LIGA DER SPITZENVERBÄNDE DER FREIEN WOHLFAHRTSPFLEGE IN BERLIN



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Transkript:

Arbeiterwohlfahrt Landesverband Berlin e.v. in Insolvenz Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.v. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin e.v. Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Berlin e.v. (Liga-Federführung) Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.v. Jüdische Gemeinde zu Berlin KdöR Oktober 2011 Für eine zukunftstaugliche Flüchtlingsaufnahme in Berlin Die aktuelle Aufnahme von Asylbewerbern im Land Berlin und in der Bundesrepublik gibt Anlass, die Grundsätze dieser Aufnahme neu zu überdenken und Konzepte einer zukunftstauglichen Flüchtlingsaufnahme zu entwickeln und umzusetzen. Dabei sollten die Erfahrungen aus der Vergangenheit berücksichtigt werden. Bis zur Umsetzung der Bleiberechtsregelung im Jahr 2007 waren Flüchtlinge durch das asylund ausländerrechtliche Handeln des Bundes und des Landes über einen Zeitraum von bis zu 17 Jahren davon abgehalten worden, sich in das Leben in Berlin zu integrieren. Ihr Spracherwerb wurde kaum gefördert, von Ausbildung und Arbeitsaufnahme wurden sie ferngehalten und ihre soziale Integration war nicht beabsichtigt. Viele der Betroffenen können danach keinen Anschluss mehr an die Arbeits- und Wissensgesellschaft finden, verharren im Nischenleben oder leiden gar an chronifizierten physischen oder psychischen Erkrankungen. Die Betroffenen wurden um einen großen Teil ihres Lebens betrogen, der Gesellschaft entging ihre Produktivität. Die Lebensumstände der zweiten Generation sind erheblich belastet. In den Jahren 2009/2010 nimmt der Zuzug von Asylbewerbern nach Berlin wieder deutlich zu (2007 917 Personen, 2009 1408 Personen, 2010 2070 Personen, Anfang 2011 gleich hohe Zahlen) und es ist damit die Frage eines grundsätzlichen Systemwechsel bei der Flüchtlingsaufnahme aufgeworfen. Angesichts der Krisenentwicklung in vielen Herkunftsländern der Asylbewerber ist nicht damit zu rechnen, dass diese in überschaubarer Zeit in diese Länder zurückkehren können, vielmehr ist bei gleichbleibendem Handeln der Politik im Land und im Bund absehbar, dass sich erneut eine Gruppe von langjährig 1

verbleibenden Flüchtlingen ohne Zugang zum Integrationssystem und zu Arbeit und sozialer Integration aufbaut. Sollen nicht erneut viele Flüchtlinge ihrer persönlichen Entwicklungschancen beraubt werden und soll auch dem gesellschaftlichen Bedarf an ihrer Mitgestaltungskraft Rechnung getragen werden, so müssen den Betroffenen bereits während laufender Asylverfahren weitgehende Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Integration eröffnet werden. Im Integrationskonzept des Landes Berlin wurde dafür auch bereits grundsätzlich festgehalten, dass die Integration von Asylbewerbern und Geduldeten auch bereits vor der endgültigen Entscheidung in ihren Verfahren verfolgt und unterstützt werden soll. Es ist erforderlich, dass dieser Grundsatz jetzt auch in praktisches Handeln umgesetzt wird. Im Rahmen dieser konzeptionellen Überlegungen wird insbesondere auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Landes Berlin bei der Flüchtlingsaufnahme eingegangen; darüber hinaus werden Felder benannt, für deren Umgestaltung sich Berlin auf Bundesebene einsetzen sollte. Faire Asylverfahren durch die Verbesserung der Verfahrensberatung. In asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren von Flüchtlingen um Aufenthaltsgewährung ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Betroffenen frühzeitig die Gelegenheit erhalten, ihre Verfolgungs- und Fluchtgeschichte aufzuarbeiten und in einer Form vorzutragen, die den Anforderungen des Bundesamtes, der Verwaltungsgerichte und der Ausländerbehörde gerecht wird. Dazu benötigen die Betroffenen eine umfassende Beratung durch unabhängige Verfahrensberatungsstellen. Im Land Berlin hängt die Existenz entsprechender Einrichtungen im Wesentlichen von Projektmitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds oder sonstiger befristeter Zuwendungen ab. Zudem sind diese Stellen bei weitem nicht in der Lage, den Beratungsbedarf aller betroffenen Gruppen zu decken. Mit der Schließung der allermeisten Wohnheime für Flüchtlinge wurden im Land Berlin gleichzeitig auch die wesentlichen sozialarbeiterischen Unterstützungsstrukturen für Flüchtlinge ersatzlos gestrichen. Das Land Berlin nimmt daher in diesem Bereich weitgehend seine Verantwortung für die Betroffenen nicht mehr wahr. Soll es aber verhindert werden, dass die Integration von Flüchtlingen durch überlange Verfahren behindert wird, dann muss ihnen eine geeignete und ausreichende Beratungsstruktur zur Verfügung stehen. 2

Die LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Berlin fordert die Landesregierung daher nachdrücklich auf, eine aus Landesmitteln finanzierte Struktur der Verfahrensberatung zu schaffen. Keine Einrichtung zur Durchführung des verkürzten Asylverfahrens am neuen Flughafen Willy Brandt. Im Juni 2012 soll der neue Flughafen Willy Brandt in Berlin-Schönefeld eröffnet werden. Abhängig von den Passagierzahlen und den Herkunftsländern der Flüge werden auch Personen einreisen, die direkt am Flughafen um Asyl nachsuchen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erwartet jährlich bis zu 300 Personen im sog. Flughafenverfahren nach 18 a AsylVfG am Flughafen. Zur Durchführung des verkürzten Asylverfahrens ist vom BAMF eine haftähnliche Unterbringung mit einer Kapazität in Höhe von bis zu 30 Personen geplant. Die LIGA hält diese Einrichtung für nicht angebracht und fordert die Landesregierung auf, den am neuen Flughafen ankommenden Asylbewerber/innen die Einreise zur Durchführung des Asylverfahrens zu erlauben und sich dafür auch bei der Regierung des Landes Brandenburg einzusetzen. Die Verteilung von Asylbewerbern ist nicht gerechtfertigt. Die Regelungen gem. AsylVfG und AufenthG, nach denen neueingereiste Personen auf die Bundesländer verteilt werden, erweisen sich bei nüchterner Betrachtungsweise als sachlich nicht erforderlich. Tatsächlich beschränken sie Freiheitsrechte der Betroffenen in erheblichem Ausmaß, erschweren die Pflege familiärer Bindungen und die Integration in Wirtschaft und Gesellschaft. Die LIGA bittet das Land Berlin, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass das Verteilungsverfahren durch einen Finanzausgleich zwischen ungleich belasteten Bundesländern ersetzt wird. Härten bei der europäischen Verteilung von Asylbewerbern vermeiden. Die Zuständigkeitsregelungen gemäß der Dublin II Verordnung führen immer wieder zu unvertretbaren Härten. Sie verweisen die Betroffenen an europäische Staaten, in denen sie kein rechtsstaatliches Asylverfahren erhalten können oder keine vertretbaren Aufnahmebedingungen vorfinden. Familienbindungen und sonstige Unterstützungsstrukturen werden nicht berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund fordert die LIGA das Land Berlin 3

auf, sich dafür einzusetzen, dass der Bund auf europäischer Ebene auf eine rechtsstaatlich und humanitär gestaltete Zuständigkeitsregelung hinwirkt. Von den Selbsteintrittsregelungen der Dublin II Verordnung soll extensiv Gebrauch gemacht werden. Die Residenzpflicht abschaffen. Die Residenzpflicht beschränkt die Freiheitsrechte von Asylbewerbern und Geduldeten in nicht vertretbarer Weise. Sie verhindert oftmals die Pflege familiärer und freundschaftlicher Beziehungen und steht Bemühungen zur Integration in Wirtschaft und Gesellschaft entgegen. Die LIGA empfiehlt, auf Landesebene durch den Erlass einer Verordnung gem. 58 AsylVfG einen gemeinsamen Residenzpflichtbezirk Berlin-Brandenburg für Asylsuchende zu schaffen. Auf Bundesebene sollte sich der Senat für die Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber und Geduldete einsetzen. Eine solche Regelung sollten alle Gruppen von Geduldeten in Anspruch nehmen können. Das AsylbLG abschaffen bzw. ändern. Die Annahme, dass Asylbewerber und Geduldete wegen der geringeren Ausgaben für Integrationsleistungen einen geringeren Hilfebedarf hätten, erweist sich angesichts des langjährigen Aufenthaltes der Betroffenen als falsch und insbesondere bei der Festlegung des Hilfebedarfs von Kindern und Jugendlichen als fatal. Die LIGA unterstützt daher alle Bemühungen der Landesregierung zur Abschaffung des AsylbLG bzw. zu seiner entscheidenden Verbesserung Die Versorgung besonders Schutzbedürftiger verbessern. Bei einer Novellierung des AsylbLG sollte insbesondere auf die ausdrückliche gesetzliche Verankerung der Bestimmungen der EU-Aufnahmerichtlinie für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge und die Verankerung der Bestimmungen der Behindertenrechtskonvention hingewirkt werden. Die LIGA begrüßt die Bereitschaft des Landes Berlin, gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen die Europäische Aufnahmerichtlinie für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge umzusetzen. Dabei muss zukünftig aber der Richtlinie noch vollumfänglich Rechnung getragen werden und besonders schutzbedürftigen 4

Flüchtlingen wie es für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durch die Jugendhilfe geschieht der Zugang sowohl zu den erforderlichen medizinischen als auch zu den erforderlichen sonstigen materiellen Leistungen ermöglicht werden. Darüber hinaus kann die psychosoziale Arbeit mit besonders Schutzbedürftigen mittelfristig auch nicht weitgehend aus Projektmitteln finanziert werden, sondern benötigt eine Finanzierung durch die zuständigen Sozial- und Gesundheitsbehörden. Die Unterbringung in eigenem Wohnraum unterstützen. Die im Land Berlin ermöglichte Unterbringung von Asylbewerbern in privatem Wohnraum ist für die gesellschaftliche Integration der Betroffenen von unschätzbarem Vorteil. Das Instrument sollte daher so ausgestaltet werden, das es auch unter den sich wandelnden Bedingungen am Wohnungsmarkt leistungsfähig bleibt. Begrüßt wird die Vereinbarung des Senats mit den Wohnungsbaugesellschaften, nach der Asylbewerbern Wohnraum zur Verfügung gestellt wird. Die Übernahme von Kautionen und Vermittlungsgebühren, die Übernahme von Wohnraumkosten zu Härtefallbedingungen und der Einsatz von Beratungs- und Betreuungsorganisationen bei der Beschaffung von Wohnraum ist geeignet, die große Zahl unnötig in Wohnheimen lebender Asylbewerber in privatem Wohnraum unterzubringen. Ausreichend Schulplätze bereitstellen. Allen Flüchtlingskindern, ob begleitet oder unbegleitet, ob unter oder über 16 Jahren, auch bei nicht mehr bestehender Schulpflicht ihr Recht auf Bildung einzuräumen ist. Nach Ansicht der LIGA sind daher ausreichend Schulplätze in Klein- oder Förderklassen von Regelschulen einzurichten und der Zugang zu beruflichen Bildungsangeboten sicherzustellen. Sprachlernangebote für Asylbewerber realisieren. Bei den Beratungseinrichtungen in der Stadt meldeten sich im vergangenen Jahr aus der Gruppe der Neueingereisten ständig Asylbewerber mit dem Interesse an der Teilnahme an Sprachkursen. Leider gibt es nur vereinzelt Angebote für diese Zielgruppe (Projektmittel, Angebote für Jugendliche etc.). Die hohe Bereitschaft der Flüchtlinge, die Deutsche Sprache zu erlernen, sollte nicht wieder verschüttet werden. Die Verpflichtung aus der Berliner 5

Verfassung, Bildung zu ermöglichen, und die Grundsatzerklärungen aus dem Berliner Integrationskonzept sollten deshalb dringend umgesetzt werden. Asylbewerbern und allen den Personen, die noch keinen Zugang zum Integrationskurssystem haben, sollte ein Sprachlern- und Orientierungsangebot zur Verfügung gestellt werden dass geeignet ist, ihre weitergehende Integration in Berlin zu unterstützen. Asylbewerbern und Geduldeten Zugang zu Ausbildung und Arbeit ermöglichen. Ein großer Teil der mit Duldung in Berlin lebenden Flüchtlinge ist vom Zugang zu Ausbildung und Arbeit ausgeschlossen, weil sie sich vermeintlich nicht ausreichend darum bemühen, die Voraussetzungen für ihre Abschiebung zu schaffen (Passbeschaffung). Vielfach verweigern die Behörden des Heimatstaates aber tatsächlich die Ausstellung von Dokumenten und verhindern so die Rückkehr der Betreffenden. Die Ausländerbehörde unterstellt auch in diesen Fällen oftmals schuldhaftes Verhalten. Nach Ansicht der LIGA würde die Beschränkung auf die Erteilung von Arbeitsverboten auf die Fälle, in denen die Ausländerbehörde die fehlende Mitwirkung tatsächlich nachweisen kann, bereits einer großen Zahl von Geduldeten den Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnen. Auf Bundesebene sollte durch die Änderung der Beschäftigungsverfahrensverordnung erreicht werden, dass alle Geduldeten einen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Das Land Berlin wird aufgefordert, sich im Bund für einen uneingeschränkten Zugang von Asylbewerbern zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nach einem Jahr Aufenthalt einzusetzen. Regelungen, die für die betreffenden Gruppen einen Nachrang am Arbeitsmarkt vorsehen, führen zu langwierigen Verfahren, schrecken Unternehmen von der Einstellung von Flüchtlingen ab und führen letztlich in der Regel doch zu ihrem Ausschluss vom Arbeitsmarkt. Beim BMAS, der Bundesagentur für Arbeit und der Berliner Regionaldirektion sollte darauf hingewirkt werden, das auch Asylbewerber und Geduldete Zugang zu Qualifizierungsangeboten und Bildungsgutscheinen (Leistungen der Arbeitsförderung gem. SGB II und III) erhalten, damit sie sich im Rahmen von 6

Anpassungsqualifizierungen auf die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit vorbereiten können. Bildungs- und Berufsabschlüsse sowie berufliche Erfahrungen von Flüchtlingen anerkennen. Berufliche Qualifikationen und Kompetenzen von Asylbewerbern sollten im Interesse der Betroffenen und im Interesse einer nach Fachkräften suchenden Wirtschaft genutzt werden. Dazu kann zukünftig im Rahmen des Anerkennungsgesetzes die Gleichwertigkeit formaler und inhaltlicher beruflicher Qualifikationen festgestellt werden. Bestimmungen, die im Land Berlin die Umsetzung des Anerkennungsgesetzes regeln sollten vorsehen, dass auch die formalen Qualifikationen von Asylbewerbern und Geduldeten bewertet werden. Flüchtlinge, die über keine dokumentierten Qualifikationen, aber über berufliche Erfahrungen aus dem Heimatland verfügen, sollten Zugang zu einer Gutachterstelle erhalten, die die vorhandenen Erfahrungen dokumentiert und damit ggf. Wege zu Anpassungsqualifizierungen eröffnet. Die Lage der Menschen ohne Status verbessern. Mehrere zehntausend Menschen halten sich seit vielen Jahren ohne rechtlichen Status in Berlin auf. Oftmals sind bei ihnen die Verbindungen ins Herkunftsland abgerissen und es bestehen in Berlin neue soziale Bindungen. Es ist ein Gebot der Humanität, diesen Menschen nach oft langjährigem statuslosem Leben in Berlin die Möglichkeit der Legalisierung ihres Statusses zu ermöglichen. Das Land Berlin soll sich daher auf allen erforderlichen Ebenen um die Legalisierung der Aufenthalte dieser Menschen bemühen. Personen ohne legalen Status sollen Zugang zu medizinischer Versorgung, zu Bildung, zu Obdach und zu arbeitsrechtlichem Rechtsschutz erhalten. Abschiebungshaft vermeiden. Abschiebungshaft greift aus Sicht der LIGA oftmals in unvertretbarer Weise in die Freiheitsrechte der strafrechtlich nicht verurteilten Betroffenen ein. Sie sollte daher weitestgehend vermieden werden. Dem würde insbesondere die Sicherstellung einer behördenunabhängigen anwaltlichen, sozialen und medizinischen Betreuung für alle 7

Inhaftierten dienen. Nach Ansicht der LIGA sollte zudem bei der Inhaftierung auf Familientrennungen verzichtet und die Familienzusammenführung erleichtert werden. Für die Zukunft sollten Alternativen zur Inhaftierung und Unterbringung in Abschiebehaft entwickelt werden. Im Hinblick auf zu erwartende Abschiebeaktivitäten vom neuen Großflughafen Willy Brandt fordert die LIGA das Land Berlin dazu auf, die Einrichtung eines Flughafenforums in Verbindung mit einer unabhängigen Abschiebebeobachtung zu unterstützen. Eine neue Bleiberechtsregelung erlassen. Die jahrzehntelange Verschleppung der Erteilung eines Bleiberechts an langaufhältige Flüchtlinge hat zu einem schwerwiegenden Verlust an Lebenschancen bei den Betroffenen, zu einem gesellschaftlichen Verlust an Kompetenzen und Engagement der Flüchtlinge geführt und einen hohen Einsatz von Transferleistungen gefordert. Die zugrunde liegenden Regelungen haben alle Betroffenen ins Abseits geführt und sollten aufgegeben werden. Das Land Berlin wird aufgefordert, sich auf Bundesebene für ein gesetzlich geregeltes Bleiberecht ohne Stichtag und nach 5jährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik einzusetzen. Diese Regelung sollte auch Personen einbeziehen, denen es aufgrund von Alter und Krankheit nicht mehr möglich ist, ihren Lebensunterhalt selbst zu erarbeiten. Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten aufnehmen. In Afghanistan, Irak, Iran, Syrien und den Staaten Nord- und Zentralafrikas werden Menschen aus politischen und ethnischen Gründen verfolgt; zum Teil befinden sie sich in Transitländern, in denen sie keine Aufnahme erwarten können und gefährdet sind. Es ist ein Gebot des internationalen Flüchtlingsschutzes, diesen Menschen Aufnahme zu gewähren. Die LIGA ersucht das Land Berlin, sich beim Bund für die Aufnahme von Flüchtlingen im Resettlementverfahren einzusetzen sowie mit gutem Beispiel voranzugehen und eigenständig Flüchtlinge aufzunehmen. 8