Berlin, den 27.01.2014 (neue Konzessions-RL sowie Neuerungen in der klassischen Vergabe-RL und Sektoren-RL) Das EU-Parlament hat am 15.01.2013 den geänderten/neuen vergaberechtlichen Richtlinien zugestimmt. In Februar/März 2014 ist mit dem Inkrafttreten zu rechnen. Hiernach haben die Mitgliedstaaten in Bezug auf den überwiegenden Teil der Richtlinien eine Umsetzungsfrist von 24 Monaten. Im Folgenden werden die für die AöW wichtigen Punkte dargestellt. Gegenständlich sind die Änderungen in der Sektoren-Richtlinie und Vergabe- Richtlinie sowie die neue Konzessions-Richtlinie. In der politischen Diskussion stand vor allem die Konzessions-Richtlinie im Fokus. Es ist ein deutlicher Richtungswechsel erkennbar von dem was die EU-Kommission ursprünglich vorgeschlagen und mit der Konzessions-Richtlinie beabsichtigt hat zu den nun beschlossenen Richtlinien. Im Vorschlagstext der EU-Kommission in der einleitenden Begründung zur Konzessionsrichtlinie (KOM(2011) 897 endg. vom 20.12.2011, S. 2) war noch deutlich das Ziel zu erkennen, Public Private Partnership stärker fördern zu wollen: Ein angemessener Rechtsrahmen für die Konzessionsvergabe würde öffentliche und private Investitionen in Infrastrukturen und strategische Dienstleistungen bei einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis fördern. Die Kommission hob 2009 in ihrer Mitteilung Mobilisierung privater und öffentlicher Investitionen zur Förderung der Konjunktur und eines langfristigen Strukturwandels: Ausbau öffentlich-privater Partnerschaften hervor, dass eine Legislativinitiative im Bereich der Konzessionen zur Schaffung eines EU-Rahmens zur Förderung öffentlich-privater Partnerschaften beitragen könnte. Auch lautete es im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission (ebenda, Erwägungsgrund 11; jetzt im angenommen Text Erwägungsgrund 24): Um bei der Anwendung der Konzessionsvergabevorschriften in den Bereichen der Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste eine wirkliche Marktöffnung und ein angemessenes Gleichgewicht zu erreichen, dürfen die von der Richtlinie erfassten Einrichtungen nicht aufgrund ihrer Rechtsstellung definiert werden Im vom Europäischen Parlament angenommen Text vom 15.01.2013 ist diese Euphorie zumindest im Text nicht mehr durchgängig zu finden. Beschwichtigend heißt es nun in Erwägungsgrund 7: Seite 1 von 5
Ferner sollte diese Richtlinie nicht die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die soziale Sicherheit berühren. Auch sollte sie weder die Liberalisierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die öffentlichen oder privaten Einrichtungen vorbehalten sind, noch die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, die Dienstleistungen erbringen, nach sich ziehen. Es ging aber nicht nur um PPP und Privatisierung im Allgemeinen. Der ursprüngliche Entwurf der EU-Kommission hätte speziell auch Auswirkungen auf die kommunale Entscheidungskompetenz über die Organisation der Wasserversorgung gehabt. Im Ergebnis wurde nunmehr die Wasserversorgung aus der Konzessions-Richtlinie ausgenommen. In Artikel 12 Konzessions-RL heißt es ausdrücklich: 1. Diese Richtlinie gilt nicht für Konzessionen betreffend a) die Bereitstellung und das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, dem Transport oder der Verteilung von Trinkwasser, b) die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze. 2. Diese Richtlinie gilt außerdem nicht für Konzessionen, die einen oder beide der nachfolgend aufgeführten Gegenstände haben und die mit einer Tätigkeit nach Absatz 1 in Zusammenhang stehen a) Wasserbauvorhaben sowie Bewässerungs- und Entwässerungsvorhaben, sofern die zur Trinkwasserversorgung bestimmte Wassermenge mehr als 20 % der mit den entsprechenden Vorhaben beziehungsweise Bewässerungs- oder Entwässerungsanlagen zur Verfügung gestellten Gesamtwassermenge ausmacht, oder b) Abwasserbeseitigung oder -behandlung. Die Ausnahme für die Wasserwirtschaft bedeutet allerdings nicht, dass ein rechtsfreier Raum für willkürliche Entscheidungen geschaffen wurde. Es gelten nach wie vor die bisherigen Grundsätze des EU-Rechts, die insbesondere durch den EuGH in der Rechtsprechung konkretisiert wurden, also: Gleichbehandlung, Diskriminierungsverbot und Transparenz. Eine Konzessionsrichtlinie hätte letztlich in diesen Bereichen Verschärfungen gebracht und hätte bis in die öffentlichen Bereiche hineinreichen können. Insgesamt wäre der gesamte Wassersektor einer stärkeren Wettbewerbsorientierung unterworfen worden. Ein wichtiger Schritt zu Liberalisierung der Wasserwirtschaft wäre aus Sicht der EU-Kommission endlich geschaffen worden. Diesem Bestreben setzt die Konzessionsrichtlinie nunmehr einen deutlichen Riegel vor. So heißt es z.b. in Erwägungsgrund 40: Konzessionen in der Wasserwirtschaft unterliegen häufig spezifischen und komplexen Regelungen, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, da Wasser als öffentliches Gut für alle Bürger der Union von grundlegendem Wert ist Seite 2 von 5
Gegenüber der Wertung in Erwägungsgrund 1 WRRL mit Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss geht die Konzessions-RL nun weiter und erkennt Wasser als öffentliches Gut von grundlegendem Wert an. Gleichzeitig wird mit dieser Formulierung auf die Europäische Bürgerinitiative right2water Bezug genommen. Hierin lautete es direkt am Anfang des zu unterzeichnenden Textes Wasser ist ein Öffentliches Gut, keine Handelsware. Weitere Zugeständnisse in der Konzessions-Richtlinie finden sich im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltungsfreiheit und Privatisierung. In Artikel 2 Konzessions- RL ist nunmehr folgendes aufgenommen worden: Diese Körperschaften können wählen, ob sie ihre Aufgaben von öffentlichem Interesse mit eigenen Mitteln oder in Zusammenarbeit mit anderen Körperschaften erfüllen oder ob sie Wirtschaftsteilnehmer damit betrauen. 2. Diese Richtlinie berührt nicht die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten. Sie enthält insbesondere keinerlei Forderung nach Privatisierung öffentlicher Unternehmen, die öffentliche Dienstleistungen erbringen. Eingeschränkt werden die zuvor besagten Zugeständnisse jedoch durch Artikel 53 Konzessions-RL: Die Kommission prüft ferner die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ausschlüsse nach Artikel 12 auf den Binnenmarkt unter Berücksichtigung der besonderen Strukturen in der Wasserwirtschaft, und erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat bis [60 Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinie; ergibt sich aus Fn. zu Erwägungsgrund 84] darüber Bericht. Was darunter zu verstehen ist findet sich in Erwägungsgrund 84 Konzessions-RL: Die Kommission sollte die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt prüfen, die sich insbesondere im Hinblick auf Faktoren wie die grenzüberschreitende Vergabe von Aufträgen, die Beteiligung von KMU und Transaktionskosten aus der Anwendung der in dieser Richtlinie festgelegten Schwellenwerte und der Ausschlüsse nach Artikel 12 unter Berücksichtigung der besonderen Strukturen in der Wasserwirtschaft ergeben. Seite 3 von 5
Die Frist beginnt dem Wortlaut zu Folge mit Inkrafttreten der Richtlinie, also am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt (Art. 54 Konzessions-RL). Mit einer Überprüfung ist also bereits nach 5 Jahren zu rechnen. Das Thema ist insoweit nicht aufgehoben, sondern aufgeschoben. Ausnahmen für Interkommunale Zusammenarbeit Mit der ursprünglich vorgeschlagenen Konzessionsrichtlinie sowie der überarbeiteten Vergabe-RL und Sektoren-RL bestand außerdem die Gefahr, dass Kooperationsformen in der öffentlichen Wasserwirtschaft in Frage gestellt werden. Gemeint sind vor allem Formen der Interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) in Deutschland, die in Deutschland vorwiegend durch Ländergesetze geregelt werden. Auf EU-Ebene wurden die Formen der IKZ bisher durch die EuGH-Rechtsprechung zu sog. Inhouse- Vergaben oder zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit beurteilt. Sofern die vom EuGH entwickelten Kriterien bei Inhouse-Vergaben eingehalten wurden, waren die Regeln zur Auftragsvergabe oder die Grundsätze zu Dienstleistungskonzessionen nicht anzuwenden. Diese Kriterien wurden nunmehr in die neu beschlossenen Richtlinien aufgenommen. Für den Bereich der Dienstleistungskonzessionen sind insbesondere Formen der IKZ relevant, in der die Zuständigkeit für die Aufgabe auf ein anderes (gemeinsames) öffentliches Unternehmen übertragen wird (z.b. durch sog. Delegierende öffentlichrechtliche Vereinbarung, durch Gründung eines Zweckverbandes oder Anstalt öffentlichen Rechts). Für den Bereich Wasser findet zwar wie oben aus der Richtlinie zitiert die Konzessions-Richtlinie keine Anwendung, das heißt eine Konzession im Bereich Wasser muss nicht ausgeschrieben werden. Wenn eine Kommune aber eine Konzession für die Wasserversorgung ausschreiben will, finden die auch schon bisherigen geltenden allgemeinen Kriterien aus dem EU-Recht weiterhin Anwendung Gleichheit, Diskriminierungsverbot, Transparenz. Für die Formen der IKZ gelten weitergehende Ausnahmen soweit die Konzessions- Richtlinie doch Anwendung finden sollte, weil der Artikel 12 Konzessions-RL nicht greift, die sind in Artikel 17 Konzessions-RL (Konzessionen zwischen öffentlichrechtlichen Körperschaften) geregelt. Außerdem bestehen Ausnahmen in Artikel 13 Konzessions-RL (Konzessionsvergabe an ein verbundenes Unternehmen) und Artikel 14 Konzessions-RL (Konzessionsvergabe an ein Gemeinschaftsunternehmen oder an einen Auftraggeber, das/der an einem Gemeinschaftsunternehmen beteiligt ist). Wichtig ist schließlich der Hinweis auf Art. 10 Konzessions-RL, wonach die Konzessions-RL nicht für die Vergabe an einen öffentlichen Auftraggeber aufgrund eines ausschließlichen Rechts gilt. Relevant wird dies z.b. für den Abwasserbereich und der Übertragung der Aufgabenpflicht auf einen anderen öffentlichen Aufgabenträger. In diesem Fall greift der Wortlaut von Art 12 Konzessions-RL nicht, allerdings Art. 10 Konzessions-RL: (=> ausschließliches Recht). Dieses ausschließliche Recht wird dann an eine andere öffentliche Stelle übertragen. Seite 4 von 5
Für den Bereich der Auftragsvergabe, was bei Formen der IKZ relevant wird, in der lediglich zur Erfüllung/Erledigung ein anderes Unternehmen beauftragt wird, finden je nach Tätigkeitsbereich die Sektoren-Richtlinie oder die Vergabe-Richtlinie Anwendung. Wichtig ist, dass hier auch die Ausnahmen zu Inhouse-Vergaben oder öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit gelten. Relevant sind im Bereich der Sektoren-Richtlinie die Artikel 28 bis 30 und im Bereich der Vergaberichtlinie der Artikel 12. Die Ausnahmen für Inhouse-Vergaben und öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit sind recht umfangreich und werden an dieser Stelle nicht ausführlich dargestellt. Letztlich kommt es auf die Umsetzung in nationale Gesetze an. Für die nun folgende politische Arbeit ist es wichtig, dass die Umsetzung in Deutschland nicht schärfer ausfällt als in den Richtlinien vorgegeben. AöW-Geschäftsstelle Christa Hecht Dr. Durmus Ünlü Seite 5 von 5