Jahresbericht 2018 des Niedersächsischen Landesrechnungshofs Bemerkungen und Denkschrift zur Haushaltsrechnung des Landes Niedersachsen für das Haushaltsjahr 2016
Jahresbericht 2018 Seite: 140 21. Vollkostendeckung in der Weiterbildung Für die Angebote der Hochschulen in der Weiterbildung sollte eine Vollkostendeckung gesetzlich vorgeschrieben werden. Dies würde Widersprüche mit dem EU-Beihilferecht vermeiden und zudem zu einer Konsolidierung der Hochschulhaushalte beitragen. Angesichts der zunehmenden unterschiedlichen Erscheinungsformen und der damit einhergehenden Abgrenzungsprobleme sollten die Bildungsangebote und Studienformate der Hochschulen zumindest insoweit gesetzlich präzisiert werden, als hieran Gebührentatbestände oder Gebührenbefreiungen geknüpft werden. Allgemeines Mit Weiterbildungsangeboten erwirtschafteten die niedersächsischen Hochschulen im Jahr 2015 Erträge in Höhe von rd. 15 Mio.. Bei der Ermittlung der Kosten für die Weiterbildungs- sowie die berufsbegleitenden Studiengänge beschränkten sich die Hochschulen überwiegend auf die direkten Kosten, wie etwa den Personalaufwand oder die Sachmittel. Überwiegend unberücksichtigt blieben dagegen die Gemeinkosten. Hierbei handelt es sich um die Kosten, die einem Kostenträger nicht direkt zugerechnet werden können. Die von den Hochschulen geübte Praxis steht im Einklang mit den Regelungen des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) für die Erhebung von Gebühren und Entgelten. Danach steht es u. a. im Ermessen der Hochschulen, ob sie für die Inanspruchnahme von berufsbegleitenden Studiengängen kostendeckende Gebühren erheben. 238 Nur in den Fällen, in denen die Lehrtätigkeit in einem Weiterbildungsstudium oder in einem berufsbegleitenden Studiengang von Mitgliedern der Hochschule nebenberuflich im Rahmen eines Lehrauftrags 238 13 Abs. 3 Satz 5 NHG.
Jahresbericht 2018 Seite: 141 wahrgenommen und vergütet wird, müssen die durch das Lehrangebot erzielten Einnahmen die damit verbundenen zusätzlichen Kosten übersteigen. 239 Zu den unterschiedlichen Angebotsformaten des Weiterbildungssektors von Hochschulen sind weder im Hochschulgesetz noch in untergesetzlichen Regelwerken Festlegungen enthalten. So ist nicht definiert, was unter berufsbegleitenden Studiengängen zu verstehen ist. Ungeachtet dessen wird daran ein Gebührentatbestand mit einem weiten Ermessensspielraum für die Hochschulen geknüpft. Empfehlung der Vollkostendeckung Neben dem Hochschulrecht haben die Hochschulen das EU-Beihilferecht 240 zu beachten. Danach sind die Weiterbildung insgesamt oder einzelne Angebote, wie etwa Weiterbildungsstudiengänge oder berufsbegleitende Studiengänge, kostendeckend anzubieten, wenn sie nach dem EU-Beihilferecht dem wirtschaftlichen Bereich zuzurechnen sind. Ob dies der Fall ist, kann nur die jeweilige Hochschule im Wege einer Einzelfallprüfung feststellen. Dabei ist durch vorhergehende Marktanalyse sowie kontinuierliche Marktbeobachtung sicherzustellen, dass es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt. Unabhängig vom EU-Beihilferecht empfiehlt der LRH nicht zuletzt aufgrund der von den Hochschulen regelmäßig thematisierten zu knapp bemessenen Grundfinanzierung, für alle Angebote der Weiterbildung die Vollkostendeckung gesetzlich vorzusehen. 239 34 Abs. 3 Satz 3 NHG. 240 Artikel 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union: Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. (Mitteilung der Kommission über den Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation; Amtsblatt der Europäischen Union vom 27.06.2014-2014/C 198/01 -).
Jahresbericht 2018 Seite: 142 Für die Festschreibung der Vollkostendeckung spricht des Weiteren, dass die Landesregierung den Erlass zur landeseinheitlich vorgegebenen Höhe der Lehrauftragsvergütung 241 nach dessen Auslaufen im Jahr 2007 nicht verlängerte. Während der Geltungszeit dieses Erlasses reichten die landeseinheitlich festgelegten Vergütungssätze insbesondere bei den Weiterbildungsangeboten mit technischen Inhalten oftmals nicht aus, um Lehrbeauftragte zu gewinnen. Seit dem Jahr 2007 entwickelten sich die von den Hochschulen gezahlten Vergütungssätze nicht nur sehr unterschiedlich, sondern stiegen teilweise auch erheblich an. Gerade die unterschiedliche Lehrauftragsvergütung in den einzelnen Studiendisziplinen spricht dafür, nicht zur landesweit einheitlichen Regelung der Lehrauftragsvergütung zurückzukehren. Die Bedeutung der Weiterbildung hat für die Hochschulen zugenommen und wird für sie nicht zuletzt aufgrund der Auswirkungen des demografischen Wandels und der zunehmenden Heterogenität der Studierenden tendenziell noch weiter zunehmen. Damit neben den monetären Interessen der Dozenten auch die finanziellen Interessen der Hochschulen gewahrt werden, empfiehlt der LRH, in der Weiterbildung und den berufsbegleitenden Studiengängen hochschulrechtlich die Vollkostendeckung vorzusehen. Stellungnahme des Ministeriums Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur weist darauf hin, dass der Begriff berufsbegleitend kein anhand eindeutiger Kriterien abgrenzbarer eigener Studiengangtypus, sondern eine spezifische Angebotsform sei, die mit einem Studiengang in Teilzeit, Fern- oder Onlinestudiengang vergleichbar sei. Mit Blick auf die Angebotsvielfalt im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung sowie aufgrund des Umstands, dass der gesamte Bereich der Weiterbildung auch technologiebedingt einer großen Dynamik unterliege, hält das Ministerium eine gesetzliche Präzisierung von Angebotsformaten nicht für umsetzbar. 241 Erlass des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 08.11.2007-22 B.6-71 061/1 (112) -.
Jahresbericht 2018 Seite: 143 Der LRH verkennt nicht, dass die unter dem Begriff Wissenschaftliche Weiterbildung zusammengefassten Bildungsangebote und Studienformate in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen und sich dabei unterschiedliche Erscheinungsformen herausgebildet haben. Dennoch hält er es für unabdingbar, die einzelnen Bildungsangebote und Studienformate jenseits der bisherigen generalklauselartig gefassten Regelung 242 gesetzlich zu definieren, soweit hieran ein Gebührentatbestand oder eine Gebührenbefreiung geknüpft ist. Dies würde zugleich gewährleisten, dass die niedersächsischen Hochschulen für ihre Angebote im Bereich der Weiterbildung weitestgehend einheitlich Gebühren und Entgelte erheben. Im Übrigen verlangt auch das EU-Beihilferecht eine stringentere Ausgestaltung dieses Bereichs. Dass eine differenzierte Darstellung der verschiedenen Weiterbildungsformate grundsätzlich möglich ist, zeigen die Beispiele anderer Bundesländer. So finden sich in den Hochschulgesetzen etwa des Freistaats Bayern 243 und auch von Baden-Württemberg 244 entsprechende Legaldefinitionen. 22. Unzulässige Privatisierung in der Weiterbildung Im Rahmen der Weiterbildung ist es Hochschulen mangels gesetzlicher Ermächtigung nicht gestattet, die Erhebung von Studiengebühren auf natürliche oder juristische Personen des Privatrechts zu übertragen. Daneben sprechen auch wirtschaftliche sowie praktische Erwägungen dafür, die Weiterbildung innerhalb der Hochschulen durchzuführen und abzuwickeln. 242 13 Abs. 3 NHG regelt in diesem Bereich die Erhebung von Gebühren und Entgelten. 243 Artikel 56 des Bayerischen Hochschulgesetzes in der Fassung vom 23.05.2006 (GVBl. S. 245), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.12.2017 (GVBl. S. 568). Darüber hinaus verfügt Bayern noch über eine Hochschulgebührenverordnung, in der den Hochschulen anknüpfend an die einzelnen Weiterbildungsmaßnahmen Vorgaben für die Erhebung der Gebühren gemacht werden. 244 31 des Gesetzes über die Hochschulen in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz) vom 01.01.2005 (GBl. S. 1), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 07.11.2017 (GBl. S. 584).