WIE WOLLEN WIR IN ZUKUNFT LEBEN? Schulbildung in Sachsen-Anhalt? Gestalten statt schließen!
Der Abend kurz zusammengefasst: 10. Februar 2014 Impulse mit anschließender Diskussion Mehr Selbstständigkeit für Schulen Ein Modellprojekt in Mecklenburg-Vorpommern Uta Höffer, Direktorin der Grundschule Dr. Otto Steinfatt, Wittenförden Neue Ansätze der Schulorganisation Kleine Schulen in Nordrhein-Westfalen Wolfgang Schumacher, Ministerialrat Ministerium für Schule und Weiterbil dung NRW Die Zukunft der Schulbildung im ländlichen Raum. Handlungsmodelle Felix Brümmer, Senior Berater Bildung, Familie und Gesellschaftliche Teilha be Rambøll Management Consulting GmbH Berlin Diskussion mit Statements aus der Region Aus Sicht eines Schulträgers, einer Schulleitung sowie einer Elterninitiative
Worum geht es? Der Bevölkerungsrückgang in Sachsen-Anhalt hat die Grundschulentwicklung besonders getroffen. Zwischen 1991 bis 2008 wurden bereits 35% aller Grundschulen geschlossen. Grundschulschließungen haben weitgehende Auswirkungen. Grundschulen sind die Seele eines Ortes. Junge Familien ziehen bevorzugt in Orte mit Kitas und Grundschulen und sie bleiben gerne dort. Grundschulen und Vereine sind die sozialen und kulturellen Zentren vor Ort. Auslöser des Zukunftsdialogs war der im Jahr 2013 gefasste Beschluss der Landesregierung von Sachsen-Anhalt, die Schulentwicklungsplanung (SEPL) so zu ändern, dass sie viele kleine Grundschulen schließen kann, um vermeintlich Geld und Personal zu sparen. Demnach beträgt ab dem Schuljahr 2013/2014 die Mindestzahl der Schülerinnen und Schülern an Schulen 60 (ländlicher Raum) und 80 (in Städten) und ab dem Schuljahr 2016/17 sollten sie 80 (ländlicher Raum) und 100 (in Städten) betragen. Auf den Druck der Betroffenen und der Opposition wurde die zweite Stufe der SEPL von der Landesregierung zurück genommen. Nach dieser Verordnung wurden bis zum Ende des Schuljahrs 2013/2014 bereits 29 Grundschulen geschlossen. Die Landesregierung plante die Schließung von weiteren etwa 60 Grundschulen in den kommenden Jahren. Nachdem die zweite Stufe der Heraufsetzung der MindestschülerInnenzahlen gestrichen wurde, sind aktuell immer noch gut zwanzig weitere Grundschulen von Schließung bedroht. Die Landesregierung setzt einseitig auf Konsolidierungskurs zu Lasten der Zukunftsinvestitionen in Bildung. Bildungspolitik heißt für die Landesregierung Ausgabenkürzen statt Gestalten. Im Zentrum des Zukunftsdialogs Schulbildung in Sachsen-Anhalt? Gestalten statt schließen stand die Frage: Wie können wir die Schulentwicklung in ländlichen Räumen Sachsen-Anhalts anders denken? Wie können wir auch kleine Grundschulen im ländlichen Raum ressourcenschonend erhalten.
Welche Antworten gab der Zukunftsdialog? Antwort 1: Schulverbünde Ein Schulverbund ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei Grundschulen mit einer gemeinsamen Verwaltung, einem gemeinsamen Programm und mit einer Teilung von Arbeit und Ressourcen. Mit dem Verbund wird das Ziel verfolgt, die Qualität von Unterricht und Schulleben gemeinsam zu sichern und zu optimieren. So können kleine Schulen ressourcenschonend erhalten bleiben. Die Schulleitung, der Hausmeister oder die Sportlehrerin können z. B. mehrere kleine Standorte gemeinsam betreuen. Weiter gedacht können auch Schulverbünde unterschiedlicher Schulformen mit zukunftsweisenden Bildungsprogrammen entstehen. Antwort 2: Selbstständige Schulen Der Kerngedanke der Selbstständigen Schulen ist die individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler. Selbstständige Schulen übernehmen auf der Grundlage eines verpflichtenden Schulprogramms in Eigenverantwortung die Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung, die Gestaltung inner- und außerschulischer Partnerschaften, die Mittelbewirtschaftung, die Personalauswahl und Personalentwicklung und nicht zuletzt das Qualitätsmanagement. Die Schulleitung übernimmt mehr Verantwortung, um Schulentwicklungsprozesse zu initiieren und zu steuern. Den Schulen werden damit neue Möglichkeiten zur Planung und Gestaltung eröffnet. Zentral für die Selbstständige Schule ist eine schülerinnenbezogene Mittelzuweisung. Selbstständige Schulen können spezifisch für die lokale Situation und das Schulprogramm eigene Bedarfe definieren und Prioritäten für die Verwendung der Haushaltsmittel festlegen. So entstehen mehr Freiräume bei der Unterrichtsgestaltung, bei der Arbeit mit schulinternen Lehrplänen, bei der
Unterrichtsorganisation und bei der Bildungsgestaltung mit außerschulischen Partnerinnen und Partnern. Um ihre Eigenverantwortung wahrnehmen zu können, muss den Schulen ein umfassendes Unterstützungssystem zur Verfügung stehen. Hierzu gehört vor allem die Beratung und Fortbildung insbesondere für Lehrkräfte und Schulleitung. Antwort 3: Stärkung der Gestaltungsmacht der Gemeinden Um ein wohnortnahes und finanzierbares Grundschulangebot auf hohem Niveau zu gewährleisten, wollen wir den Gemeinden wieder echten Gestaltungsspielraum bei der Entscheidung über Schulstandorte und Schulorganisation (Schul- und Klassengröße, Schulverbünde) geben. Die Gemeinden erhalten damit einen größeren Spielraum, durch effektivere Ressourcensteuerung, die Errichtung von Teilstandorten und regional ausgewogene Klassenbildung den Erhalt ihrer kleinen Grundschulen zu sichern. Auch die Frage der Einrichtung von Schuleinzugsbezirken soll lokal entschieden werden. Antwort 4: Hort und Schule besser verzahnen Auf dem Weg zu Ganztags(grund)schulen mit verlässlichen Öffnungszeiten sollen Modelle der besseren Verzahnung von (Grund-)Schule und Hortbetreuung entwickelt werden. Gemeinsame Bildungsprogramme, gemeinsame räumliche Unterbringung, regelmäßige gemeinsame Arbeitssitzungen können Bausteine auf dem Weg zu einer besseren Verzahnung von (Grund-)Schule und Hort und damit auf dem Weg zur Ganztags(grund)schulen mit verlässlichen Öffnungszeiten sein.
Ausblick Die Situation für die Schulen vor Ort stellt sich sehr unterschiedlich dar. Es gibt nicht eine Lösung für alle, sondern es muss immer lokal gedacht werden. Hierbei müssen die Rahmenbedingungen vor Ort analysiert und unter Einbindung aller Beteiligten eine Lösung entwickelt werden. Die folgenden Eckpunkte können bei einer lokalen Lösung hilfreich sein. Schulen müssen zu Selbstständigen Schulen entwickelt werden. Die Errichtung von (Grund-)Schulverbünde muss ermöglicht werden. Die Gemeinden müssen echte Gestaltungsmacht bekommen. (Grund-)Schule und Hort müssen besser verzahnt werden.
Neben diesen Eckpunkten für den Erhalt kleiner Grundschulen, die bereits weit in Qualitätsfragen hinein reichen, muss es generell um die Frage von Bildungsqualität an Schulen gehen. Der Erhalt und die Fortentwicklung von Bildungsqualität geht weit über eine angemessene Unterrichtsversorgung von 105% hinaus, setzt diese aber natürlich voraus: Wo kein Unterricht stattfindet, findet eben auch keine Qualität statt. Bei der Qualitätsentwicklung sind weitere Aufgaben anzugehen wie die Frage der zukunftsfesten Aus- und Fortbildung von Lehrkräften, die flächendeckende Etablierung von Ganztagschulen, die bessere Gestaltung von Bildungsübergängen (z.b. Kita-Schule; Schule-Berufsausbildung) oder die Frage der Demokratisierung von Schule. Bildung wächst von unten. Lücken, die in Kita und Grundschule entstehen oder nicht geschlossen werden, sind eine Bürde, die die jungen Menschen in ihrer weiteren schulischen und beruflichen Karriere belasten. Deswegen sind Investitionen in die frühe Bildung so zentral. Darüber hinaus kommt der Schule eine herausragende Bedeutung bei der Gestaltung des sozialen und kulturellen Lebens vor Ort zu. Mit den lokalen Akteuren gut vernetzte weltoffene Schulen tragen sehr viel zur Lebensqualität vor Ort bei.