Logistik-Outsourcing Neue Wege in der Logistikkostensenkung Dr. Frank Wißkirchen Erschienen in: Logistik Heute, 6/1994, S. 76-80 Nachdem in den Produktionsbereichen der Unternehmen Kostensenkungs- und Rationalisierungsmaßnahmen weitgehend erkannt sind und ausgeschöpft werden, tritt in den Unternehmen verstärkt der Bereich Logistik in den Blickwinkel von Effizienzsteigerungsmöglichkeiten. Hierzu ist die gesamte Prozesskette der Logistik (vgl. Abb. 1) einer eingehenden Analyse zu unterziehen, um Kostensenkungspotentiale zu erkennen. Abb. 1: Logistikkette als Bindeglied zwischen Beschaffungs- und Absatzmarkt Neben Maßnahmen zur Bestandssenkung, Durchlaufzeitenverkürzung und Verbesserung des Lieferservices werden in jüngster Zeit verstärkt Entscheidungen über eine weitgehende Auslagerung von Logistik-Aktivitäten diskutiert, um sich verstärkt dem Kerngeschäft des Unternehmens zu widmen. Hierfür wurde der Begriff des "Outsourcing" geprägt, der eine Erweiterung der Entscheidungssituation Eigen- / Fremdbezug (Make-or-Buy) für den Logistikbereich kennzeichnet. Zusammengesetzt aus "Outside" und "Resourcing" bezeichnet (Logistik-) Outsourcing die vollständige oder teilweise Auslagerung von Aufgaben der Logistik an einen externen Dienstleister (EDL). Ging es bei bisherigen Make-or-buy-Entscheidungen überwiegend um den Fremdbezug standardisierbarer logistischer (Teil-) Aktivitäten, trennt sich beim Outsourcing ein Unternehmen von komplexen Bereichen seiner Logistikkette. Unter dem zunehmenden Wettbewerbsdruck in der Speditionsbranche weiteten die Speditionsunternehmen ihr Produktangebot von Standardleistungen der Make-or-Buy-Aktivitäten immer weiter aus, hin zu individuellen logistischen Systemlösungen (Full Service). 1) Diese Entwicklung, die in Abb. 2 dargestellt ist, bildet die Voraussetzung, um Logistik-Outsourcing realisieren zu können. 1) Vgl. Filz, B.; Fuhrmann, R., Marktgerechte Logistikdienstleistungen, Köln 1990, S. 219 ff. - 1 -
Abb. 2: Entwicklung vom Make-or-Buy zum Logistik-Outsourcing Konzeption des Logistik-Outsourcing Da es sich bei der Entscheidung für ein Logistik-Outsourcing um eine strategische Entscheidung mit Auswirkungen auf das Gesamtunternehmen handelt, bedarf es zu dessen Umsetzung eines detaillierten Outsourcing-Konzeptes. Bei dieser Konzeptionierung kann u.a. auf Erfahrungen mit Outsourcing-Konzepten in der Informations- und Kommunikationstechnologie zurückgegriffen werden. 2) Vor Durchführung eines Logistik-Outsourcing ist die Ausgangssituation zu analysieren. Für viele Unternehmen kann hiermit erstmals die Querschnittsfunktion Logistik hinsichtlich ihrer Leistungen und Kosten transparent gemacht werden, um die Frage zu klären, in welchem Umfang (z.b. Beschaffungs-, Lagerhaltungs-, Distributions-Outsourcing) Outsourcing durchgeführt werden kann. Bei der Festlegung der Zielsetzung wird die Aussicht auf Senkung der Logistikkosten eine wesentliche Motivation zur Umsetzung dieses Konzeptes sein. Darüber hinaus können aber noch weitere Ziele definiert werden, wie z.b. die Steigerung der Logistikeffizienz, die Verbesserung der Kostentransparenz und des Leistungscontrollings sowie das Aufbrechen gewachsener Strukturen. Neben weiteren konzeptionellen Überlegungen zu Beschaffungs- und Distributionsanforderungen, zu Wareneingang und Warenströme, zu Lagererfordernissen und Lagerungen oder zu Ablauf- und Organisationsstrukturen, bilden die Anforderungen an den Externen Dienstleister einen wesentlichen Schwerpunkt des Outsourcing- Konzeptes. Schließlich sind noch die mit Einführung eines Logistik-Outsourcing verbundenen Kosten zu ermitteln. 2) Bei dieser Konzeptionierung kann u.a. auf Erfahrungen mit Outsourcing- Konzepten in der Informations- und Kommunikationstechnologie zurückgegriffen werden. Vgl. hierzu stellvertretend Wilfried. H. (Hrsg.), Outsourcing - Modelle, Strategie, Praxis, Bergheim 1992 sowie Zundel, F., Outsourcing in Wirtschaft und Verwaltung, Speyer 1992. - 2 -
Der Externe Dienstleister als Outsourcing-Partner Stand für die früheren Make-or-buy-Entscheidungen der Logistik mit geringem Spezialisierungsgrad in der Regel eine große Auswahl an Anbietern aus dem Transportoder Speditionsgewerbe zur Verfügung, kennzeichnet das Logistik-Outsourcing einen sehr hohen Komplexitätsgrad, womit sich für die Suche nach dem Externen Dienstleister eine besondere Bedeutung ergibt. Hier kommen in erster Linie Unternehmen aus dem Bereich speditioneller Dienstleistungen in die Auswahl, deren Angebot über weitreichende logistische Systemleistungen verfügt. 3) Besonderes Augenmerk bei der Auswahl ist dabei auf die in Abb. 3 aufgeführten Faktoren zu legen. Abb. 3: Bedeutende Faktoren bei der Auswahl von Outsourcing-Partnern Die bei der Auswahl des EDL's aufzuwendende Sorgfalt weist auf den strategischen Charakter der Allianz zwischen Outsourcing-Unternehmen und EDL hin. Deren Grundlage bildet ein umfangreiches, schriftliches Vertragswerk, das nach intensiven vorbereitenden Detailgesprächen, Kostenvergleichen und abschließenden Verhandlungen über folgende allgemeine Vereinbarungen verfügen muss: Dienstleistungsumfang des Vertrages Haftungsfragen/Versicherung Leistung und deren Vergütung/Preisanpassung Laufzeit des Vertrages/vorzeitige Vertragsauflösung 3) Vgl. Portatius, B.v., Die Logistik-Märkte der Zukunft, in: Logistik im Unternehmen, 3/1992, S. 19. - 3 -
Darüber hinaus sind detaillierte Angaben über alle das Outsourcing betreffende Tätigkeiten erforderlich, damit der EDL seine Arbeitsweise im Detail festlegen kann. Ferner ist festzulegen, mit welchen Möglichkeiten die Leistungen des EDL's für das Unternehmen transparent zu machen sind und wie bei Konflikten zu verfahren ist. Hierzu ist ein EDL-Leistungscontrolling zu entwickeln, das neben einer Konfliktregelung sowohl die Überwachung der vertragsgerechten Leistungserfüllung gewährleistet und die Beobachtung der Wettbewerbssituation ermöglicht als auch eine Ausweitung des EDL-Einsatzes und die Aktualisierung der Verträge und Handbücher zulässt. Nachteile und Vorteile eines Logistik-Outsourcing Als Nachteile oder Risiken des Logistik-Outsourcing sind zuerst die Kosten der Implementierung zu nennen, die je nach Outsourcing-Umfang recht unterschiedlich ausfallen können. Dabei verteilen sich in der Regel jedoch höhere Kosten auf einen längeren Vertragszeitraum, da sich mit zunehmendem Outsourcing-Umfang auch die Vertragsdauer ausdehnen dürfte. Ein weiteres Risiko liegt ferner in dem Argument der Abhängigkeit vom EDL. In der Tat sollte die Umsetzung eines Logistik-Outsourcing für jene Unternehmen kritisch diskutiert werden, für die das eigene logistische Leistungspotential einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellt. Allerdings sollte auch geprüft werden, ob dieser Wettbewerbsvorteil zum einen von den Kunden überhaupt entsprechend wahrgenommen wird und zum anderen von der Konkurrenz nicht leicht zu kopieren und damit flüchtig ist. 4) Risiken, die mit dem Logistik-Outsourcing und den damit entstehenden logistischen Allianzen entstehen können, lassen sich jedoch minimieren durch: 5) kurze Laufzeit des ersten Vertrages mit anschließenden Optionen, zeitliche Entkoppelung von Vertrag und Gebührenvereinbarung, Beobachtung des Preis-/Leistungsverhältnisses der Mitbewerber des EDL's, Installation eines Konfliktmanagements, Datenschutzvorkehrungen. 4) Vgl. Bretzke, W.-R., Pro und contra Outsourcing von Logistikleistungen, in: Beschaffung aktuell, 6/1993, S. 39. 5) Vgl. Eierhoff, K., Gestaltungsregeln für Kooperationen zwischen Handel und logistischen Dienstleistern, in: Logistik im Unternehmen, 1/2/1992, S. 16. - 4 -
Die Vorteile und Chancen eines Logistik-Outsourcing beziehen sich zum einen, wie die Erfahrung aus erfolgreichen Outsourcing-Projekten zeigt, auf eine Kostenreduzierung von ca. 20-30 % in den ausgelagerten Dienstleistungsfunktionen. Zum anderen beziehen sich die Vorteile auf Verbesserungen auf Unternehmensebene wie z.b. Abbau von Fixkosten in der Logistik, Vermeidung bzw. Verringerung des Investitionsbedarfs, Verbesserung der Flächenausnutzung, Lieferung von effizienten Logistikkennzahlen, optimierte Problemlösung durch Kombination von eigenem Know-how und EDL. Fazit Vor dem Hintergrund der Erschließung von Kostensenkungspotentialen in der Logistik stellt die Entscheidung über ein Logistik-Outsourcing, d.h. der vollständigen oder teilweise Vergabe von Logistikleistungen des eigenen Unternehmens an Externe Dienstleister, eine interessante Alternative dar. Sie unterscheidet sich von bekannten Make-or-buy-Entscheidungen der Logistik vor allem durch die strategische Allianz mit einem logistischen Dienstleister. Diese enge Kooperation sowie die mit dem Outsourcing möglichen Risiken erfordern ein detailliertes Outsourcing-Konzept, bei dessen Aufstellung und Umsetzung die Erfahrung externer Berater genutzt werden sollte, damit die Vorteile des Logistik-Outsourcing zum Tragen kommen. Zusammenfassend gilt: Das Outsourcing funktioniert reibungslos bei gründlicher Vorbereitung, sorgfältiger Partnerauswahl und zuverlässiger Partnerschaft beider Seiten auf Basis detaillierter Verträge. Literatur: Bretzke, W.R., Pro und contra Outsourcing von Logistikleistungen, in: Beschaffung aktuell, 6/1993, S. 37-39. Eierhoff, K., Gestaltungsregeln für Kooperationen zwischen Handel und logistischen Dienstleistern, in: Logistik im Unternehmen, 1/2/1992, S. 16. Filz, B., Fuhrmann, R., Marktgerechte Logistikdienstleistungen, Köln 1990. Portatius, B.v., Die Logistik-Märkte der Zukunft, in: Logistik im Unternehmen, 3/1992, S. 14. Wilfried, H. (Hrsg.), Outsourcing-Modelle, Strategien, Praxis, Bergheim 1992. Zundel, F., Outsourcing in Wirtschaft und Verwaltung, Speyer 1992. - 5 -