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Prof. Dr. H. Brenner Osnabrück SS 2009 Einführung in die Algebra Vorlesung 7 Nebenklassen Definition 7.1. Sei G eine Gruppe und H G eine Untergruppe. Wir setzen x H y (und sagen, dass x und y äquivalent sind) wenn x 1 y H. Dies ist in der Tat eine Äquivalenzrelation: Aus x 1 x = e G H folgt, dass diese Relation reflexiv ist. Aus x 1 y H folgt sofort y 1 x = (x 1 y) 1 H und aus x 1 y H und y 1 z H folgt x 1 z H. Definition 7.2. Sei G eine Gruppe und H G eine Untergruppe. Dann heißt zu jedem x G die Teilmenge xh = {xh h H} die Linksnebenklasse von x in G bzgl. H. Jede Teilmenge von dieser Form heißt Linksnebenklasse. Entsprechend heißt eine Menge der Form Rechtsnebenklasse (zu y). Hy = {hy h H} Die Äquivalenzklassen zu der oben definierten Äquivalenzrelation sind wegen [x] = {y G x y} = {y G x 1 y H} = {y G es gibt h H mit x 1 y = h} = {y G es gibt h H mit y = xh} = xh genau die Linksnebenklassen. Die Linksnebenklassen bilden somit eine disjunkte Zerlegung (eine Partition) von G. Dies gilt ebenso für die Rechtsnebenklassen. Im kommutativen Fall muss man nicht zwischen Links- und Rechtsnebenklassen unterscheiden. Lemma 7.3. Sei G eine Gruppe und H G eine Untergruppe. Es seien x, y G zwei Elemente. Dann sind folgende Aussagen äquivalent. (1) x yh (2) y xh (3) y 1 x H (4) x 1 y H (5) xh yh (6) x H y. (7) xh = yh. 1

2 Beweis. Die Äquivalenz von (1) und (3) (und die von (2) und (4)) folgt aus Multiplikationmity 1 bzw.mity.dieäquivalenzvon(3)und(4)folgtdurch Übergang zum Inversen. Aus (1) folgt (5) wegen 1 H. Wenn (5) erfüllt ist, so bedeutet das xh 1 = yh 2 mit h 1,h 2 H. Damit ist x = yh 2 h 1 1 und (1) ist erfüllt. (4) und (6) sind nach Definition äquivalent. Da die Nebenklassen Äquivalenzklassen sind, ergibt sich die Äquivalenz von (5) und (7). Der Satz von Lagrange Satz 7.4. ( Satz von Lagrange ) Joseph-Louis Lagrange (1736 Turin - 1813 Paris) Sei G eine endliche Gruppe und H G eine Untergruppe von G. Dann ist ihre Kardinalität #(H) ein Teiler von #(G). Beweis. Betrachte die Linksnebenklassen gh := {gh h H} für sämtliche g G. Es ist h gh eine Bijektion zwischen H und gh, so dass alle Nebenklassen gleich groß sind (und zwar #(H) Elemente haben). Die Nebenklassen bilden (als Äquivalenzklassen) zusammen eine Zerlegung von G, so dass #(G) ein Vielfaches von #(H) sein muss. Korollar 7.5. Sei G eine endliche Gruppe und sei g G ein Element. Dann teilt die Ordnung von g die Gruppenordnung. Beweis. SeiH dievong erzeugteuntergruppe.nachlemma2.3istord(g) = ord(h). Daher teilt diese Zahl nach Satz 7.4 die Gruppenordnung von G. Definition 7.6. Zu einer Untergruppe H G heißt die Anzahl der (Linksoder Rechts)Nebenklassen der Index von H in G, geschrieben ind G H.

In der vorstehenden Definition ist Anzahl im allgemeinen als die Mächtigkeit einer Menge zu verstehen. Der Index wird aber hauptsächlich dann verwendet, wenn er endlich ist, wenn es also nur endlich viele Nebenklassen gibt. Das ist bei endlichem G automatisch der Fall, kann aber auch bei unendlichem G der Fall sein, wie schon die Beispiele Zn Z,, zeigen. Wenn G eine endliche Gruppe ist und H G eine Untergruppe, so gilt aufgrund des Satzes von Lagrange die einfache Indexformel 3 #(G) = #(H) ind G H. Normalteiler Definition 7.7. Sei G eine Gruppe und H G eine Untergruppe. Man nennt H einen Normalteiler, wenn xh = Hx ist für alle x G, wenn also die Linksnebenklasse zu x mit der Rechtsnebenklasse zu x übereinstimmt. Bei einem Normalteiler braucht man nicht zwischen Links- und Rechtsnebenklassen zu unterscheiden und spricht einfach von Nebenklassen. Die Gleichheit xh = Hx bedeutet nicht, dass xh = hx ist für alle h H, sondern lediglich, dass es zu jedem h H ein h H gibt mit xh = hx. Statt xh oder Hx schreiben wir meistens [x]. Lemma 7.8. Sei G eine Gruppe und H G eine Untergruppe. Dann sind folgende Aussagen äquivalent. (1) H ist ein Normalteiler (2) Es ist xhx 1 H für alle x G und h H. (3) H ist invariant unter jedem inneren Automorphismus von G. Beweis. (1) bedeutet bei gegebenem h H, dass man xh = hx schreiben kann mit einem h H. Durch Multiplikation mit x 1 von rechts ergibt sich xhx 1 = h H, also (2). Dieses Argument rückwärts ergibt die Implikation (2) (1). Ferner ist (2) eine explizite Umformulierung von (3). Beispiel 7.9. Wir betrachten die Permutationsgruppe G = S 3 zu einer dreielementigen Menge, d.h. S 3 besteht aus den bijektiven Abbildungen der Menge {1,2,3} in sich. Die triviale Gruppe {id} und die ganze Gruppe sind Normalteiler. Die Teilmenge H = {id,ϕ}, wobei ϕ die Elemente 1 und 2 vertauscht und 3 unverändert lässt, ist eine Untergruppe. Sie ist aber kein Normalteiler. Um dies zu zeigen, sei ψ die Bijektion, die 1 fest lässt und 2 und 3 vertauscht. Dieses ψ ist zu sich selbst invers. Die Konjugation ψϕψ 1 = ψϕψ ist dann die Abbildung, die 1 auf 3, 2 auf 2 und 3 auf 1 schickt, und diese Bijektion gehört nicht zu H.

4 Lemma 7.10. Seien G und H Gruppen und sei ϕ :G H ein Gruppenhomomorphismus. Dann ist der Kern ker ϕ ein Normalteiler in G. Beweis. Wir verwenden Lemma 7.8. Sei also x G beliebig und h kerϕ. Dann ist ϕ(xhx 1 ) = ϕ(x)ϕ(h)ϕ(x 1 ) = ϕ(x)e H ϕ(x 1 ) = ϕ(x)ϕ(x) 1 = e H, also gehört xhx 1 ebenfalls zum Kern. Restklassenbildung Wir zeigen nun umgekehrt, dass jeder Normalteiler sich als Kern eines geeigneten, surjektiven Gruppenhomomorphismus realisieren lässt. Die Multiplikation der Nebenklassen zu einem Normalteiler N G. Satz 7.11. Sei G eine Gruppe und H G ein Normalteiler. Es sei G/H die Menge der Nebenklassen (die Quotientenmenge) und q :G G/H, g [g], die kanonische Projektion. Dann gibt es eine eindeutig bestimmte Gruppenstruktur auf G/H derart, dass q ein Gruppenhomomorphismus ist. Beweis. Da die kanonische Projektion zu einem Gruppenhomomorphismus werden soll, muss die Verknüpfung durch [x][y] = [xy] gegeben sein. Wir müssen also zeigen, dass durch diese Vorschrift eine wohldefinierte Verknüpfung auf G/H definiert ist, die unabhängig von der Wahl der Repräsentanten ist. D.h. wir haben für [x] = [x ] und [y] = [y ] zu zeigen, dass [xy] = [x y ] ist. Nach Voraussetzung können wir x = xh und hy = hy = yh schreiben mit h, h,h H. Damit ist x y = (xh)y = x(hy ) = x(yh ) = xyh. Somit ist [xy] = [x y ]. Aus der Wohldefiniertheit der Verknüpfung auf G/H folgen die Gruppeneigenschaften, die Homomorphieeigenschaft der Projektion und die Eindeutigkeit.

Definition 7.12. Sei G eine Gruppe und H G ein Normalteiler. Die Quotientenmenge G/H mit der aufgrund von Satz 7.11 eindeutig bestimmten Gruppenstruktur heißt Restklassengruppe von G modulo H. Die Elemente [g] G/H heißen Restklassen. Für eine Restklasse [g] heißt jedes Element g G mit [g ] = [g] ein Repräsentant von [g]. Beispiel 7.13. Die Untergruppen der ganzen Zahlen sind nach Satz 3.2 von der Form Zn mit n 0. Die Restklassengruppen werden mit Z/(n) bezeichnet (sprich Z modulo n ). Bei n = 0 ist das einfach Z selbst, bei n = 1 ist das die triviale Gruppe. Im Allgemeinen ist die durch die Untergruppe Zn definierte Äquivalenzrelation auf Z dadurch gegeben, dass zwei ganze Zahlen a und b genau dann äquivalent sind, wenn ihre Differenz a b zu Zn gehört, also ein Vielfaches von n ist. Daher ist (bei n 1) jede ganze Zahl zu genau einer der n Zahlen 0,1,2,...,n 1 äquivalent (oder, wie man auch sagt, kongruent modulo n), nämlich zum Rest, der sich bei Division durch n ergibt. Diese Reste bilden also ein Repräsentantensystem für die Restklassengruppe, und diese besitzt n Elemente. Die Tatsache, dass die Restklassenabbildung Z Z/(n), a [a] = a mod n, ein Homomorphismus ist, kann man auch so ausdrücken, dass der Rest einer Summe von zwei ganzen Zahlen nur von den beiden Resten, nicht aber von den Zahlen selbst, abhängt. Als Bild der zyklischen Gruppe Z ist auch Z/(n) zyklisch, und zwar ist 1 (aber auch 1) stets ein Erzeuger. 5

Abbildungsverzeichnis Quelle = Joseph-Louis Lagrange.jpeg, Autor = Benutzer Katpatuka auf Commons, Lizenz = PD 2 Quelle = Coset multiplication.svg, Autor = Benutzer Cronholm 144 auf Commons, Lizenz = CC-by-sa 2.5 4 7