DOKUMENTATION DER NATURNAHE WALD EIN SPAGAT ZWISCHEN ENTWICKLUNG UND NUTZUNG? DOKUMENTATION ZUR VERANSTALTUNG

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Transkript:

DOKUMENTATION ZUR VERANSTALTUNG DER NATURNAHE WALD EIN SPAGAT ZWISCHEN ENTWICKLUNG UND NUTZUNG? FREITAG, 08. MAI 2015 16.00 UHR BIS 20.00 UHR LANDTAG NRW, RAUM E1 D 05 1 DOKUMENTATION

2 IMPRESSUM HERAUSGEBERIN Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Im Landtag NRW Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf http://gruene-fraktion-nrw.de REDAKTION Christine Zechner KONTAKT Büro Norwich Rüße MdL Sprecher für Naturschutz und Landwirtschaft Telefon 0211/884-4497 Telefax 0211/884-3543 norwich.ruesse@landtag.nrw.de Christine Zechner wissenschaftliche Mitarbeiterin Telefon 0211/884-2809 christine.zechner@landtag.nrw.de 2

DER NATURNAHE WALD EIN SPAGAT ZWISCHEN ENTWICKLUNG UND NUTZUNG? ZUSAMMENFASSUNG DER VERANSTALTUNG VOM 8. MAI 2015 Norwich Rüße MdL begrüßte die Referenten und Gäste und eröffnete aufgrund der Vielfalt gleich den Reigen der Referate. Der Leiter der Landesforstabteilung, Hubert Kaiser vom NRW-Umweltministerium gab einige Hintergrundinformationen zum Waldbestand in Nordrhein-Westfalen in seinem Vortrag Forst- und Holzwirtschaft in NRW vom Prozessschutz bis zur naturnahen Waldwirtschaft. So bestehe der Wald in NRW, der sich über 27 Prozent der Landesfläche erstrecke, zu zwei Dritteln aus Privatwald und nur zu ca. 13 Prozent aus landeseigenem Staatswald. Die Waldfläche auf insgesamt 500.000 ha Fläche sei im Vergleich zu anderen Bundesländern unter Durchschnitt. Das läge u.a. auch an der historischen Entwicklung des Landes als so genanntes Industrieland. Der Baumbestand bestünde im Schnitt zu 57 Prozent aus Laubhölzern und zu 43 Prozent aus Nadelhölzern. Auf 8.000 ha des Staatswaldes bestünden so genannte Naturwaldzellen, insgesamt 16.000 ha Waldfläche seien aus der Nutzung genommen. Da in NRW eine lange Tradition naturnaher Waldbewirtschaftung im Kontext der besonderen Rahmenbedingungen stehe, zeigte Herr Kaiser zudem die historische Entwicklung der Waldbewirtschaftung in NRW seit 1972 sowie die politische Zielsetzung der aktuellen Landesregierung auf (Koalitionsvertrag 2012-17). Wegen des Klimawandels sei eine Nachsteuerung im Bereich der Aufforstungen nötig. So würden mehr Starkwetterereignisse und insgesamt weniger Niederschläge den Wald vor neue Herausforderungen stellen. Darum würde ein Waldbaukonzept für klimaplastische Wälder erarbeitet und würde das Klimadynamischen Waldinformationssystem NRW (KlimaWIS.NRW) neu aufgelegt. Die Funktion des Projektes KlimaWIS.NRW läge in der Schwerpunktaufgabe Waldplanung, Waldinventuren und Waldbewertung. Die weiteren Schwerpunkte in der Forst- und Holzwirtschaft NRWs würden im Projekt Naturerbe Buchenwälder OWL, im Konzept gebietsfremde Baumarten, in der Laubholzstudie (Vorstellung auf der LIGNA) sowie im Clustermanagement für die Forst- und Holzwirtschaft dargelegt werden. 3 Professor Jörg Ewald von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf führte in seinem Vortrag Über die Flügel spielen: Waldnaturschutz zwischen Stilllegung, naturnaher Bewirtschaftung und Biotoppflege zunächst aus, warum es überhaupt des Waldnaturschutzes bedürfe. Als Faktoren benannte er den gesellschaftlichen Wandel, den Nutzungswandel, den Landschaftswandel sowie den Klimawandel. So stehe der Wald heute vielfältigen Gefährdungsursachen gegenüber: zu wenig Habitatbäume, Habitatveränderungen, Ausrottung und Jagd sowie zu starke Stoffeinträge. Durch starke Nährstoffeinträge seien mehr Arten im Wald als im Offenland gefährdet. Für die Biodiversitäts-Entwicklung in den Wäldern spielten aber auch die historischen Nutzungsformen eine wichtige Rolle (Hutewald, Waldweiden, Quell-Eschenwald ). Sonderstandorte aufgrund historischer Nutzungsformen seien aufgrund ihrer Einzigartigkeit für die Artenvielfalt unbedingt zu erhalten. Zum Erhalt des Waldnaturschutzes insgesamt seien die diversen Gefährdungsursachen zu ermitteln und zu beseitigen. Nach Berechnungen beeinflussten hohe Biotopholzvorgaben die Nutzung stärker als Flächenstilllegungen. Forstwirtschaft und Naturschutz seien zwar untrennbar verflochten, jedoch würde der Naturschutz nicht im Kielwasser der nachhaltigen Bewirtschaftung segeln. Die Schlussfolgerungen seien: Waldnaturschutz müsse forstliche Kernaufgabe sein, als innerer Auftrag und nicht als lästiges Beiwerk betrachtet werden, Pluralismus müsse zugelassen werden statt einer Einheitsstrategie, eine Sowohl-Als-Auch statt einer Entweder-Oder-Kultur müsse herrschen, Laisser Faire + aktives Handeln hätten beides seinen Platz zu finden und es bedürfe keiner Neuauflage der Kielwassertheorie. Er forderte, dass für den naturnahen Wald, der nicht nur auf die klassische Nutzung abziele, letztlich die Gesellschaft auch zahlen müsse. Dafür sei zu ermitteln, wie hoch die Kosten der Naturbelassenheit wirklich seien (Kostenwahrheit) und wie und durch wen die Finanzierung hierfür geregelt werden solle. 3

Kleiner Exkurs: Bezüglich des Anbaus der Douglasie käme es darauf an, sich die einzelnen Standorte genau anzusehen. Eine Gefährdung für den naturnahen Wald stelle sie nur dann dar, wenn sich eine nicht-heimische Art dominant ausbreiten und andere verdrängen würde. Diese Gefahr bestünde aber bei der Douglasie nicht, sie sei eine Gastbaumart. Globalisierung im Wald sei nicht unbedingt erstrebenswert. Jeder Waldumbau müsse auch mit Waldökologisierung zusammengehen. Für Hans von der Goltz, dem Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft stehen die gesellschaftlichen Bedürfnisse an den Wald im Mittelpunkt. Naturbelassene Wälder seien dabei das Fundament für Artenvielfalt, Erholung und für den Klimaschutz. In seinem Vortrag Naturgemäße Waldwirtschaft - mit der Gesellschaft zu nachhaltigem Wald führte er aus, dass es keine rein naturbelassenen Wälder mehr gäbe und Artenschutz heute auch durch die Bewirtschaftungsweise des Waldes erfolge. Ökonomisch hingen 180.000 Arbeitsplätze in NRW und 38 Milliarden Euro Umsatz/Jahr an der Waldbewirtschaftung. Zudem sei der Wald die therapeutische Liege und Quelle des Lebens für Bürgerinnen und Bürger. Eine erhebliche Rolle spiele dabei die Sicherung des Waldbodens und der schonende Umgang damit. Im Wald herrsche ein Beziehungsgefüge, daher bedürfe es eines ganzheitlichen Monitorings. Dabei käme es darauf an, keine Segregation zu betreiben, sondern Naturschutzmaßnahmen auf der Gesamtwaldfläche zu ergreifen. Hierbei sollten sich die Schutz- und Nutzparteien mit gegenseitiger Toleranz begegnen mit dem gemeinsamen Ziel, ökonomische, ökologische und soziokulturelle Leistungen des Waldes für Eigentum und Gesellschaft auf der gleichen Fläche im Rahmen der Sozialpflichtigkeit nachhaltig zu erbringen. Dafür sei außerdem ein alle zehn Jahre erfolgendes ganzheitliches Monitoring Wald erforderlich und darauf aufbauend eine rollierende Planung (= eine periodenorientierte Planungsform, bei der nach bestimmten Zeitintervallen eine bereits 4erfolgte Planung aktualisiert, konkretisiert und überarbeitet wird). Als besonderen Gast konnten wir Minister Johannes Remmel begrüßen, der der Veranstaltung einen kurzen Besuch widmete. Der Minister führte aus, dass die Landesregierung derzeit politisch und pragmatisch vor drei großen Herausforderungen stünde: 1. Der Prozess um die Klausner-Verträge sei noch nicht abgeschlossen 2. Das Vorgehen des Kartellamtes bezüglich der einheitlichen Forstverwaltung (BaWü) 3. Die Frage, wofür wir den öffentlichen Wald bräuchten (Waldstrategie 2050) Das Leitbild der Landesregierung für den Wald sei in NRW der naturnah bewirtschaftete Dauerwald. Eine monotone Bewirtschaftung sei durch eine naturnahe abzulösen. Dafür seien bereits Maßnahmen ergriffen worden: Die NRW-Biodiversitätsstrategie beziehe sich auf den Staatswald hinsichtlich der Bewirtschaftung des Privatwaldes gäbe es lediglich Angebote Bezüglich des Staatswaldes wolle die Landesregierung das Naturerbe in NRW sichern und im öffentlichen Wald Vorbild sein. Darüber hinaus würden Ausbildungsplätze geschaffen. Letztendlich solle der Staatswald für die Bürgerinnen und Bürger da sein und das öffentliche Eigentum gesichert werden z.b. indem Teile davon in eine Stiftung überführt würden, damit der Verkauf wertvoller Wälder nicht zur Disposition stünde. Sollte es andere Formen der Sicherung als die des Stiftungsmodells geben, sei man auch dafür offen. 4

Fred Hansen, der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Forstleute NRW stellte in seinem Vortrag Biodiversität durch naturnahe, nachhaltige Waldwirtschaft - versus Stilllegung die Frage: Welche Biodiversität wollen wir auf welcher Fläche? Dabei müsse eine standortangepasste Biodiversität berücksichtigt werden. Eine einseitige Ausrichtung auf die Buchenwaldgesellschaft 5 ginge langfristig zu Lasten der Biodiversität. Denn verschiedene Baumarten würden auch quantitativ unterschiedlichste Artenvielfalts-Möglichkeiten bieten. In seinem Fazit kommt er zu dem Schluss, dass die Buche alleine die Biodiversität in NRW nicht retten könne, sondern eine Bewirtschaftung mit unsere Mischbaumarten. Die Waldwirtschaft habe die Aufgabe, artenreiche Wälder durch Mischbaumarten zu erzeugen und damit die Biodiversität zu steigern. Darum fordere der BDF belastbare Daten über die Biodiversität der Wälder in NRW und klare Entwicklungsziele. Biodiversität Plus bedeute Biodiversität durch Waldbewirtschaftung. Dort, wo eine angemessene oder steigende biologische Vielfalt durch Wirtschaften im Wald - in aller Regel durch naturnahe Waldwirtschaft - erreicht werden könne, sei die Möglichkeit der Wertschöpfung durch Wirtschaften einer Flächenstilllegung in der Regel vorzuziehen. Dort, wo sie nicht erreicht werden könne, solle stillgelegt werden. Für alle diese Maßnahmen seien auskömmliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Revierförster Harald Klingebiel im Forstbetriebsbezirk Flaesheim betonte in seinem Vortrag Naturgemäße Waldwirtschaft im urbanen Dauerwald, dass in seinem Revier der Bürger der Hauptkunde sei und dieser Kunde einen pfleglichen Umgang mit dem Wald einfordere. Dabei würde darauf geachtet, dass stets eine Mischkultur der Bäume erhalten bleibe und nur starke Stämme geerntet werden würden. Durch Kahlschläge würde hingegen Geld vergeudet werden. Insbesondere alte Buchenstämme seien der soziale Wohnungsbau für (Schwarz-)Spechte. Bei der Mischwaldkultur seien Neupflanzungen nicht nötig. Bei der Ernte werde auf einen Gassenabstand von 540 m geachtet. Betriebswirtschaftlich sei ein schonender Umgang mit dem Standortpotential Voraussetzung für eine erfolgreiche Produktion. Immer nur auf die Buche zu setzten, sei wirtschaftlich nicht sinnvoll. Die Mischung von standortgerechten Baumarten unterschiedlicher Dimension und Alter sei Voraussetzung für Stabilität und hohe Biodiversität. Bei einem stabilen Buchenbestand könne es durchaus geleistet werden, auch einzelne Douglasien zu pflanzen. Einzelstammweise Pflege und Nutzung (Plenterprinzip) im Sinne permanenter Auslese und Vorratspflege führe zum Dauerwald. Waldverträgliche Schalenwilddichten seien zudem Voraussetzung für eine natürliche Verjüngung aller Baum- und Straucharten ohne Zaun. Wesentliche ökologische Grundsätze naturgemäßer Waldwirtschaft seien u.a. ein grundsätzlicher Verzicht auf Biozidanwendungen. Schlussendlich würde auch das qualitativ hochwertige Wertholz (Beobachtung des Wertzuwachses von Einzelstämmen) besser bezahlt werden und somit betriebswirtschaftlich sinnvoll sein. Marcus Wolff, Vorsitzender der Remscheider Waldgenossenschaft e.g. wies in seinem Vortrag Naturgemäße Waldbewirtschaftung - Inwertsetzung von Ökosys-temdienstleistungen am Beispiel der Stadt Remscheid auf die außerordentliche volkswirtschaftliche Ökosystemdienstleistung des Dauerwaldes hin. So leiste der Remscheider Wald beispielsweise Erosionsschutz, Holznutzung, Wasserschutz (Nitrat, Retention etc.), Kohlendioxid-Speicherleistung, Sauerstoffproduktion, Lärmschutz, Feinstaubfilter und eine Steigerung des allgemeinen Siedlungswertes. Diese Ökosystemdienstleistungen sollten auch In-Wert gesetzt werden. Dafür habe man in Remscheid durch eine Studie 11. Millionen Euro/Jahr ermittelt. Zudem sei jeder Wald auch gleichzeitig Bürgerwald, d.h., die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit müsse zu allen Zeiten gewährleistet sein. Dies sei auch darum wichtig, weil die Naturentfremdung dramatische Ausmaße annähme. Darum sollten Alt- und Totholz (dicke Bäume) hautnah erlebbar sein, und dennoch müsse der Wald verkehrssicher sein. Bürger möchten partizipieren 5

und mitentscheiden und es müsse eine intakte Erholungsinfrastruktur (Bänke, Tafeln, Schutzhütten ) geboten werden. Auch sein Plädoyer lautet: Wälder fit machen für den Klimawandel, stabile Dauermischwälder schaffen. Norwich Rüße dankte allen Referenten und den Teilnehmern und Teilnehmerinnen für die engagierten Beiträge. Als wichtigste zu beantwortende Fragen kristallisierten sich heraus, was uns - der Gesellschaft - die Naturbelassenheit und die Naturerholung im Wald schließlich wert seien und wie dies langfristig zu finanzieren sei. Dabei ginge es nicht um die Frage, WER der bessere Naturschützer sei (der Nutzer oder der Schützer ), sondern darum, GEMEINSAM die besten Möglichkeiten zu erarbeiten. Dies wolle die Politik mit Hilfe der ExpertInnen leisten. Die Präsentationen der einzelnen Refererenten sind auf unserer Homepage zu finden: http://gruene-fraktion-nrw.de 6 12. Juni 2015, Christine Zechner 6