Im Namen der Republik



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Transkript:

REPUBLIK ÖSTERREICH Handelsgericht Wien Im Namen der Republik

- 2 - Das Handelsgericht Wien erkennt durch den Richter Dr. Heinz-Peter Schinzel in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in 1030 Wien, wider die beklagte Partei T-Mobile Austria GmbH, 1030 Wien, Rennweg 97-99, vertreten durch Dr. Bernhard Tonninger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, wegen Unterlassung (Streitwert: EUR 30.500,--) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: EUR 5.500,--), Gesamtstreitwert: EUR 36.000,-- s.a., nach öffentlicher, mündlicher Streitverhandlung zu Recht: 1. Die beklagte Partei ist schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zu Grunde legt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Klausel: Weiters verrechnen wir Ihnen eine Abschlagszahlung von 80 Euro je aktivierter SIM-Karte für Vorteile (z.b. Endgerätestützung, Gesprächsgutschrift), die wir Ihnen bei Vertragsabschluss oder bei Abgabe eines weiteren Kündigungsverzichtes gewährt haben. oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen; sie ist ferner schuldig, es zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannten Klauseln oder sinngleiche Klauseln zu berufen.

- 3-2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 5.688,08 (darin enthalten EUR 727,68 USt und EUR 1.326,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. 3. Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den klagsstattgebenden Teil des Urteilspruches im Umfang des Unterlassungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft einmal in einer Samstagsausgabe des redaktionellen Teils der Kronen Zeitung auf Kosten der beklagten Partei mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern, somit in gleich großer Schrift wie der Fließtext redaktioneller Artikel, zu veröffentlichen. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : Der Kläger beantragte wie aus dem Spruch ersichtlich und brachte dazu vor, dass ein Verbraucher, der seinen Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Mindestvertragsdauer kündigt, noch alle bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer ausstehenden vertraglichen Entgelte bezahlen müsse. Er bezahle somit gleich viel wie derjenige, der am Vertrag festhält, wohingegen der Unternehmer im Falle der vorzeitigen Aufkündigung von seiner Leistungspflicht befreit sei und sich dadurch die Leistungsbereitschaft erspare. Die Konstruktion der Mindestvertragsdauer ermögliche es also dem Unternehmer, Entgelte ohne Gegenleistungspflicht zu erhalten. Zu-

- 4 - sätzlich normierten nun aber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten konkret die sogenannten Allgemeinen Entgeltbestimmungen für die Marke tele.ring -, dass eine Abschlagszahlung von 80 Euro je aktivierter SIM-Karte für Vorteile (z.b. Endgerätestützung, Gesprächsgutschrift), welche die Beklagte dem Kunden bei Vertragsabschluss oder bei Abgabe eines weiteren Kündigungsverzichtes gewährte, im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Vertrages verrechnet wird. Dies führe im Ergebnis dazu, dass ein Verbraucher, der bis zum Ende seiner Mindestvertragsdauer am Vertrag festhält, besser gestellt werde als der vorzeitig Kündigende. Jener bezahle das gleiche Entgelt, könne sein gestütztes Handy aber benutzen und letztlich behalten, ohne bei einer Kündigung mit Ablauf der Mindestvertragsdauer eine Abschlagszahlung leisten zu müssen. Diese Nachzahlungspflicht bei vorzeitiger Auflösung durch den Verbraucher habe im Ergebnis zusätzlichen Strafcharakter, der einer sachlichen Grundlage entbehre. Die Klausel sei gröblich benachteiligend gemäß 879 Abs. 3 ABGB. Die Behauptung der Beklagten, dass die Abschlagszahlung auf Grund einer internen Kalkulation sachlich gerechtfertigt sei, zumal im Regelfall von einer längeren Vertragsdauer als der Mindestvertragsdauer ausgegangen werde, gehe ins Leere, da eben nicht diese längere Vertragsdauer Inhalt des Vertrages wurde. Werden die Leistungen der Beklagten nur exakt während der Mindestvertragsdauer in Anspruch genommen, dürfe der Verbraucher nicht mit zusätzlichen Entgelten belastet werden; umso weniger dürfe die Beklagte jemanden, der schon vorzeitig zum Ausdruck bringt, nicht länger als die ursprünglich vereinbarte Mindestvertragsdauer an die Beklagte gebunden sein zu wollen,

- 5 - über den Umweg von Abschlagszahlungen dafür zur Kassa bitten, dass die Beklagte intern mit einer längeren durchschnittlichen Vertragsdauer kalkuliert. Es gehe nicht an, dass der Kunde letztlich zu mehr verpflichtet werde als zu dem, wozu er sich ursprünglich (in zeitlicher Hinsicht) verpflichtet hat. Darüber hinaus sei die Klausel nachteilig und überraschend i.s.d. 864a ABGB, weil Verbraucher nicht mit einer Klausel rechnen, die neben der Verpflichtung zur Zahlung der offenen Grundgebühren auch noch die Zahlung eines weiteren Entgelts vorsieht. Es komme nicht darauf an, ob die Klausel allgemein verbreitet ist, sondern darauf, dass sie bei objektiver Beurteilung sachlich angemessen und fair ist oder nicht. Der Unterlassungsanspruch bestehe schon deshalb, weil die Beklagte im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen zu Grunde legt, welche die besagte Bestimmung enthalten. Daher komme es nicht mehr darauf an, ob diese Klausel auch noch in weiteren Formularen verwendet wird. Die Beilage./1 beziehe sich zudem auf die Marke T-Mobile, unter der die Beklagte ebenfalls auftrete. Die rechtlichen Konsequenzen der Verwendung gesetzwidriger Klauseln in AGB oder Vertragsformblättern seien gleich. Vor Klagseinbringung habe der Kläger die Beklagte mittels eingeschriebenen Briefs vom 19.12.2011 aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung im Sinne des 28 Abs. 2 KSchG abzugeben. Dem sei die Beklagte jedoch nicht nachgekommen, vielmehr habe sie die Aufforderung zurückgewiesen. Das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr sei damit indiziert. An der Aufklärung der betroffenen Verbraucherkreise über das gesetzwidrige Vorgehen der Beklagten dies in Form einer Urteilsveröffentlichung bestehe ein be-

- 6 - rechtigtes Interesse. Die Beklagte stellte außer Streit, dass sie die beanstandete Klausel verwendet, wandte jedoch ein, dass bei einem Vertragsabschluss nicht nur in den Allgemeinen Entgeltbestimmungen auf diese Klausel hingewiesen wird, sondern auch auf dem Hauptanmeldeformular. Somit werde der Verbraucher sogar zweimal ausdrücklich auf diese Bestimmung aufmerksam gemacht. Selbst ohne diesen Hinweis sei die Klausel aber weder gesetz- noch sittenwidrig: 25 Abs. 4 Z 3 lit.b Telekommunikationsgesetz (TKG) in der Fassung der Novelle BGBl 102/2011 sehe vor, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen zwischen Betreibern von Kommunikationsdiensten und Endnutzern zumindest die Vertragslaufzeit und die Bedingungen für eine Verlängerung und Beendigung der Dienste und des Vertragsverhältnisses einschließlich der bei Beendigung des Vertragsverhältnisses fälligen Entgelte einschließlich einer Kostenanlastung für Endeinrichtungen zu enthalten haben. Daraus ergebe sich, dass Vertragsentgelte insbesondere bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages vor der Mindestlaufzeit sowohl üblich als auch zulässig sind. Eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Klausel könne weder gegen 879 Abs. 3 ABGB noch gegen 864a ABGB verstoßen. Im Übrigen gelte es, Rechtsänderungen bei der Berechtigung von Unterlassungsgeboten zu berücksichtigen, weil solche ihrem Wesen nach ein in der Zukunft liegendes Verhalten erfassen sollen und nur dann aufrecht bleiben können, wenn das darin umschriebene Verhalten schon im Zeitpunkt des Verstoßes verboten war und nach der neuen Rechtslage weiter verboten ist. Selbst nach der alten Rechtslage sei die Klausel aus der Sicht des TKG zulässig gewesen, da die Beklagte

- 7 - derartige Regelungen obwohl damals noch nicht verpflichtend zum Zwecke der Transparenz für ihre Kunden bereits vor der TKG-Novelle in ihre AGB aufgenommen habe. Als sachlich gerechtfertigt könne die Abschlagszahlung nicht gegen 879 Abs. 3 ABGB verstoßen. Bei der Preiskalkulation für die den Verbrauchern zur Verfügung gestellten Endgeräte gehe die Beklagte davon aus, dass die Verbraucher ihre Verträge im Regelfall nicht sofort mit Ablauf der Mindestvertragsdauer von 24 Monaten, sondern erst nach durchschnittlich 28 bis 30 Monaten kündigen. Nur auf Grund dieser längeren Benützungsdauer sei es der Beklagten möglich, hochwertige Endgeräte zu günstigeren Preisen abzugeben, wovon der Verbraucher profitiere. Bei einer vorzeitigen Aufkündigung sei es evident, dass es zu keiner vier bis sechs Monate längeren Nutzungsdauer nach Ablauf der Mindestvertragsdauer kommt, weshalb eine entsprechende Abschlagszahlung in die Tarife einkalkuliert werden müsse. Der Verbraucher sei jedoch nicht benachteiligt, da er letztlich einen realistischen Preis für sein Gerät bezahlt. Dass der Kunde, der seinen Vertrag mit Ablauf der Mindestvertragsdauer kündigt, besser gestellt sei als jener, der seinen Vertrag vorzeitig auflöst, mache die Klausel nicht gröblich benachteiligend i.s.d. 879 Abs. 3 ABGB. Schließlich habe es allein der Verbraucher in der Hand, ob die Klausel für ihn wirksam wird oder nicht. Die leistungsbereite Beklagte versuche jedenfalls, ihren Teil dazu beizutragen, dass der Kunde bei ihr bleibt und den eingegangenen Vertrag erfüllt. Die Klausel sei auch nicht ungewöhnlich i.s.d. 864a ABGB und daher von dessen Anwendungsbereich nicht erfasst. Es sei mittlerweile zu einer verkehrs- und branchenüblichen Praxis geworden, bei vorzeitiger Vertrags-

- 8 - beendigung eine Abschlagszahlung für die bei Vertragsabschluss gewährten Vorteile insbesondere für Hardwarevorteile zu vereinbaren. Auch der Marktführer A1 verrechne bei vorzeitiger Vertragsauflösung zusätzlich zu den Restentgelten EUR 79,-- für das gestützt zur Verfügung gestellte Gerät. Auf Grund dieser Marktübung rechne der Verbraucher damit, dass eine vorzeitige Vertragsbeendigung für ihn mit (weiteren) Nachteilen verbunden ist, weshalb die Klausel auch nicht als überraschend gemäß 864a ABGB zu qualifizieren sei. Abgesehen davon weise Punkt 7.5 der AGB der Beklagten ausdrücklich auf die Verrechnung von ausstehenden Grundgebühren/Paketpreisen/Mindestgesprächsumsätzen sowie auch auf die einmalige Abschlagszahlung hin. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden Beilagen./A bis./c bzw../1 bis./4. Folgender Sachverhalt steht fest: Der Kläger ist ein Verein im Sinne des 29 Abs. 1 KSchG. Seine Aktivlegitimation gründet sich auf 41 UWG und auf 28 ff. KSchG. Die Beklagte ist zu FN 171112k im Firmenbuch beim Handelsgericht Wien protokolliert. Sie bietet österreichweit (Mobil)-Telefondienstleistungen an, tritt in ihrer geschäftlichen Tätigkeit laufend mit Verbrauchern gemäß 1 KSchG in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit ihnen Verträge. Auf Grund dieser Tätigkeit ist die Beklagte, die mehr als drei Millionen Kunden in Österreich hat (Beilagen./B und./c), Unternehmer im

- 9 - Sinne des 1 KSchG. Die Beklagte verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - konkret in den sogenannten Allgemeinen Entgeltbestimmungen für die Marke tele.ring - die nachstehende Klausel (Beilage./A, Punkt 3.2.2.): Weiters verrechnen wir Ihnen eine Abschlagszahlung von 80 Euro je aktivierter SIM-Karte für Vorteile (z.b. Endgerätestützung, Gesprächsgutschrift), die wir Ihnen bei Vertragsabschluss oder bei Abgabe eines weiteren Kündigungsverzichtes gewährt haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei Verwendung ihrer Marke tele.ring Verbraucher in ihren Hauptanmeldeformularen nochmals auf diese Klausel ausdrücklich hinweist. Wird der Vertrag vor Ablauf der Mindestvertragsdauer gekündigt, müssen alle bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer ausstehenden vertraglichen Restentgelte bezahlt werden (Punkt 3.2.). Der Marktführer A1 hat eine ähnliche Bestimmung in seine Verträge aufgenommen (Beilage./3), die zu einer Abschlagszahlung in Höhe von EUR 79,-- bei vorzeitiger Vertragsauflösung verpflichtet (Stand: 9.1.2012). Vor Klagseinbringung forderte der Kläger die Beklagte auf, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung nach 28 Abs. 2 KSchG abzugeben. Die Beklagte lehnte dies ab (Beilage./3).

- 10 - Beweiswürdigung: Die Beklagte legte zum Beweis dafür, dass sie den Verbraucher im Hauptanmeldeformular nochmals ausdrücklich auf die beanstandete Klausel hinweist, die Beilage./1 vor. Diese Hauptanmeldung bezieht sich jedoch auf den Abschluss eines Verbrauchers mit der Beklagten auftretend unter der Marke T-Mobile. Es kann somit nicht als erwiesen gelten, dass (auch) im Hauptanmeldeformular der Marke tele.ring nochmals ausdrücklich auf die Bestimmung hingewiesen wird. Vorweggenommen sei jedoch, dass dieser Aspekt rechtlicher Relevanz entbehrt. Im Übrigen stützen sich die getroffenen Feststellungen auf das teils übereinstimmende Vorbringen der Parteien sowie auf unbedenkliche, oben zitierte Urkunden. In Anbetracht der geklärten rechtserheblichen Faktenlage bedurfte es der Aufnahme weiterer Beweise nicht. Rechtliche Beurteilung: Da die Inhaltskontrolle nach 879 Abs. 3 ABGB der Geltungskontrolle gemäß 864a ABGB nachgelagert ist, weil kein Bedarf nach Überprüfung einer Bestimmung im Lichte des 879 Abs. 3 ABGB besteht, wenn diese gar nicht Vertragsinhalt wurde (7 Ob 250/07a; 8 Ob 93/08x), ist vorweg zu prüfen, ob die beanstandete Klausel eine nachteilige Bestimmung ungewöhnlichen Inhalts darstellt, mit der der Vertragspartner des AGB-Verwenders vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht, sodass sie überraschend ist.

- 11 - Die Nachteiligkeit besagter Klausel für den Vertragspartner der Beklagten ist evident, da sie jedes Abweichen vom dispositiven Recht umfasst bzw. auch, dass der Vertragspartner ohne die Klausel besser stünde. Selbst eine verkehrsübliche Klausel kann überraschend sein. Alleine der Umstand der weiten Verbreitung einer Klausel in einer bestimmten Branche ist noch nicht geeignet, sie aus der Sicht des Vertragspartners als im redlichen Verkehr üblich anzusehen (2 Ob 50/02w, 6 Ob 241/07w). Die Bestimmung des 864a ABGB hat die Aufgabe, den Vertragspartner des AGB-Verwenders vor nachteiligen Klauseln zu schützen, mit denen er auf Grund der Umstände bei Vertragsabschluss nicht rechnen brauchte, die daher für ihn überraschend sind. Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel von der Rechtsprechung dann beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des Vertragsgegners deutlich abweicht, sodass er nach den Umständen mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Entscheidend ist, ob eine Klausel den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht. Sie darf keinen Überrumpelungseffekt haben (RS0014646). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze muss ein Verbraucher, wie der Kläger zutreffend aufzeigt, bei vorzeitiger Vertragsauflösung nicht damit rechnen, dass ihm dadurch höhere Kosten entstehen als bei Einhaltung der Mindestvertragsdauer. Er wird davon ausgehen, dass höchstens jene Restentgelte zu bezahlen sind, die bei Aufrechterhaltung des Vertrages für die Mindestvertragsdauer angefallen wären. Dass der Verbraucher, obwohl er diese restlichen Entgelte bezahlen muss, ohne

- 12 - dafür eine Gegenleistung zu erhalten, darüber hinaus noch mit einer Abschlagszahlung in nicht unbeträchtlicher Höhe belastet wird, ist sicher überraschend. Wenn 25 Abs. 4 Z 3 lit.b TKG seit der Novelle 2011 ausdrücklich vorsieht, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen zwischen Betreibern von Kommunikationsdiensten und Endnutzern zumindest die Vertragslaufzeit und die Bedingungen für eine Verlängerung und Beendigung der Dienste und des Vertragsverhältnisses einschließlich der bei Beendigung des Vertragsverhältnisses fälligen Entgelte einschließlich einer Kostenanlastung für Endeinrichtungen enthalten müssen, so kann dies nicht dahingehend ausgelegt werden, dass solche Entgelte uneingeschränkt zulässig sind und nicht mehr der Kontrolle durch die 864a und 879 Abs. 3 ABGB unterliegen. Über die inhaltliche Berechtigung einer Abschlagszahlung wie hier sagt 25 Abs. 4 Z 3 lit.b TKG nichts aus. Ein ausdrücklicher gesonderter Hinweis auf die nachteilige Klausel ist nicht erfolgt. Selbst wenn also die beanstandete Bestimmung (auch) in den Hauptanmeldeformularen der Marke tele.ring angesprochen werden sollte, reicht dies nicht aus, um der Hinweispflicht nach 864a ABGB Genüge zu tun. Ob eine gesetzwidrige Klausel in Vertragsformblättern und/oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet wird, macht keinen Unterschied (7 Ob 207/04y). Daher liegt ein Verstoß der Beklagten gegen 864a ABGB vor. Die gegenständliche Klausel wurde somit nicht Vertragsinhalt, der Rest der AGB bleibt aufrecht (3 Ob

- 13-512/89). Darüber hinaus ist ein Verstoß gegen 879 Abs. 3 ABGB gegeben, da sich die Klausel als gröblich benachteiligend erweist. Als Vergleichsmaßstab ist hierbei mangels dispositiven Rechts darauf abzustellen, wie sich die Lage für den Verbraucher ohne die Klausel darstellt (Graf in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 879 [Rz 279]). Ohne diese Klausel müsste der Vertragspartner bei vorzeitiger Aufkündigung nur die ausstehenden Entgelte für die Mindestvertragsdauer nicht aber mehr bezahlen. Es besteht somit ein auffallendes Missverhältnis zwischen den vergleichbaren Vertragspositionen des vorzeitig kündigenden Verbrauchers und des mit der Mindestvertragsdauer kündigenden Verbrauchers. Interne Kalkulationen stellen keine sachliche Rechtfertigung für die Verwendung einer gröblich benachteiligenden Klausel dar. Die Behauptung, der Verbraucher sei nicht benachteiligt, weil er im Endeffekt einen realistischen Preis für sein Gerät bezahlt, geht ins Leere, da der Maßstab an dem Entgelt, das ein Verbraucher bei exakter Einhaltung der Mindestvertragsdauer zu zahlen hat, anzulegen ist. Dass es Kunden gibt, die mit Mindestvertragsdauer bzw. bereits davor kündigen und dementsprechend keine längere Bindung wollen, kann in die (Gesamt-)Kalkulation der Beklagten durchaus Eingang finden. Insgesamt war dem Klagebegehren, ohne dass es einer Einschränkung des Unterlassungsbegehrens auf die Marke tele.ring bedarf, stattzugeben; gegen das Veröffentlichungsbegehren wurde kein begründeter Einwand erho-

- 14 - ben. Die Kostenentscheidung beruht auf den 41 Abs. 1 i.v.m. 54 Abs. 1a ZPO. Handelsgericht Wien, Abteilung 39 Wien, 27. Dezember 2012 Dr. Heinz-Peter Schinzel, Richter Elektronische Ausfertigung gemäß 79 GOG