Hartmut Weyel Predigt am 15. Juni 2003 Wege zu unseren Mitmenschen: Sich vom Heiligen Geist bewegen lassen (Apg. 8, 26-39) Einleitung: Der Bundeskongress Freier evangelischer Gemeinden in Bochum stand unter dem Thema bewegt. In einem Interview für die Zeitschrift Christsein heute wurde ich gefragt, was mich auf diesem Kongress bewegt habe, welche Bewegung ich mit nach Hause und in meine Gemeinde nähme. Da der Bundeskongress an Pfingsten stattfand, stellt sich tatsächlich die Frage, ob der Heilige Geist, der ja der Anlass für das Pfingstfest ist, bei uns irgend etwas in Bewegung gesetzt hat. Ich meine damit natürlich nicht die vier Räder unseres Autos zu einer Pfingsttour ins Grüne, sondern was der Heilige Geist geistlich bei uns bewegt. Macht Pfingsten uns nur automobil oder auch mobil für Gott, für die Gemeinde, für unsere Mitmenschen? In der biblischen Geschichte, um die es heute am Sonntag nach Pfingsten geht, hat der Heilige Geist zwei Menschen erstaunlich mobil gemacht. Sie haben sich vom Heiligen Geist bewegen lassen, und dabei ist ein Ergebnis herausgekommen, das sich sehen lassen kann. Das Ereignis wird in Apg. 8, 26-39 so geschildert: 26 Der Engel des Herrn aber sagte zu Philippus:»Mach dich auf den Weg und geh nach Süden, zu der Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt!«diese Straße ist einsam. 27 Philippus machte sich auf den Weg und ging dorthin. Da kam in seinem Reisewagen ein Äthiopier gefahren. Es war ein hoch gestellter Mann, der Finanzverwalter der äthiopischen Königin, ein Eunuch. Er war in Jerusalem gewesen, um den Gott Israels anzubeten. 28 Jetzt befand er sich auf der Rückreise. Er saß in seinem Wagen und las im Buch des Propheten Jesaja. 29 Der Geist Gottes sagte zu Philippus:»Lauf hin und folge diesem Wagen!«30 Philippus lief hin und hörte, wie der Mann laut aus dem Buch des Propheten Jesaja las. Er fragte ihn:»verstehst du denn, was du da liest?«31 Der Äthiopier sagte:»wie kann ich es verstehen, wenn mir niemand hilft!«und er forderte Philippus auf, zu ihm in den Wagen zu steigen. 32 Die Stelle, die er gerade gelesen hatte, lautete:»wie ein Lamm, wenn es zum Schlachten geführt wird, wie ein Schaf, wenn es geschoren wird, so duldete er alles schweigend, ohne zu klagen. 33 Er wurde aufs tiefste erniedrigt; aber mitten in seiner Erniedrigung wurde das Urteil gegen ihn aufgehoben. Wer wird je seine Nachkommen zählen können? Denn von der Erde weg wurde sein Leben emporgehoben.«34 Der Mann aus Äthiopien fragte:»bitte, sag mir doch: Um wen geht es hier eigentlich? Meint der Prophet sich selbst oder einen anderen?«35 Da ergriff Philippus die Gelegenheit und verkündete ihm, von dem Prophetenwort ausgehend, die Gute Nachricht von Jesus. 36 Unterwegs kamen sie an einer Wasserstelle vorbei, und der Äthiopier sagte:»hier gibt es Wasser! Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?«37 Philippus sagte:»du kannst getauft werden, wenn du von ganzem Herzen glaubst.ja«, antwortete er,»ich glaube, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist.«38 Er ließ den Wagen anhalten. Die beiden stiegen ins Wasser hinab, Philippus und der Äthiopier, und Philippus taufte ihn.
2 39 Als sie aus dem Wasser herausstiegen, wurde Philippus vom Geist des Herrn gepackt und weggeführt, und der Äthiopier sah ihn nicht mehr. Von Freude erfüllt setzte er seine Reise fort. Es fällt auf, dass der Heilige Geist die beiden Leute nicht mit Pauken und Trompeten und nicht mit Feuer und Donnerschlag und nicht mit sensationellen Visionen in Bewegung bringt. Ohnedies ist in unserer Geschichte nur zweimal vom Heiligen Geist die Rede. Dafür umso mehr von seinem unsichtbaren Wirken. Das hängt offenbar mit dem Wesen des Heiligen Geistes zusammen. Es ist kaum möglich, über den Heiligen Geist lange Reden zu halten. Man kann nicht über ihn theoretisieren. Dem entzieht er sich, und man hat nichts in der Hand. Wir können nur davon reden, was er tut: an uns, mit uns, mit der Gemeinde, an unseren Mitmenschen, in der Welt. Wir können vielleicht die Fäden aufspüren, die er zieht und miteinander verknüpft. Und das kann dann ganz schön spannend sein, so wie in unserer heutigen Geschichte. Was treibt eigentlich diesen Schatzkanzler der äthiopischen Königin zu einer Reise ins 2000 km entfernte Jerusalem? Welche Hoffnungen bewegen ihn, die lange Reise zu unternehmen? Keine Frage: Er wird enttäuscht werden, denn als Eunuch und Nichtjude hat er praktisch keine Chance, am Tempelgottesdienst teilzunehmen. Das ist ihm schlichtweg verboten. So hat er sich eine teure Jesaja-Handschrift gekauft und versucht nun, darin zu lesen und sie zu verstehen. Abgesehen von dem Problem mit der fremden Sprache und den anderen Buchstaben versteht der Mann auch nichts vom Inhalt. Fazit also: Eine erfolglose Reise! Eine traurige Geschichte! Ende! Und der zweite Mann in dieser Geschichte, Philippus? Er muss etwas tun, was ihm ungewöhnlich erscheint: auf eine einsame und nicht gerade ungefährliche Straße gehen. Ein Evangelist soll allein auf eine einsame Straße gehen? Was soll das denn?, wird sich Philippus gefragt haben. Ich gehöre in die Großstadt, mitten unters Volk! Am besten in ein Stadion mit 50.000 Leuten! Da laufe ich zu großer Form auf! Aber auf eine einsame Straße gehen, wo am Tag vielleicht mal ein Mauleselfuhrwerk vorbeikommt, ist doch unsinnig! Fazit also: Eine sinnlose Reise! Eine belanglose Geschichte! Ende! Aber - da ist ja noch der Heilige Geist! Der ist bereits in action. Bis jetzt ist an der Geschichte dieser beiden Männer zwar noch nicht abzulesen, dass in ihnen der Heilige Geist wirkt. Aber er ist am Werk! Er spinnt die Fäden zu einem wunderschönen Gewebe. So etwas geschah nicht nur in grauer Vorzeit. Das geschieht auch heute. Auch in Ihrer und meiner Geschichte knüpft der Heilige Geist Fäden und fügt sie zu einem wunderschönen Gewebe zusammen. Wenn er uns vorbereitet und in Bewegung setzt, wenn er Dinge miteinander verknotet, dann geht das oft sehr leise und unsichtbar zu, manchmal auch ungewöhnlich und anscheinend sinnlos, aber hinterher wundern wir uns, wie großartig der Heilige Geist gewirkt hat. Wichtig ist natürlich, dass wir uns in Bewegung setzen lassen, sonst passiert gar nichts. (Wir singen das Lied: Gott spannt leise feine Fäden, die du leicht ergreifen kannst) In unserer Geschichte läuft alles darauf hinaus, dass zwei Leute sich begegnen. Sie kennen sich nicht. Sie sind sich so fremd, wie man sich nur fremd sein kann. Aber der Heilige Geist hat seine Fäden in der Hand und führt die Leute zusammen.
3 Wenn man einmal bedenkt, welche Menschen der Heilige Geist in eine Gemeinde zusammenführt, dann kann man auch nur staunen. Das gilt auch für unsere Gemeinde. Leute, die sonst nichts miteinander zu schaffen hätten, werden vom Heiligen Geist so nah zusammengebracht und miteinander verbunden, dass sie Schwestern und Brüder in der einen Familie Gottes werden. Wir dürfen das Staunen über dieses Werk des Heiligen Geistes nie verlernen. Da passiert mehr, als wir von außen sehen können! In unserer Geschichte ist erstaunlich, wie der Heilige Geist die entscheidende Phase dieser Begegnung inszeniert. Hören und Tun, Frage und Antwort greifen so ineinander, dass die beiden Personen nebeneinander auf die Wagenbank zu sitzen kommen und gemeinsam mit der Bibel beschäftigt sind. Erstaunlich! Wenn das doch immer so leicht ginge! So unsichtbar an feinen leisen Fäden gezogen, könnte man sich gut häufigere und bessere missionarische Gespräche vorstellen. Aber wo können wir heutzutage schon so vorbereitet anknüpfen? Der Mensch, der uns heute im Treppenhaus, in der Nachbarschaft, auf der Straße, beim Sport oder am Arbeitsplatz begegnet, hat alles andere in der Hand als die Bibel! Aber vielleicht ist die Geschichte doch nicht so weit von uns entfernt, wie wir meinen. Es gibt immer noch zahlreiche Leute, die eine Bibel besitzen. Und hin und wieder trifft man auch Leute, die darin lesen. Sie suchen nach Lebenshilfe, nach Trost, nach Wahrheit, vielleicht auch nach Erlösung bei Gott. Sie suchen und suchen und verstehen doch nicht das Eigentliche, das, worum es geht, das Evangelium von Jesus Christus. Aber auch viele Menschen, die zwar nicht in der Bibel lesen, aber doch überzeugten und lebendigen Christen begegnen, könnten an uns und in uns lesen, was das Evangelium von Jesus Christus ihnen sagt. Wir könnten ein Stück aus der Bibel sein, das sie lesen und verstehen lernen, sozusagen ein Brief Gottes an sie. Natürlich, wir haben es nicht in der Hand, dass Leute das Evangelium von Jesus Christus glauben und verstehen. Das wirkt der Heilige Geist. Aber dort, wo wir einfach das Evangelium, die gute Nachricht von Gott, für alle Menschen, weiterleben und weitersagen, ist der Heilige Geist oft schon längst auf dem Weg und am Werk und zieht seine Fäden. Klar, es ist nicht unwichtig, wie wir anderen das Evangelium sagen. Es ist wichtig, wie wir sie anleiten, es zu glauben und zu verstehen, aber das Entscheidende wirkt der Heilige Geist. Er allerdings will uns in Bewegung setzen, damit wir uns mit Menschen zusammensetzen. Wer sich so missionarisch in Bewegung bringen lässt, ist letzten Endes nie einsam, auch wenn er allein auf weiter Flur sein sollte! Der Heilige Geist wird dafür sorgen, dass wir Gesprächspartner bekommen. Philippus hat sich nicht nur selbst in Bewegung setzen lassen, sondern er erlebt, dass der Heilige Geist auch bei seinem Gesprächspartner Entscheidendes in Bewegung bringt. Der Mann aus Äthiopien lässt sich ohne große Überredungskunst zum Glauben an Jesus Christus bewegen. Er findet, was er zutiefst gesucht hat. Ja, ich glaube von ganzem Herzen, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist, dass er für mich am Kreuz gestorben ist, für meine Schuld, für meine Gottlosigkeit. Ich vertraue darauf, dass ich durch ihn mit Gott versöhnt bin. Ich bin als sein Kind angenommen, auch wenn ich in Jerusalem nicht in den Tempel durfte. Dafür bete ich ihn an. Das größte Wunder, das der Heilige Geist an Menschen tut, ist geschehen! Ein Mensch hat zur Bekehrung gefunden und ist Christ geworden.
4 Erstaunlich, dass der Heilige Geist damit seine Arbeit an dem Schatzkanzler nicht beendet. Manche Leute schalten nämlich hier ab: Jetzt hab ichs. Jetzt ist alles o.k. Jetzt habe ich den Punkt erreicht. Jetzt kann ich mich zur Ruhe setzen. Nein, der Kämmerer lässt sich vom Heiligen Geist weiterführen. Ihm ist offensichtlich klar geworden, dass die Bekehrung ein Doppelpunkt bedeutet: Jetzt geht es richtig los. Sich vom Heiligen Geist bewegen lassen geht weiter als nur bis zur Bekehrung. Der nächste Schritt steht an! Als sie an eine Wasserstelle kommen, sagt der Schatzkanzler: Hier ist Wasser. Was steht meiner Taufe noch im Weg? Natürlich nichts mehr! Wenn jemand zum Glauben an Christus gefunden hat, dann kann er getauft werden. Aber auch nur dann! Aber dann sollte er sich auch schleunigst taufen lassen! Der Kämmerer muss nicht erst zur Taufe aufgefordert, überredet, gedrängt, geschubst werden. Er schlägt sich nicht mit Ja und Aber herum: Was denken wohl meine Eltern, meine Verwandten, mein Opa und meine Oma, vor allem meine Königin. Werde ich möglicherweise entlassen und arbeitslos? Er begehrt die Taufe von sich aus! Er will die Taufe. Er will das große Geschenk Gottes, den Segen Gottes, die leibhaftige Bestätigung seines Glaubens. Das hat der Heilige Geist bei ihm bewirkt. Also lässt er den Wagen halten, Philippus und er steigen ins Wasser und so wird er auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft. So lautet das Ergebnis einer Bewegung, die der Heilige Geist in zwei Menschen angestoßen hat. So wunderbar endet eine Geschichte, in der der Heilige Geist die Fäden gezogen hat. Das heißt: die Geschichte endet auch jetzt noch nicht. Sie geht weiter. Philippus wird vom Heiligen Geist zu neuen Aufgaben geführt. Den Kämmerer aus Äthiopien kann er getrost der weiteren Führung des Heiligen Geistes überlassen. Die Freude, mit der der Schatzkanzler nach seiner Taufe seinen Weg weiterzieht, zeigt, dass mit diesem Mann etwas passiert ist. Da hat der Heilige Geist sein gutes Werk getan, und er wird es weiter tun. So kann man Leute ihre Straße fröhlich ziehen lassen. Da kann man sich nur mitfreuen und Gott rühmen, dass er durch seinen Geist so etwas an Menschen tut. Das kann jeder von uns erleben, der sich vom Heiligen Geist bewegen lässt. Das allerdings ist die Frage aller Fragen: Bist Du bereit, Dich vom Heiligen Geist bewegen zu lassen? Zum Glauben? Zur Taufe? Zur Mitarbeit in der Gemeinde? Zum missionarischen Zeugnis für unsere Mitmenschen? Zur Mitverantwortung in unserer Gesellschaft? Denn solche Leute, die sich vom Heiligen Geist bewegen lassen und nicht von irgend einem Schwarmgeist oder Zeitgeist oder esoterischen Geist oder gar Salmiakgeist oder welchem Geist auch immer, solche Leute braucht unser Land, unsere Stadt und unsere Gemeinde. Wege zu unseren Mitmenschen: Sich vom Heiligen Geist bewegen lassen!
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