Hitlers Griff nach Afrika

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Volker Koop Hitlers Griff nach Afrika Kolonialpolitik im Dritten Reich

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-8012-0538-6 Copyright 2018 by Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH Dreizehnmorgenweg 24, 53175 Bonn Lektorat: Dr. Annalisa Viviani, München Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang (Aachen) unter Verwendung der Karte»Europäische Kolonialbesitzungen«in Afrika von Eduard Gaebler, 1918 Satz: Kempken DTP-Service Satztechnik Druckvorstufe Mediengestaltung, Marburg Druck und Verarbeitung: CPI books, Leck Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany 2018 Besuchen Sie uns im Internet: www.dietz-verlag.de

Inhalt Einleitung 9 Die gescheiterte Episode als Kolonialmacht 14 Das Kolonialpolitische Amt unter Franz Ritter von Epp 25 Ohne Wehrmacht keine Kolonien 43 Der Reichskolonialbund 56 Der Reichskolonialrat 61 Der Kolonialstab Libyen 64 Die Arroganz der»herrenrasse«71»würdige Vertreter des Führers«84 Aus- und Fortbildung»Nach Afrika nur die Besten«88 Missgunst als Regierungsmodell 98 Nationalsozialismus und Kirche Eine ungeliebte Symbiose 118 Kulturzentren für die Deutschen 127 Kamerun Vorbild für Hitlers Kolonialfantasie 134

Die Sonderwege der SS Auf dem Sprung in Urwald und Wüste 138 Die Rolle der Frauen in den Kolonien 143 Wilhelm Vogt Ein Kolonialdeutscher 147 Das Kolonialministerium Ein Luftschloss 161 Der ausgeträumte koloniale Traum 164 Schlussbetrachtung 174 Anhang Walther Darré: Ostraumgedanke oder Rückforderung unserer Kolonien? 179 Kum a Ndumbe III: Afrika in der NS-Planung eines großgermanischen Reiches 185 Abkürzungen 192 Zitierhinweis 193 Anmerkungen 194 Archive 206 Ausgewählte Literaturhinweise 207 Bildnachweis 209 Personenregister 210

Politische Aufteilung des afrikanischen Kolonialraums, in: Beihefter von: Rudolf Karlowa: Deutsche Kolonialpolitik. Breslau 1939.

9 Einleitung Politisch, militärisch und wirtschaftlich aber vor allem moralisch lag Deutschland 1918/19 am Boden, und es dürfte nur wenige gegeben haben, die in dieser Situation an die Wiedergewinnung bzw. Rückeroberung der Kolonien gedacht haben. Mit der Schließung des Reichskolonialamts 1919 schien deutsche Kolonialpolitik ohnehin abgeschlossen zu sein. Denn im Zusammenhang mit dem Versailler Friedensvertrag hatte das Deutsche Reich die Kolonien, die es erst wenige Jahre zuvor größtenteils in Afrika in Besitz genommen hatte, verloren. Der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Vertrag legte fest, dass Deutschland sämtliche Kolonien aufgeben musste: Deutsch-Südwestafrika, Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika, die Südseegebiete Marshall-Inseln sowie als Pachtgebiet Kiautschou und Tsingtau. Dazu hieß es in Artikel 119:»Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und assoziierten Hauptmächte auf alle seine Rechte und Ansprüche bezüglich seiner überseeischen Besitzungen.«Der bis ins Detail gehende Vertrag annullierte gleichzeitig nahezu sämtliche Verträge, die Deutschland mit Übersee-Ländern geschlossen hatte. Doch dies waren nur zwei von zahlreichen für Deutschland schmerzlichen Punkten des Friedensvertrags, denn darin wiesen die Sieger dem Deutschen Reich die alleinige Kriegsschuld zu. Besonders das führte in Deutschland zu einer strikten Ablehnung des Vertrags, der nahezu von allen politischen Richtungen von der äußersten Rechten bis zu den Sozialdemokra-

10 Einleitung ten als»diktat«und»schandfriede«angesehen und scharf kritisiert wurde. Es gab aber auch wenigstens einen»kriegsgewinnler«: Hitler. Bereits 1923 meinte er, es sei Zeit, eine eigene Privatarmee aufzustellen. Behilflich war ihm Hauptmann Ernst Röhm aus dem Stab der Reichswehrdivision, der Verbindungen zu zahlreichen Wehrverbänden herstellte. Nun konnte die NSDAP einen Restbestand von 13.500 Braunhemden erstehen, die zu den Tropenuniformen der Kaiserlichen Armee gehört hatten. Am 26. Februar 1923 verordnete Hitler für die NSDAP und die SA das Braunhemd als verpflichtend. Da er nicht eingestehen konnte, dass er seine Armee mit Restposten einkleidete, überhöhte er das Braun zur Farbe der Erde: Braun symbolisiere die Verbundenheit der NSDAP mit dem deutschen Heimatboden. Wie in anderen Bereichen auch verstand es Hitler, Stimmungen im Volk aufzugreifen, zu verstärken und Verbündete zu finden, wie etwa den Pressezar Alfred Hugenberg. Schon im Parteiprogramm vom Februar 1920 hatte die NSDAP»Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres Bevölkerungsüberschusses«gefordert. Nach und nach stellte Hitler Bestimmungen des Versailler Vertrags infrage und propagierte Deutschlands Anspruch auf eigene Kolonien. Zu den am häufigsten hierfür vorgebrachten Argumenten gehörten die immer wieder behauptete Rohstoffknappheit und die vermeintliche»überbevölkerung«deutschlands.»das Recht auf Grund und Boden kann zur Pflicht werden, wenn ohne Bodenerweiterung ein großes Volk dem Untergang geweiht erscheint«, wurde Hitler noch im Kolonialen Jahrbuch 1941 zitiert. An der»fesselnden Enge und drangvollen Not«ändere auch nichts die Erweiterung des deutschen Raums in der Alten Welt. Denn, so Hitler:»Ohne koloniale Ergänzung ist unser Lebensraum zu klein, um eine ungestörte, ausreichende, dauernde Ernährung unseres Volkes sicherzustellen.«1 Binnen kurzer Zeit nach der Machtübernahme 1933 wurde aus der bisherigen Vielzahl von Forderungen der Kolonialenthusiasten unterschiedlichster Couleur eine staatliche Aufgabe. Unmissver-

Einleitung 11 Hitler verlangte von Epp die Wiedergewinnung der ehemaligen Kolonien in Afrika. Wert wurde vor allem auf Kamerun und Togo gelegt. An den Gebieten im Südpazifik bestand kein Interesse mehr. ständlich formulierte Hitler in den nächsten Jahren:»Ich verlange die deutschen Kolonien zurück, unser deutsches Eigentum, das diese Weltplutokraten [Großbritannien und Frankreich] uns ohne jeden Nutzen für ihre eigenen Völker geraubt haben.«2 In Franz Ritter von Epp fand Hitler einen willigen Helfer, der durch seine Einsätze während des chinesischen Boxeraufstands und in Südwestafrika gegen die Hereros bzw. Hottentotten mit bis zu 70.000 Toten zwar eine unrühmliche Vergangenheit aufwies, aber als vehementer Kolonialrevisionist bezeichnet werden kann.

12 Einleitung Menschen wie Epp belohnte Hitler, indem er sie mit wohldotierten Posten versah. Die Stunde des mittlerweile Generalleutnants a. D. war in dieser Hinsicht gekommen, als er am 9. März 1933 von Reichsinnenminister Wilhelm Frick zum Reichskommissar in Bayern eingesetzt wurde, weil die konservative Regierung unter Ministerpräsident Heinrich Held angeblich nicht in der Lage war, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. 3 Er setzte die rechtmäßige Regierung ab und verschaffte nationalsozialistischen Gesinnungsgenossen einflussreiche Posten, u. a. wurde der NSDAP-Gauleiter von Oberbayern, Adolf Wagner, kommissarischer bayerischer Innenminister und Heinrich Himmler kommissarischer Münchner Polizeipräsident. Mit dem späteren Reichsführer SS kam es schon frühzeitig zu Kontroversen, als von Epp gewaltsam herbeigeführte Todesfälle von Häftlingen im eben erst errichteten KZ Dachau untersuchen lassen wollte. 4 Bei dem Historiker Peter Longerich heißt es dazu, Reichsstatthalter von Epp habe diesmal entschieden,»dass die Mordfälle nicht, wie von Innenminister Wagner auf Ersuchen Himmlers gewünscht, niedergeschlagen, sondern von der Justiz mit allem Nachdruck aufgeklärt werden sollten«. 5 Ebenso stieß Himmler bei seinem Versuch, die Macht der politischen Polizei [in seinen Händen] auszuweiten, auf Epps Widerstand«. Diese Vorgänge dürften zu einer späteren tiefen gegenseitigen Abneigung geführt haben. Innerhalb der NSDAP-Reichsleitung stieg von Epp zwar auf, aber doch nicht in wirklich wichtige Ämter. Er leitete das Wehrpolitische Amt der Partei, aus dem dann das Kolonialpolitische Amt der NSDAP ausgegliedert wurde, an dessen Spitze ihn Hitler stellte. Dieses Amt wie auch den Reichskolonialbund entwickelte von Epp zu Instrumenten, die sich ebenso umfassend wie penibel auf den Tag vorbereiteten, an dem Deutschland endlich wieder Kolonialmacht sein würde. Nahezu jedes Reichsministerium hatte ein kolonialpolitisches Referat, beim Oberkommando der Wehrmacht existierte als Vorläufer des legendären Afrika-Korps ein Kolonialstab, auch der Reichsforschungsrat leistete sich eine kolonialwissenschaftliche Abteilung, SS, SA und HJ marschierten für den Kolonialgedanken.

Einleitung 13 Ausreichend»Lebensraum«, eine der Hauptforderungen der NSDAP, hätte das Dritte Reich in Afrika wohl gefunden, Rohstoffe ebenfalls. Letztlich aber machte der von Deutschland angezettelte Zweite Weltkrieg den Kolonialvisionären einen Strich durch die Rechnung. Nach Anfangserfolgen von Wehrmacht und italienischer Armee in Nordafrika folgten Niederlagen, die schließlich die Achsenmächte vom afrikanischen Boden vertrieben. In dieser Situation musste der Gedanke an eine Wiedergewinnung afrikanischer Kolonien fallen gelassen werden er war zur Illusion geworden und hätte nicht mehr umgesetzt werden können. Hatte Hitler deutschen Siedlungsraum im Osten, in den Weiten Russlands, in Betracht gezogen, so war auch dieser Plan spätestens nach der Niederlage von Stalingrad hinfällig. Es gab keine Kräfte mehr, mit denen man eine Kolonie hätte erobern und dann auch halten können. Konsequenterweise wurde 1943 das Kolonialpolitische Amt aufgelöst, die letzten Mitarbeiter mussten an die Front. Das traf auf von Epp natürlich nicht zu. Kurz vor Kriegsende, am 22. April 1945, hatte er mit Generalleutnant Heinrich Greiner, dem Befehlshaber im Wehrkreis VII, Generalfeldmarschall Albert Kesselring besucht und sich dort für die sofortige Einstellung aller Kämpfe und die bedingungslose Kapitulation eingesetzt. 6 Von Epp hatte sich damit zweifellos in größte Gefahr begeben, was Verschwörer der»freiheitsaktion Bayern«zu der Annahme verleitete, von Epp könne sich ihnen anschließen. Doch er wurde am 28. April 1945 verhaftet, dem SD übergeben und nach Salzburg verbracht, wo er Anfang Mai 1945 von der US-Armee aufgespürt wurde. Es folgte die Verlegung in das Camp Ashcan im luxemburgischen Bad Mondorf, wo er bis August 1945 interniert war. Am 31. Januar 1947 starb Franz Ritter von Epp im Alter von 78 Jahren in einem Münchner Krankenhaus. Ins Blickfeld der Öffentlichkeit im Nachkriegsdeutschland geriet von Epp zu keiner Zeit. Der 2. Senat der Berufungskammer befasste sich Anfang der 1950er-Jahre mit ihm dann wurde die»akte Epp«geschlossen.