Kerne und Teilchen. Physik VI

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Transkript:

Kerne und Teilchen Physik VI Vorlesung # 10 18.5.010 Guido Drexlin, Institut für Experimentelle Kernphysik Instabile Kerne - ß-Zerfall: Grundlagen - Neutrinos: Hypothese & Nachweis - Klassifizierung von ß-Zerfällen: ß +, EC, ß - Zerfälle - Fermi s Goldene Regel - g-zerfall: Grundlagen, Multipolarität KIT University of the State of Baden-Württemberg and National Research Center of the Helmholtz Association www.kit.edu

radioaktiver Zerfall Ensemble N(t) instabiler Kerne/Teilchen mit Zerfallswahrscheinlichkeit : N( t) N(0) e t dn( t) A( t) N( t) dt 18.5.010 G. Drexlin VL10 1 Becquerel = 1 Zerfall / s Halbwertszeit t ½, Lebensdauer t & Breite G 1 t 1.443t 1/ Zerfälle mit Verzweigung t 1 1 G t Zerfallsketten von 3 Th, 35 U, 38 U mit säkularem Gleichgewicht 16 8 50 8 14 6 N e - 6 14 8 50 8 Zerfallstyp ß + - Zerfall ß - - Zerfall - Zerfall Spaltung p-emission n-emission stabil Z

gebundene Zustände quasigebundene Zustände Alpha- Zerfall beim Alpha-Zerfall tunnelt ein im Kerninnern gebildetes -Teilchen durch den Coulombwall: monoenergetisches -Spektrum mit kinetischer Energie T = 4 9 MeV v 0 T R 0 : Wahrscheinlichkeit der Bildung eines v/r: Anzahl der Tunnelversuche / Zeiteinheit Potential V(r) anziehendes Kern- Potential abstoßendes Coulomb-Potential V C (r) ~ 1/r Transmissionswahrscheinlichkeit T: T e G Gamov-Faktor G: G Z m T Tunneleffekt R T Radius r Geiger-Nuttall Relation: ln( t / t 0) C a Z T Kernradius R 3 18.5.010 G. Drexlin VL10

4.3 ß-Zerfall beim ß-Zerfall eines Kernes ändert sich die Ordnungszahl Z durch die Emission eines Elektrons/Positrons mit zugehörigem Antineutrino/Neutrino um eine Einheit Historie des ß-Zerfalls: - 1914: J. Chadwick beobachtet, dass beim ß-Zerfall eines Kerns ein kontinuierliches Energiespektrum entsteht - 1930: W. Pauli postuliert die Existenz des Neutrinos - 1934: E. Fermi stellt eine Theorie für die schwache Wechselwirkung auf (goldene Regel) - 1956: F. Reines & C. Cowan entdecken das Neutrino - 1958: M. Goldhaber bestimmt die Händigkeit des Neutrinos Lee & Yang postulieren Verletzung der Parität - 1959: Wu-Experiment demonstriert Paritätsverletzung - 1986: erster experimenteller Nachweis des nßß-zerfalles der ß-Zerfall basiert auf der schwachen Wechselwirkung und ist damit von fundamentaler Bedeutung (vgl. Kap. 9) Enrico Fermi Madame Wu 4 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Grundlagen ß-Zerfälle haben sehr kleine Übergangswahrscheinlichkeiten im Vergleich zu starken bzw. elektromagnetischen Prozessen: - lange Halbwertszeiten von ß-instabilen Kernen: ms 10 16 Jahre (zum Vergleich: starke Prozesse 10-4 s, elektromagnet. Prozesse 10-1 s - Lebensdauer t ist stark abhängig von Übergangsenergie E 0 : 1/t ~ (E 0 ) 5 ß-Zerfälle treten auf, wenn: - Kerne sehr neutronenreich sind (ß - Zerfall) - Kerne sehr protonenreich sind (ß + Zerfall, Elektronen-Einfang EC) Übersicht über reine ß-Quellen Isotop Endpunkt [kev] Halbwertszeit t ½ 3 H 18.6 1.3 J 14 C 156 5730 J 33 P 48 4.4 T 90 Sr 546 7.7 J 90 Y 83 64 h 99 Tc 9.1 10 5 J 5730 Jahre 5 18.5.010 G. Drexlin VL10

Intensität [rel. Einheiten] ß-Zerfall: kontinuierliches Spektrum kontinuierliche Energieverteilung & Spin s = ½ von Elektronen aus dem Kern-ß-Zerfall z.b. von 14 C (1 + ) 14 N (0 + ) + e - : Erhaltung von Energie & Drehimpuls erfordern die Existenz eines neutralen, fast masselosen & nur schwach wechselwirkenden Teilchens 4. Dezember 1930: Wolfgang Pauli postuliert das Neutrino als leichtes, neutrales, Spin s = ½ Partnerteilchen des Elektrons ß-Zerfall von 10 Bi W. Pauli W. Pauli 0 0. 0.4 0.6 0.8 1.0 1. kinetische Energie [MeV] 6 18.5.010 G. Drexlin VL10

Neutrinos erster Nachweis 1956: erster Nachweis des Neutrinos durch Fred Reines & Clyde Cowan am Savannah River Reaktor Hanford 1954: erster Neutrinodetektor Herr Auge 300 l Flüssigszintillator mit 90 PMTs! Savannah River 1956: A,B: 00 l H O-Target I,II,III: 400 l Szintillator ~900 h Messungen! I Gamma- Quanten E=511 kev Antineutrino e + Projekt Poltergeist Neutron inverser ß-Zerfall Positronannihilation Gammaquanten Neutroneinfang Flüssig- Szintillator mit Cadmium Nobelpreis 1995 II III Fred Reines 1918-1998 7 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Klassifizierung ß - -Zerfall _ n p + e - + n e - basiert auf dem Zerfall eines Neutrons im Kern - freie, nicht im Kern eingebundene Neutronen zerfallen mit der Lebensdauer t = 887 s, Q = 780 kev (M n - M p ) - alle ß-Zerfälle beruhen auf einer neuen Wechselwirkung, der schwachen Wechselwirkung dabei kommt es zum Austausch der sehr schweren Eichbosonen W +,W - n _ n _ ß-Zerfall des Neutrons Neutron Zeit W - Proton e - _ n e t ½ = 887 s, Q-Wert E 0 = 0.78 MeV - Nukleosynthese im Big Bang - Kernreaktoren als Neutrinoquelle - Neutrino-Oszillationsexperimente (s. Kap. 10.) 8 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Klassifizierung ß + -Zerfall p n + e + + n e - basiert auf dem Zerfall eines Protons im Kern, falls dies energetisch möglich ist (Q-Wert) - nicht in Kerne eingebundene Protonen sind stabil, da für den Q-Wert gilt: Q = M p M n = -1.8 MeV n - bei der Umkehrreaktion, dem sog. inversen ß-Zerfall kommt es zum Einfang eines Antineutrinos durch ein Proton inverser ß-Zerfall Proton _ n e Zeit W + Neutron e + _ n e + p n + e + s ~ 10-41 cm im MeV Bereich klassische n-nachweisreaktion: - Oszillationsexperimente - Supernova-Explosionen 9 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Klassifizierung Elektronen-Einfang EC = electron capture - basiert auf dem Einfang eines Hüllenelektrons (meist aus der K-Schale) im Kern, Lücke wird gefüllt durch Emission eines Röntgenquants oder eines Auger-Elektrons endliche Elektron-Wellenfunktion Y(r) im Kern - EC steht oft in direkter Konkurrenz zum ß + -Zerfall n e Auger- Elektron Röntgen- Photon K-Schalen Einfang 10 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Klassifizierung Elektronen-Einfang EC = electron capture - basiert auf dem Einfang eines Hüllenelektrons (meist aus der K-Schale) im Kern, Lücke wird gefüllt durch Emission eines Röntgenquants oder eines Auger-Elektrons endliche Elektron-Wellenfunktion Y(r) im Kern - EC steht oft in direkter Konkurrenz zum ß + -Zerfall n e Elektron-Einfang Proton e - W + Neutron n e e - + p n + n e an freien p und an Kernen - SNIIa: Neutronisation bei Kernkollaps radioakt. Zerfallskurve ( 56 Ni, 56 Co) - BBN: thermodynam. Gleichgewicht 11 18.5.010 G. Drexlin VL10

Masse M(Z,A) ß-Zerfall: Isobaren-Zerfallskette bei ß-Zerfällen zerfallen Kerne mit hoher Masse in den energetisch günstigsten Kern vgl. Bethe-Weizsäcker-Massenformel: M(Z,A) = A - ß Z + g Z + d A -½ = M n a V + a S A -1/3 + a A ß = M n M p m e + a A g = (4/A) a A + a C A -1/3 1 18.5.010 G. Drexlin VL10 + für gg 0 für ug - für uu ug-kerne: die Paarungsenergie d verschwindet - nur 1 Massenparabel - nur ein stabiles Isobar verbleibt ß-Zerfall in ug-kernen Nb A = 101 n-überschuss p-überschuss Mo ß - Tc Ru EC ß + Rh 40 41 4 43 44 45 46 stabil Pd Ag Kernladung Z

ß-Zerfall: Isobaren-Zerfallskette gg-kerne: Paarungsenergie d positiv für gg-kerne Paarungsenergie d negativ für uu-kerne - Massenparabeln - alle uu Kerne auf der oberen Parabel sind instabil, da tiefer liegende gg Kerne existieren Ausnahmen: H, 6 Li, 10 B, 14 N - mehrere stabile Isotope verbleiben - diese können aber durch den extrem schwachen Doppel-ß-Zerfall zerfallen (Isotope sind praktisch stabil) Bsp: 130 Te 130 Xe + e - + n e t ½ = (1.63 ± 0.14) 10 1 a (vgl. Kap. 10.3, Suche nach 0nßß ) Massenparabel für gerade-gerade und uu Kerne (Paarungs-Energie) Massenkurven uu für Kerne mit Paarungsenergie A=136 stabil gg 13 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Q-Werte Im ß-Zerfall definiert der Q-Wert die maximale Energie des emittierten Elektrons oder Positrons (unter Vernachlässigung der Rückstoßenergie des Kerns und der Neutrinomasse) mit Kernmassen M: Q(ß - ) = M(Z, A) M(Z+1,A) m e Q(ß + ) = M( Z, A ) M(Z 1,A ) m e Q(EC) = M( Z, A ) M(Z 1,A ) m e mit Atommassen M : Q(ß - ) = M(Z, A) M ( Z+1,A) Q(ß + ) = M( Z, A ) M(Z 1,A) m e Q(EC) = M( Z, A ) M(Z 1,A) - für den ß + -Zerfall muss ein Faktor m e abgezogen werden, der die fehlenden Elektronenmassen berücksichtigt 90 Sr (8.5a) ß - 0.546 MeV 90 Y 99.98% ß -.74 MeV 0.0% ß - 0.513 MeV 90 Zr* g 1.761 MeV 90 Zr 14 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Energiespektrum das Energiespektrum & die Übergangsrate G im ß-Zerfall lässt sich durch die Fermi-Theorie sehr präzise beschreiben, Fermi s Goldene Regel G G F Kopplung G F f M fi i dn de Matrixelement Endzustandsdichte e - p z E. Fermi n G F _ n e p j f j i h d 3 ~ 10.000 km p y Punktwechselwirkung G F = 1.1 10-5 GeV - Überlapp der Wellenfunktionen oft energieunabhängig p x Phasenraumzustände: ~ V 4 p dp / h 3 15 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Energiespektrum das Energiespektrum mit der Übergangsenergie E 0 wird durch den Phasenraum-Faktor dn/de bestimmt: hierbei sind die Zustände für Neutrino & Elektron zwischen p und p + dp zu berücksichtigen: dn e 1 3 V p e dp e dn n 1 3 V p n dp 3 Teilchenzerfall: die Impulse von Elektron & Neutrino sind nicht korreliert, daher ist: dn de dne dn de n V 4 4 6 p e dp e p n dp für das sehr leichte Neutrino gilt näherungsweise (mit Energiebilanz E 0 = E + E n ) : n n p n En E0 E c c damit : dn de V 4 4 6 c 3 p ( E E) e 0 dp e 16 18.5.010 G. Drexlin VL10

Zählrate N(E) ß-Zerfall: Energiespektrum das Energiespektrum lässt sich im niederenergetischen/hochenergetischen Teil darstellen als: ~p dn de V 4 4 6 c 3 p ( E E) e 0 dp e ~ (E 0 E) E 0 Energie E für kleine Elektronenenergien: N(E) ~ p, da dort Faktor (E 0 E) ~ konstant für große Elektronenenergien: N(E) ~ (E 0 E), da dort Faktor p ~ konstant die Coulombwechselwirkung der Hüllenelektronen mit dem auslaufenden Elektron/Positron verzerrt das Energiespektrum geringfügig: dies wird durch die Fermi-Funktion F(E,Z) parametrisiert 17 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Energiespektrum von Tritium das Energiespektrum des Tritium-ß-Zerfalls lässt sich im Rahmen der Fermi-Theorie sehr genau berechnen (einschließlich F(Z,E), molekulare Anregungen, Rückstoß des Moleküls) Tritium hat eine sehr niedrige Endpunktsenergie E 0, ideal zur Untersuchung 3 von Effekten der Neutrinomasse nahe am kinematischen H: über-erlaubt Endpunkt E 0 (vgl. Kap. 10.3) E 0 t 1/ 18.6 kev 1.3 a nahe am Endpunkt: Modifikation durch Neutrinomasse 18 18.5.010 G. Drexlin VL10

ß-Zerfall: Energiemessung magnetisch Detektor ß-Quelle Dp/p = 7 10-4 dw = 10-3 magnetisches Führungsfeld: Impulsanalyse durch Blenden elektrostatisch U 0 DE/E = 1 10-5 dw ~ ß-Quelle magnetisches Führungsfeld, Energieanalyse durch ein elektrostatisches Retardierungsfeld Detektor 19 18.5.010 G. Drexlin VL10

Q =.84 MeV 4.4 Gamma Zerfall beim g-zerfall werden ein oder mehrere monoenergetische Photonen im Energiebereich von ~ 100 kev 10 MeV durch den angeregten Kernzustand A* emittiert: diskretes Gammaspektrum aus g-spektrum: Co-60 5.7 a 5 + - Energie E g E( A*) 0.318 MeV - Winkelverteilung Spin J / Multipolarität - Lebensdauer t 1.173 MeV.505 MeV 4 +.158 MeV + 1.33 MeV + 1.33 MeV Ni-60 stabil 0 + 0 18.5.010 G. Drexlin VL10

Gamma Zerfall mit INTEGRAL Beobachtung von Gammalinien aus dem Zerfall von radioaktivem 6 Al: aus Supernovae + Mg-6* 0.49 ps 5 + Al-6 7. 10 5 a 8% ß + 15% EC 1.8086 MeV 0 + Mg-6 stabil 1.81 MeV INTEGRAL International Gamma-Ray Astrophysics Laboratory 1 18.5.010 G. Drexlin VL10

Energieshift g-linie [kev] Gamma Zerfall mit INTEGRAL Beobachtung von Gammalinien aus dem Zerfall von radioaktivem 6 Al: aus Supernovae galaktische Rotation galaktische Länge [ ] 1.81 MeV INTEGRAL International Gamma-Ray Astrophysics Laboratory 18.5.010 G. Drexlin VL10

Gamma Zerfall: Multipolarität Photonen haben ganzzahligen Spin s = 1 und können beim g-zerfall auch Bahndrehimpuls L wegtragen J i J mit L s f die niedrigste Multipolordnung des Photons muss sein l = 1 (Dipolstrahlung), da Photonen nur longitudinal polarisiert sind (m = ± 1), damit gilt J i J f J i J f und 1 es gibt damit keine g-übergänge zwischen Spin-0-Kernen g-zerfällen entstehen durch die elektromagnetische Wechselwirkung, die paritätserhaltend ist (Parität: Verhalten eines Systems unter Rauminversion, jedes Teilchen hat eine intrinsische Parität, z.b. P(g) = -1) dies führt zu einer weiteren Auswahlregel s s p p 3 18.5.010 G. Drexlin VL10

Gamma Zerfall: Multipolarität & Parität Gamma-Übergänge lassen sich sehr effektiv als Überlagerung von verschiedenen Multipolordnungen (klassisch: Kugelfunktionen Y lm ) mit jeweils charakteristischen Winkelverteilungen beschreiben die verschiedenen Multipole l = 1,, 3, werden charakterisiert nach - elektrische Multipole: E1, E, E3, (schwingender elektrischer l Pol) - magnetische Multipole: M1, M, M3 (schwingender magnetischer l Pol) - E1: elektrische Dipolstrahlung, E3: elektrische Oktupolstrahlung - M: magnetische Quadrupolstrahlung für Photonen der El Strahlung gilt: Parität P = (-1) l für Photonen der Ml Strahlung gilt: Parität P = (-1) l+1 aus den beiden Erhaltungssätzen für - den Gesamtdrehimpuls Ji J f Ji J f und 1 - die Parität E : Pi ( 1) Pf M : Pi ( 1) werden die erlaubten Multipolordnungen El und Ml der elektromagnetischen Übergänge festgelegt 1 P f 4 18.5.010 G. Drexlin VL10

Wahrscheinlichkeit [s -1 ] Gamma Zerfall: Multipolarität & Parität man beobachtet experimentell fast nur Gamma-Übergänge mit dem niedrigsten möglichen l, d.h. die 10 16 niedrigste Multipolordnung dominiert Auswahlregeln Übersicht: Multipol l elektrisch El DJ DP magnetisch Ml DJ DP Dipol E1 1 - M1 1 + Quadrupol E + M - Oktupol E3 3 - M3 3 + Beispiele für Zustände mit Spin Parität J P 0 + 0 + : kein g-übergang möglich 1 + 0 + : l = 1 (L=1, s=1) DP = +, M1 3/ + 1/ + : l = 1 (L=1, s=1) DP = +, M1 : l = (L=1, s=1) DP = +, E 10 1 10 8 10 4 10 0 10-4 10-8 E1 E E3 M1 M M3 E4 E5 M4 M5 0 50 100 00 500 Gamma-Energie E g [kev] 5 18.5.010 G. Drexlin VL10