Der Wohn- und Betreuungsvertrag als Basis individueller Rechte Seine praktische Umsetzung in den Bundesländern



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Transkript:

Der Wohn- und Betreuungsvertrag als Basis individueller Rechte Seine praktische Umsetzung in den Bundesländern BIVA Fachtagung Ludwighafen, 01.04.2011

Warum ein neues Gesetz? Das Heimgesetz (HeimG) regelt das Heimordnungsrecht und das Heimvertragsrecht. Mit der Föderalismusreform wurde das Heimrecht in die Zuständigkeit der Länder gegeben. Der Bund ist aber weiter für das Zivilrecht (Vertragsrecht) zuständig. Einige Bundesländer regelten auch das Heimvertragsrecht auf Landesebene (z. B. Bayern, Baden-Württemberg), es entstand Rechtsunsicherheit.

Was bringt das WBVG? Neue Begriffe: Unternehmer = Heimträger Verbraucher = Bewohner Anwendungsbereich des WBVG: Der Anwendungsbereich wird unabhängig von der landesrechtlichen Definition des Heimrechts formuliert. Erfasste Vertragstypen: Vollstationäre Dauerpflege, Kurzzeitpflege, strittig: Tagespflege ( Tatbestandsmerkmal Überlassung Wohnraum? Aber im Bereich des SGB XI über 119 SGB XI WBVG entsprechend anwendbar) Betreutes Wohnen es kommt auf die Gestaltung des Vertrages an

Umfangreiche Informationspflichten des Unternehmers ( 3) Wann und wie? rechtzeitig vor Vertragserklärung in Textform (z. B. Broschüre, Informationsmappe usw.) und leicht verständlicher Sprache Über was soll informiert werden? z. B. Leistungen, Entgelte, Ergebnisse von Qualitätsprüfungen, Konzeption, Ausstattung und Lage des Gebäudes usw. Rechtsfolgen? Bei Nichtbeachtung fristlose Kündigung des Verbrauchers möglich, Verbraucher hat Anspruch, dass die Information unverzüglich nachgeholt wird

Entgelterhöhung nach Pflegesatzverhandlung ( 9) Verbraucher schuldet erhöhtes Entgelt frühestens 4 Wochen nach Zugang des hinreichend begründeten schriftlichen Erhöhungsverlangens Begründung: Angabe des Umlagemaßstabs Benennung der Positionen, für die sich durch die veränderte Berechnungsgrundlage Kostensteigerungen ergeben Gegenüberstellung der bisherigen Entgeltbestandteile und der vorgesehenen neuen Entgeltbestandteile Ankündigung mit Begründung kann auch bereits vor Abschluss der Pflegesatzvereinbarung erfolgen (BVerwG, Urteil v. 29.07.2009, Az.: 8 C 8.09)

Entgelterhöhung nach Pflegesatzverhandlung ( 9) Bedarf die Erhöhung zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Bewohners? ( außerordentlich problematisch und ungeklärt) pro: Grundsätze des allgemeinen Vertragsrechts Nachbildung der mietrechtlichen Regelung des 558 BGB Gesetzesbegründung ( Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Unternehmer einen Anspruch auf die für die Wirksamkeit der Erhöhung erforderliche Zustimmung des Verbrauchers. ) contra: Bezugnahme auf SGB XI unter 7 Abs. 2 S. 2, 15 Abs. 1 WBVG Beachte Schriftform ( 6 WBVG), daher beidseitig unterzeichneter Nachtrag zum Heimvertrag

Kündigung des Verbrauchers ( 11) Ordentliche Kündigung bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf desselben Monats möglich Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund möglich, wenn dem Verbraucher die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist Innerhalb von 2 Wochen nach Beginn des Vertragsverhältnisse oder nach Aushändigung des Vertrages (inkl. vollständige Information nach 3 WBVG) kann der Verbraucher fristlos kündigen. Sonderkündigungsrecht bei Entgelterhöhung

Kündigung des Unternehmers ( 12) Kündigungsgründe wie bisher: Einschränkung des Betriebs, schuldhafte Vertragsverletzung durch den Verbraucher, Zahlungsverzug des Bewohners (nunmehr zuvor Abmahnung erforderlich) Kündigung, wenn der Unternehmer eine fachgerechte Pflege oder Betreuung nicht erbringen kann: a) wenn der Verbraucher eine angebotene Vertragsanpassung nicht annimmt (beachte 12 Abs. 2 WBVG) b) wenn der Unternehmer aufgrund eines vertraglichen Ausschlusses eine Vertragsanpassung nicht anbietet

Wer wacht über die Einhaltung des Gesetzes? Wie allgemein im Vertragsrecht üblich: die Zivilgerichte (auch AGB, sonstiges BGB usw.) Verbraucherschützer (WBVG ist Verbraucherschutzgesetz i. S. d. 2 Abs. 2 Nr. 10 UKlaG) Heimaufsichten?

Zuständigkeit der Heimaufsichten? Contra: Nach Trennung des Ordnungsrechts von den zivilrechtlichen Anforderungen ist der Überwachungsauftrag der Heimaufsicht entfallen ( Die Heime werden daraufhin überprüft, ob sie die Anforderungen an den Betrieb eines Heims nach diesem Gesetz erfüllen. - 15 Abs. 1 S. 4 HeimG). So: Bundesrat, Stellungnahme v. 03.04.2009, BR- Drs. 167/09; Sozialministerium Baden- Württemberg, Stellungnahme v. 05.09.2009, LDrs. 14/4440

Pro: Zuständigkeit der Heimaufsichten? Die Durchsetzung der heimrechtlichen Pflichten soll nicht der Rechtsverfolgung oder verteidigung durch die Bewohner überlassen werden, die häufig unter altersbedingten Einschränkungen leiden oder von Behinderungen betroffen sind. (BVerwG, Urteil v. 02.06.2010, Az.: 8 C 24.09) Es kommt darauf an, ob Heime nach den Landes- Heimgesetzen verpflichtet sind, die zivilrechtlichen Vorschriften zu beachten. (VG Cottbus, Beschluss v. 27.08.2010, Az.: VG 5 L 106/09)

Zuständigkeit der Heimaufsichten? Beispiele aus den Bundesländern: Art. 11 Abs. 1 Satz 4 PfleWoqG Bayern: Die zuständigen Behörden überprüfen die stationären Einrichtungen daraufhin, ob sie die Anforderungen an den Betrieb einer stationären Einrichtung nach diesem Gesetz erfüllen. (kein Hinweis auf Kontrolle der Anforderungen an den Vertrag) 6 Abs. 3 Nr. 2 LHeimG BW: Ein Heim darf nur betrieben werden, wenn ( ) die vertraglichen Leistungen erbracht werden.

Zuständigkeit der Heimaufsichten? Beispiele aus den Bundesländern: 15 Abs. 2 Nr. 7 LWTG RLP: Weitere Voraussetzungen für den Betrieb der Einrichtung sind, dass der Träger ( ) die für die Einrichtung geltenden Bestimmungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes beachtet. (beachte: nur WBVG, nicht BGB). 6 Abs. 2 Nr. 5 Pflege- und Betreuungswohngesetz Brandenburg: Der Leistungsanbieter ist verpflichtet, ( ) die zivilrechtlichen Vorschriften zu beachten.

Zuständigkeit der Heimaufsichten? Entwurf Hessisches Betreuungs- und Pflegegesetz ein Beispiel für andere Bundesländer? 10 Abs. 3 Satz 3 HBPG Hessen Entwurf: Der Mustervertrag sowie jede Änderung bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde. Contra: weitreichenster Eingriff in die Vertragsfreiheit Behörde, die einseitig den Interessen der Bewohner verpflichtet ist, kann nur Missbrauskontrolle machen Heimvertrag ist kein Wunschkonzert Anspruch auf Genehmigung müsste geregelt werden

Ende des Vortrags! Für Rückfragen: Iffland & Wischnewski Pfungstädter Str. 100 A 64297 Darmstadt Tel: 06151 / 13 66 00 Fax: 06151 / 13 66 033 info@iffland-wischnewski.de