LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 5/2165 5. Wahlperiode 25.03.2009 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Prof. Dr. Fritz Tack, Fraktion DIE LINKE Abwicklung der Bodenreform gemäß Artikel 233 11-16 EGBGB - Vorgehensweise und aktueller Stand in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie oft, aus welchem Anlass und mit welchem Resultat hat sich die Landesregierung und haben sich die früheren Landesregierungen mit der Abwicklung der Bodenreform befasst? Die Landesregierung und die früheren Landesregierungen haben sich fortlaufend mit der Abwicklung der Bodenreform auseinandergesetzt. Es wird hierzu keine Statistik geführt. Beispielhaft wird auf folgende Aktivitäten hingewiesen: Im Jahr 1992 befasste sich die Landesregierung mit dem am 22.07.1992 in Kraft getretenen Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14.07.1992 (BGBl. I S. 1257), das die 11-- 16 in Artikel 233 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) eingefügt hat. Im Jahr 1993 befasste sich die Landesregierung mit dem Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.12.1993 (BGBl. I S. 2182), das Artikel 233 11-16 des EGBGB geändert hat. Im Jahr 1995 brachte die Landesregierung zur Bundesratsdrucksache 184/1/95 einen Antrag in den Bundesrat mit dem Ergebnis ein, dass Artikel 233 11 Abs. 4 EGBGB der Satz angefügt wurde: Für Klagen nach Absatz 3, 4 und 6 ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück ganz oder überwiegend liegt. Anlässlich des Urteils der Kleinen Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22.01.2004 (Beschwerden Nr. 46720/99, 72203/01 und 72552/01) beriet die Landesregierung Anfang des Jahres 2004 mehrfach über mögliche Konsequenzen und das weitere Verfahren. Insbesondere wurde die Frage erörtert, ob die Bundesregierung gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen sollte. Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 25. März 2009 beantwortet.
Drucksache 5/2165 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 5. Wahlperiode Anfang März 2004 informierte der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz das Kabinett über die Einlegung von Rechtsmitteln durch das Bundesministerium der Justiz gegen die vorgenannte Entscheidung. Anfang März 2008 erfolgte durch den Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz die Information des Kabinetts über das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 07.12.2007 - V ZR 65/07. Darüber hinaus gab es wiederholt Landtagsanträge und Kleine Anfragen zur o. g. Thematik. 2. Wem oblag bzw. obliegt in der Landesregierung die Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen des Landesfiskus nach Artikel 233 11-16 EGBGB und an wen wurde die Aufgabe übertragen? Die Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen des Landesfiskus aus Artikel 233 11-16 EGBGB obliegt dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz. Nach 6 Abs. 2 Bodenrechtsdurchführungsverordnung sind die Ämter für Landwirtschaft zuständig für die Erhebung von Widersprüchen des Landesfiskus gegen Verfügungen über Grundstücke aus der Bodenreform (Art. 233 13 EGBGB) und zur Veranlassung der Eintragung von Vormerkungen zugunsten des Fiskus (Art. 233 13a EGBGB). Die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbh wurde vertraglich mit der Recherche und Durchsetzung von Ansprüchen des Landesfiskus gegen die Erben von Neubauern beauftragt. 3. Wie war im Land die grundsätzliche Vorgehensweise zur Feststellung eventueller Auflassungsansprüche geregelt? a) Gab die Bundesregierung hierzu eine Orientierung? b) In wie weit erfolgte eine Abstimmung mit anderen Bundesländern? Zur grundsätzlichen Vorgehensweise siehe Antwort zu Frage 2. Zu a) Die Bundesregierung gab keine Orientierung zur Feststellung eventueller Auflassungsansprüche. Zu b) Mit den anderen Bundesländern fanden anlassbezogen Erfahrungsaustausche über die Vorgehensweise in den jeweiligen Bundesländern statt. 2
Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 5. Wahlperiode Drucksache 5/2165 4. Wurden Grundbücher gezielt auf Auflassungsansprüche hin überprüft? a) Wenn nicht, warum nicht? b) Wenn ja, wie ist dabei vorgegangen worden? Die Landgesellschaft war mit der flächendeckenden Recherche und Durchsetzung der fiskalischen Ansprüche beauftragt und prüfte nach Einsichtnahme in das jeweilige Bodenreformgrundbuch das Bestehen eines Anspruchs. Es wurden Ermittlungen nach den Erben und ihrem Aufenthalt angestellt. Bezüglich der in Artikel 233 12 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB geregelten Hofstellen fragte die Landgesellschaft ab, ob ein (potenzieller) Erbe dort am 15.03.1990 lebte. Hinsichtlich der in Artikel 233 12 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB genannten Schläge wurde die Zuteilungsfähigkeit der Erben überprüft. Konnte eine Berechtigung der Erben nicht nachgewiesen werden, wurde der fiskalische Anspruch geltend gemacht und notfalls durch Erhebung einer Klage verfolgt. 5. Welche Verfahrensweise wurde im Falle unbekannter bzw. nicht auffindbarer Erben praktiziert? Als die Landgesellschaft und die Ämter für Landwirtschaft im Jahr 1992 mit der Durchführung der Vorschriften des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes begannen, geschah dies in erster Linie auf der Grundlage der Meldungen der Grundbuchämter über Grundbuchverfügungen (Art. 233 13 EGBGB). Es wurde schnell deutlich, dass diese Vorgehensweise allein nicht zu einer flächendeckenden Umsetzung des Gesetzes führen würde. Vielmehr war die Kenntnis des Fiskus über Bodenreformgrundstücke eher zufallsbedingt davon abhängig, ob eintragungsbedürftige Verfügungen vorgenommen wurden. Das Land entschloss sich daher zu einer umfassenden Grundbuchrecherche durch die Landgesellschaft. Diese führte, soweit erforderlich, Abfragen durch bei - den Einwohnermeldeämtern und den Nachlassgerichten, - den Bewirtschaftern der Grundstücke, - den Bürgermeistern und den alteingesessenen Bürgern, - den LPGen und deren Rechtsnachfolgern, die zu DDR-Zeiten das Nutzungsrecht an den Grundstücken hatten, und bei - dem Kreismeldearchiv und dem Kreisarchiv. Bei Hinweisen auf eine Ausreise in die alten Bundesländer wurden das Lastenausgleichsamt Lübeck und das Bundesverwaltungsamt Gießen sowie weitere vom Bundesverwaltungsamt benannte Ämter befragt und hiernach weiterführende Informationsersuchen an die so ermittelten örtlichen Einwohnermeldeämter gestellt. 3
Drucksache 5/2165 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 5. Wahlperiode 6. Wie sind Kontrolle und Berichterstattung über den Stand der Durchsetzung der Ansprüche des Landes geregelt? a) Wer berichtet wem in welchem Berichtsrhythmus? b) Von wann ist der letzte Bericht und an welcher Stelle wurde er veröffentlicht? Die Ämter für Landwirtschaft und die Landgesellschaft berichteten anlassbezogen über den Stand der Durchsetzung der Ansprüche des Landes. Die Landgesellschaft berichtete bis zum September 2000 quartalsweise, danach ebenfalls anlassbezogen. Eine Veröffentlichung der Berichte erfolgte grundsätzlich nicht. 7. In wie vielen Fällen hat das Land vor dem 03.10.2000 zur Sicherung seines etwaigen Anspruchs auf unentgeltliche Auflassung gemäß Art. 233 11 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 233 12 Abs. 2 Nr. 1 d und Nr. 2 c EGBGB eine Anerkenntnisurkunde unterschreiben lassen? Eine systematische Verfahrensweise, die darauf angelegt gewesen wäre, ein Anerkenntnis einzuholen, hat es im Land Mecklenburg-Vorpommern nicht gegeben. Insbesondere haben die von den Landkreisen bestellten gesetzlichen Vertreter keine Anerkenntnisse erklärt. 8. Wurde vom Eigentümer mit der Anerkenntnis zugleich der Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede verlangt? Wenn ja, mit welcher Begründung wurde so verfahren, obwohl nach allgemeiner Rechtsauffassung vor Ablauf der Verjährungsfrist ein wirksamer Verzicht auf die Einrede der Verjährung nicht möglich ist? Der Landesregierung ist kein solcher Fall bekannt. 9. In wie vielen Fällen, in denen vor Ablauf der Ausschlussfrist des Artikel 233 14 EGBGB ein Anspruchsberechtigter nicht ermittelbar war, wurde ein gesetzlicher Vertreter gemäß Artikel 233 3 EGBGB bestellt, um den Auflassungsanspruch des Landes vor Fristablauf zu sichern? In ca. 3.000 Fällen wurde ein gesetzlicher Vertreter bestellt. 4
Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 5. Wahlperiode Drucksache 5/2165 10. In wie vielen Fällen konnten bis zum Verjährungstermin 02.10.2000 unentgeltliche Auflassungen von Grundstücken unbekannter bzw. nicht auffindbarer Erben zu Gunsten des Landesfiskus nicht mehr umgesetzt werden? a) Welche Größenordnung hatten die genannten Fälle insgesamt (Hektar land- und forstwirtschaftliche Fläche und Schätzwert in Euro)? b) Wie wurde mit diesen nicht lösbaren Fällen nach dem 02.10.2000 verfahren? Zu a) In ca. 500 Fällen konnte der Landesfiskus seine potenziellen Ansprüche aus Artikel 233 11-16 EGBGB nicht verfolgen. Größe und Wert dieser Flächen sind statistisch nicht erfasst. Zu b) Die nicht lösbaren Fälle wurden nach dem 02.10.2000 nicht weiter verfolgt. 5