I N F O R M A T I O N zur Pressekonferenz mit Sozial-Landesrätin Mag. a Gertraud Jahn am 14. April 2014 zum Thema "Kinder- und Jugendhilfe sichert Unterhalt für 21.700 Kinder" Weitere Gesprächsteilnehmer: Mag. Peter Wienerroither, Kinder- und Jugendhilfe OÖ DSA Hubert Hofer, Kinder- und Jugendhilfe OÖ
LRin Mag.a Gertraud Jahn: Unterhaltszahlungen Seite 2 Kinder- und Jugendhilfe sichert den Unterhalt für 21.779 Kinder Einleitung - Sozial-Landesrätin Mag. a Gertraud Jahn: Die Zahl der Unterhaltsvertretung durch die Kinder- und Jugendhilfe bleibt in den letzten Jahren auf konstant hohem Niveau. Im Jahr 2013 wurden 21.779 Kinder in dieser Sache vertreten. Eine starke Steigerung (um 84 Prozent seit 2004) verzeichnen wir allerdings bei Vertretungen, wo es um Unterhaltsvorschusszahlungen geht. Also bei jenen Fällen, wo ein Elternteil seinen Verpflichtungen zur Zahlung nicht oder nicht regelmäßig nachkommt. Gründe für diese Steigerungen dürften unter anderem in der Wirtschaftskrise sowie in der steigenden Arbeitslosigkeit liegen. Umso wichtiger ist es, dass es die Möglichkeit für einen Unterhaltsvorschuss gibt, um Kinderarmut massiv zu reduzieren und gleiche Chancen auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe für diese Kinder zu ermöglichen. Denn Kinder von Alleinerziehenden sind wesentlich häufiger von Armut betroffen als andere. Obwohl die Unterhaltsfragen insgesamt schon gut geregelt sind, gibt es dennoch Lücken, die noch zu schließen sind. Insbesondere besteht beim Unterhaltsvorschuss nur ein Anspruch bis zu Volljährigkeit und bei feststellbarer Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners. Dies bringt für viele Kinder existenzgefährdende Einschränkungen mit sich. Speziell gerade volljährig Gewordene in Ausbildung (z.b. Gymnast/innen, HTL-Schüler/innen oder Student/innen) sind auf die regelmäßigen Unterhaltszahlungen angewiesen und weder fachlich, noch finanziell und vor allem emotional nicht in der Lage, mit entsprechenden Einforderungsmaßnahmen (Klagen) gegen den / die Zahlungspflichtige(n) vorzugehen. Welcher Anspruch besteht? Kinder haben, solange sie nicht selbsterhaltungsfähig sind, Anspruch auf Unterhalt. Beide Eltern haben zum Unterhalt zu gleichen Teilen beizutragen. Leben Eltern mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt, wird die Unterhaltsleistung dadurch erbracht, dass die Eltern das Kind im Alltag mit allem, was nötig ist, versorgen. Lebt ein Elternteil getrennt von seinem Kind, muss dieser seinen Anteil am Unterhalt des Kindes in Form eines Geldbetrages leisten ("Alimente"). So weit die Theorie. In der Praxis kommt es recht häufig vor, dass Alimente nicht regelmäßig oder/und nicht in der vereinbarten Höhe bezahlt werden. In solchen Fällen bietet die Kinder- und Jugendhilfe Unterstützung an. Insgesamt betrifft das derzeit 21.779 Kinder und Jugendliche in Oberösterreich (Stichtag 31.12.2013). Die Unterstützung in Unterhaltsangelegenheiten ist somit jene Dienstleistung der Jugendwohlfahrt, die am häufigsten nachgefragt wird.
LRin Mag.a Gertraud Jahn: Unterhaltszahlungen Seite 3 Beispiel: Frau K. wendet sich an die Kinder- und Jugendhilfe, weil sie aufgrund des geringen Haushaltseinkommens die Projektwoche ihrer Tochter, die in die 4. Klasse Volksschule geht, nicht finanzieren kann. Es stellt sich heraus, dass Frau K. seit 7 Jahren geschieden ist, sie lebt inzwischen in einer neuen Lebensgemeinschaft. Bei der Scheidung wurde der Vater zu 300 Euro Unterhalt verpflichtet, die ersten 3 1/2 Jahre wurde der Unterhalt auch bezahlt. Nach seiner Wiederverheiratung blieben die Zahlungen jedoch aus, der Kontakt zu seiner Tochter ist abgebrochen. Frau K. erfährt, dass sie als Mutter auf einen Unterhaltsanspruch gar nicht verzichten kann, weil dies ein Anspruch ihrer Tochter ist. Den Unterhalt kann sie über 3 Jahre nachfordern. Der neue Lebensgefährte von Frau K., der ebenfalls ein geringes Einkommen hat, ist hingegen nicht dazu verpflichtet, für Lenas Unterhalt aufzukommen, dies ist eine Pflicht des Kindesvaters. Grundsätzlich kann Frau K. die Jugendwohlfahrt zum Vertreter ihres Kindes in Unterhaltsangelegenheiten bestellen. Die Jugendwohlfahrt versucht dann, mit Lenas Vater eine Vereinbarung zu schließen, wenn dies nicht gelingt, wird sie die nötigen gerichtlichen Schritte in die Wege leiten. Im Fall von Lena hat der Vater, um eine Gehaltsexekution zu vermeiden, letztlich seine Unterhaltszahlungen wieder aufgenommen. Ergänzende Info: Die 21.779 Unterhaltsvertretungen errechnen sich aus: 12.243 Vertretungen gem. 208 Abs 2. ABGB In diesen Fällen hat ein obsorgeberechtigter Elternteil die Kinder- und Jugendhilfe, mit der Vertretung des Kindes im Unterhaltsbereich betraut. Diese Vertretung kann vom obsorgeberechtigten Elternteil jederzeit widerrufen werden. 9.536 Vertretungen gem. 9 Abs. 2 UVG In diesen Fällen wird die Kinder- und Jugendhilfe mit der Zustellung des Gerichtsbeschlusses über die Gewährung eines Unterhaltsvorschusses zum alleinigen gesetzlichen Vertreter des Kindes in Unterhaltsangelegenheiten bestellt. Diese Vertretung kann nur das Gericht widerrufen. Welche Unterstützung leistet die Kinder- und Jugendhilfe? Die Kinder- und Jugendhilfe kann mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil eine Vereinbarung über die Höhe des laufenden monatlichen Unterhalts sowie eine Ratenvereinbarung über die Begleichung von Rückständen abschließen. Dazu kann die Kinder- und Jugendhilfe beim Dienstgeber auch eine Lohnerhebung durchführen.
LRin Mag.a Gertraud Jahn: Unterhaltszahlungen Seite 4 Kommt keine Zahlungsvereinbarung zustande oder zahlt der Unterhaltsschuldner trotz einer bestehenden Vereinbarung nicht, kann die Kinder- und Jugendhilfe entsprechende Gerichtsanträge stellen. Wenn auch nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss kein Geld einlangt, wird Antrag auf Exekution gestellt. Kann auch auf diesem Weg der Unterhalt des Kindes nicht zur Gänze eingebracht werden (z.b. bei häufiger Arbeitslosigkeit des Kindesvaters), kümmert sich die Kinderund Jugendhilfe um einen Unterhaltsvorschuss. Die Kinder- und Jugendhilfe vertritt Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Besteht über das 18. Lebensjahr hinaus ein Unterhaltsanspruch, so ist eine weitere Vertretung durch die Kinder- und Jugendhilfe nicht mehr möglich. Der/die junge Erwachsene hat sich selbst darum zu kümmern. Die Zahl der Unterhaltsvertretungen bleibt auf hohem Niveau - Vertretungen aufgrund von Unterhaltsvorschüssen sind stark gestiegen Während die Zahl der Unterhaltsvertretungen in den Jahren von 2004 bis 2008 rückläufig war, ist sie ab 2009 wieder angestiegen und bleibt seither auf diesem hohen Niveau. In der Gesamtzahl von 21.779 Vertretungen sind auch die Vertretungen für 9.536 Kinder aufgrund eines Unterhaltsvorschusses enthalten. Für diesen Bereich ist eine deutliche Steigerung (um 84 Prozent) bemerkbar.
LRin Mag.a Gertraud Jahn: Unterhaltszahlungen Seite 5 Unterhaltsvorschuss wird dann gewährt, wenn der Unterhaltsbetrag nicht oder nicht zur Gänze eingebracht werden kann, obwohl der zur Zahlung verpflichtete Elternteil leistungsfähig, aber leistungsunwillig ist und beispielsweise durch den sehr häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes Lohnpfändungen kaum Erfolg bringen. (Die Exekution bleibt erfolglos, weil der Unterhaltspflichtige das Dienstverhältnis bereits beendet hat, bevor die Pfändung rechtskräftig ist.) Möglicherweise zeigen sich hier auch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise: Prekäre Arbeitsverhältnisse, höhere Arbeitslosigkeit etc. führen dazu, dass die Leistung nicht erbracht werdenkann. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Unterhaltsvorschüsse sehr häufig bei geringem Einkommen ggf. beider Elternteile - erforderlich sind. Ergänzende Info: Unterhaltsvorschüsse werden unter folgenden Voraussetzungen gewährt: Leistungsfähigkeit der zum Unterhalt verpflichteten Person Rechtskräftiger Unterhaltstitel (Vergleich oder Beschluss; Vereinbarung vor der Kinder- und Jugendhilfe) bzw. die Schaffung eines Titels ist aus Verschulden des Unterhaltspflichtigen nicht möglich (z.b. unbekannter Aufenthalt) Leistungsunwilligkeit der zum Unterhalt verpflichteten Person d.h. der Unterhalt wird nicht bzw. nicht zur Gänze geleistet Eine Exekution ist anhängig bzw. wird zeitgleich mit dem Antrag auf Unterhaltsvorschüsse eingebracht Unterhaltsvorschuss wird für 5 Jahre gewährt und in der Regel in der Höhe des Unterhaltstitels ausbezahlt. Als Obergrenze gilt jedoch der höchste Richtsatz für die Halbwaisenpension (dzt. 560,61 Euro). Ist aus Gründen, die beim/bei der Unterhaltspflichtigen liegen, die Schaffung eines Titels bzw. seine Anpassung nicht möglich, kann Unterhaltsvorschuss in Richtsatzhöhe gewährt werden. Dabei gibt es eine Altersstaffelung; z.b. Altersgruppe 0-5 Jahre: 197 Euro Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse besteht auch, wenn der/die Pflichtige auf Grund eines strafgerichtlichen Verfahrens länger als 1 Monat in Haft ist (d.h. auch bei U- Haft). Im Rahmen der Unterhaltsvertretungen wurden 2013 2.541 Exekutionsverfahren durchgeführt.
LRin Mag.a Gertraud Jahn: Unterhaltszahlungen Seite 6 Durchgeführte Exekutionsverfahren 2008 2013 2.610 2.541 Lücken im Unterhaltsbereich Es gibt keinen Mindestunterhalt. Die Höhe richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Bei sehr geringem Einkommen ist daher auch der Unterhaltsbetrag sehr gering. Ist ein Unterhaltspflichtiger gar nicht leistungsfähig, weil das Einkommen unter dem Existenzminimum liegt oder wegen Krankheit oder Behinderung gar kein Einkommen erzielt, dann kann es vorkommen, dass gar kein Unterhalt gezahlt werden muss. Besondere Härtefälle entstehen, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, bestimmte Einkommensgrenzen geringfügig überschreitet, sodass Sozialleistungen wie z.b. die Bedarfsorientierte Mindestsicherung nicht greifen. Besteht keine Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils, gibt es darüber hinaus auch keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Diese Personengruppe hat weder Ansprüche nach dem Unterhaltsvorschussgesetz noch auf Sozialleistungen. Wie hoch ist der Unterhalt? Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach dem Alter des Kindes (Prozentsätze) und dem Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils (Bemessungsgrundlage). Berücksichtigt werden bei der Berechnung des Unterhalts auch weitere Sorgepflichten (Ehepartner, weitere unversorgte Kinder). Für die Berechnung des Unterhalts muss der unterhaltspflichtige Elternteil sein Einkommen offenlegen. Prozentsätze Nach der Rechtsprechung stehen Kindern innerhalb bestimmter Altersstufen folgende Prozentsätze des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen zu: 0-6 Jahre...16% 6-10 Jahre...18% 10-15 Jahre...20% über 15 Jahre...22 % Bei weiteren Sorgepflichten (weitere Kinder, einkommenslose Ehepartner) werden diese Prozentsätze reduziert.
LRin Mag.a Gertraud Jahn: Unterhaltszahlungen Seite 7 Ein einmal festgesetzter Unterhalt bleibt daher nicht immer gleich (Alter des Kindes, Änderung des Einkommens, Situation des Kindes...). Er kann nach Alter und Bedürfnissen des Kindes neu angepasst werden. In besonderen Fällen kann zusätzlich zum laufenden Unterhalt eine weitere Geldleistung zustehen (Sonderbedarf). Darunter versteht man z.b. medizinische Sonderkosten oder besonderes Talent des Kindes und dadurch erhöhte Ausgaben. Die üblichen Schulveranstaltungen (Sportwoche, Skikurs, Wien-Woche) stellen meist keinen Sonderbedarf dar. Der Sonderbedarf ist nicht konkret im Gesetz geregelt, sondern ergibt sich aus der Rechtsprechung.