Putz - Sessel - Steldinger Rechtsanwälte Medizinrechtliche Sozietät München Wolfgang Putz Rechtsanwalt Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians- Universität München Demenz und Selbstbestimmung geht das? 1
Indikation Patientenwille Rechtfertigung des ärztlichen Eingriffs Voluntas aegroti suprema lex 2
Merke: Patientenwille sticht Indikation! 3
Therapiezielbestimmung nach 630a Abs 2, 630 d, 1901 b BGB: erst Indikation dann Patientenwille erst dann Behandlung 4
Selbstbestimmung / Fremdbestimmung Geburt Von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung des Erwachsenen Krankheit Willensbildung möglich Willensbildung nicht möglich Aktuelle Selbstbestimmung Selbstbestimmung durch Vorausbestimmung, z. B. Patientenverfügung Fremdbestimmung durch Bevollmächtigten oder Betreuer n. mutmaßl. Willen Therapieentscheidung: Curation - Palliation - Substitution - Behandlungsabbruch Lebensverlängerung oder Tod
Aktuelle Selbstbestimmung: Voraussetzung: Einsichtsfähigkeit nicht Geschäftsfähigkeit! 6
Fremdbestimmung: Durch einen Bevollmächtigten, den der Patient in gesunden Tagen selbst eingesetzt hat (privatrechtliche Vertretung) Durch einen Betreuer, den das Betreuungsgericht einsetzt (öffentlich-rechtliche Vertretung) Keine Betreuerbestellung wenn ein Bevollmächtigter benannt ist = Vorrang der privaten Vorsorge 7
Die schrittweise Ermittelung des Patientenwillens bei Willensunfähigen (z. B. Komapatient) PV, die trifft 1901 a, I BGB PV = schriftliche Patientenverfügung 8
System einer Patientenverfügung Für den Fall dass ich irreversibel bewusstlos bin dass dass verbiete ich Künstliche Ernährung 9
Patientenverfügung für Demenz Nachweis der Einwilligungsfähigkeit erforderlich? Nein, aber sinnvoll, wenn Demenzdiagnose besteht! Zeugen nötig? Nein aber sinnvollerweise mindestens der Bevollmächtigte! Vorgespräche über PV? Ja das Wichtigste!!!!! Regelungsinhalte einer Patientenverfügung: Kein Übergang auf künstliche Ernährung (Leitlinien!) Keine Curation einer potentiell tödlichen Interkurrenterkrankung, nur Palliation Keine Reanimation ohne Rücksicht auf Situation 10
Die schrittweise Ermittelung des Patientenwillens bei Willensunfähigen (z. B. Komapatient) PV, die trifft 1901 a, I BGB PV, die interpretiert werden muss; 1901 a, I i.v. m. 133 BGB Behandlungswünsche 1901a II BGB Mutmaßlicher Wille, 1901 a, II BGB 11
Mutmaßlicher Wille, 1901 a, Abs. 2 Wertanamnese: Ermittlung aufgrund konkreter Anhaltspunkte, insb. frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen oder sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten 12
Wenn der Patientenwille ermittelt ist ( 1901 a BGB): Dem Patientenwillen ist Ausdruck zu verschaffen Dem Patientenwillen ist Geltung zu verschaffen 13
Der Patientenwille des Willensunfähigen Urkundenbeweis Zeugenbeweis PV, die trifft 1901 a, I BGB PV, die interpretiert werden muss; 1901 a, I i.v. m. 133 BGB Behandlungswünsche 1901a II BGB Mutmaßlicher Wille, 1901 a, II BGB 26 % aller Patienten (Forsa 2013) 74 % aller Patienten 100 % aller Patienten haben einen Willen immer! 14
Beteiligung beim Sterben eines Menschen Sterben durch die Hand eines Menschen (aktive Sterbehilfe) Palliation mit tödlicher Nebenwirkung (Indirekte akt. Sterbehilfe): Tod als unausweichliche oder ungewollte Nebenwirkung billigend i. Kauf gen. Krankheit Sterben an der Hand eines anderen (passive Sterbehilfe) Sterbebegleitung: Hospiz, Seelsorge, Palliativmedizin /-pflege Symptomkontrolle, z. B. Schmerzbekämpfung oder Sedierung ohne lebensverkürzende Wirkung Tötung des Patienten: (Direkte aktive Sterbehilfe): Gezielte Tötung des Patienten - z. B. durch Gift- auf Verlangen o. in Eigeninitiative Beihilfe zum Suizid: Tötung des Patienten durch sich selbst Sterben zulassen: Therapiezieländerung, nämlich Beendigung der Substitution bei palliativer Begleitung des Sterbens, auch aktives Handeln Bei entsprechendem Patientenwillen erlaubt: Tod 15.04.2015 Medizinrechtliche Sozietät Putz & Steldinger bzw. trotzdem verboten: 15
Selbsttötung des Patienten Planen Zulassen - Helfen Alleiniger Maßstab für Recht und Ethik ist der Patientenwille: freiverantwortlich wohlüberlegt 15.04.2015 Medizinrechtliche Sozietät Putz & Steldinger 16
Geltende Strafrechtslage zur Suizidbeihilfe: Suizidentschluss freiverantwortlich, Handeln des Garanten: Hilfe/Vorbereitung rechtmäßig aber kein Rechtsanspruch Nicht - Hindern rechtmäßig (Hindern wäre als Handeln gegen den Patientenwillen Nötigung!) Nicht Retten nach Verlust der Tatherrschaft rechtmäßig (Retten wäre als Handeln gegen den Patientenwillen Körperverletzung!) Suizidentschluss aus krankhafter Störung, Handeln d. Garanten: Hilfe/Vorbereitung rechtswidrig u. strafbar als mittelbare Tötung Nicht Hindern rechtswidrig u. strafbar als Tötung durch Unterlassen Nicht Retten n. Verlust d. Tatherrschaft rechtswidrig und strafbar als Tötung durch Unterlassen 15.04.2015 Medizinrechtliche Sozietät Putz & Steldinger 17
Derzeit divergierende standesrechtliche Regelungen der Suizidbeihilfe: Aktuelle Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung Januar 2011 Keine ärztliche Aufgabe das heißt: Der Arzt darf aber muss nicht wie bei legaler Abtreibung. Einstimmigkeit aller LÄK-Präsidenten 12/2014 Aktuelle Landesberufsordnungen der Ärzte (LBO): Verbot, Arzt darf nicht! (div. 16 LBO) Arzt soll nicht! (LBO Westfalen-Lippe) Kein Verbot (z. B. LBO Bayern u. BW) 15.04.2015 Medizinrechtliche Sozietät Putz & Steldinger 18
In der Woche, die Franziska Z. zum Sterben braucht, wird sie mehrfach von ihren Enkeln besucht: Endlich darf die Oma sterben! 19
5. Auflage 4. Auflage März 2014
Wolfgang Putz Elke Gloor STERBEN DÜRFEN Hoffmann und Campe Das Buch über das Leiden und Sterben der Erika Küllmer, das zum Fall Putz wurde - ein Strafprozess um Sterbehilfe, der mit dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 25.6.2011 Rechtsgeschichte machte Erschienen bei Hoffmann & Campe im April 2011 21
Danke, dass Sie mir zugehört haben! Putz Sessel - Steldinger Kanzlei für Medizinrecht Ludwig-Maximilians-Universität München 22