Nr. 131 September 2017 Das außenpolitische Journal Außenpolitik im Zeichen der Raute Mitläufer oder Akteur? Deutsche UN-Politik Verantwortung zur Großmacht? Merkels Russlandpolitik WeltBlick Drei-Meere-Initiative und EU Die Linke und die NATO Historie 50 Jahre Weltraumvertrag EU militärisch? Im Disput mit Rainer Arnold ISSN 0944-8101 4,80 ISBN 978-3-945878-67-5
Inhalt 4 WeltBlick 4 Drei-Meere-Initiative im Interesse der EU! Michal Kořan, Bartosz Wiśniewski, Tomáš Strážay 8 Die LINKE und die NATO Wolfram Wallraf 14 Brief aus Sansibar 16 Thema: Außenpolitik im Zeichen der Raute 18 Mitläufer oder Akteur? August Pradetto 25 Durch Verantwortung zur Großmacht? Jürgen Wagner 31 Merkels Russlandpolitik Alexander Rahr 37 Was gut ist für Deutschland, ist auch gut für Europa Bogdan Koszel 41 Eine neue Art von Führung Prager Sichten zur Ära Merkel Vladimír Handl, Adéla Bráchová, Klára Bundová, Anežka Fojtíková, Barbora Volfová 46 Deutschland und die Vereinten Nationen Natalie Tröller WeltTrends Das außenpolitische Journal 116 Juni 2016 24. Jahrgang S. 2 3
Forum: EU als Verteidigungsunion? 52 Repliken auf Rainer Arnold Impressum 57 Historie: 50 Jahre Weltraumvertrag 60 Gunter Görner Bücherschau 66 Zukunftsstrategie kontra Merkel-Raute 70 Ein Kommentar von Lutz Kleinwächter Wort und Strich 72
Kommentar Zukunftsstrategie kontra Merkel-Raute Lutz Kleinwächter Die Welt verändert sich radikal. In den kommenden Jahrzehnten ist mit weiteren Zuspitzungen in den internationalen Beziehungen zu rechnen. Der Westen zerfällt in einer Systemkrise der Selbstzerstörung. Trumps America First -Politik führt zu brutalen innerimperialen Machtkämpfen. Politische, ökonomische, militärische Grundfragen und strategische Bündnisse stehen zur Disposition atlantisch, europäisch, eurasisch Und Deutschland quält sich durch einen drögen Wahlkampf. Die Opposition ist ohne Biss und die Regierung agiert altbacken. In den vergangenen Jahren häuften sich folgenschwere Fehleinschätzungen. Die Osteuropapolitik ist am mitverursachten Ukrainekonflikt gescheitert. Die arabischen Aufstände und folgenden Flüchtlingsströme, der Brexit, die Trump-Administration, der unerwartete Macron die deutsche Regierung war jedes Mal schockiert oder überrascht und handelte defensiv. Merkels Regierung hat Partner und Verbündete verprellt und Deutschland in eine Isolation manövriert: u. a. schwerster Stand in der EU, konfliktreiches USA-Verhältnis, Tiefstand in den Beziehungen zu Russland, Konfrontation mit der Türkei. Die Merkel- Mannschaft reagierte mit Wagenburg-Mentalität Schuld sind immer die anderen, die demgemäß mit medialen Diffamierungskampagnen gebrandmarkt wurden. Zur politischen Neugestaltung war die CDU-geführte Regierung nicht fähig und die SPD ist noch (?) nicht bereit. Die Divergenzen zwischen den regierenden Parteien einerseits und Kreisen der Wirtschaft sowie großer Bevölkerungsteile andererseits implizieren eine Schwächung der demokratischen Ordnung. Autoritäre Herrschaftstendenzen nehmen zu. Die Kleinparteien die zerstrittenen Grünen und die Linken, die klientelorientierte FDP und die bayrisch-regionale CSU sind damit befasst, sich inner- und zwischenparteilich abzugrenzen, statt massenwirksame Alternativen zu unterbreiten. Die völkische AfD spitzt die Zerrissenheit zu. Merkels werteorientierte Außenpolitik ist gescheitert und die nationalegoistische Exportpolitik wirft Konflikte auf. Spätestens ist dies sichtbar seit der Machtübernahme der radikal interessengeleiteten Trump-Administration und der neuartigen europaorientierten Bewegung unter Macron. Unabhängig von möglichen Regierungskoalitionen steht eine qualitative Neugestaltung der Außenpolitik Deutschlands für das 21. Jahrhundert auf der Tagesordnung: 1. Stärkung der EU-Integration. Grundlage sind die im WeltTrends Das außenpolitische Journal 131 September 2017 25. Jahrgang S. 70 71
Kommentar 71 Weißbuch zur Zukunft Europas von der EU-Kommission unterbreiteten Szenarien. Für Deutschland steht ein selbstständiges, offenes Kerneuropa der Eurozone im Zentrum. Das strategische Bündnis mit Frankreich ist zu vertiefen. 2. Mitgestaltung einer Eurasischen Strategie. Das chinesische Konzept eines ökonomischen Kooperationsraumes Eurasien unter dem Label One Belt, One Road eröffnet gigantische Entwicklungsdimensionen für China, Russland, Indien inklusive Nachbarregionen. Diese Neue Seidenstraße könnte auch für die EU und Deutschland der entscheidende Absatz- und Beschaffungsmarkt dieses Jahrhunderts werden. 3. Kooperation mit Russland. Überfällig ist der Abbruch der wirkungslosen Sanktionspolitik gegenüber Russland. Der von Putin 2010 angeregte gemeinsame Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok sollte aufgenommen werden. In diesen Zusammenhang sind Lösungen des Ukraine- und des Krimkonflikts einzubetten. 4. Stabilisierung der Nachbarregionen Europas. Die Großregionen des Nahen Ostens und Afrikas bleiben langfristig instabil. Entsprechend ist mit anhaltenden Flüchtlingsströmen zu rechnen. Der Marshallplan mit Afrika kann ein Strategieansatz sein. Es bedarf dabei aber einer massiven Ausweitung der gemeinsamen Investitions- und Handelspolitik der EU / Deutschlands. 5. Reorganisation der Außenwirtschaftspolitik Deutschlands. Ein Schwerpunkt ist der Abbau der extrem überhöhten Exportüberschüsse insbesondere gegenüber den europäischen Partnern und den USA. Ein robustes Investitions- und Modernisierungsprogramm in der deutschen Binnenwirtschaft ist notwendig. Stichworte: Industriepolitik 4.0, Energiewende, E-Mobilität, Digitalisierung, Stärkung der Nachfrage und Kaufkraft mittels drastischer Lohnerhöhungen in Deutschland sowie Schuldenerlass für die EU-Partner. Die ökonomischen und finanziellen Potenziale für diese Programmatik sind vorhanden. Beide Großparteien schwächeln jedoch bislang in ihrer intellektuellen und visionären Gestaltungkraft. Deutschland braucht keine verlegene Fingerspielerei, sondern eine anpackende Führungselite und tatkräftige Zukunftsgestaltung. Prof. Dr. Lutz Kleinwächter geb. 1953, bbw-hochschule der Wirtschaft, Berlin, Vorsitzender des WeltTrends e. V. l.kleinwaechter@welttrends.de