Mit Cyanid gegen Krebs by Josh R. 7. Februar 2015 Geist Bittere Aprikosenkerne enthalten eine chemische Verbindung, vor der manche Experten mit erhobenen Zeigefinger warnen, weil sie hochgiftig sein soll: Amygdalin. Andere Experten (und Anwender) wiederum behaupten, man könne eben damit Krebs heilen, weil diese Giftwirkung die bösartigen Tumore abtötet. Der Streit ist eigentlich ein Krieg, weil sich Befürworter und Gegner seit mindestens 40 Jahren erbittert bekämpfen, wobei keine Gefangenen gemacht werden. Schauen wir uns die Einzelheiten an: Amygdalin Der Begriff stammt aus dem Griechischem und bedeutet nichts anderes als Mandel. In dem Molekül, das hauptsächlich aus Zuckerverbindungen besteht, sind jedoch auch 0,2 bis 0,4 Prozent Cyanwasserstoff (Cyanid) enthalten, umgangsprachlich als Blausäure bekannt. Blausäure ist bekanntermaßen giftig wenn sie denn aus ihrem relativ stabilen Molekülverbund freigesetzt wird. Das ungebundene Cyanid-Molekül würde dann ein Eisen- Atom aus einem Enzym kidnappen, das für die Energiegewinnung in unseren innerzellulären Kraftwerken, den Mitochondrien, unerlässlich ist, so dass die gesamte Energieerzeugungskette zusammenbricht. Das jedoch passiert im menschlichen Körper nur, wenn ein bestimmtes Enzym, die Beta- Glucosidase, in ausreichender Menge vorhanden ist. Keine Beta-Glucosidase, keine Gefahr. Dass Amygdalin in der Regel tatsächlich ungefährlich ist, hat 2007 sogar ein deutsches Oberlandesgericht bestätigt, das sich in seinem Urteil auf ein professorales Gutachterurteil beruft. Im Namen des Volkes wird darin festgestellt, dass von Amygdalin keine gesundheitliche Gefährdung ausgehe, dass die Substanz stabil sei, insbesondere keine Abspaltung von Cyanid-Gruppen festzustellen sei und eine Vergiftung durch die Bildung von Blausäure nahezu ausgeschlossen erscheine, wobei allerdings sichergestellt werden müsse, dass keine Amygdalin-spaltenden Enzymaktivitäten gleichzeitig im Magen-Darm-Trakt vorhanden seien.
Der körpereigene Entgiftungsmechanismus Doch sogar wenn die gebundene Blausäure freigesetzt wird, besteht nur nur eingeschränkte Gefahr, denn unser Stoffwechsel verfügt über einen Mechanismus, der sie unschädlich zu machen vermag allerdings nur geringen Mengen. Das muss auch so sein, denn Amygdalin oder andere cyanidhaltige Substanzen (cyanogene Glykoside oder Nitriloside genannt), sind nicht nur in Aprikosen-, Mandeln und anderen Steinobstkernen enthalten, sondern in rund 1200 essbaren weiteren Pflanzen, verteilt über die ganze Welt. Unser Körper enthält sogar natürlicherweise immer Spuren von gebundenen Cyaniden, den sogenannten Cyanid-Pool, über dessen Funktion man noch wenig weiß. Wie eine schon 1979 veröffentlichte Untersuchung an Affen zeigte, könnte eine darin bestehen, Vorläufersubstanz für Cyanocobalamin zu sein, eine Form des lebenswichtigen Vitamin B12. Dieser Zusammenhang wird in der veröffentlichten Literatur zu Amygdalin bisher nicht erwähnt, sollte er sich bestätigen, muss der angenommene Wirkmechanismus der bitteren Kerne entsprechend erweitert werden. Wieviel ist zuviel? Der Entgiftungsprozess von Blausäure wird durch das körpereigene Enzym Rhodanase initiiert, und zwar hauptsächlich in der Leber. Deren Entgiftungskapazität ist zwar arg begrenzt, doch mit 20 bis 30 mg Blausäure wird ein Erwachsener ohne weiteres fertig. Kritisch wird es nur, wenn größere Mengen als diese auf einmal in den Körper gelangen. Die Wissenschaft hat wie es sich gehört genau gemessen: Eine durchschnittliche menschliche Leber kann pro Stunde 0,1 bis 1mg Cyanid pro kg Körpergewicht abbauen; in der Literatur ist deshalb meist von 0,5 mg die Rede. Da ein Aprikosenkern mit einem hohen Amygdalingehalt in der Regel immer noch nur 1 bis 1,5 mg Cyanid enthält, könnte ein etwa 60 Kg schwerer Erwachsener demzufolge pro Stunde gefahrlos sogar dann eine kleine Handvoll verzehren, wenn die komplette Blausäure freigesetzt werden würde. Das jedoch ist in der Praxis in der Regel nicht der Fall, weil bei Gesunden nicht genug Beta-Glukosidase vorhanden ist. Dass Kerne mit einem hohen Amygdalingehalt nicht für alle Menschen ungefährlich sind, belegen einige Berichte über Vergiftungserscheinungen nach dem Verzehr relativ geringer Mengen. Das dürfte an einer verminderten Entgiftungskapazität der Opfer gelegen haben, denn tatsächlich kommt das Aufspaltungsenzym in geringen Mengen sowohl in den Kernen selbst vor als auch in den Körperzellen. Zudem soll es Bakterien geben, die in der Lage sind, die Blausäure freizusetzen. Das bestätigt einmal mehr die eine alte Erkenntnis, dass der Durchschnittsmensch nur ein Konstrukt der Wissenschaft ist; in der Realität gibt es ihn nicht. Der Ursprung Erste Berichte über die gesundheitsfördernde Wirkung von bitteren Kernen der Gattungsfamilie Prunus, zu der auch die Aprikose gehört, stammen aus dem alten China. Die moderne Naturwissenschaft in Europa entdeckte sie 1835, als zwei deutsche Forscher die Samen unter die Lupe nahmen. In einem Lehrbuch der Chemie aus damaliger Zeit wird erstmals auch der Inhaltsstoff Amygdalin als Medikament zur inneren Anwendung erwähnt. 1848 fanden die ersten systematischen Studien statt (an Hunden) und 1907 wurde es in den Merck-Index aufgenommen, einem international bedeutsamen Nachschlagewerk für biochemische Substanzen. Wegen des therapeutischen Nutzens ist die wissenschaftliche Erforschung seitdem nie ganz abgerissen, doch wirklich durchsetzen konnte sich der Stoff trotzdem nicht.
Dr. Krebs und der Krebs In den 1950er Jahren war es schließlich ein deutschstämmiger US-amerikanischer Pharmazeut mit dem bezeichnenden Namen Ernst Krebs und einem Doktortitel von einem fundamentalchristlichen College, der die Arbeit seines gleichnamigen Vaters fortsetzend die Wirksamkeit des von ihm extrahierten Amygdalins bei der gleichnamigen Krankheit (wieder)entdeckte und erforschte. Da das von ihm teilsynthetisierte Amygdalin nicht völlig identisch mit dem entsprechenden Molekül in den Kernen ist, nannte er es Vitamin B17 und brachte es unter dem Handelsnamen Laetrile auf den Markt. Die Namensvielfalt hat seitdem für einige Verwirrung gesorgt, auch weil Amygdalin eigentlich kein Vitamin ist, da es nicht vom Körper selbst hergestellt werden kann; der Begriff wird in der Wissenschaft deshalb auch zu Recht nicht verwendet. Wie Amygdalin wirkt Der von den Amygdalin-Befürwortern und von Ernst Krebs behauptete Wirkmechanismus soll relativ simpel sein. Demzufolgen enthalten Krebszellen in großen Mengen das Cyanid freisetzende Enzym Beta-Glukosidase, jedoch keine schützende Rhodanase. Die Beta- Glukosidase wirke dabei wie eine Schere, die dem Tumor in der Umgebung Platz zum Wachstum verschafft. Gelangen blausäurehaltige Stoffe in die Nähe, soll das aus dem Molekülverbund befreite Gift die Krebszelle töten. Bei gesunden Zellen soll es hingegen umgekehrt sein: keine bzw. nur sehr wenig Beta- Glukosidase, dafür viel Rhodanase. Ob der Mechanismus wirklich so funktioniert ist, ist gegenwärtig ungeklärt. Zumindest für die behaupteten 3000fach höheren Glukosidase-Konzentrationen finden sich keine wissenschaftlichen Belege. Ein Problem des Modells ist auch: Krebszellen benötigen für ihre Energiegewinnung gar keinen bzw. kaum Sauerstoff; die mitochondriale Zellatmung, die durch das Cyanid außer Gefecht gesetzt wird, findet also in nennenswertem Umfang in ihnen gar nicht statt. Noch andere Mechanismen? Demnach ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Wirksamkeit vorausgesetzt eher andere Mechanismen oder andere Inhaltsstoffe eine Rolle spielen. Eine Spur weist eine Studie der japanischen Shimane University mit einem Präparat, das die Japaner MK615 nennen. Das ist ein Aprikosenextrakt, der verschiedene sogenannte zyklische Triterpene enthält. Diese zeigten sowohl beim Menschen als auch in der Reagenzschale eine starke positive Wirkung bei bösartigen Hautkrebs (Malignes Melanom). Die Forscher gehen davon aus, dass die Wirkung through a reactive oxygen species-dependent mechanism erfolgt, also mit Sauerstoff zu tun hat. An der Okayama University in Kyoto setzte man 2003 zusammen mit Amygdalin auf weitere fünf Komponenten, die aus einer Prunus-Sorte extrahiert worden waren. Neben einer Hemmung des berüchtigten Epstein-Barr-Virus, der als wichtiger Cofaktor vieler Multisystemerkrankungen gilt, wurden auch krebshemmende Effekte beoabachtet. Die Stärke der Wirkung entsprach der des Wirkstoffes aus dem grünen Tee. Die Studienlage Die Sache mit der Wirksamkeit von isoliertem oder synthetisiertem Amygdalin wird noch komplizierter, wenn man sich die Studienlage dazu anschaut. Eine Übersicht aus dem Jahr 2007, die 36 Studien zu dem vermeintlichen Wundermittel auswertete, konnte keine
anticancerogenen Effekte finden. Dazu passt das Ergebnis einer Aktion des US-amerikanischen National Cancer Institute (NCI). Die halbstaatliche Einrichtung forderte 1978 per Post fast eine halbe Million Ärzte auf, positive Behandlungsberichte mit Laetrile einzureichen, wobei man von mindestens 70.000 Anwendungsfällen ausging. Das Resultat war ernüchternd: Von den eingereichten verwertbaren 68 Fällen blieben nach Prüfung nur 6 mit positivem Effekt übrig. Demgegenüber standen 220 Ärzte mit über 1.000 negativen Fallberichten. Die Mayo-Studie Das Negativergebnis wurde zwei Jahre später durch die renommierte Mayo-Klinik bestätigt. Diesmal wurden zusätzlich zur intravenösen und oralen Gabe auch noch Vitamine und Pankreasenzyme verabreicht sowie die Ernährung den entsprechenden Forderungen angepasst. Das Ergebnis nach 10 Monaten war für die Amygdalin-Anhänger ähnlich desaströs: Von den 178 Patienten zeigten sich nur bei einem einzigen anhaltende Verbesserungen; immerhin etwa 20 Prozent berichteten von Symptomlinderungen die jedoch nicht anhielten. Von den Amygdalin-Anhängern wurde und wird diese Studie heftig kritisiert: einmal, weil bis zur Umstellung auf die orale Verabreichung Verbesserungen bei den Patienten beobachtet worden sein sollen; zweitens, weil wie sich wohl erst später herausgestellte eine unwirksame Laetrile-Variante verwendet wurde, obwohl es sich um die handelsübliche Form des großen mexikanisch-amerikanischen Vertreibers American Biologics handelte. Die andere Seite Ob man in Asien nur genauer hingeschaut hat oder weniger abhängig von Industrieinteressen ist, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Fakt ist, in China, Japan und Südkorea wurden Wirkungen zumindest gegen Darm- und Prostatatumore gefunden, sowohl am Menschen (in vivo) als auch in der Petrischale (in vitro). Eine Forschungsgruppe am Londoner Hammersmith Hospital Campus aus dem Jahr 1998 untersuchte in vitro auch den Zusammenhang mit der umstrittenen Beta-Glucosidase. Ergebnis: Amygdalin allein funktioniert nur in hohen Dosen; das Enzym verstärkt den Effekt um den Faktor 36. Letztendlich sind Studien ob am Menschen oder im Labor ohnehin nur die eine Seite; die zudem auch relativ einfach manipuliert werden kann. Entscheidend is auf`m Platz, wie man im Fußball sagt. Aber dort können eben Plazeboeffekte und andere Einflüsse die Wirkungsweise verschleiern. Die Forderung der evidenzbasierten Medizin nach aussagefähigen, sauberen Studien hat deshalb durchaus ihre Berechtigung, wenn sie auch nicht die alleinseligmachende Methode sind wie ihre Vertreter bisweilen suggerieren. Die Praxis Eine Studie, die von der orthodoxen Medizin nicht als Beweis für die Wirksamkeit von Amygdalin anerkannt wird, stammt von Dr. Philip Binzel, einem US-amerikanischen Arzt, der bis zur Jahrtausendwende 18 Jahre lang hunderte Patienten mit einem Methodenmix behandelte, zu dem neben hochdosiertem intravenös verabreichten Amygdalin auch die Supplementierung von Nährstoffen (u.a. Enzymen) und eine Ernährungsumstellung gehörte. Die intravenöse Gabe des Amygdalins erfolgte in einer Zuckerlösung, um so die Aufnahme des Wirkstoffes bzw. seiner Abbauprodukte durch die Krebszellen zu erhöhen. Auf der Ernährungsseite verlangte Binzel gleichzeitig die strikte Zuckerreduktion und den Verzicht auf tierische Eiweiße. Erfolgsgeschichten
Der Erfolg gab ihm Recht: Rund 70 Prozent seiner (teils schulmedizinisch als austherapiert angesehenen) Patienten konnten sich so dauerhaft von Krebs befreien. In seinem ins Deutsche übersetzten und als kostenloser Download verfügbaren Buch betont der Arzt die Wichtigkeit dieses ganzheitlichen Ansatzes und dass auch dann bei fortgeschrittenem Krebs keine schnellen Erfolge erwartet werden dürfen. Das Buch gibt außerdem einen Einblick in die politischen Machenschaften hinter den Kulissen. Sein Bericht bestätigt einmal mehr, dass es um das Amygdalin eine Menge Merkwürdigkeiten gibt, die eine abschließende klare Wertung nicht zulassen. Fazit Wie so oft scheint auch in diesem Fall zu gelten, dass die Natur nicht verbessert werden kann, in dem man einzelne Stoffe synthetisiert, isoliert oder nachbaut. Trotzdem kann es im Einzelfall sinnvoll sein, das zu tun, weil dadurch höhere Dosen als mit natürlicher Zufuhr möglich sind. Ob das auch für Amygdalin gilt, ist eher zweifelhaft. Tendentiell spricht die Datenlage dagegen. Anders sieht es für bittere Aprikosenkerne oder andere Vertreter der Gattung aus, die cyanogene Glycoside und weitere gesundheitsfördende Substanzen enthalten. Die zahlreichen Erlebnisberichte von erfolgreichen Anwendungen bei Krebserkrankungen belegen ebenso wie die Historie, dass die Methode prinzipiell zu funktionieren scheint auch wenn kaum anzunehmen ist, dass die Erfolge allein den Kernen zu verdanken sind; eher im Gegenteil: Wie bei Binzel und anderen Heilern und Ärzten ist es der Methodenmix, der die Selbstheilungsmechanismen der Menschen wieder anspringen lässt. Bittere Aprikosenkerne und ihre vielen Inkredenzien scheinen dabei unterstützend zu wirken, doch das lange gesuchte Wundermittel gegen Krebs sind sie wohl nicht. Das gibt es ohnehin nicht. Wie immer mehr Befunde belegen, liegt die Heilung von Krebs und anderen Zivilisations- und Multisystemerkrankungen in der konsequenten Anwendung einer individuell zugeschnittenen Methodenmixtur. Neben den oben genannten gehört dazu auch eine umfangreiche Entgiftung nebst Einregulierung der aus dem Ruder gelaufenen bakteriellen Balance im Körper. Ganz wichtig ist nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit den geistig-spirituellen Aspekten einer Krankheit. Ohne die Auflösung vorhandener psychenergetischer Blockaden ist dauerhafte Heilung in der Regel nicht möglich. Quellen: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/119336 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23748821 2013 http://link.springer.com/article/10.1007%2fs00520-006-0168-9 Ellison NM, Byar DP, Newell GR: Special report on Laetrile: the NCI Laetrile Review. N Engl J Med 299 (10): 549-52, 1978) Moertel CG, Fleming TR, Rubin J, et al.: A clinical trial of amygdalin (Laetrile) in the treatment of human cancer. N Engl J Med 306 (4): 201-6, 1982)
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16127745 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16880611 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9833764 http://www.strophantus.de/mediapool/59/596780/data/alive_well_deutsch_2_1_.pdf