Erkenntnistheorie, Metaphysik und Ethik von Descartes bis Kant

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1 Universität Dortmund, Sommersemester 2006 Institut für Philosophie C. Beisbart Erkenntnistheorie, Metaphysik und Ethik von Descartes bis Kant B. de Spinoza, Die Ethik nach geometrischer Methode dargestellt (Überblick zum 9.5.2006) Textgrundlage: B. de Spinoza, Die Ethik nach geometrischer Methode dargestellt (übersetzt von O. Baensch), Hamburg 1963. 1 Von Gott p[ropositio] 14. Außer Gott kann keine Substanz sein und keine begriffen werden. p 15. Alles was ist, ist in Gott, und nichts kann ohne Gott sein oder begriffen werden. Anmerkung: Es folgt, daß ein ausgedehntes Ding und ein denkendes Ding entweder Attribute Gottes sind oder [...] Affektionen von Attributen Gottes. Gott steht der Welt nicht als ihr Schöpfer gegenüber. p 17 Gott handelt allein nach den Gesetzen seiner Natur und wird von niemandem gezwungen. Folgerung: Gott allein freie Ursache. Willen und Verstand (wenigstens im Sinne des menschlichen Willen und Verstandes) nicht Teil von Gottes Wesen. p 18: Gott als die inbleibende (immanente) Ursache. p 24: Wesenheit außer bei Gott nicht Existenz. Folgesatz zu p 24 Die besonderen Dinge sind nur Affektionen von Attributen Gottes oder Modi, durch die Gottes Attribute in gewisser und bestimmter Weise ausgedrückt werden. p 29 In der Natur der Dinge gibt es nichts Zufälliges, sondern alles ist kraft der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf gewisse Weise zu existieren und zu wirken. Anmerkung zu p 29: Unterscheidung von natura naturans (Natur, die erschafft, bei Spinoza Gott) und natura naturata (erschaffene Natur). Unterscheidung bereits im Mittelalter 31: Verstand und Wille nur natura naturata. p 32 Der Wille kann nicht eine freie Ursache genannt werden, sondern nur eine notwendige. p 33 Die Dinge konnten auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden, als sie hervorgebracht sind. p 34 Gottes Macht ist seine Wesenheit selbst. p 36 Es existiert nichts, aus dessen Natur nicht irgend eine Wirkung folgte.

2 Anhang: Absage an teleologisches Denken (Zweckursachen) und an traditionelles Gottesbild. Anfang Anhang: Hiermit habe ich die Natur Gottes und seine Eigenschaften entwickelt, nämlich daß er notwendig existiert, daß er einzig ist, daß er allein kraft der Notwendigkeit seiner Natur ist und handelt, daß er die freie Ursache aller Dinge ist und in welcher Weise er es ist, daß alles in Gott ist und von ihm derart abhängt, daß es ohne ihn weder sein noch begriffen werden kann, und schließlich daß alles von Gott vorher bestimmt ist, und zwar nicht durch Freiheit des Willens oder durch ein unbedingtes Gutdünken, sondern durch Gottes unbedingte Natur oder unendliche Macht. 2 Von der Natur und dem Ursprung der Seele Ich gehe nunmehr dazu über auseinanderzusetzen, was aus der Wesenheit Gottes oder des ewigen und unendlichen Wesens notwendig folgen mußte. [...] ich beschränke mich [...] auf das, was uns zur Erkenntnis der menschlichen Seele und ihrer höchsten Glückseligkeit gleichsam an der Hand leiten kann. Definitionen von Körper und Idee, adäquater Idee Axiome: 2 Der Mensch denkt, 3 Wir empfinden einen gewissen Körper, wie er auf vielerlei Weisen affiziert wird. p 1/2 Denken und Ausdehnung Attribute Gottes p 7 Die Ordnung und Verknüpfung der Ideen [in etwa Begriffe, Def. 3] ist die selbe wie die Ordnung und Verknüpfung der Dinge. p 10 Zur Wesenheit des Menschen gehört nicht das Sein der Substanz, oder die Substanz macht nicht die Form des Menschen aus. p 11 Das erste, was das wirkliche Sein der menschlichen Seele ausmacht, ist nichts anderes als die Idee eines wirklich existierenden Einzeldinges [des Körpers, p 13], Folgesatz Hieraus folgt, daß die menschliche Seele ein Teil des unendlichen Verstandes Gottes ist. p 12 Alles, was in dem Objekte der Idee, die die menschliche Seele ausmacht, geschieht, muß die menschliche Seele warhnehmen, oder es muß in der Seele notwendig eine Idee davon geben. [...] Bewegungslehre Forderungen über Körper des Menschen Affizieren von menschlichem Körper durch Gegenstände. p 23 Die Seele erkennt sich selbst nur, sofern sie die Ideen von den Affektionen des Körpers wahrnimmt. Die Idee einer Affektion des menschlichen Körpers, es sei, welche es wolle, schließt die adäquate Erkenntnis des äußeren Körpers nicht in sich. p 32 Alle Ideen sind wahr, sofern sie sich auf Gott beziehen.

3 p 34 Jede Idee, die in uns unbedingt oder adäquat und vollkommen ist, ist wahr. p 40, Anmerkung 2 Aus allem oben Gesagten geht klar hervor, daß wir vielerlei wahrnehmen und allgemeine Begriffe bilden: Erstens aus Einzeldingen, die uns durch die Sinne verstümmelt, verworren und ohne verstandesmäßige Ordnung vergegenwärtigt werden [...]; ich pflege solche Wahrnehmungen deshalb Erkennnis aus unsicherer Erfahrung zu nennen. Zweitens aus Zeichen, z. B. daraus, daß wir beim Vernehmen oder Lesen gewisser Worte uns zugleich der entsprechenden Dinge erinnern und uns von ihnen Ideen machen, ähnlich denen, durch die wir uns die Dinge vorstellen. [...] Diese beiden Weisen, die Dinge zu betrachten, werde ich künftighin Erkenntnis der ersten Gattung, Meinung oder Vorstellung nennen. Drittens endlich daraus, daß wir Gemeinbegriffe und adäquate Ideen von den Eigenschaften der Dinge haben [...] Und diese Weise, die Dinge zu betrachten, werde ich Vernunft oder Erkenntnis der zweiten Gattung nennen. Über diesen beiden Gattung der Erkenntnis gibt es, wie ich im folgenden zeigen will, noch eine dritte Gattung, die wir das anschauende [intuitives] Wissen nennen wollen. Und diese Gattung des Erkennens schreitet von der adäquaten Idee der formalen Wesenheit einiger Attribute Gottes fort zu der adäquaten Erkenntnis der Wesenheit der Dinge p 44 Es liegt in der Natur der Vernunft, die Dinge nicht als zufällig, sondern als notwendig zu betrachten. p 47 Die menschliche Seele hat eine adäquate Erkenntnis der ewigen und unendlichen Wesenheit Gottes. 3 Von dem Ursprung und der Natur der Affekte Definitionen: adäquate Ursache, Handlung, Affekt d[efinitio] 3 Unter Affekt verstehe ich die Affektionen des Körpers, durch die die Wirkungskraft des Körpers vermehrt oder vermindert, gefördert oder gememmt wird, und zugleich die Ideen dieser Affektionen. [Parallelismus!] Wenn wir daher von einer dieser Affektionen die adäquate Ursache sein können, dann verstehe ich unter dem Affekt eine Handlung, im anderen Falle eine Leidenschaft. p 1 Unsere Seele tut einiges, anderes aber leidet sie; nämlich insofern sie adäquate Ideen hat, insofern tut sie notwendig einiges, und sofern sie inadäquate Ideen hat, insofern leidet sie notwendig einiges. p 2 keine psychophysischen Wechselwirkungen in Mensch p 6 Jedes Ding strebt, soviel an ihm ist, in seinem Sein zu beharren. p 7 dieses Streben wirkliche Wesenheit des jeweiligen Dinges. p 11 Was die Wirkungskraft unseres Körpers vermehrt oder vermindert, fördert oder hemmt, dessen Idee vermehrt oder vermindert, fördert oder hemmt die Denkkraft unsere Seele.

4 p 15 Die Seele strebt, soviel sie kann, sich das vorzustellen, was die Wirkungskraft des Körpers vermehrt oder fördert. Definitionen der Affekte Ein Affekt, der als ein Leiden des Gemüts bezeichnet wird, ist eine verworrene Idee, durch die die Seele von ihrem Körper oder von einem seiner Teile größere oder geringere Existenzkraft als vorher bejaht, und durch deren Vorhandensein die Seele selbst bestimmt wird, mehr an dieses als an jenes zu denken. Liebe ist Freude, begleitet von der Idee der äußeren Ursache. Verehrung ist Liebe gegen den, den wir bewundern. Gunst ist Liebe zu jemand, der einem anderen wohlgetan ist. 4 Von der menschlichen Knechtschaft oder von den Kräften der Affekte Vorbemerkung: Teil des Buches über die richtige Lebensweise (253) p 7 Affekt kann nur durch entgegengesetzten Affekt aufgehoben werden. p 19 Jeder begehrt oder verabscheut nach dem Gesetze seiner Natur das, was er als gut oder schlecht beurteilt. p 21 und 22 Tugend: Streben nach Selbsterhaltung basal. p 24 Unbedingt aus der Tugend handeln ist nichts anderes in uns als nach der Leitung der Vernunft handeln, leben, sein Sein erhalten (dies drei bedeutet das selbe) auf der Grundlage des Suchens nach dem eigenen Nutzen. Niemand strebt sein Sein eines anderen Dinges wegen zu erhalten. p 20 Alles aus der Vernunft hervorgehende Streben richtet sich auf nichts anderes als auf Einsicht; und sofern die Seele sich der Vernunft bedient, erscheint ihrem Urteil nur das als nützlich, was zur Einsicht beiträgt. p 28 Das höchste Gut der Seele ist die Erkenntnis Gottes und die höchste Tugend der Seele Gott erkennen. p 30 Kein Ding kann durch das, was es mit unserer Natur gemein hat, schlecht sein, vielmehr ist es, sofern es für uns schlecht ist, uns entgegengesetzt. p 31 Sofern ein Ding mit unserer Natur übereinstimmt, sofern ist es nowendig gut. p 31 Insofern, als die Menschen den Leidenschaften unterworfen sind, kann man nicht sagen, daß sie der Natur nach [untereinander] übereinstimmen. p 35 Sofern die Menschen nach der Leitung der Vernunft leben, und nur insofern, stimmen sie der Natur nach notwendigerweise immer überein. Bewertungen von Affekten: p 41 Die Freude ist unmittelbar nicht schlecht, sondern gut; die Trauer dagegen ist unmittelbar schlecht. p 66 Nach der Leitung der Vernunft werden wir ein größeres zukünftiges Gut anstelle eines kleineren gegenwärtigen Guts erstreben, und ein gegenwärtiges kleineres Übel anstelle eines größeren zukünftigen Übels.

5 Anhang: Lehre über richtige Lebensweise komprimiert 5 Von der Macht des Verstandes oder von der menschlichen Freiheit p 3 Ein Affekt, der eine Leidenschaft ist, hört auf, eine Leidenschaft zu sein, sobald wir uns von ihm eine klare und deutliche Idee bilden. p 6 Insofern die Seele alle Dinge als notwendig erkennt, insofern hat sie eine größere Macht über die Affekte oder leidet sie weniger von ihnen. p 7 Die Affekte, die aus der Vernunft entspringen oder von ihr erregt werden, sind, wenn man auf die Zeit Rücksicht nimmt, mächtiger als die Affekte, die sich auf Einzeldinge beziehen, die wir als abwesend betrachten. p 14 Die Seele kann bewirken, daß alle Körperaffektionen oder Vostellungsbilder der Dinge auf die Idee Gottes bezogen werden. p 15 Wer sich und seine Affekte klar und deutlich einsieht, liebt Gott, und um so mehr, je mehr er sich und seine Affekte einsieht. p 23 Die menschliche Seele kann mit dem Körper nicht völlig zerstört werden, sondern es beibt von ihr etwas bestehen, das ewig ist. p 24 Je mehr wir die Einzeldinge erkennen, um so mehr erkennen wir Gott. Das höchste Streben der Seele und ihre höchste Tugend ist, die Dinge in der dritten Gattung der Erkenntnis einzusehen. p 27 Aus dieser dritten Erkenntnisgattung entspringt die höchste Zufriedenheit der Seele, die es geben kann. p 36 Die geistige Liebe der Seele zu Gott ist Gottes Liebe selbst, womit Gott sich selbst liebt, nicht sofern er unendlich ist, sondern sofern er durch die Wesenheit der menschlichen Seele, insoweit diese unter einer Art der Ewigkeit betrachtet wird, erklärt werden kann; das heißt die geistige Liebe der Seele zu Gott ist ein Teil der unendlichen Liebe, womit Gott sich selbst liebt. p 38 Es gibt in der Natur nichts, was dieser geistigen Liebe entgegengesetzt wäre oder was sie aufheben könnte. Literaturverzeichnis Bartuschat, W., Baruch de Spinoza, C. H. Beck, München, 1996. de Vries, T., Baruch de Spinoza, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1970. Garrett, D., The Cambridge Companion to Spinoza, Cambridge University Press, Cambridge, 1995. Röd, W., Der Weg der Philosophie. Band II, C. H. Beck, München, 1996, S. 50 59. Scruton, R., Spinoza, A very short introduction, Oxford University Press, New York, 2002. Seiderl, H., Spinoza zur Einführung, Junius, Hamburg, 1994. Specht, R., Baruch Spinoza, in: Klassiker der Philosophie I (Höffe, O., Hrsg.), C. H. Beck, München, dritte Auflage, 1994, S. 338 59.