deutsche gesellschaft für humangenetik e.v. Leitlinie Molekularzytogenetische Labordiagnostik



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deutsche gesellschaft für humangenetik e.v. Leitlinie Molekularzytogenetische Labordiagnostik german society of human genetics www.gfhev.de Deutsche Gesellschaft für Humangenetik (GfH) Berufsverband Deutscher Humangenetiker (BVDH) Die molekularzytogenetische Methode (ISH; zumeist Fluoreszenz-in situ- Hybridisierung, FISH) ermöglicht unter anderem den Nachweis von chromosomalen Aberrationen, die mit den üblichen zytogenetischen Techniken nicht erfasst werden Bzw. strukturell nicht eindeutig bestimmt werden können. Sie erlaubt zudem schnelle Aussagen, ob bestimmte Gene oder Regionen vorhanden sind und ob Aneusomien oder Lageveränderungen vorliegen. Die mittels ISH nachgewiesenen Regionen sind typischerweise deutlich kleiner als mittels der zytogenetischen Labordiagnostik erfassbar, jedoch wesentlich größer als mit molekulargenetischen Methoden darstellbar. Die Sonderstellung zwischen der Zytogenetik einerseits und der Molekulargenetik andererseits eröffnet der ISH ein weites diagnostisches Anwendungsgebiet. Diese Leitlinie formuliert grundsätzliche Qualitätsforderungen an die durchführenden Laboratorien. Sie orientiert sich an den bestehenden Leitlinien zur humangenetischen Labordiagnostik in Deutschland und den geltenden Weiterbildungsrichtlinien. Für den Einsatz der ISH in der Tumorzytogenetik, in der Interphasediagnostik an unkultivierten Amnionzellen ( pränataler Schnelltest ) sowie Array-CGH basierender Verfahren und MLPA liegen gesonderte Leitlinien vor bzw. werden derzeit erarbeitet. Gegenstand der hier vorliegenden Leitlinie sind kommerzielle und selbst hergestellte Mikrodeletions-, Subtelomer-, Zentromer-, Teilchromosomen- (pcp-), Ganzchromosomen-(wcp-), Multiplex-FISH- (M-FISH)/Spectral Karyotyping (SKY-), FISH-Bänderungs- (mband/mcb-) und ähnliche Sonden sowie reverse FISH angewandt auf Metaphaseplatten und/oder Interphasekernen. 1. Indikationsstellung Jede molekularzytogenetische Labordiagnostik im Rahmen medizinischgenetischer Fragestellungen bedarf der ärztlichen Indikationsstellung. Sie muss mit dem Angebot einer genetischen Beratung durch einen für genetische Beratung qualifizierten Arzt * verbunden sein. Die Inanspruchnahme der Untersuchung und der genetischen Beratung durch die betroffene Person (den Patienten bzw. Ratsuchenden, im Folgenden immer Patient genannt) ist freiwillig. 2. Einwilligung Die molekularzytogenetische Labordiagnostik setzt das aufgeklärte Einverständnis des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters sowie die Einhaltung der für ärztliche Maßnahmen geforderten Rahmenbedingungen (Aufklärungspflicht, Schweigepflicht, Datenschutz etc.) voraus. Die Einwilligung nach Aufklärung sollte schriftlich dokumentiert werden. Der Patient kann jederzeit die Einstellung der Untersuchung verlangen. Aufgrund der besonderen Stellung der ISH-Labordiagnostik zwischen der Zytogenetik und der Molekulargenetik liegt die Einwilligung in die Untersuchung auch dann vor, wenn die ISH innerhalb einer lege artis durchgeführten zytogenetischen oder molekulargenetischen Diagnostik zusätzlich erfolgt. Vorsitzender Prof. Dr. med. André Reis, Erlangen Stellvertretende Vorsitzende Prof. Dr. med. Olaf Riess, Tübingen Prof. Dr. med. Evelin Schröck, Dresden Schatzmeisterin Prof. Dr. rer. nat. Iris Bartels, Göttingen Schriftführerin Prof. Dr. rer. nat. Christine Zühlke, Lübeck Wissenschaftlicher Beirat Prof. Dr. rer. nat. Gudrun Rappold, Heidelberg Prof. Dr. med. Jürgen Kohlhase, Freiburg Prof. Dr. med. Michael Speicher, Graz Prof. Dr. med. Klaus Zerres, Aachen (Tagungspräsident 2009) Prof. Dr. med. Andreas Gal, Hamburg (Tagungspräsident 2010) Adresse des Vorsitzenden Institut für Humangenetik Universität Erlangen-Nürnberg Schwabachanlage 10 91054 Erlangen Tel. 0049 (0)9131-85 22318 Fax 0049 (0)9131-85 23232 reis@humgenet.uni-erlangen.de Geschäftsstelle Dr. rer. biol. hum. Christine Scholz Inselkammerstr. 5 82008 München-Unterhaching Tel. 0049 (0)89-61 45 69 59 Fax 0049 (0)89-55 02 78 56 organisation@gfhev.de gfh Bankverbindung Deutsche Apotheker- und Ärztebank Konto Nr. 0 006 456 030 BLZ 300 606 01 IBAN DE68 3006 0601 0006 4560 30 BIC DAAEDEDD Vereinsregister München VR 12341 * Im Text werden Bezeichnungen wie Arzt, Patient, etc. einheitlich und neutral für Ärztin und Arzt sowie Patientin und Patient verwendet.

3. Genetische Beratung (siehe hierzu auch Leitlinie Genetische Beratung) 3.1 Bei der molekularzytogenetischen Labordiagnostik zur Absicherung klinischer Verdachtsdiagnosen sollte nach Erhebung eines auffälligen Befundes dem Patienten bzw. dem gesetzlichen Vertreter eine genetische Beratung durch einen für genetische Beratung qualifizierten Arzt angeboten werden. Die anfordernde oder untersuchende Stelle sollte die Möglichkeit zur genetischen Beratung sicherstellen. Besteht Unklarheit darüber, ob ein Beratungsangebot besteht, sollte die untersuchende Stelle die anfordernde Stelle über entsprechende Möglichkeiten informieren. 3.2 Eine genetische Beratung muss bereits vor der Untersuchung angeboten werden, insbesondere dann wenn es sich um die Untersuchung einer klinisch gesunden Person handelt, bzw. wenn der Befund für die Familienplanung des Patienten oder für dessen Angehörige von Bedeutung sein könnte. 3.3 Dem Patienten bleibt anheim gestellt, die Familienangehörigen auf die Möglichkeit oder Notwendigkeit einer molekularzytogenetischen Diagnostik hinzuweisen. Eine aktive Beratung (Information der Angehörigen durch den Arzt) darf nicht erfolgen. 4. Untersuchung von Kindern und Jugendlichen (siehe hierzu auch Leitlinie Genetische Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen) Die Untersuchung klinisch gesunder Minderjähriger setzt in der Regel deren Einwilligungsfähigkeit voraus. Eine Ausnahme kann dann gesehen werden, wenn sich aus dem Befund unmittelbare Konsequenzen hinsichtlich präventiver oder therapeutischer Maßnahmen für die untersuchte Person ergeben. 5. Herkunft und Qualität von Untersuchungsproben Zur Untersuchung sollten nur Proben angenommen werden, deren Art und Herkunft eindeutig bezeichnet sind. Dies schließt eine eindeutige Identifizierung des Patienten mit ein. Wenn Zweifel an der Herkunft und Qualität des zur Untersuchung eingeschickten Materials bestehen, muss das molekularzytogenetische Labor den Einsender hierauf sowie auf die hierdurch eingeschränkte Sicherheit der diagnostischen Aussage schon vor Durchführung der Diagnostik hinweisen. 6. Untersuchungsvoraussetzungen Jede ISH-Diagnostik ist nach Möglichkeit zusammen mit einer Chromosomenanalyse durchzuführen. Jedoch sind Fälle ausgenommen, in denen bereits ein Chromosomenbefund vorliegt, welcher den aktuellen Anforderungen für Chromosomenbefunde entspricht. Für die ISH im Rahmen von zytogenetisch (sub)mikroskopischen oder molekularen Fragestellungen (z.b. chromosomale Mikrodeletion) sollte der Untersuchungsauftrag eindeutig benannt sein. Für die ISH bei einer zytogenetisch fraglichen oder bereits gesicherten Chromosomenveränderung sollten folgende Unterlagen vorliegen: der nach gültiger ISCN-Nomenklatur definierte Karyotyp, Karyogramme bzw. Abbildungen bereits erfolgter Zusatzuntersuchungen in geeigneter Auflösung (nach Möglichkeit zwei); klare Fragestellung bzw. klares Untersuchungsziel. 7. Umfang der Untersuchung Der Umfang der molekularzytogenetischen Laboruntersuchung sollte der jeweiligen Fragestellung angemessen sein. Speziell für lokusspezifische Untersuchungen (z.b. Mikrodeletionen) wird zudem das Mitführen einer Kontrollsonde empfohlen, die als methodische- und/oder auch als Auswertungskontrolle dient (z.b. Zentromersonde des zu untersuchenden Chromosoms). 8. Auswertungen 8.1 Pro DNA-Sonde sollen eine der Fragestellung entsprechende Anzahl von eindeutig für alle gleichzeitig eingesetzten Sonden beurteilbaren Metaphasen

analysiert werden. Dies sind mindestens 5, z.b. bei Abklärung einer ggfs. balancierten Aberration einer gesunden Person mit Down-Syndrom (oder unklarer Behinderung) in der Familie. Mindestens 5-10 Metaphasen sollten bei Verdacht auf eine definierte Aberration (Mikrodeletion oder Subtelomerscreening) untersucht werden. Bei möglicherweise vorliegendem Mosaik ist die Zahl der ausgewerteten Zellen angemessen zu erhöhen (z.b. Eltern von Kind mit Mikrodeletion oder Markerchromosom). Bei der Mosaikauswertung kann ein Teil der Metaphasen durch Interphasen ersetzt werden. 8.2 Eine alleinige Diagnostik an Interphasekernen sollte nur als ergänzende Abklärung von Anomalien erfolgen, die bereits zytogenetisch oder molekularzytogenetisch erkannt wurden (z.b. weiterführende Untersuchung an unkultivierten Fruchtwasserzellen nach Erfassung eines Pseudomosaikes in kultivierten Zellen, niedriggradige Gonosomenmosaike im Blut, Überprüfung eines Gonosomenmosaiks in der Mundschleimhaut). Hier sollten mindesten 50 Interphasekerne analysiert werden. In der Interphasediagnostik müssen die laborinternen Grenzwerte (cut off) für unauffällige bzw. auffällige Befunde pro Sonde und Zelltyp ermittelt und dokumentiert werden; dies gilt sowohl für kommerzielle als auch selbst hergestellte Sonden. Insbesondere bei selbst hergestellten Sonden müssen deren Spezifität und Sensitivität vor Anwendung auf Patientenmaterial getestet und dokumentiert werden. Liegt ein Ergebnis im cut off Bereich der Sonde, wird empfohlen die Anzahl untersuchter Kerne zu verdoppeln und dies im Befund zu diskutieren. Können die o.g. Richtwerte nicht erreicht werden, muss im Befundbrief auf die eingeschränkte Aussagekraft hingewiesen werden. Bei unzureichender Hybridisierungsqualität ist die Untersuchung zu wiederholen. Wenn ein Ergebnis nicht eindeutig zu interpretieren ist, muss es mit einer alternativen Sonde untersucht werden bzw. im Befund diskutiert werden. 8.3 Zum Nachweis einer Mikroduplikation mittels ISH,müssen grundsätzlich Interphasekerne mit in die Auswertung einbezogen werden (DNA-Dekondensation im Interphasekern macht Mikroduplikationen in den meisten Fällen erst sichtbar) und/oder alternative molekulargenetische Methoden (z.b. qpcr) zur Bestätigung durchgeführt bzw. im Befundbrief auf Möglichkeiten der Überprüfung hingewiesen werden. 9. Wissenschaftlich begründete humangenetische Beurteilung Die Befunderstellung einer molekularzytogenetischen Diagnostik bedarf einer wissenschaftlich begründeten Beurteilung. Sie sollte eine an der diagnostischen Fragestellung des Einzelfalls orientierte Interpretation des Befundes und eine Stellungnahme zu seiner klinischen Bedeutung enthalten. Im Einzelnen sollte die schriftliche humangenetische Beurteilung eines molekular-zytogenetischen Befundes Folgendes enthalten: - Seitenzahl und Gesamtseitenzahl; - Name und Adresse des untersuchenden Labors sowie Name des verantwortlichen Leiters; - Name und Adresse des anfordernden Arztes, der Klinik, des Instituts etc.; - Befunddatum; - Name und Geburtsdatum, Labornummer und Aktenzeichen zur eindeutigen Identifizierung der untersuchten Person bzw. Probe; - Art des eingesandten Untersuchungsmaterials (z.b. Heparinblut, Fruchtwasser, Chorion; als Zellsuspension, aufgetropfter und/oder entfärbter Objektträger oder Primärmaterial); - Materialeingangsdatum und Entnahmedatum, wenn bekannt; - ggf. Aktennummer des anfordernden Arztes; - Untersuchungsauftrag bzw. Indikation; - Kennzeichnung auswärtig erhobener Vorbefunde mit Angabe des entsprechenden Labors; - für die verwendeten DNA-Sonden den exakten Namen (z.b. Produktname des Herstellers), Hersteller bzw. Referenz, detektierte molekulare Zielsequenzen (Loci, Gene, Marker), chromosomale Lokalisation und Anzahl der untersuchten Metaphasen und/oder Interphasekerne. Bei Pränatalfällen Anzahl der Kulturen bzw. bei in situ Kultur Anzahl der Klone. Im Fall der Verwendung von selbst hergestellten Sonden sollten die detektierten

Zielsequenzen so benannt sein, dass sie mit einem üblichen Human Genome Browser (Ensembl, NCBI, UCSC) darstellbar sind. Im Fall der Verwendung von hauseigenen Methoden sollen die methodischen Einschränkungen (z.b. Genauigkeit der Ergebnisse) so benannt werden, dass sie ohne Literaturstudien verstanden werden; - Karyotyp nach ISH in der gültigen ISCN-Fassung - in der Regel ohne Berücksichtigung von Polymorphismen (wenn diese nicht Gegenstand der ISH-Untersuchung sind), und sofern dies nicht praktikabel oder unübersichtlich ist, kann ergänzend oder ersatzweise eine andere Darstellungsform (z.b. Tabelle) in Anlehnung an die ISCN gewählt werden; - möglichst pro Sonde, sofern unpraktikabel aber für jedes relevante Teilergebnis, soll der Untersuchungsakte, nach Ermessen ggf. auch dem Befund eine repräsentative und beschriftete Aufnahme nach ISH beiliegen; - kurze verbale Beschreibung des Ergebnisses wie im Mikroskop gesehen; - Interpretation des Ergebnisses mit Stellungnahme zum klinischen Bezug, einschließlich Hinweisen auf die methodischen Grenzen der Untersuchung und mögliche weiterführende Diagnostik sowie ggf. der Hinweis auf die weiterführende Studien an weiteren Angehörigen (z.b. Elternuntersuchung); - insbesondere bei auffälligen Befunden muss eine Empfehlung zur Mitteilung der Ergebnisse im Rahmen einer humangenetischen Beratung erfolgen; - im Befund sollte ein Hinweis auf eine eventuell erfolgte vorläufige Befundmitteilung (z.b. telefonisch oder per FAX) enthalten sein; - Unterschrift aller maßgeblich an der Befunderstellung beteiligten Ärzte/ Naturwissenschaftler. 10. Archivierung Objektträger sollten mindestens 1 Jahr gelagert werden, bzw. bis zur Geburt des Kindes im Falle einer Pränataldiagnostik). Mindestens zwei repräsentative Meta- bzw. Interphaseaufnahmen müssen längerfristig archiviert werden. Im Falle digitaler Aufnahmen sollen neben den Bildausdrucken die unveränderten elektronischen Rohdaten einschließlich einer Sicherheitskopie ( Backup ) auf einem zusätzlichen Datenträger gespeichert werden. Die für die Befunderhebung relevanten Dokumente sind so zu archivieren, dass eine spätere Überprüfung des Befundes erfolgen kann. Die Dauer der Aufbewahrung aller Unterlagen und Dokumentationen unterliegt den gesetzlichen Bestimmungen zur Aufbewahrung medizinischer Unterlagen. 11. Personelle Voraussetzungen Um eine ausreichende Qualität der Befunderhebung zu garantieren, sollte eine hinreichende quantitative und qualitative personelle Ausstattung des Labors gewährleistet sein. 11.1 Für die technische Durchführung und die Erstellung des Befundes sollte ein entsprechend qualifizierter Naturwissenschaftler (Fachhumangenetiker/in GfH/GAH * ) oder ein entsprechend qualifizierter Arzt (Facharzt für Humangenetik, Zusatzbezeichnung Medizinische Genetik) verantwortlich sein. Die Indikationsstellung obliegt dem anfordernden Arzt. Für die medizinische Beurteilung des Befundes ist ein qualifizierter Arzt verantwortlich. 11.2 Die technischen Mitarbeiter sollten eine für ihre Tätigkeit hinreichende Qualifikation und Berufserfahrung haben. Es sollten schriftliche Arbeitsplatzbeschreibungen und Einarbeitungspläne vorliegen. 11.3 Der Laborleiter ist für die kontinuierliche Fortbildung des Personals verantwortlich. 12. Räumliche und apparative Voraussetzungen, Probenzahl 12.1 Die Arbeitsräume sollten für Laborarbeiten geeignet sein. Es ist Sorge dafür zu tragen, dass nicht autorisierte Personen keinen Zugang hierzu haben. Zur Verhinderung von Unfällen und arbeitsplatzbedingten Erkrankungen müssen die Arbeitsplätze entsprechend den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen ausgestattet sein. * Gesellschaft für Humangenetik/Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik

12.2 Alle wichtigen Laborgeräte sollten in doppelter Ausführung vorhanden sein. Soweit dies nicht möglich ist, sollte ein schriftlicher Plan vorliegen, wie im Falle eines Geräteausfalls zu verfahren ist, um eine Weiterverarbeitung der Proben im vorgesehenen Zeitraum zu gewährleisten. Für wesentliche diagnostisch verwendete Geräte sollten Bedienungsanleitungen vorliegen. 12.3 Für die Pränataldiagnostik sollten zur getrennten Kultivierung der beiden Zellkulturansätze wenigstens 2 Inkubatoren zur Verfügung stehen. 12.4 Die optische Analyse und elektronische Bildverarbeitung sollte mit einer ausreichenden Auflösung und mit ausreichender Wiedergabemöglichkeit erfolgen. Alternativ zur elektronischen Bildverarbeitung kann eine photomikroskopische Dokumentation erfolgen. Dabei sollte sichergestellt sein, dass eine Karyotypbewertung auch nach mehrjähriger Aufbewahrung möglich ist. 12.5 Um nach Etablierung einer Untersuchungstechnik in einem Labor die notwendige Expertise zur Aufrechterhaltung der Untersuchungsqualität zu sichern, ist eine Mindestzahl von Untersuchungen pro Jahr erforderlich. Diese sollte entsprechend den Empfehlungen der E.C.A. eine Probenzahl von durchschnittlich 100/Jahr Untersuchungsbereich (z. B. pränatal, postnatal) nicht unterschreiten. 13. Qualitätssicherung 13.1 Interne Qualitätssicherung. Das Labor sollte für alle Untersuchungsverfahren über schriftliche Arbeitsanweisungen verfügen, die dem internationalen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Die Abläufe im Labor sind so zu organisieren, dass die Möglichkeit einer Probenvertauschung minimiert wird. In allen Untersuchungsgängen sind je nach Notwendigkeit - geeignete positive bzw. negative Kontrollmaterialien mitzuführen, die die Spezifität der Untersuchung sicherstellen können. 13.2 Externe Qualitätssicherung. Das Labor sollte an allen für sein diagnostisches Spektrum relevanten externen qualitätssichernden Maßnahmen (Ringversuchen) regelmäßig teilnehmen. 14. Qualifikationen Zu den Voraussetzungen für die selbständige und verantwortliche Erstellung molekularzytogenetischer Befunde und Gutachten zählen die entsprechende Qualifikation (Facharzt für Humangenetik, Zusatzbezeichnung Medizinische Genetik, Fachhumangenetiker GfH/GAH) und der Nachweis einer mindestens zweijährigen Tätigkeit auf diesem Gebiet. 15. Das Labor muss einschlägige Regelungen und Auflagen des Gewerbeaufsichtsamtes und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege einhalten. Literatur ISCN (2009): An International System for Human Cytogenetic Nomenclature, L.G. Shaffer, M.L. Slovak, L.J. Campbell (eds); S. Karger, Basel 2009 Sammlung aller relevanten Leitlinien und Stellungnahmen: http://www.gfhev.de/de/leitlinien/gfh.htm?submit2=liste+anzeigen http://www.bvdh.de/public.php?id=2&phpsessid=4797bdc1f0dc421d336b78dd30658ef9 http://www.eurogentest.org/laboratories/info/public/unit1/guidelines/cytogenetics/index. Sammlung verbreiteter Genome Browser: Ensembl Human Genome Browser: http://www.ensembl.org/homo_sapiens/ NCBI Human Genome Browser: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ UCSC Human Genome Browser: http://genome.ucsc.edu/cgi-bin/hggateway

Verfahren zur Konsensbildung Die Erstellung der vorangegangenen Version dieser Leitlinie erfolgte unter Beteiligung folgender Institutionen und Personen: Kommission Qualitätssicherung Zytogenetik des BVDH (Sprecher: Prof. Dr. med. Karsten Held, Hamburg); Sektion Molekulare Zytogenetik (federführend) (PD Dr. med. Oliver Bartsch); Zytogenetik_Kommission der GfH (Sprecher: Prof. Dr. rer. nat. Konstantin Miller, Hannover; Prof. Dr. rer. nat. Bernd Eiben, Oberhausen; PD. Dr. rer. nat. Barbara Fritz, Marburg; Prof. Dr. med. Wolfram Henn, Homburg) Erstveröffentlichung: medgen 16 (2004) 358-359 Verabschiedung der aktualisierten Version durch Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e.v. (GfH) Vorsitzender Prof. Dr. André Reis Institut für Humangenetik, Universität Erlangen Berufsverband Deutscher Humangenetiker e.v. (BVDH) Präsident Dr. Bernt Schulze, Hannover Leitlinien-Kommission der GfH und des BVDH Prof. Dr. Manfred Stuhrmann-Spangenberg, Hannover (Sprecher) PD Dr. Barbara Fritz, Marburg Dr. Dieter Gläser, Neu-Ulm PD Dr. rer. nat. / med. habil. Thomas Liehr, Jena 1. Überarbeitung: 2009 durch die Leitlinienkommission unter Mitwirkung von: Dr. rer. nat. Anja Weise, Jena (federführend) PD Dr. rer. nat. / med. habil. Thomas Liehr, Jena PD Dr. rer. nat. Barbara Fritz, Marburg Dr. rer. nat. Schubert, Köln Dr. rer. biol. hum. Susann Neubauer, Nürnberg Die 2. Überarbeitung: im Online-Review-Verfahren: 13.2.-13.4.2009 durch GfH-Mitglieder Verabschiedung: 29.9.2009 durch den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik Überprüfung geplant: September 2014 Zitierhinweis: medgen 21 (2009) Heft 4 im Druck