ARBEITSGEMEINSCHAFT ÖFFENTLICHES RECHT II ÜBUNG ÖFFENTLICHES RECHT II (1)

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Transkript:

ARBEITSGEMEINSCHAFT ÖFFENTLICHES RECHT II ÜBUNG ÖFFENTLICHES RECHT II (1) WS 2016/17, SS 2017 Bruno Binder/Carsten Roth/Thomas Trentinaglia [cyber] Gudrun Trauner [präsent] Fall VIII Gewerbliches Anlagenrecht [zur Sachverhaltsergänzung] An das L A N D E S V E R W A L T U N G S G E R I C H T O B E R Ö S T E R R E I C H Volksgartenstraße 14 4021 Linz Revisionswerber: Stefan S, Student, Adresse Vertreten durch: Rechtsanwältin Dr. X Y, X-Straße 3, 4020 Linz Dr. X Y Revisionsgegner: Bezirkshauptmannschaft B (Bescheid vom 03.03.2017, GZ xxxx), zugestellt am 07.03.2017 Revisionsgegenstand: Erkenntnis des LVwG Oberösterreich vom 03.05.2017, GZ 2017/77/Gew/3, zugestellt am 05.05.2017, betreffend Betriebsanlagengenehmigung nach der GewO 1994 Mitbeteiligte Parteien: Eigentümer des Hauses 1, Adresse Eigentümer des Hauses 2, Adresse Eigentümer des Hauses 3, Adresse Mieter des Hauses 1, Adresse Oberste Verwaltungsbehörde: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Beilagen Erkenntnis des LVwG (in Kopie) Eingabengebühr 240,- entrichtet Vollmacht erteilt R E V I S I O N gemäß Art 133 Abs 1 Z 1 ivm Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG und den 25a ff VwGG wegen Verletzung des einfachgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung gemäß 77 ivm 81 GewO 1994. Fall VIII (Revision)/1

I. Ich stellte am 22.12.2016 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Betriebsanlagenbewilligung für eine Werkshalle einschließlich der erforderlichen Maschinen und einen Verkaufsraum. Die geplante Betriebsanlage soll auf dem laut Flächenwidmungsplan der Gemeinde G als Betriebsbaugebiet gewidmeten Grundstücks 634/2 in der Gemeinde G errichtet werden. Das Grundstück steht derzeit im Eigentum der Insolvenzmasse der insolventen Firma xx (Tischlerei) und wird vom Insolvenzverwalter xxx verwaltet. Auf diesem Grundstück befindet sich derzeit eine Werkshalle, die nach den vorgelegten Plänen abgerissen und durch eine neue Werkshalle ersetzt werden soll. Die künftige Betriebsanlage soll außerdem einen neuen Verkaufsraum erhalten; in der Betriebsanlage sollen Möbel designt und in großer Stückzahl produziert und verkauft werden. Zur mündlichen Verhandlung vom 02.02.2017 lud die belangte Behörde lediglich die bücherlichen Eigentümer dreier Mehrfamilienhäuser, die in der Verhandlung folgende Einwendungen erhoben: Der Eigentümer des Hauses 1, das eine gemeinsame Grundgrenze mit dem Grundstück 634/2 hat, wendete ein, dass ein Möbelhaus dieser Größe ein großer Verkehrserreger ist, und die Straßen im kleinen Ort G diesem Verkehr nicht gewachsen sind. Außerdem befinde sich nur 600 m vom Grundstück 634/2 eine Schule, der Lärm der Möbelproduktion würde die Kinder beim Unterricht stören. Das Projekt sehe zwar 50 Parkplätze vor, diese seien jedoch viel zu wenig. Zudem könnten abgestellte Fahrzeuge bei Regen das Grundwasser verschmutzen. Der Eigentümer des Hauses 2, dessen Grundgrenze 400 m vom Grundstück 634/2 entfernt ist, wendete ein, dass die Bewohner des Hauses 1, und zwar Eigentümer und Mieter, durch den Lärm der Möbelproduktion arg belästigt sein werden. Außerdem entsprächen die vorgesehenen Maschinen nicht dem Stand der Technik, sodass eine erhebliche Verletzungsgefahr für die in der Tischlerei arbeitenden Menschen besteht. Der Eigentümer des Hauses 3, dessen Grundgrenze 500 m vom Grundstück 634/2 entfernt ist, wendete ein, dass der Wert seiner Liegenschaft sinkt, je mehr Betriebe sich ansiedeln. Außerdem sei zu erwarten, dass der Gemeinderat das Betriebsbaugebiet ohnedies alsbald in Bauland-Wohngebiet umwidmen wird, sodass eine Tischlerei gar nicht mehr erlaubt ist. Nach der mündlichen Verhandlung wendete M, Mieter einer Wohnung im Haus 1, mit dem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben vom 02.02.2017 ein, dass die Behörde den Lärm, die Abluft und die Abgase aus der geplanten Möbelproduktion sowie sein Herzleiden nicht berücksichtigt hätte und eine Möbelproduktion im Betriebsbaugebiet unzulässig sei. Mit Bescheid vom 03.03.2017 wies die belangte Behörde meinen Antrag mit der Begründung ab, dass ich erstens zur Antragstellung nicht legitimiert sei, weil ich weder Eigentümer noch Pächter der Tischlerei bin. Zweitens hätte ich gar keine Gewerbeberechtigung als Tischler, könne sie auch nicht bekommen, weil ich keinen Befähigungsnachweis besitze. Drittens sei die Finanzierung des Projekts noch nicht gesichert. Viertens hätte ich Pläne eingereicht, die ich selbst gezeichnet habe. Die Pläne seien ungültig, weil ich kein befugter Planverfasser bin. Fünftens könne über eine Betriebsanlagenbewilligung erst entschieden werden, wenn eine rechtskräftige Baubewilligung vorliege. Gegen diesen Bescheid erhob ich fristgerecht Bescheidbeschwerde. Das Landesverwaltungsgericht gab mit Erkenntnis vom 03.05.2017 (zugestellt am 05.05.2017) meiner Beschwerde keine Folge. Inhaltlich führte das Erkenntnis aus, dass die bereits im Bescheid vom 03.03.2017 angeführten Argumente der Bezirkshauptmannschaft B alle zutreffend sind. Die ordentliche Revision ließ das LVwG zu. Fall VIII (Revision)/2

II. Da mich das angefochtene Erkenntnis im genannten Recht verletzt, erhebe ich in offener Frist durch meinen bevollmächtigten Vertreter gemäß Art 133 Abs 1 Z 1 ivm Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG und den 25a ff VwGG Revision und stelle die A n t r ä g e, der Verwaltungsgerichtshof möge 1. gemäß 42 Abs 2 VwGG das angefochtene Erkenntnis des LVwG OÖ aufheben; oder gemäß 42 Abs 4 VwGG das angefochtene Erkenntnis des LVwG OÖ dahingehend abändern, dass meiner Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B stattgegeben und die für die neue Werkshalle (samt Maschinen) und den neuen Verkaufsraum beantragte Betriebsanlagenbewilligung (Grundstück 634/2, Gemeinde G, Bezirk B) gemäß 77 ivm 81 GewO 1994 erteilt wird; sowie 2. gemäß 39 Abs 1 Z 1 VwGG eine mündliche Verhandlung durchführen; und 3. gemäß den 47 ff VwGG ivm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 erkennen, der Bund ist schuldig, die mir durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zuhanden meines bevollmächtigten Vertreters binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Fall VIII (Revision)/3

III. Meine Anträge begründe ich im Einzelnen wie folgt: A. Zulässigkeit Das angefochtene Erkenntnis des LVwG Oberösterreich vom 03.05.2017, GZ 2017/77/Gew/3 wurde mir am 05.05.2017 zugestellt. Mit heutigem Tag ist die sechswöchige Revisionsfrist ( 26 Abs 1 Z 1 VwGG) noch nicht abgelaufen. Die Revision ist daher rechtzeitig. Das LVwG Oberösterreich ließ die ordentliche Revision zu, weil nach dessen Auffassung die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der isv Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt (nähere Begründung des LVwG darlegen). Ich schließe mich den Ausführungen des LVwG Oberösterreich an und ergänze ( ) 1 B. Rechtswidrigkeit Das angefochtene Erkenntnis leidet aus folgenden Gründen an einer Rechtswidrigkeit des Inhalts ( 42 Abs 2 Z 1 VwGG): 1. Inhaber der Betriebsanlage Indem das Landesverwaltungsgericht meine Beschwerde mit der Begründung abwies, dass ich zur Antragstellung nicht legitimiert wäre, weil ich weder Eigentümer noch Pächter der Tischlerei sei, belastete es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit isd 42 Abs 2 Z 1 VwGG. Es trifft zu, dass derzeit die Insolvenzmasse der insolventen Tischlerei Eigentümerin des Grundstücks 634/2 ist, sie wird vom Insolvenzverwalter vertreten. Richtig ist auch, dass ich weder Eigentümer des Grundstücks 634/2 noch sonst dinglich (zb als Fruchtgenussberechtigter) oder obligatorisch (zb als Mieter oder Pächter) an der Liegenschaft berechtigt bin. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine dingliche oder obligatorische Berechtigung aber nicht erforderlich; vielmehr ist (lediglich) der Inhaber der Betriebsanlage zum Antrag auf Genehmigung oder Änderung einer bestehenden Betriebsanlage berechtigt (VwGH 14.11.2007, 2005/04/0300; 21.12.2004, 2002/04/0207 ua). Inhaber ist ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung wer die Gewahrsame über die Sache hat ( 309 ABGB), wer im Wesentlichen die Möglichkeit hat, das in der Betriebsanlage ausgeübte faktische Geschehen zu bestimmen (VwGH 14.11.2007, 2005/04/0300; 30.6.2004, 2002/04/0190). Der VwGH hat zum Begriff des Inhabers in ständiger Rechtsprechung, zuletzt in VwGH Ra 15.12.2014, 2014/04/0028, folgendes ausgesprochen: Innehabung ist nicht bloß räumlich-körperlich zu verstehen, sondern als äußere Erscheinung der Herrschaft über den Gegenstand nach Maßgabe der Verkehrsauffassung. (.) Mit der Innehabung der Betriebsanlage wird daher die Möglichkeit der Bestimmung des in der Betriebsanlage ausgeübten faktischen Geschehens angesprochen. ( ) Ich wurde vom Insolvenzverwalter, dem organschaftlichen Vertreter der Insolvenzmasse, ermächtigt, die Liegen- 1 Die Zulässigkeit im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG muss bei einer ordentlichen Revision grundsätzlich nicht gesondert begründet werden. In der Praxis ist es jedoch sinnvoll, auch bei einer ordentlichen Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG im Detail darzulegen. Und: Der Revisionswerber hat (auch) in der ordentlichen Revision die Gründe der Zulässigkeit der Revision jedenfalls dann im Einzelnen darzulegen, wenn er meint, dass die Begründung des VwG für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (VwGH Ro 19.02.2015, 2015/21/0002); auf Rechtsfragen, die zwar das VwG als grundsätzlich angesehen hat, die der Revisionswerber in der Revision aber nicht nennt, geht der VwGH nicht ein (VwGH 26.03.2015, Ro 2014/07/0095). Hätte das LVwG die ordentliche Revision nicht zugelassen, müsste die Revision in jedem Fall gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird ( 28 Abs 3 VwGG). Fall VIII (Revision)/4

schaft zum Zwecke der Stellung eines Antrags auf gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung zu benützen, außerdem werde ich, wenn die Betriebsanlagengenehmigung erteilt wird, das Grundstück erwerben. 2 Das genügt für die Inhaberschaft. 2. Fehlende Gewerbeberechtigung Die Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung setzt keine Gewerbeberechtigung voraus ( 77 GewO 1994; VwSlg 7182 A/1967). Das Erfordernis einer Gewerbeberechtigung für eine Betriebsanlagengenehmigung als Genehmigungsvoraussetzung wird in der GewO 1994 nirgends normiert. Das Erkenntnis leidet insofern an einer Rechtswidrigkeit des Inhalts. 3. Finanzierung des Projektes nicht gesichert Die Sicherstellung der Finanzierung des Projektes ist keine Voraussetzung für die Genehmigung der Betriebsanlage. Eine solche Genehmigungsvoraussetzung findet sich in der GewO 1994 nicht ( 77). Auf solche Umstände darf die Behörde keine Rücksicht nehmen. Indem das Gericht einen gesetzlich nicht vorgesehenen Grund für die Versagung der Betriebsanlagengenehmigung herangezogen hat, belastete es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts. 4. Fehlen eines befugten Planverfassers Gemäß 353 GewO 1994 sind dem Genehmigungsantrag die erforderlichen Pläne und Skizzen anzufügen. Wer diese erstellt, ist nicht geregelt. Sohin kann jeder für sein eigenes Projekt die Pläne selbst erstellen oder von Dritten erstellen lassen. Dass ich die Pläne für die Betriebsanlage selbst erstellte, ist entgegen der Auffassung des LVwG kein Grund für die Versagung der Genehmigung. 5. Fehlen einer rechtskräftigen Baubewilligung Das Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung ist keine Voraussetzung für die Erteilung einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung. Eine solche Genehmigungsvoraussetzung findet sich in der GewO 1994 nicht ( 77). Die Betriebsanlagengenehmigung kann vor oder auch nach einer Baubewilligung beantragt werden. Die Verfahren werden unabhängig voneinander geführt. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 27.03.1990, 87/04/0091): Die Gewerbebehörde hat im Rahmen ihrer Zuständigkeit lediglich die Genehmigungsfähigkeit des vom Konsenswerber vorgelegten Genehmigungsansuchens zu beurteilen; es besteht keine verfahrensrechtliche Grundlage, den Genehmigungswerber aufzufordern, in allen Verfahren (zb Forst-, Wasserrechtsverfahren, Anm.) ein einheitliches Projekt vorzulegen. Die Frage, ob ein Betriebsanlageninhaber von einer erteilten gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung tatsächlich keinen Gebrauch machen kann, weil weitere etwa forst- oder wasserrechtliche Bewilligungen nicht oder in Abweichung vom gewerbebehördlich genehmigten Projekt erteilt wurden, ist in einem Genehmigungsver- 2 Um seine Inhaberschaft darzutun, hätte S bereits im Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft einen entsprechenden (Vor)Vertrag mit dem Insolvenzverwalter über den Kauf der Liegenschaft bei Vorliegen der Betriebsanlagengenehmigung vorlegen oder die Behörde durch sonstige Beweismittel von seiner Inhaberschaft überzeugen müssen. Ob Stefan S der Behörde zb einen Vorvertrag vorgelegt hat, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Hier wird davon ausgegangen, dass S das getan hat. Hätte S das nicht getan, wäre der Bescheid insoweit rechtswidrig, als die Behörde bzw das LVwG dem S die Möglichkeit geben hätte müssen a) seine Inhaberschaft unter Beweis zu stellen (Verbesserungsauftrag isd 13 Abs 3 AVG), sei es durch Urkunden oder durch Zeugenaussagen (zb Vernehmung des Insolvenzverwalters über das Bestehen eines mündlichen Vorvertrages) b) zur fehlenden Inhaberschaft Stellung zu nehmen, sein rechtliches Gehör hätte also gewahrt werden müssen. In diesem Fall wäre das Erkenntnis des LVwG rechtswidrig wegen (entscheidungsrelevanter) Verletzung von Verfahrensvorschriften. Fall VIII (Revision)/5

fahren nach 77 GewO 1973 nicht zu prüfen. Finden die Verfahren gleichzeitig statt, sind aber die Behörden verpflichtet, ihre Verfahren zu koordinieren ( 356b Abs 2 GewO 1994); ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Indem das LVwG das Vorliegen einer Baubewilligung zur Voraussetzung für die Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung erklärte, ohne dass eine solche Voraussetzung in der GewO 1994 vorgesehen wäre, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Linz, am 16.06.2017 Stefan S Anmerkung: Stefan S könnte noch einen Grund für die Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses geltend machen (die Sinnhaftigkeit der Geltendmachung dieses Revisionsgrundes ist freilich zu hinterfragen): Die Bezirkshauptmannschaft und das LVwG OÖ ( 28 VwGVG) hätten vor der Entscheidung einen technischen und einen medizinischen Sachverständigen bestellen müssen, um die von der geplanten Betriebsanlage ausgehenden Immissionen beurteilen zu können. Sowohl die Gewerbebehörde als auch das LVwG OÖ hätten von Amts wegen ohne von entsprechenden Einwendungen der Nachbarn abzuhängen prüfen müssen, ob das Projekt genehmigungsfähig ist, also ob Gefährdungen vermieden und Belästigungen und Beeinträchtigungen auf ein zumutbares Maß beschränkt werden ( 77 Abs 1 GewO 1994). Das haben sowohl die Gewerbebehörde als auch das LVwG OÖ rechtswidrig unterlassen. Allerdings hat weder die Behörde noch das Gericht die Abweisung des Antrags des S auf Nachbarimmissionen gestützt. Auch wenn der Hinweis auf die Notwendigkeit der Einholung von Sachverständigengutachten vordergründig zu Stefans Nachteil ist, könnte die Geltendmachung dieses Revisionsgrundes für ein fortgesetztes Verfahren Sinn machen. Es bestünde ansonsten die Gefahr, dass die Nachbarn berechtigterweise Rechtsmittel gegen eine die Immissionen nicht berücksichtigende Entscheidung erheben, was neuerlich zu Verfahrensverzögerungen führen würde. Fall VIII (Revision)/6