Nachhaltige Landwirtschaft flächendeckend überfällig Imkerei und Naturschutz in einem Boot Prof. Dr. Hubert Weiger BUND Naturschutz in Bayern e.v. Starnberg, 26. Januar 2017 1
LANDWIRTSCHAFT - HAUPTVERURSACHER VON NATURGEFÄHRDUNG UND UMWELTBELASTUNG 2
ARTENSTERBEN IN DER AGRARLANDSCHAFT Dramatische Verarmung an Biodiversität in der offenen Agrarlandschaft Selbst Bestäubungsfunktionen brechen zusammen. (z.b. Bienen) Foto: Dagmar Semet-Kreuz/pixelio 3
ARTENSCHWUND IN DER AGRARLANDSCHAFT Bsp. Vögel: Quelle: nabu.de Quelle: naturfotografen-forum.de 4
AKTUELLE WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN Gefahren durch Pestizide: Pestizide töten Vögel durch Nahrungsentzug 5
DAS PFLANZENSCHUTZGESETZ UND MÄNGEL IN DER PESTIZIDANWENDUNG Kritik an der Zulassungsprüfung Kombinationswirkungen zwischen verschiedenen Pestiziden werden kaum berücksichtigt, haben aber enorme Wirkungen Subletale Wirkungen meist unzureichend untersucht Unzureichende Untersuchungen auf sogenannte Nichtzielorganismen Die Pestizidindustrie forscht für die Zulassung selbst und reicht Unterlagen ein, danach: Geheimhaltung der Zulassungsunterlagen 6
ERFAHRUNGEN VON PROF. MENZEL.. 7
DAS PFLANZENSCHUTZGESETZ UND MÄNGEL IN DER PESTIZIDANWENDUNG Kritik an der Anwendung UBA (2006) Verdeckte Feldbeobachtung: 50 Prozent Falschund Fehlanwendungen in der Landwirtschaft Mehrfache Applikationen von verschiedenen Pestiziden während einer Fruchtperiode (über Zulassung kaum abgedeckt) Behörden kontrollieren kaum bis nicht den Einsatz von Pestiziden (insbes. bei Ausbringung einer auf befestigten Flächen). Vertrauen auf die Zulassung bezüglich von Auswirkungen auf Biodiversität = unberechtigt 8
AKTUELLE WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN Gefahren durch Insektizide: Neonikotinoide Neonikotinoide sind Insektizide die als Nervengift wirken. Sie werden angewendet zur Saatgutbehandlung von Kulturpflanzen wie Raps und Mais Metastudie: sind langlebiger als gedacht, Boden und Wasser sind in Gefahr. Die Abbauprodukte sind teilweise gefährlicher als die Wirkstoffe. Symptome: Störung Geschmackssinn und Erinnerungsvermögen, Fruchtbarkeit, Fressverhalten und Nahrungsaufnahme, Futtersuche, Flugstörungen, Immunsystem. Stärkste und chronische Wirkung bei Insekten. 9
AKTUELLE WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN GEFAHREN DURCH INSEKTIZIDE: NEONIKOTINOIDE TÖTEN INSEKTEN Französisches Forscherteam um Michael Henry (2012): Gebräuchliche Anwendung von Neonikotinoiden gefährdet die Bienen in ihrer Orientierungsfähigkeit. Sie finden nicht zu ihrem Stock zurück. Dabei kann eine Kolonie kollabieren. Englische Forschergruppe der Universität Sterling (2012): Spritzen von Imidacloprid in üblichen Konzentrationen in eine Hummelkolonie. Das Koloniewachstum und die Fruchtbarkeit der Königin wurden gestört. 10
AKTUELLE WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN GEFAHREN DURCH INSEKTIZIDE: NEONIKOTINOIDE STÖREN ORIENTIERUNGSVERMÖGEN Forscherteam um Randolf Menzel, FU Berlin (2014) Bienen orientieren sich nach dem Sonnenkompass und entwickeln für Flugrouten rund um den Bienenstock eine innere Landkarte. Sprüht man die Neonikotinoide (Imidacloprid, Clothianin, Thiacloprid) in üblichen Dosen auf Wildbienen und Hummeln, stört dieses Lern- und Kommunikationsfähigkeiten. 11
BUND SIEGT GEGEN BAYER BUND siegt im März 2015 im Gerichtsverfahren gegen BAYER Das Neonikotionoid Thiacloprid darf jetzt als bienengefährlich bezeichnet werden Eigenes BAYER Logo = bienenfreundlich = Verbrauchertäuschung 12
AKTUELLE WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN Gefahren durch Pestizide: Pestizide schädigen Immunsystem der Bienen Bee Research Laboratory Beltsville (Maryland, USA) (2013): Analyse von 19 Pollenproben: In einer Probe wurden 21 verschiedene Pestizide gefunden. Zwei Substanzen überschritten sogar die letale Dosis. Verfütterung der pestizidhaltigen Pollen an Bienen führte zu Erkrankungen und erhöhtem Parasitenbefall. Am schlimmsten schnitten die Anti- Milbenmittel ab. Sie schwächten bei Verfütterung die Abwehrkraft der Bienen. 13
TOTALHERBIZID GLYPHOSAT - - Europaweit im Urin von Großstädtern Europaweiter BUND + FoE-Test: Urinproben von Großstädtern ohne Berufsbezug auf Glyphosat getestet (Juni 2013). Glyphosat wird in der Landwirtschaft flächendeckend und in großen Mengen eingesetzt. Platz 1 Malta, Platz 2 Deutschland und Polen 70 Prozent aller Proben Nach diesen Test kamen viele unabhängige Analysen zu gleichen Ergebnissen. 14
GLYPHOSAT (AMPA) Meisteingesetztes Breitband-herbizid (in Deutschland auf 39 % der Ackerflächen ca. 4,3 Mio. ha ausgebracht) Keimschädigend (Embryonal- und Plazentazellen) Hormonell wirksam (Beeinflussung Testosteronspiegel) Genotoxisch (erhöthes Krebsrisiko) Wirkt auf die Symbiontenflora im Darm von Rindern (zerstört Antogonisten der Clostridien Folge: Chronischer Botulismus) 15
AKTUELLE WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN: Gefahren durch Pestizide: Störung ökosystemarer Gewässerfunktionen Umweltforschungszentrum Leipzig (UfZ) (2011; 2013) Studie Flüssen (Elbe, Donau, Schelde, Llobregat): Pestizide sind ein größeres Problem als angenommen. 38 % der Pestizide kommen in Konzentrationen vor, bei denen Wirkungen auf Organismen nicht mehr auszuschließen sind. Artenvielfalt in Gewässern wird drastisch reduziert: Ganze Artengruppen verschwinden (Stein-, Köcher, Eintagsfliegen, ) Grund EU-Zulassungsverfahren für Pestizide basieren auf unzureichenden Bewertungsmodellen. (Uni Landau 2012) 16
NATIONALER AKTIONSPLAN ZUR NACHHALTIGEN ANWENDUNG VON PESTIZIDEN OHNE ERFOLGSAUSSICHTEN BUND; PAN, DBIB sind ausgestiegen Am 10. April 2013 wurde der Nationale Aktionsplan zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (NAP) von der Bundesregierung verabschiedet und danach im Bundesanzeiger veröffentlicht. Umwelt-, Verbraucher und Imkerverbände beteiligten sich lange Zeit an dem Prozess und erarbeiteten kritische Stellungnahmen. Im November 2011 kündigten sie dem Bundesministerium die Zusammenarbeit auf und verließen den Prozess. Ihre Anregungen wurden kaum berücksichtigt. Außerdem fühlten sich als "grünes Feigenblatt" missbraucht: festgelegte Reduktionsziele zum Einsatz von Pestiziden sind zu niedrig angesetzt Grundlegende Begriffe nicht klar definiert. (auf "notwendiges Maß" reduzieren?) es fehlen konkrete Ansätze zum Schutz der Biologischen Vielfalt: Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von Pestiziden und den Auswirkungen auf Tier- und Pflanzenwelt werden außer Acht gelassen. Formulierungen zum Gewässerschutz sind vollkommen unzureichend. 17
AUSRÄUMUNG DER FELDFLUR 18
Wir brauchen Fruchtfolgen statt Maismonokulturen Impressionen aus dem Lks Rottal Oktober 2016 19 19
Bund Naturschutz in Bayern ZUKUNFTSFÄHIGE RAUMNUTZUNG AUS SICHT DES BUND NATURSCHUTZ Reduzierung des FLächenverbrauches auf 0 ha/jahr 20
LEITBILD DES BUND NATURSCHUTZ Naturverträgliche Landwirtschaft! LEITBILD DES BUND NATURSCHUTZ: Multifunktionale, bäuerliche und ökologische Landwirtschaft, die ökologisch intakte Kulturlandschaften prägt, Arbeitsplätze schafft und Tierschutzanliegen, sowie globale Entwicklungsfragen ernst nimmt! 21
GAP- UMSETZUNG IN DEUTSCHLAND ÖKOLOGISCHER UND SOZIALER GESTALTEN Mehr ökologische Vorrangflächen: von 5% auf 7% erhöhen Nur noch Landschaftselemente, Hecken, Blühstreifen, Ackerrandstreifen als ökologische Vorrangflächen erlauben Kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger auf ökologischen Vorrangflächen Zwischenfrüchte sind gute fachliche Praxis und sollten nicht als ökologische Vorrangflächen anerkannt werden 22
BEISPIEL GEWÄSSERRANDSTREIFEN? Quelle: Manfred Radke Quelle: Herbert Moritz 23
Moderne Energieerzeugung statt Mais Biomasse Integration statt Segregation: Mischkultur: schont Boden, bringt Vielfalt in die Landschaft und Ölerzeugung Ackerbohne-Erbse- Leindotter Hafer-Erbse-Leindotter-Gemenge 24
BIODIVERSITÄT BRAUCHT DEN SCHUTZ VOR PESTIZIDEN Pestizide sind zu einer Bedrohung des Ökosystems geworden - eine massive Reduktion des Einsatzes von Pestiziden ist notwendig. Kein Einsatz von Pestiziden in NATURA 2000 Gebieten Vogelschutzgebeiten Gebieten Kein Einsatz von Pestiziden auf ökologischen Vorrangflächen. Landwirtschaftsbehörden müssen in den Bundesländern den Pestizideinsatz endlich wirkungsvoll kontrollieren und Verstöße streng sanktionieren! Die Länder müssen ebenso dichte Kontrollen in den Kommunen aufbauen oder Kommunen auf Pestizide ganz verzichten! Wir brauchen dringend eine Reform der Pestizidzulassung. 25
GAP- UMSETZUNG IN DEUTSCHLAND ÖKOLOGISCHER UND SOZIALER GESTALTEN In Deutschland stehen jährlich Direktzahlungen im Wert von über 5 Mrd. Euro zur Verfügung. Von diesem Betrag werden 4,5 Prozent in die zweite Säule umgeschichtet (ca. 229 Mio. Euro). BUND Naturschutz fordert die mögliche Umschichtung von 15%, Beschluss muss bis 1.8.2017 im Bundestag gefasst werden 26
FORDERUNGEN ZUR REFORM DER GEMEINSAMEN AGRARPOLITIK NACH 2020 Förderpolitik grundlegend reformieren: öffentliche Gelder nur noch für klar definierte und zielführende gesellschaftliche Leistungen Pauschale Flächenprämie abschaffen Anreizkomponente einführen: nicht nur Mehraufwand oder Minderertrag ausgleichen, gesellschaftliches Handeln soll sich lohnen Marktordnung: Krisen vermeiden, Exportfixierung überwinden, Qualitätsstrategie voranbringen EU-weite Stärkung und Durchsetzung von Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzstandards 27