Claudia Fabian Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus. Das Ausstellungsgeschehen der Bayerischen Staatsbibliothek von 1993 bis 2014

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Claudia Fabian Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus Das Ausstellungsgeschehen der Bayerischen Staatsbibliothek von 1993 bis 2014 Im Jahr 1999 veröffentlichte Franz Georg Kaltwasser eine 490 Seiten umfassende Monographie mit dem Titel Die Bibliothek als Museum von der Renaissance bis heute, dargestellt am Beispiel der Bayerischen Staatsbibliothek. Diese dokumentarisch außerordentlich nützliche Studie bietet auch einen (quasi) vollständigen Überblick über die Ausstellungen der Bayerischen Staatsbibliothek von 1894 bis 1992 mit besonders detaillierter Analyse der Jahre von 1972 bis 1992.1 Unter dem Vorzeichen Innovation aus Tradition ist es an der Zeit, das Ausstellungsgeschehen der anschließenden 21 Jahre von 1993 bis 2014 ebenfalls in einer Synthese zu präsentieren und Fragen des Fortführens der Tradition einerseits, Aspekte der Innovation, ihrer Formen und ihrer Gründe, aber auch ihrer Wirkung andererseits zu thematisieren und daraus Perspektiven für die Zukunft abzuleiten. Dabei wird wie könnte es anders sein der Schwerpunkt auf den Höhepunkten jener zehn Jahre liegen, in denen Rolf Griebel als Generaldirektor ab Juli 2004 die großen und immer zahlreicheren Ausstellungen nicht nur eröffnete, sondern sie auch als zentrales Merkmal und sinnenfälligen Ort seiner Bibliothekspolitik verstand, gezielt einsetzte und genoss. In ihren Ausstellungen präsentiert die Bibliothek vor allem ihren musealen Bestand und erweist sich so als Schatzhaus des kulturellen Erbes. Diese Funktion und Qualität ist in dem von Griebel 2008 definierten und seitdem kontinuierlich mit Nachdruck wiederholten und in seinem Handeln bestätigten Drei-Pfeiler-Profil der Bayerischen Staatsbibliothek zugleich erster Ausgangspunkt, alles ermöglichende Grundlage und doch nur einer von insgesamt drei wirksam konvergierenden Orientierungspunkten des gegenwartsbewältigenden und zukunftsprägenden Agierens für die Bayerische Staatsbibliothek und darüber hinaus das von der Bayerischen Staatsbibliothek unter Leitung von Rolf Griebel mit geprägte wissenschaftliche Bibliothekswesen Deutschlands. Es darf auffallen, dass der Titel dieses Beitrags die zentrale These des Buchs von Kaltwasser negiert. Das ist provokativ und qualitativ gemeint. Die Bibliothek generell, und zumal die Bayerische Staatsbibliothek, ist kein Museum. Sofern sie museale Aufgaben wahrnimmt, sind diese nur ein (kleiner) Teil, ein Teilaspekt, ihres gesamten 1 Kaltwasser, Franz Georg: Die Bibliothek als Museum von der Renaissance bis heute, dargestellt am Beispiel der Bayerischen Staatsbibliothek. Wiesbaden: Harrassowitz 1999. Siehe besonders: Kapitel 5.5: Thematische Ausstellungen von 1972 bis 1992, S. 336 364; Kapitel 7: Ein Bericht aus der Praxis 1972 1992, S. 400 440.

268 Claudia Fabian Aufgabenspektrums und eine Form ihres im Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb differenzierten und doch ganzheitlichen Handelns. Wie sie diese jedoch wahrnimmt, rückt sie dann doch wieder an die Welt der Museen heran. Dokumentation des Ausstellungsgeschehens 1993 2013 Um diesen Beitrag publizierbar und lesbar zu halten, wurde eine möglichst vollständige Auflistung der Ausstellungsaktivitäten (in) der Bayerischen Staatsbibliothek von 1993 bis 2013 zwar zu Ehren des Gefeierten erstellt, doch kann die zeitgemäß umfassende Dokumentation nur noch mehrdimensional, multimedial, mithin im elektronischen Umfeld gedacht und realisiert werden. Die in Kurzform bereits über achtzig Seiten umfassende Liste wird als Separatdruck erstellt und über die Homepage zugänglich gemacht.2 Die retrospektive Analyse ließ einmal mehr, keineswegs überraschend klar erkennen, wie zentral wichtig die laufende, sorgfältige und detaillierte Selbstdokumentation für das kollektive Gedächtnis der Bayerischen Staatsbibliothek ist, und auch, wie die modernen Technologien es erlauben, verschiedene Interessen gleichzeitig zu erfüllen, wenn eine klar definierte Dokumentationsinfrastruktur bedient wird. Leider erwies sich aber auch, dass dies keineswegs ein nebenbei realisierbares Unternehmen ist. Vielmehr ist im Hinblick auf Umfang und Zukunftsfähigkeit hierfür in enger Abstimmung mit dem Referat Öffentlichkeitsarbeit ein Projekt aufzusetzen, das sukzessive das vergangene Ausstellungsgeschehen nachbereitet. Dafür ist ein Projektzeitraum von ca. zwei Jahren anzusetzen, doch erlaubt die so gewonnene Infrastruktur, die Daten und Informationen, die bei jeder neuen Ausstellung anfallen, fortan in einheitlicher Struktur begleitend zum Entstehungsprozess zeitnah zu sammeln und abzulegen. Für dieses Dokumentationsprojekt sind drei Zeitschichten zu unterscheiden: Anzufangen ist mit der differenzierten Erfassung der Ausstellungen von 1993 bis 2014, zu ergänzen durch die bei Kaltwasser dokumentierte Zeit bis 1992, schließlich fortzuführen für das Ausstellungsgeschehen ab 2015. Grundlage ist die neu erstellte Übersicht über das Ausstellungsgeschehen seit 1993. Die Ausstellungen werden chronologisch nach Ausstellungsbeginn geordnet und pro Jahr 2 Fabian, Claudia mit Anja Gaisa u. Peter Schnitzlein: Das Ausstellungsgeschehen der Bayerischen Staatsbibliothek 1993 bis 2014. München 2014 (in Arbeit). Wichtige Vorarbeiten dafür: Bayerische Staatsbibliothek: Ausstellungen. www.bsb-muenchen.de/ausstellungen.html/ (01.07.2014); Gullath, Brigitte: Museale Sammlungen und Forschungsobjekt die Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Information, Innovation, Inspiration. 450 Jahre Bayerische Staatsbibliothek. Hrsg. von Rolf Griebel u. Klaus Ceynowa. München: Saur 2008. S. 191 206 (darin besonders: S. 192 199); Rebhan, Helga: Ausstellung orientalischer und asiatischer Bestände der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Griebel u. Ceynowa, Information (wie Anm. 2), S. 639 665; sowie die Informationen der Jahresberichte der Bayerischen Staatsbibliothek.

Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus 269 durchgezählt. Über die Jahresgrenze sich erstreckende Ausstellungen werden jeweils dem Jahr ihres Anfangs zugerechnet. Die Ausstellungen werden nach der im Folgenden vorgeschlagenen, neu und einheitlich definierten Typologie (mit den Termini Ausstellung Kabinettausstellung ( veranstaltungsbegleitende Präsentation) differenziert.3 Jede Ausstellung ist nach den üblichen, von Kaltwasser bereits berücksichtigten Aspekten zu beschreiben. Zu nennen sind der Titel, die Laufzeit, der Ort. Eine zentrale Rolle spielt der Ausstellungskatalog. Die Digitalisierung dieser Kataloge, der Zugriff auf das Digitalisat über den Bibliothekskatalog, ihre Bereitstellung über die ZEND bzw., sofern noch Verlagsrechte eine Freigabe verhindern, über den digitalen Lesesaal, wurde bereits in Einzelfällen angegangen, ist aber im Rahmen dieses Dokumentationsprojekts systematisch durchzuführen. Dann sind die Verantwortlichen zu benennen, ggf. Kooperationspartner, Gestalter, Hersteller des Faltblatts. Alle Dokumente, die im Konnex mit der Ausstellung öffentlich gezeigt werden, sind, wenn eben möglich, in digitaler Form auch öffentlich einsehbar bereitzustellen, auf jeden Fall aber zu archivieren. Dabei handelt es sich um die Einladungen, den Flyer, das Plakat, gegebenenfalls weitere bislang unveröffentlichte, aber fertige Informationen, wie xerokopierte Informationsblätter, Tafeltexte, Vitrinenbeschriftungen, Texte für den Audioguide, ausgewählte Fotos, eine virtuelle Ausstellung, Homepageseiten mit Links auf Ausstellungsexponate etc. Festzuhalten ist die Zahl der Exponate, ihre Signaturen, die aufgeschlagenen Seiten, idealiter mit Link auf das Volldigitalisat des jeweiligen Objekts. Aufzulisten sind die die physische Ausstellung begleitenden digitalen Angebote, hier vor allem die für den BSB-Explorer aufbereiteten Digitalisate, die Apps bzw. auch virtuelle Ausstellungen. Für die Bibliothek als Museum erlaubt ja gerade das elektronische Umfeld jene Kluft zu überspringen, die von der ausgewählten Doppelseite zu dem Buch als Ganzes führt. Schließlich ist ein Kurztext im Sinn jener abschließenden Würdigung zu verfassen, die sich in den Jahresberichten der Bayerischen Staatsbibliothek bis 2004 noch vollständig, dann nur noch selektiv spiegelt. Ausstellungen sind Höhepunkte im kulturellen Leben der Bibliothek. Daher ist nach wie vor die Ausstellungseröffnung ein Festakt, der in besonderer Gestaltung mit Reden, Musik und Empfang ein eingeladenes Festpublikum ins Haus bringt und zur Außendarstellung der Bayerischen Staatsbibliothek erheblich beiträgt. Sie ist genauso detailliert zu beschreiben wie gegebenenfalls weiteres Begleitprogramm. In den letzten Jahren wurde auch die Pressearbeit für die Ausstellungen verstärkt. Am Tag der Ausstellungseröffnung findet eine Pressekonferenz statt, in der Medienvertreter eine eigene Führung erhalten und Gelegenheit zu Ton- und Bildaufnahmen geboten wird. Die allgemein verfügbare elektronische Bereitstellung weiterer, das Ausstellungsgeschehen begleitender Dokumente mag eher fraglich erscheinen bzw. aus rechtlichen Gründen unmöglich sein, man denke an das Besucherbuch, Fotos von den Ausstellungseröffnungen, Rundfunk- und Fernsehberichte und -mitschnitte, Sammlungen der Presseberichte, Rezensionen des Ausstellungskatalogs, Statistiken 3 Vgl. zur Terminologie den Abschnitt Ausstellungstypologie der Bayerischen Staatsbibliothek.

270 Claudia Fabian zu Besucherzahlen und Einnahmen aus dem Verkauf der Kataloge und Postkarten, begleitende Filme, Musik und Apps. Diese Informationen und Dokumente, die derzeit an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Registraturen der Fachabteilungen bzw. des Referats Öffentlichkeitsarbeit in unterschiedlicher Vollständigkeit gesammelt und konventionell oder elektronisch abgelegt sind, sollen in die Obhut des Nachlassreferats überführt werden. Dabei handelt es sich um eine Sammlung, die wie ein Nachlass verwaltet und seit etwa zwei Jahren auch über den Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek differenziert und mit Verknüpfung zu elektronischen Dokumenten erschlossen werden kann. Dieser große und kontinuierlich wachsende, der institutionellen Selbstdokumentation dienende Nachlass wird aus einem physischen und einem elektronischen Teil bestehen. So können auch Erfahrungen in der Verwaltung elektronischer Nachlässe anhand dieses inhaltlich vertrauten Materials gesammelt werden. Über die bereits genannten Dokumente hinaus könnte bei Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur noch vieles, bislang nur individuell Abgelegtes gesammelt werden, etwa Vorarbeiten bzw. die maschinenlesbare Schlussfassung der Katalogbeiträge, Vergleichsabbildungen, Gesamtübersichten der Ausstellungsplanung, begleitende Korrespondenzen etc. Virtuelle Ausstellungen Bibliotheken, Archive und Museen (heute werden oft auch noch Galerien hinzugefügt) üben heute als Gedächtnisinstitutionen in übergreifender Einheit verstanden ihre jeweiligen Funktionen aus. Im virtuellen Raum genauso wie immer häufiger auch in Ausstellungen! finden ihre Schätze oder (wertneutraler ausgedrückt) ihre Bestände bzw. Sammlungen zusammen, werden dem Interessierten und Neugierigen, aber auch der Forschung und Wissenschaft über Portale angeboten, die von Europeana zur Deutschen Digitalen Bibliothek, von der World Digital Library bis zu bavarikon, dem Kulturportal Bayern, reichen, aber auch eine Vielzahl ganz unterschiedlicher sachlich-thematischer Prägungen haben können und dürfen. Wenn wir hier über das Ausstellungsgeschehen sprechen, handelt es sich immer um physische Ausstellungen, die aber immer mehr und immer effektiver mit den virtuellen Möglichkeiten interagieren. Virtuelle Ausstellungen ziehen immer mehr Aufmerksamkeit auf sich, entwickeln Darstellungsmöglichkeiten und binden Kräfte bzw. stellen solche bereit. Das ist ein anderes Thema, das sofern die Bayerische Staatsbibliothek hieran beteiligt ist, wie bei der virtuellen Ausstellung zum Abschluss des Projekts Europeana regia Manuscripts and princes in medieval and Renaissance Europe 2012 durchaus in das Ausstellungsgeschehen einzureihen ist. Neben der oben vorgeschlagenen, zum Teil verborgenen Dokumentation ist es natürlich verlockender, aber auch ungleich aufwändiger, erfolgreiche Ausstellungen ganz oder in Teilen als virtuelle Ausstellung oder elektronische Publikation aufzubereiten, ein erster Versuch beglei-

Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus 271 tete die Plansprachenausstellung Zwischen Utopie und Wirklichkeit 2012. Über weitere Aktivitäten wird derzeit in der Webredaktion der Bayerischen Staatsbibliothek intensiv diskutiert und nachgedacht. In welchem Umfang und Rahmen dies realisierbar und erstrebenswert ist, wird sich auch anhand der Nachfrage und der allgemeinen Entwicklung zeigen. Wichtig ist auf jeden Fall auch der geeignete Nachweis dieser Information bzw. richtiger: langzeitarchivierten, vielteiligen, gezielt adressierbaren elektronischen Publikation für den (dauerhaften) Zugriff und die gezielte Weiterverwendung in anderen Informationsumgebungen, mithin eine Integration in die geplante Dokumentation des Ausstellungsgeschehens genauso wie in den umfassenden Katalog der Bibliothek. Ausstellungstypologie der Bayerischen Staatsbibliothek Um das außerordentlich reiche Ausstellungsgeschehen der vergangenen 22 Jahre in geeigneter Form zu quantifizieren und zu evaluieren, muss versucht werden, eine Typologie zu definieren, um Vergleichbarkeit mit der von Kaltwasser gebotenen Aufstellung und der verschiedenen Aktivitäten untereinander zu gewährleisten, Entwicklungen und Schwerpunkte zu erkennen, und nicht zuletzt das subjektive Gefühl, das Ausstellungsgeschehen habe sich in den letzten Jahren erheblich intensiviert, mit objektiv nachvollziehbaren Fakten zu belegen. Wie wenig die Bibliothek ein Museum ist, auch wenn sie museale Aufgaben im Ausstellungsgeschehen wahrnimmt und immer stärker für ihre Wahrnehmung in der Welt der Museen und der Museumsbesucher eintritt, auch wenn sie als Leihgeber ihre Exponate in zahlreiche und immer hochrangigere Museen entleiht, zeigt sich auch daran, dass die von der Museologie aufgestellte und definierte Ausstellungstypologie und Begrifflichkeit4 für die Beschreibung dessen, was sich im Ausstellungsgeschehen der Bayerischen Staatsbibliothek abspielt, nicht anwendbar ist. Ausstellungen entsprechen einem Grundbedürfnis der Bibliothek, ihre Bestände, ihre Geschichte, ihre Leistungen in den eigenen Räumen darzustellen und diese auch zu verlassen, um ein noch weiteres Publikum anzusprechen. Genauso aber erkennt man signifikante Unterschiede im Umfang, in der Gestaltung, in der Laufzeit, in der Begleitung durch Publikationen, in den Verantwortlichen, im finanziellen und organisatorischen Aufwand, ohne dass die bisherigen Ansätze, diese Unterschiede in einer geeigneten Nomenklatur zu fassen, befriedigen bzw. sich durchgesetzt hätten. 4 Z. B. Waidacher, Friedrich: Handbuch der allgemeinen Museologie. Wien: Böhlau 1996; Vieregg, Hildegard: Museumswissenschaften. Eine Einführung. Paderborn: Fink 2006; Flügel, Katharina: Einführung in die Museologie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2009.

272 Claudia Fabian Von der Terminologie her ist zunächst ein übergeordneter Begriff zu finden, der die vielfältigen Aktivitäten bündelt, ohne wieder das Wort Ausstellungen zu benutzen. Wir wollen hier vom Ausstellungsgeschehen sprechen. Sodann werden drei Kategorien differenziert: Ausstellungen (gegebenenfalls mit der Hervorhebung einer Jahresausstellung), Kabinettausstellungen (gegebenenfalls mit dem Zusatz: kleine Kabinettausstellung, wenn weniger als fünf Vitrinen bestückt werden) und schließlich veranstaltungsbegleitende Präsentationen. Von Ausstellungen ist zu sprechen, wenn diese von der Bibliothek veranlasst und getragen sind, einen längeren Konzeptionsvorlauf haben, von einem Ausstellungskatalog, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden, offiziell eröffnet bzw. beendet werden. In den letzten Jahren wurde der Versuch unternommen, hier eine (große Jahres-)Ausstellung mit einer Laufzeit von bis zu drei Monaten gegenüber mitunter mehreren (Schatzkammer-, bzw. Kabinett-)Ausstellungen gegebenenfalls auch kürzerer Laufzeit zu profilieren, ohne dass dies im Einzelfall andere als finanzielle Konsequenzen hatte. Eine Jahresausstellung ist heute stets mit externer Expertise gestaltet, hat einen Katalog, Flyer, Plakat, intensive Pressearbeit, bietet Führungen, einen Audioguide und digitales Begleitprogramm, aber auch Ausstellungen ohne externe Gestaltung haben aufgrund der anderen Merkmale diesen Rang. Von diesen, das Referat Öffentlichkeitsarbeit und die Direktion besonders stark involvierenden Ausstellungen können sog. Kabinettausstellungen unterschieden werden. Sie wurden früher oft auch als Schatzkammerausstellung oder als Präsentation bezeichnet. Sie sind im Wesentlichen von dem Interesse einer Abteilung getragen, werden aber auch über eine längere Zeit angeboten. Sie stehen oft im Zusammenhang mit aktuellen Anlässen, haben keinen oder nur einen vor Ort verfügbaren xerokopierten Katalog, es gibt keine oder nur eine deutlich geringere Pressearbeit. Das neue von dem Referat Öffentlichkeitsarbeit Anfang 2014 definierte Leistungsportfolio sieht ein internes Plakat und Werbung über die Online-Kanäle vor. Sie finden in den Räumen der Abteilungen statt, manchmal auch im Marmorsaal bzw. auf den Galerien im Treppenhaus. Ganz deutlich ist in dem Bereich der Kabinettausstellungen eine Reihenbildung festzustellen, die in den letzten Jahren auch benannt wird: So führt die 2009 offiziell eingeführte Reihe Musikschätze der Bayerischen Staatsbibliothek eine lange Praxis weiter. 2010 beginnt die Abteilung Karten und Bilder den nun gemeinsam mit der Musikabteilung genutzten Raum auch regelmäßig mit Kabinettausstellungen zu bestücken, 2013 benennt die Osteuropa-Abteilung eine, ihre bislang punktuelle Praxis weiterführende neue Reihe mit kostproben. Aber auch vor 2004 sind Reihen festzustellen: in den Präsentationen der wertvollen Neuerwerbungen, eingeführt 1996 im Rückblick auf 1995 bis etwa 1999, zu Künstlerbüchern von 2003 bis 2006, zum Abschluss der sechs Studiengänge der Staatlichen Fachakademie zur Ausbildung von Restauratoren für Archiv- und Bibliotheksgut 1994, 1997, 2000, 2003, 2006 und letztmals 2009. Die Benennung, ja Zählung solcher Reihen würde die Darstellung des Ausstellungsgeschehens und seine Bedeutung für die Präsentation der Bestände der Bayerischen Staatsbibliothek sicher fördern.

Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus 273 Natürlich gibt es eine Grauzone zwischen Ausstellungen und Kabinettausstellungen, man denke nur an die von xerokopierten Katalogheften bzw. auch nur von Flyern begleiteten Wertvolle orientalische Handschriften 2004, Reichenauer Buchmalerei 2004 sowie Königliche Geschenke 2008, die von Presse und Öffentlichkeit und von der Bedeutung her natürlich Ausstellungen sind. So sollte man im Zweifelsfall dem Begriff Ausstellung den Vorrang lassen, wenn sie begleitet von Öffentlichkeitsarbeit und Eröffnung an zentralen Orten im Haus (Schatzkammer, Fürstensaal, Gang der Handschriftenabteilung) veranstaltet wird. Eine Sonderform im Ausstellungsgeschehen, die allerdings in der Publikation von Kaltwasser genauso wie im Kapitel Ausstellungen der ausführlichen Jahresberichte bis 2004 aufgelistet wurde, für die retrospektiv erstellte Übersicht aber nur mit größtem Aufwand und wohl mit einigen Lücken zu ermitteln war, ist die veranstaltungsbegleitende Präsentation. Einen kurzen Zeitraum über, manchmal nur an einem Abend, manchmal an wenigen Tagen, werden zu besonderen Anlässen, etwa eines Vortrags oder Festakts, eines hochrangigen Besuchs, eines Tags der Offenen Tür, repräsentative bzw. thematisch einschlägige Stücke ausgewählt und in Vitrinen oder auch einmal zum Blättern präsentiert. Da diese Präsentationen durchaus konzeptionellen und vorbereitenden Aufwand verursachen, oft in nuce auf ausstellungswürdige Themen verweisen bzw. den musealen Bestand würdigen, mitunter aus zeitlichen und räumlichen Gründen eine (Kabinett-)Ausstellung ersetzen, ist ihre Auflistung im Ausstellungsgeschehen und die Archivierung der zugehörigen Dokumentation wichtig. Diese Praxis, die im Einzelnen schwer von Aktivitäten für Seminare, Einzelbesucher, Pressekonferenzen, Förderer und Freunde im Hinblick auf einen Ankauf zu unterscheiden ist, wurde in den letzten Jahren jedoch zugunsten einer Ausstellung oder Kabinettausstellung immer stärker reduziert, um Aufwand und Wirkung besser in Einklang zu bringen. Veranstaltungsbegleitende Präsentationen fanden im März 2013 anlässlich des Symposiums zur Erschließung griechischer Handschriften statt, im September 2013 wurden gleich sieben verschiedene Präsentationen (zusammen mit einer Ausstellung und einer Kabinettausstellung) für die Association Internationale de Bibliophilie sogar in einem begleitenden Katalogheft dokumentiert. Sofern solche Präsentationen in Verbindung mit einem anderen Ausstellungsgeschehen stehen, werden sie in der Übersicht nur in diesem Zusammenhang erwähnt. Um das Ausstellungsgeschehen korrekter und differenzierter zu greifen, sind weitere Informationen nicht nur deskriptiv (wie noch bei Kaltwasser), sondern auch typologisch festzuhalten. Ausstellungen finden in Kooperation statt, wenn neben der Bayerischen Staatsbibliothek ein anderer Ausstellungsverantwortlicher sie nicht nur anregt bzw. veranlasst, sondern auch wesentlich unter Einsatz finanzieller und/oder personeller Mittel konzipiert und realisiert, so z. B. 2011 Max Reger Accordarbeiter. Als Gastausstellung hingegen wird eine Ausstellung bezeichnet, die in den Räumen der Bayerischen Staatsbibliothek gezeigt wird, aber einen anderen konzeptionell und finanziell zuständigen Veranstalter hat, ohne bzw. mit nur begleitenden Exponaten der Bayeri-

274 Claudia Fabian schen Staatsbibliothek, wie z. B. für die prämierten Bücher in 2004 und 2006 oder die Ausstellung Die Weltenältesten 2012 von Marion Dorn. Solche Ausstellungen sollten angesichts der mangelnden musealen Qualität der Räume eher die Ausnahme sein, so dass eher von einer Gastausstellung in Kooperation mit der Bayerischen Staatsbibliothek auszugehen ist, wie zuletzt bei der Vermessung Bayerns 2013 und 75 Jahre Carmina Burana von Carl Orff 2012. Echte Gastausstellungen sind heute oft Tafelausstellungen, Informationsausstellungen, ohne oder mit nur wenigen begleitenden Originalen, zuletzt In Böhmen und Mähren geboren 2012. Eine eigene Tafelausstellung ist die für das Jubiläumsjahr 2008 konzipierte Präsentation zur Geschichte der Bayerischen Staatsbibliothek, die auf vier Stelen an wechselnden Orten (gewöhnlich im Marmorsaal) quasi als Dauerausstellung gezeigt wird und regelmäßig mit Interesse studiert wird. Ausstellungen, Kabinettausstellungen und Präsentationen außerhalb des Bibliotheksgebäudes an anderem Ort werden nur dann als Veranstaltungen der Bayerischen Staatsbibliothek verstanden, wenn diese die wesentliche konzeptionelle und federführende Leistung für diese Ausstellung erbracht hat, also nicht nur als Leihgeber fungiert, so 1994 im Bayerischen Nationalmuseum Zierde für ewige Zeit und im gleichen Jahr die Ausstellung zur Sammlung Deutscher Drucke im Maximilianeum. Als Veranstaltungsbegleitende Präsentation an anderem Ort ist die Präsentation des Gebetbuchs Kaiser Ottos III. 2001 in der Bayerischen Staatskanzlei zu nennen. Diese Praxis hat zwar eine durchaus lange und ruhmvolle Geschichte, man denke nur an die Ausstellung Ars sacra 1950 und die Regensburger Buchmalerei 1987, doch hat hier in den letzten Jahren eine gezielte, strategische Neuorientierung begonnen. Einen neuen Ansatz und gleichzeitig Höhepunkt stellte die am 18. Oktober 2012 feierlich eröffnete und am 13. Januar 2013 nach 86 Öffnungstagen mit einer Rekordbesucherzahl von 80.000 ruhmreich beendete, von der Abendzeitung mit einem Stern des Jahres gewürdigte Ausstellung Pracht auf Pergament in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung dar eine Ausstellung in Kooperation an anderem Ort. Hier wurden die idealen Ausstellungsbedingungen und Finanzmittel Dritter genutzt, um auf 2000 Quadratmetern 75 von 780 bis 1180 entstandene, höchstrangige Codices zu präsentieren, ein optimal geeigneter Rahmen für die würdige Darbietung der eigenen Bestände, die in dieser Fülle nur an diesem einen Ort weltweit einmalig präsentiert werden können.5 Entsprechende Überlegungen gibt es für die Ausstellung zur deutschen Buchmalerei des 15. Jahrhunderts im Jahr 2016 sowie eine umfassende Ausstellung zu Künstlerbüchern. Gerade in diesen Kooperationen kann sich die Bayerische Staatsbibliothek auch als Museum präsentieren und wird als solches im musealen 5 Vgl. Fabian, Claudia: Pracht auf Pergament Schätze der Buchmalerei von 780 bis 1180. Eine Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek und der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung. In: Bibliotheksmagazin (2012) H. 6. S. 252 255; sowie Fabian, Claudia: Pracht auf Pergament eine Ausstellung der Superlative in München. In: Bibliotheksmagazin (2012) H. 3. S. 3 10; und: o. V.: München, Pracht auf Pergament passé. In: Bibliotheksforum Bayern (2013) H. 7. S. 146.

Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus 275 Kontext wahrgenommen. Dabei wird auch erkennbar, wie sehr sich das Publikum zunächst an diese im musealen Umfeld (noch) nicht so vertrauten, in ihrer Präsentation sich nicht erschöpfenden, über die aufgeschlagene Doppelseite hinaus verweisenden musealen Objekte gewöhnen muss. Dazu verhilft weder Presse noch Präsentation, da helfen nur die Erfahrung und die Vermittlung gelungener Erfahrung: vom komm und schau zum tolle lege. Ein ebenfalls nach außen orientierter Ansatz ist die Weitergabe von der Bayerischen Staatsbibliothek konzipierter und im eigenen Haus gezeigter Ausstellungen im Sinn der Effizienzsteigerung und aus gewissen Verpflichtungen erwachsend an andere Orte, so Hermann Lenz 2001, Figura mundi 2004, das Angelsächsische Büchererbe 2005, die Ausstellung zu Heinz Friedrich 2005, die Ausstellung zur Ottheinrich-Bibel 2008 und in gewisser Weise auch die Fugger-Ausstellung 2009. Diese Weitergaben werden in der Übersicht als Wanderausstellung bezeichnet, aber nur einmal für die Ausstellung in der Bayerischen Staatsbibliothek dokumentiert und gezählt. Schließlich ist kritisch zu hinterfragen, wann die Ausstellung eines Dritten außerhalb der Bayerischen Staatsbibliothek (in der Terminologie eine Fremdausstellung) als in Kooperation mit der Bayerischen Staatsbibliothek im Ausstellungsgeschehen gewürdigt werden sollte.6 Diese Aktivitäten werden bislang zumeist unter der Funktion Leihgeber subsumiert. Räume und Ausstellungsmobiliar Die Ausstellungen der Jahre 1993 bis 2014 blieben in ihren Grundgegebenheiten denen der von Kaltwasser analysierten Ära gleich, führen also in vieler Hinsicht die Tradition bzw. Traditionen fort. Augenfällig ist dies vor allem im Raumgefüge. Es gibt nach wie vor in der Bayerischen Staatsbibliothek keinen adäquaten Ausstellungsraum, kein Buchmuseum, keine Dauerausstellung. Nur die am 16. Dezember 1977 eröffnete Schatzkammer ist konservatorisch für das Ausstellen wertvoller Bestände unter gesicherten raumklimatischen Bedingungen und akzeptablen Sicherheitsvorkehrungen geeignet. In den letzten Jahren entwickelte sie sich von einem nur besonderen Schätzen vorbehaltenen, privilegierten Ort, also einer Schatzkammer im eigentlichen Sinn, zum Herzstück und Höhepunkt quasi jeder Ausstellung, die sofern sie sich 6 Z.B. 14.05.2012 11.08.2012, Schatz für die Ewigkeit. Buchstiftungen Kaiser Heinrichs II. für seinen Dom ; 12.05.2007 04.11.2007, Liturgische Bücherpracht, Ausstellung der Staatsbibliothek Bamberg im Rahmen der Jubiläumsausstellung Unterm Sternenmantel. 1000 Jahre Bistum Bamberg 1007 2007 des Diözesanmuseums Bamberg, des Historischen Museums Bamberg und der Staatsbibliothek Bamberg, sowie die Ausstellung zu Friedrich Neumann in der UB Erlangen-Nürnberg 2012, in der alle Leihgaben und wesentliche Katalogbeiträge aus der Bayerischen Staatsbibliothek kamen.

276 Claudia Fabian überhaupt noch in andere Räume erstreckt um sie herum zu konzipieren ist.7 Die sieben Hochvitrinen, die in begrenztem Umfang verschieden gestellt werden können, bieten Platz für etwa 30 Buchexponate bzw. ca. 70 Dokumente. Weitere Vitrinen wurden verschiedentlich einbezogen. So können die drei noch verfügbaren Hochvitrinen, von denen eine 2008 gekauft wurde, bzw. kleinere Pultvitrinen und ein Kubus hier zusätzlich gestellt werden. Bis auf wenige Ausnahmen werden die gleichen Vitrinen verwendet wie schon 1992.8 Neue, eigens angefertigte, besser beleuchtbare und stärker abgedichtete Vitrinen erhielten Erd- und Himmelsglobus, die im Ecksaal des Handschriftenlesesaals eine der wenigen dauerhaft musealen Präsentationen zusammen mit den zum 450-jährigen Jubiläum restaurierten Reisebücherschränken von König Ludwig I. bilden. Die dadurch frei gewordenen großen Vitrinen, die im Gang der Handschriftenabteilung aufgestellt wurden, können nun auch in die Ausstellungsgestaltung einbezogen werden. In den letzten Jahren wurde die Nutzung und Bestückung der Schatzkammer immer facettenreicher und anspruchsvoller: Mal wurden nur drei bis acht Objekte großzügig und durchaus wirkungsvoll zelebriert, etwa für die Reichenauer Buchmalerei 2004, die Ottheinrich-Bibel 2008, die Kemptener Chronik 2011, mal Tafelbilder an den Wänden angebracht, z. B. bei der Fugger-Ausstellung 2009, mal erklärende Texte und Bildtafeln integriert, z. B. bei der Ausstellung zu Ludwig II. 2011. Die Bedingungen für die Nutzung der nicht-klimatisierten Räume werden mit zunehmender Kenntnis und verstärktem Selbstbewusstsein im konservatorischen und restauratorischen Bereich, mit verfeinerter Kontrollierbarkeit der Raumbedingungen, aber auch angesichts der kontinuierlichen Wertsteigerung der Objekte und der daraus resultierenden Forderungen an die Sicherheit immer restriktiver. Auflagen, die bei der Ausleihe an Dritte gemacht werden, müssen auch im eigenen Haus eingehalten werden. Der Vorbildcharakter der Bayerischen Staatsbibliothek ist dabei genauso hoch anzusetzen wie die Expertise. Vor allem geht es aber um die Verantwortung den Objekten gegenüber, die es in ihrer Authentizität auch für die Zukunft zu bewahren gilt. Die Einschränkungen betreffen vor allem den Fürstensaal, den bislang bevorzugten Ort großer Ausstellungen, bietet er doch deutlich bessere Voraussetzungen für eine gestalterische Inszenierung als der Gang der Handschriftenabteilung, so z. B. bei der Friedrich-Ausstellung 2005, bei der Pocci-Ausstellung 2007, beim Kulturkosmos der Renaissance 2008, Wunder der Schöpfung 2010 und zuletzt der mit erheblichem finanziellen Aufwand gestalteten Gastausstellung zu Apian 2013. Wenn fragile Objekte hier gezeigt werden, wird nicht nur abgedunkelt. Es wird auf die Jahreszeit Rücksicht genommen, das Raumklima wird mit Einschränkungen für den sonstigen Bibliotheksbetrieb eng überwacht. Neben Licht und Wärme ist 7 2002 wurde die große Ausstellung Der Giftschrank, genauso wie 2007 die Ausstellung zu Franz Graf Pocci nur im Fürstensaal gezeigt, auch 1994 benutzte die Ausstellung zu Orlando di Lasso der besseren Präsentation willen die Schatzkammer nicht. 8 Eine weitere individuell beleuchtbare Hochvitrine wurde 2008 angeschafft.

Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus 277 die Feuchtigkeit, die trotz Absorptionsmittel gerade bei dem gewünschten lebhaften Besuch in die Pultvitrinen eindringen kann, streng zu kontrollieren, die Türen zu den Galerien und zu den angrenzenden Abteilungen sind geschlossen zu halten, was für den normalen Dienst- und Benutzungsbetrieb genauso problematisch ist wie für die vor der Schatzkammer platzierten Ausstellungsaufsichten. Alle anderen Räume sind aus konservatorischen Gründen noch eingeschränkter benutzbar: der Vorraum zum Allgemeinen Lesesaal (Marmorsaal), die Galerien im Treppenhaus. Im Flurbereich vor dem Lesesaal Musik, Karten und Bilder sowie im Eingangsbereich des Ostlesesaals finden genauso wie im Gang der Handschriftenabteilung Kabinettausstellungen statt. Exponate und Gestaltung Vergleicht man das Ausstellungsgeschehen der letzten Jahre mit dem bis 1999, so frappiert der Unterschied in der Zahl der Exponate. Diese hat sich deutlich reduziert, allerdings ohne Schaden für die Aussagekraft der Ausstellung und unter dem immer wieder neu in Erinnerung zu rufenden Grundsatz für eine gelungene Präsentation weniger ist mehr. Eine große Ausstellung heute hat ca. 70 Exponate, 75 waren genug für Pracht auf Pergament. Eine Schatzkammerausstellung mit 30 Exponaten bietet dem Publikum genug. Es wird immer deutlicher, dass nicht die Vielzahl der Exponate gefragt ist, sondern ihre Besonderheit, ihre Erklärung, ihr Kontext.9 Es reicht nicht mehr aus, viele Bücher für sich sprechen zu lassen. Immer mehr Wert wird auf die Beschriftung, die Erklärung und die Vermittlung gelegt. Ausstellungsplakat und Flyer gehören seit langem zur Minimalausstattung jeder Ausstellung. Der Eingang zur Schatzkammer wird mit Informationstafeln gestaltet, die die Ausstellung erklären. Auf dem Weg zur Ausstellung sind weitere Informationsträger angebracht, die dem Besucher Hinführung und Einstimmung bieten. Diese Tafeln sind nicht nur inhaltlich und textlich zu füllen, sie sind auch zu gestalten und diese Gestaltung in Gemeinsamkeit mit Flyer, Plakat, gegebenenfalls auch Katalog ist heute professionell und idealiter unter Berücksichtigung bzw. Einbezug des institutionellen, einheitlichen Corporate Design zu gewährleisten. Jede mediale Anreicherung führt zu einer intensiveren Wahrnehmung, und hier war die Bayerische Staatsbibliothek schon früh, kontinuierlich und stets besonders innovativ tätig: von der Bestückung der Tonstation erstmals 2003 über das Angebot von CD-ROM-Ausgaben bereits 2002, dann die Internetpräsentation einzelner gezeigter Objekte, der Ausstellungsbegleitung durch Apps, bis hin zum Vorführen von Filmen, vor allem aber als Weltneuheit seit 2008 der Einsatz des BSB-Explorers, der seit 2012 auch als 3D-BSB-Explorer das ges- 9 Vgl. Dachs, Karl: Buchausstellungen in wissenschaftlichen Bibliotheken. Gedanken eines Ausstellungsmachers. In: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde (1984) Neue Folge, Bd. 11. S. 82 100. Darin die heute noch gültigen und lesenswerten Kapitel Darbietung der Ausstellungsstücke und Sekundäre Erläuterung der Ausstellungsstücke.

278 Claudia Fabian tengesteuerte, berührungslose Blättern in einem digitalisierten Hauptwerk der Ausstellung erlaubt. Die Anforderungen bzw. selbstverständlichen Erwartungen an die Gestaltung von Ausstellungen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Dabei geht es keineswegs primär um die Präsentation der Objekte in den Vitrinen, die nach wie vor in zunehmend erfahrener und anspruchsvoller, zugleich aber den Anforderungen der Objekte konformer Art von Spezialisten des Instituts für Buchund Handschriftenrestaurierung vorgenommen wird, angefangen beim Bespannen der Vitrinen mit Stoffen in wechselnden Farben, über die stets nötige und zeitaufwendige Herstellung individueller Buchwiegen, idealiter in Plexiglas, bis hin zur optimalen Beleuchtung für Objekt und Beschriftung. Die finanziellen Möglichkeiten des Ausstellungsetats bringen es mit sich, dass eine über die Information hinausgehende professionelle Gestaltung der Räume nur für eine Ausstellung im Jahr realisiert werden kann. Auch wenn es sich aus fachlicher Sicht um Beiwerk handelt, so ist erkennbar, dass die Gestaltung die Wahrnehmbarkeit der Ausstellung vor allem durch die Presse steigert, die hier die Ansprüche des heutigen Museumsbesuchers hinsichtlich der Ausstellungsarchitektur ebenso wie der Ausstellungsdidaktik spiegelt. Die erheblichen Mittel, die in die von dritter Seite finanzierten Gastausstellungen zu Orff 2012 und Apian 2013 investiert werden konnten, erhöhen Wahrnehmung und Erwartungshaltung. Gerade die immer stärker nachgefragte didaktische Aufbereitung der Ausstellung macht sehr deutlich, dass die Bibliothek kein Museum ist, das diese Erwartungshaltung mit anderen finanziellen und personellen Mitteln erfüllen kann. Ausstellungskataloge Auch die Ansprüche an die Gestaltung der Ausstellungskataloge haben sich gewandelt, vor allem die Möglichkeiten, hochwertige Bilder in größerer Zahl unterzubringen, beeinflussen Ästhetik, Umfang und Aussagekraft der Kataloge, die überwiegend von einschlägigen Verlagen bzw. Gestaltern hergestellt werden. Hier werden zwei Reihen geführt: in traditioneller Verbundenheit die seit 1950 bediente und seit 1998 mit Band 8 gezählte Reihe Bayerische Staatsbibliothek: Ausstellungskataloge sowie die inzwischen zur Tradition gewordene, 1996 neu eingeführte Reihe Bayerische Staatsbibliothek: Schatzkammer. Von 1993 bis 2013 erschienen 26 Ausstellungskataloge und 10 Schatzkammerkataloge, je die Hälfte vor bzw. nach 2004. Die Reihe Bayerische Staatsbibliothek: Kleine Ausstellungsführer wurde 1994 mit Band 38 außertourlich ein letztes Mal bedient. Dem Beispiel der Alten Pinakothek folgend wird ab 2014, erstmals für die Heyse-Ausstellung, diese kleine, schnell herstellbare Reihe, die die Texte der Vitrinen, Einführungstafeln und des Flyers mit Bildern aufnehmen soll, als Neue Reihe wieder aufgegriffen. Ein Überblick über diese Reihen ist für die Dokumentation des Ausstellungsgeschehens und seine Wertigkeit fast wichtiger als für den weiteren Vertrieb dieser Kataloge. Die Übersicht über das Ausstellungsgesche-

Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus 279 hen seit 1993 lässt klar erkennen, dass das Bedienen und Weiterführen dieser Reihen verschiedenen Händen zuzuordnen ist, ein zentral über das Referat Öffentlichkeitsarbeit koordiniertes, gezieltes Einordnen der verschiedenen, neu erarbeiteten Kataloge in die Reihen ist für die Außendarstellung und Wahrnehmung des Ausstellungsgeschehens unbedingt anzustreben. Allein 15 Ausstellungen von 1995 bis 2010 werden von publizierten Katalogen begleitet, die nicht in diesen Reihen erschienen sind, weitere acht von xerokopierten Begleitheften, die bei der Bayerischen Staatsbibliothek erworben werden können und den Wert eines Katalogs haben.10 Die Herstellung der hochwertigen Kataloge ist teuer, aber wichtig für Verständnis und vor allem auch wissenschaftliche Nachhaltigkeit der Ausstellung. Dankbar zu erwähnen ist die Förderung zahlreicher Kataloge vor allem durch die Ernst von Siemens Kunststiftung. Entscheidend ist aber auch der Verkauf dieser Werke, leider macht sich hier trotz intensiver Lektüre in der Ausstellung und günstiger Preise eine oft altersbedingte Zurückhaltung des Publikums bemerkbar, das die Privatbibliotheken eher reduziert. Besuch Die Wirkkraft der Ausstellungen wird oft nach ihrer Besucherfrequenz gemessen. Erhebung und Vergleich der Besucherzahlen sind schwierig und natürlich von den Räumen und Zeiten abhängig. Pracht auf Pergament mit 4.563 Besuchern pro Woche darf nicht das Maß sein. Bedenkt man, dass die Schatzkammer mit 20 Personen überfüllt ist, und geht von einer Idealauslastung von 10 Personen, die eine Stunde in der Ausstellung verweilen, aus, so wären das 70 Besucher am Tag, mithin 350 in einer Woche. Exzellent waren solche Ausstellungen besucht, die 900 Besucher pro Woche brachten,11 sehr gut sind Zahlen zwischen 700 und 400, wenig besucht wirken Ausstellungen, die unter 200 Besucher pro Woche finden. Ein weiteres gutes Kriterium für den Erfolg einer Ausstellung sind die Verkaufszahlen der Ausstellungskataloge. Vielfältige Anstrengungen wurden unternommen, um den Besuch durch verbesserte Werbung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, attraktivere Öffnungszeiten, Einbindung in hausinterne Führungen, Integration in den Museumsführer zu intensivieren. Die Besucher der Bayerischen Staatsbibliothek werden bei großen Ausstellungen seit 2008 durch eine Fahne im Treppenhaus und ein Großplakat bei der Parkplatzeinfahrt aufmerksam gemacht, Plakate an der Freitreppe und Flyer gehören seit langem zur Grundausstattung jeder Ausstellung. Der Einsatz von Social Media bringt noch weitere Öffentlichkeit. Ein wichtiger Faktor ist auch ein Begleitprogramm. Nach wie vor liegt das Plus der Bayerischen Staatsbibliothek in der Kostenfreiheit der Aus- 10 Die genaue Auflistung findet man bei: Fabian, Ausstellungsgeschehen (wie Anm. 2). 11 So die Prachteinbände 2001 (mit insgesamt 16.303 Besuchern im Haus!), die Reichenauer Buchmalerei 2004.

280 Claudia Fabian stellungen. Die Bayerische Staatsbibliothek ist kein Museum, liegt außerhalb der Museumsmeile, hat keinen Museumsraum und zieht kein Laufpublikum an. Dafür liegt sie mitten in München und steht mit ihren Ausstellungen in steter Konkurrenz zu einem mannigfachen, stets wachsenden Angebot mächtiger Museen, zahlreicher Galerien, vielfältiger Kultureinrichtungen. In diesem Umfeld wirkt sie als Bibliothek eigentlich unglaublich erfolgreich. Gehen wir von einem Durchschnittsbesuch der Ausstellungen von 350 pro Tag aus, hätte sie über das Jahr mit fast 15.000 bis 18.000 Ausstellungsbesuchern die Frequenz manches kleineren Museums weit überschritten.12 Bedauerlich bleibt jedoch nach wie vor, dass die zahlreichen Besucher, die Tag für Tag die Lesesäle frequentieren, eine Besichtigung der Ausstellungen zumeist nicht auf ihrem Programm haben. Nur die zahlenmäßig weit weniger, dafür aber von der nachhaltigen Wirkung her viel wichtigeren Spezialisten, die die Forschungslesesäle besuchen, lassen sich auch von den Ausstellungen, die nicht direkt zu ihrem Thema gehören, faszinieren. Gerade wenn weitere Schriftinformationen zu Büchern nur Spezialisten ansprechen, so ist zu beobachten, dass viele Besucher sehr aufmerksam die Vitrinenbeschriftungen, Ausstellungstafeln und Kataloge studieren. Dies ist ein Charakteristikum der oft sehr treuen Ausstellungsbesucher der Bayerischen Staatsbibliothek. Audioguides und Führungen werden intensiv nachgefragt und könnten durchaus vermehrt werden. Verschiedene Experimente im Umfeld der Besucherbetreuung wurden unternommen, um doch zu den traditionellen Verfahren zurückzukehren. Die Ausstellungen wurden am Wochenende geöffnet, Ausstellungen, zu denen es keinen Katalog gab, wurden ohne eigene Aufsicht offen gehalten, Führungen wurden gegen Entgelt angeboten. Heute sind die meisten Ausstellungen am Wochenende geschlossen. Es gibt eine Abendöffnung am Donnerstag, idealiter an diesem Tag auch eine öffentliche, im Flyer und in der Presse angekündigte kostenfreie Führung. Die Ausstellung wird von einer 2013 neu angeschafften, repräsentativeren Ausstellungstheke her überwacht. Hier werden neben dem aktuellen auch frühere Kataloge und vor allem auch wohl das lukrativste Geschäft Postkarten verkauft und gegebenenfalls der Audioguide ausgegeben. Die Besucher können ihre Kommentare in ein Besucherbuch eintragen und Spenden, die dem Ausstellungswesen zugutekommen, in eine Spendenbox einwerfen. Neu eingeführt wurde 2012 auch die Benachrichtigung über weitere Ausstellungen, die nicht zuletzt aus der Erkenntnis resultiert, dass viele Besucher ein grundsätzliches Interesse an diesen Themen, eine Aufgeschlossenheit dem Buch gegenüber und mithin eine Treue zur Bayerischen Staatsbibliothek zeigen, die durch verbesserte Kundenbindung gefördert werden kann. 12 Zum Vergleich ist im Jahresbericht des Bayerischen Nationalmuseums in München z. B. zur Besucherstatistik 2011 zu lesen: Thurn- und Taxis-Museum Regensburg: 8.170; Meißener Porzellan-Sammlung Schloß Lustheim: 14.363, Altes Schloss Schleißheim: 11.353, aber natürlich auch: Bayerisches Nationalmuseum: 106.649; Kunst- und Wunderkammer Burg Trausnitz Landshut: 83.719 (Bayerisches Nationalmuseum (Hrsg.): Jahresbericht 2010/11. München: Bayerisches Nationalmuseum 2012. Hier S. 140).

Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus 281 Anlässe und Themen Eine Ausstellung ist eine dauerhafte oder temporäre öffentliche Präsentation, bei der Ausstellungsobjekte ( Exponate ) einem Publikum gezeigt werden. Eine Ausstellung vermittelt Wissen mittels der Exponate, ist also in diesem Sinn ein Wissensmedium. Diese von Wikipedia bereitgestellte Definition kann die Bayerische Staatsbibliothek als Beschreibung ihres Ausstellunghandelns sowie im Hinblick auf die einigen wenigen Dauerleihgaben an Museen und die wenigen dauerhaft im Haus aufgestellten Exponate bejahen. Die Übersicht über das Ausstellungsgeschehen zeigt, dass im Vergleich zu der Zeit vor 1993 aber auch bis 2005 Zahl und Frequenz der Ausstellungsaktivitäten deutlich zugenommen haben. Der Typologie folgend wurden in den 22 Jahren 66 Ausstellungen, 71 Kabinettausstellungen sowie mindestens 80 veranstaltungsbegleitende Präsentationen gezeigt, dazu kommen noch 16 Gast-Kabinettausstellungen und drei Gastausstellungen in Kooperation mit der Bayerischen Staatsbibliothek, 21 Wanderausstellungen und mehrere mit einer Ausstellung in Zusammenhang stehende eigene Präsentationen. Dabei war das Jubiläumsjahr 2008, das Jahr der Erinnerung an die Gründung der Bibliothek vor 450 Jahren, mit sechs Ausstellungen und vier Kabinettausstellungen ein Höhepunkt, der eine eigene Dynamik für die Folgejahre entwickelte. Seither gibt es nicht mehr eine, langjährig vor allem wissenschaftlich sorgfältig vorbereitete große Ausstellung und zwei, maximal drei kleinere, zum Teil von außen veranlasste bzw. in den Sonderabteilungen zu aktuellen Anlässen vorbereitete Kabinettausstellungen bzw. Präsentationen. Der jährliche Ausstellungsplan bespielt vielmehr die Schatzkammer das ganze Jahr über mit verschiedenen Ausstellungen, von denen eine als große Jahresausstellung fungieren soll. Die Planung des Ausstellungsgeschehens ist äußerst schwierig und steht unter dem permanenten Spagat des Agierens und Reagierens, was ihr nicht nur Stress, sondern auch Dynamik im kontinuierlichen Wunsch verleiht, dem Besucher etwas zu bieten. Die als dauerhafte Bestückung der Schatzkammer in ausstellungsfreien Zeiten seit Jahren eingeforderte, schließlich auch konzipierte Dauerausstellung mit den musealen Bestand charakterisierenden Faksimiles, die der Präsentation des Bestandsreichtums dienen soll, ist bis heute nicht zum Echteinsatz gekommen. Eine Vielzahl von Faktoren spielt bei dieser Multiplizierung der Ausstellungen zusammen: die eigenen Planungen der Bibliothek zur Präsentation ihrer langen Geschichte und ihrer außerordentlich vielfältigen Bestände, die Eigendynamik der intensiven und thematisch differenzierten Beschäftigung mit ihnen, die heute als selbstverständlich erwartete Würdigung großer Erwerbungen und in den letzten zehn Jahren besonders wichtig die Würdigung durch das UNESCO Weltdokumentenerbe Memory of the World. Alle zwölf Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, die dieses Prädikat erhalten haben, wurden in einschlägigen Ausstellungen gezeigt. Neu zu erarbeitende Themen, hier stehen als Desiderate die Mannheimer Hofbibliothek, die deutsche Buchmalerei des 15. Jahrhunderts, eine umfassende Prä-

282 Claudia Fabian sentation der Künstlerbuchsammlung, verlangen einen längeren, personalintensiven Vorlauf, der mit langem Atem verfolgt wird. Die enge, intensive Einbindung der Bibliothek in ein reiches, ambitioniertes kulturelles und wissenschaftliches Umfeld kommt im Ausstellungsgeschehen immer stärker zum Tragen. Die Erinnerungskultur und die Prägung von Jahren und Zeiten, die zahlreichen Kongresse fordern die Gedächtnisinstitutionen, sich hieran zu beteiligen und zu vernetzen und können dank des Bestandsreichtums der Bayerischen Staatsbibliothek gut bedient werden. Die Attraktivität der Ausstellungen, die einschlägige Wahrnehmung der Bayerischen Staatsbibliothek im wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Leben, die zentrale Lage und Großzügigkeit der Räume führen zu immer häufigeren Anfragen, nicht nur zur anlassbezogenen Konzeption eigener Ausstellungen, sondern auch zur Übernahme von Gastausstellungen. Jubiläen bleiben eine prägende Kraft im Ausstellungsgeschehen. Deutlich ist hier die Wiederholung von Themen zu beobachten. Immer mehr kann aus dem Vollen geschöpft werden: die zunehmende Erschließung der Bestände, die Digitalisierung, die Wiederholung von Jubiläen erlauben schneller auf bereits Bekanntes zurückzugreifen, das jedoch durch eine Ausstellung in einen neuen Rahmen und Kontext gestellt und in einem anderen Netzwerk zu betrachten ist. Doch führt dies nicht zu einer Abschwächung des Interesses, vielmehr wird das historische Gewicht durch eine erneute Ausstellung unterstrichen ganz deutlich bei der Ausstellung Wunder der Schöpfung 2010, die dieses Ausstellungsjubiläum ihrerseits thematisierte. Die inhaltliche Wiederholung einer Ausstellung ist dabei allerdings die absolute Ausnahme. Gewöhnlich gilt es, durchaus aufbauend auf dem bereits Erarbeiteten und Gezeigten, neue Akzente zu setzen, eine neue meist deutlich reduzierte Auswahl von Exponaten zu treffen, idealiter auch Neuerwerbungen einzubeziehen, die demonstrieren, wie die Bayerische Staatsbibliothek ihre Sammelschwerpunkte weiter ausbaut und lebendig hält. Deutlich intensiviert wurde die Partnerschaft mit Museen. Der Anfangspunkt dieser Entwicklung kann in der Ausstellung zur Ottheinrich-Bibel 2008 gesehen werden. Als Vermittler eines Finanzierungsbeitrags spielte das Bibelhaus Erlebnismuseum in Frankfurt am Main hier eine entscheidende Rolle, sicherte sich die Übernahme der Ausstellung für die eigenen Räume, wirkte am Ausstellungskatalog mit, gab aber auch den Ausstellungen der Bayerischen Staatsbibliothek entscheidende Impulse, etwa zum Einsatz des Audioguides, der erstmals in der Ausstellung Kulturkosmos der Renaissance 2008 und seither immer wieder zum Einsatz kam. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Ausstellung Pracht auf Pergament, die zu weiteren derart konzertierten Aktionen beflügelt. Zur Einbindung des Ausstellungsgeschehens in größere Kontexte dienen auch (durchaus in Tradition mit den Ausstellungen vor 1993) die Themen der großen Landesausstellungen. Dieser Weg, der etwa mit Bella figura 2009, dann erneut mit der Ausstellung Spuren des Märchenkönigs 2011 beschritten wurde, kann entschieden ausgebaut und durch gegenseitige Hinweise intensiviert und effizienter gestaltet

Die Bibliothek kein Museum, aber ein Schatzhaus 283 werden. Durch die Landesausstellungen oder auch andere museale Großereignisse ist ein Thema bereits in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit verankert, die Besucher können auf kleinere, konzentrierte und spezialisierte Sonderausstellungen an Orten, die ihnen nicht primär als museale Räume bekannt sind, aufmerksam gemacht werden. Erfolgversprechend sind Kooperationen mit der Wissenschaft anlässlich einschlägiger, gut besuchter, möglichst internationaler Kongresse, sofern es hier um das Vorzeigen von nicht nur thematisch, sondern auch optisch relevanten Materialien, um Schätze, nicht nur Quellen geht. Sehr erfolgreich war hier das Angelsächsische Büchererbe 2004, die erstmals gezielt in Parallelität zu einer Ausstellung der Alten Pinakothek konzipierte Ausstellung zum Alten Testament 2013, die Kabinettausstellung der Chorbücher zu dem Cipriano-de-Rore-Kongress 2014. Die Bayerische Staatsbibliothek wendet sich hier an ihre erste Benutzergruppe, Wissenschaft und Forschung, und kann ein einschlägig vorgebildetes und nachfragendes Publikum auf die Relevanz ihrer Bestände in dem jeweiligen Bereich aufmerksam machen. In diesen wissenschaftsfördernden Kontext gehören die Kabinettausstellungen der Sonderabteilungen, die vor allem ein Fachpublikum erreichen wollen und können. Dennoch wäre es ein Fehler, eine solche Schau nur den Besuchern der Sonderabteilungen zu öffnen. Vielmehr bietet sich hier die Gelegenheit, das allgemeine Interesse anzusprechen, mitzuwirken an der Öffnung der Wissenschaft für die Gesellschaft. Dabei ist eine Einbindung des Themas in schulische Curricula oder Interessensschwerpunkte gewisser gesellschaftlicher Gruppen der beste Garant für eine breitere Wahrnehmbarkeit. Das Ausstellungsgeschehen steht immer auch unter dem Anspruch auf die eigene Institution, die Bibliothek, aufmerksam zu machen, hinzuweisen auf Reichtum und Qualität der hier verwahrten Schätze und nicht zuletzt auf die Vielfalt der hier verfügbaren Dokumentation für weitere, andere Ausstellungen und Forschungsprojekte aller Art. Wer eine Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek nur mit mehr Wissen verlässt, hätte unser Ziel nicht erreicht. Wer aus Bewunderung oder Interesse an Thema und Exponaten mit Neugier und weiteren Fragen zu forschen beginnt und erkennt, was die Bayerische Staatsbibliothek in ihrer Fülle an verschiedenen Quellen zu bieten hat, wie wichtig es ist, diesen Bestand zusammenzuführen, zu erhalten, zu erschließen, bereitzustellen und immer neu zu ergänzen, der hat die von der Bibliothek zu vermittelnde Botschaft verstanden. Ausstellungen in der Bibliothek sind vielleicht stärker noch als im Museum Repräsentation und Propädeutik, verweisen also über sich selbst hinaus. Das liegt nicht zuletzt auch am Objekt selbst: Bücher sind nicht (nur) zum Anschauen da, man muss in ihnen blättern, sie lesen und benutzen, um sie ganzheitlich wahrzunehmen, Auch in den Ausstellungen der Bibliothek werden die Objekte museal eingesetzt, doch haben sie weitere Dimensionen, Inhalte, die durch die begrenzte Präsentation einer Doppelseite verborgen werden, aber zur Entdeckung anstehen.