnung neuer Mitglieder, sowie über geplante Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit statt. Im Mai 2016 ist eine internationale Konferenz in Amsterdam geplant, für die ca. 350 TeilnehmerInnen erwartet werden. 4

Es existiert also eine sehr aktive europäische CL-Bewegung, die immer weitere Kreise zieht. Ein besonderes Augenmerk der ENCP wird auch auf die Qualitäts- und Ausbildungsstandards gelegt werden. Es ist wichtig, dass bei jedem Verfahren die Grundprinzipien gewahrt werden, dazu ist es notwendig, dass alle CL-Lawyer eine entsprechende qualifizierte Ausbildung erhalten. In Österreich wurde die Ausbildung zum CL-Lawyer zunächst aufbauend auf der Mediationsausbildung durchgeführt. Es ist Ina Auer zu verdanken, dass voriges Jahr ein eigener CL-Ausbildungslehrgang ins Leben gerufen wurde. Der Lehrgang wurde mit 18 TeilnehmerInnen und einer hohen positiven Resonanz abgeschlossen. Wir freuen uns besonders, dass sich viele Kollegen dafür interessiert haben, sich an bereits bestehende Teams anzuschließen. Ina Auer wird uns nun berichten, wie die Ausbildung zum CL-Lawyer in Österreich derzeit gestaltet wird. Vielen Dank! 5