Den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasster Justizvollzug Perspektiven Sozialer Arbeit und ehrenamtlicher Mitarbeit

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Transkript:

Den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasster Justizvollzug Perspektiven Sozialer Arbeit und ehrenamtlicher Mitarbeit Prof. Dr. Sabine Schneider 23.06.2018 Evangelische Akademie Meißen -Tagung: So normal wie möglich?! Angleichung des Strafvollzugs an die Lebensverhältnisse in Freiheit (wie) geht das?

Den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasster Justizvollzug Perspektiven Sozialer Arbeit und ehrenamtlicher Mitarbeit Übersicht: 1. Einleitend: Strafvollzug So normal wie möglich? Was heißt das? 2. Der Angleichungsgrundsatz wichtiges Gestaltungsprinzip im Strafvollzug!? 3. Perspektiven Sozialer Arbeit 4. Perspektiven ehrenamtlicher Mitarbeit 5. Schlussbemerkung & Fragen

1. Einleitend: Strafvollzug So normal wie möglich? Was heißt das? Das Panorama eines modernen Vollzugssystems: Haftquote um ein Drittel gesenkt Vollzugsanstalten mit nicht mehr als 300 Plätzen geschlossener Bereich mit 200 und offener Bereich mit 100 Plätzen Wohngruppen mit bis zu 12 Plätzen für Untersuchungsgefangene Wohngruppen für bis zu vier Gefangene dienen dem sozialen Training vielseitig ausgestattetes ärztliches Ambulatorium freie Arztwahl Fachdienste kommen nach Bedarf Die Umsetzung: Zusammenfassend lässt sich sagen, daß die notwendige Fortsetzung der Reform des Strafvollzugs nicht zum Null-Tarif zu haben ist. Wenn es gelingt, die Haftquote im Sinne der konkreten Utopie auf zwei Drittel des jetzigen Standes zu senken, könnte die Reform im Ergebnis sogar kostenneutral sein Vision aus dem Jahre 1990 aus einer Denkschrift der EKD zum Strafvollzug

1. Einleitend: Strafvollzug So normal wie möglich? Was heißt das? Was Strafvollzug so normal wie möglich bedeutet, ist abhängig vom historischen, gesellschafts- und kriminalpolitischen Kontext und auch davon, wer sich zu welcher Zeit für was einsetzt allerdings scheinen Veränderungen im Gefängnis besonders lange zu brauchen (vgl. die Zellen in der JVA Moabit 1881 und 2015)

Hafträume in der JVA Moabit 1881 und 2015 (vgl. JVA Moabit 2015, S. 14):

2. Der Angleichungsgrundsatz - wichtiges Gestaltungsprinzip im Strafvollzug!? Der Angleichungsgrundsatz Verpflichtung für Vollzugsbehörden i. R. d. Realisierung des Vollzugsziels (Resozialisierung) 2 SächsStVollzG: Ziel und Aufgabe des Vollzugs Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Dies wird durch eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung sowie sichere Unterbringung und Beaufsichtigung der Gefangenen gewährleistet. 3 SächsStVollzG: Vollzugsgestaltung (4) Das Leben im Vollzug ist sollden allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich anzugegleichen werden. [Angleichungsgrundsatz] (5) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. (6) Der Bezug der Gefangenen zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern. Ehrenamtliche Mitarbeiter sowie Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden. Den Gefangenen ist sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren. soll der Inhaftierte in Unfreiheit soziale Kompetenz und Selbstverantwortung erlernen, bedarf es der Reduzierung lebensfremder Restriktionen (Laubenthal)

2. Der Angleichungsgrundsatz - wichtiges Gestaltungsprinzip im Strafvollzug!? Gegensätzliche Dynamiken wenn es um Angleichungen an allgemeine Lebensverhältnisse geht ( soweit als möglich.) Resozialisierung Übelszufügung Angleichung als Mindeststandard Anti-Diskriminierung Menschenwürde Mehr Hilfen HealthyPrisons Mehr Ressourcenorientierung mehr Evidenz what works? A. mit begrenzter Realisierbarkeit Erfahrungen von Ungleichheit Demütigende Praktiken Mehr Strafen (Punitivität) Gesundheitsgefährdungen Mehr Risikoorientierung Nothing works who cares? (Graebsch) Bereits 1997 formulierte Schüler-Springorum in einem Ausblick ins Jahr 2017 die berechtigte Befürchtung, der Ruf nach Implementierung des StVollzG (Resozialisierungsgedanke) könne an Kraft verlieren

3. Perspektiven Sozialer Arbeit Allgemeines: 1. wesentliche Grundhaltungen Sozialer Arbeit 2. Unterstützungsprozesse auf individuellerebene (Hilfen für Inhaftierte/Straffällige) 3. Veränderungsprozesse auf strukturellerebene (Anstoßen von institutionellen Veränderungen im Gefängnis und außerhalb)

Das Arbeitsfeld Straffälligenhilfe (aus Stelly/Thomas 2006)

Jugendhilfe Das Arbeitsfeld Straffälligenhilfe Zentrale Institutionen & Angebote Justizförmige Straffälligenhilfe Freie Straffälligenhilfe Sonstige Angebote Sozialer Arbeit Jugendhilfe im Strafverfahren/JGH Neue ambulante Maßnahmen (Erlebnispädagogische Maßnahmen sowie Verfahren zur Konfliktschlichtung, z. B. Täter-Opfer- Ausgleich) Wohngruppenfür Jugendliche sowie weitere Hilfen zur Erziehung Soziale Dienste der Justiz: Gerichtshilfe, Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, Soziale Arbeit im Justiz-/Strafvollzug, Jugendstrafvollzug, Maßregelvollzug, Untersuchungshaft Spezialisierte Beratungsangebote z.b. bei Schulden, Gewalt, für Angehörige Inhaftierter Hilfen im Kontext der Entlassungz.B. Beratung, Wohnangebote etc. ) Gruppenangebote/ Trainings/ Vermittlung gemeinnütziger Arbeit, TOA etc. Allgemeine Beratungsangebote z.b. bei Sucht, Schulden, Wohnungs-und Arbeitslosigkeit Maßnahmenzur Förderung der Prävention, z.b. in Familien, Schulen, Wohnvierteln

3. Perspektiven Sozialer Arbeit 1. wesentliche Grundhaltungen Sozialer Arbeit im Gefängnis: * der Menschlichkeit Rechnung tragen: Trete dem Unrecht stets so entgegen, dass du zugleich der Menschlichkeit Rechnung trägst. (Augustinus zitiert nach Dieter Rössner) * Trennung von Delikt und Person, das heißt hinter Delikten Bewältigungsversuche zu erkennen und trotz einer Straftat biografische Perspektiven mit den Täter/innen aufzubauen (Blick auf Probleme, die man hat -nicht auf die, die man macht) 2. Unterstützungsprozesse auf individueller Ebene (Hilfen für Inhaftierte/Straffällige) 3. Veränderungsprozesse auf struktureller Ebene (Anstoßen von institutionellen Veränderungen)

3. Perspektiven Sozialer Arbeit 1. wesentliche Grundhaltungen Sozialer Arbeit im Gefängnis Unterstützungsprozesse auf individueller Ebene (Hilfen für Inhaftierte / Straffällige): Fallverstehen statt defizitorientierter Diagnostik (Beginn jeder Hilfe, die Situation möglichst umfassend zu erfassen) Konkrete Unterstützungen das Leben vor und nach der Haft betreffend Zusammengefasst geht es dabei weg von der Konzentration auf das Element: Straffälligkeit; hin zu substantiellen Unterstützungsleistungen in zentralen Lebensbereichen wie Wohnen, Arbeit, psychische Probleme, Alkohol- und Drogengefährdung, Schulden (Christian von Wolffersdorff 1996) aber auch innere Prozesse nicht ausblenden Reflexionwidersprüchlicher Anforderungen und Ambivalenzen (Prognosen, Kontrolle, Zwangskontext) 3. Veränderungsprozesse auf struktureller Ebene (Anstoßen von institutionellen Veränderungen im Gefängnis)

3. Perspektiven Sozialer Arbeit 1. Grundhaltungen in der Sozialen Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen 2. Unterstützungsprozesse auf individueller Ebene (Hilfen für die Inhaftierten) 3. Veränderungsprozesse auf struktureller Ebene (Anstoßen von institutionellen Veränderungen im Gefängnis) Defizitäre Lebenslagen (insbesondere bei Haftentlassenen Kumulation von Problemlagen) & institutionelle Probleme angehen Kriminalisierung statt Kriminalität thematisieren (Entkriminalisierung von Bagatelldelinquenz; Benachteiligungen für bestimmte Gruppen) Stigmatisierung und Ausgrenzung entgegenwirken (Sozialraumorientierung, Öffentlichkeitsarbeit, Brücken in die Gesellschaft bspw. durch Bürgerschaftliches Engagement)

3. Perspektiven Sozialer Arbeit Konkretisierungen: (Angleichungs)Probleme & Möglichkeiten Wird in AGs konkretisiert, daher nur Themennennung (ohne Konkretisierung) Arbeit, Versicherung, Rente, Gewerkschaft Kommunikation (Handys, Internet, soziale Netzwerke) Normalität für ausländische Gefangene Beziehungen und Sexualität Darüber hinaus: Beziehungen zu eigenen Kindern Eltern-Kind-Projekte (Aus)Bildung Gefängnis als Lernort gestalten Hilfesystem Schuldnerberatung, Wohnangebote, Arbeitsvermittlung, Überg. Gesundheit Healthy Prisons Drogen Drogenfreie Zonen, Harm reduction Psychische Erkrankungen/Suizidalität Hilfen jenseits des BGH Gewalt Nicht wegschauen Umgangsformen/Interaktionen Respekt, Reduzierung von Restriktionen Kultur/Freizeit Bürgerschaftliches Engagement

4. Perspektiven auf ehrenamtliche Mitarbeit Allgemein: Ehrenamtliche Mitarbeiter/innen -Bezug der Gefangenen zum gesellschaftlichen Leben ( 3 Abs. 6 SächsVollzG) Unbezahlte (ehrenamtliche) Arbeit ist dabei oft der Preis für die Möglichkeit, unbeeinflusst von behördlichen Denkmustern dem Straffälligen und seiner traditionellen Behandlungsweise anders zu begegnen (Will 1992, S. 174). BeispielhaK: Welchen Bezug suchen die Gefangenen? Wünsche von Inhaftierten an ehrenamtliche Angebote? Ergebnisse einer Befragung in Ba-Wü(Fortbildungsverbund 2015) Forschungsfrage: Welche Wünsche haben Strafgefangene im Hinblick auf ehrenamtliche Unterstützung im Justizvollzug Befragungin 12 Haftanstalten (Begrenzung auf Männer & Strafhaft) Repräsentatives Stichprobenverfahren (Rücklaufquote 70,5 % - 364 Bögen) Auswertung: Landesweit (Anstaltsbezogene Auswertungen verbleiben vor Ort, Anonymität gewähren)

Allgemeine Ergebnisse: bisherige Erfahrungen (vgl. Janßen/Schneider 2017a und 2017b) 16

Allgemeine Ergebnisse: bisherige Erfahrungen 17

Allgemeine Ergebnisse: einige Zitate auf die Frage: Was fanden Sie gut oder weniger gut? Abwechslung/Spaß: Man vergisst, dass man hinter Gitter sitzt. Mit Sport z.b. Fußball, kann man sein Hobby weiterhin ausüben. Beim Kraftsport, kann man seinen Frust ablassen. Weniger gut ist, dass wenn eine Gruppe zu Ende geht, muss man wieder auf den Boden kommen, weil man wieder merkt, dass man hinter Gitter sitzt.. Dass ich aus der Zelle war. Kontakt nach außen/als Mensch gesehen werden: Gut finde ich, nicht nur als "Knacki" eingestuft zu werden. Man spürt die innere Überzeugung des Gegenübers, gerne als Ehrenamtlicher in die JVA zu kommen. Man kann einfach mal so sein wie man ist - ohne das Gefühl, "beobachtet" zu werden. Etwas lernen können: Gut: Diktate mit Rechtschreibübungen, Deutsche Grammatik verbessern Kritik zu selten, zu kurz, zu viele Ausfälle: Es war alles gut bis auf die lange Wartezeit, bis man teilnehmen konnte. Gut finde ich dass überhaupt Ehrenamtliche die verschiedenen Gruppen anbieten. Allerdings sind die Gruppen vom zeitlichen Rahmen viel zu eng gefasst, die Gruppen müssten 1-2 Std. länger gehen. auch Kritik an einzelnen Rahmenbedingungen 18

Allgemeine Ergebnisse: Was wird an Gruppen-angeboten gewünscht? An welchen würden Sie gerne teilnehmen? 19

und noch ein Beispiel aus der Jugendstrafanstalt Adelsheim: ein unverzichtbares Angebot Erziehungskonzept in Adelsheim 2 Strategien werden für wichtig angesehen: 1. Förderung der Entwicklung der inhaftierten jungen Menschen: Individuelle Fördermaßnahmen, Lern- und Erziehungsangebote 2. Jugendstrafanstalten als Lernorte gestalten: - Schulische Förderung, Berufliche Ausbildung, Soziales Lernen Lernfeld Alltag (Umgang mit Konflikten etc.)

Ausgewählte Ergebnisse: Wünsche nach Einzelbetreuung? 21

Ausgewählte Ergebnisse: Wünsche nach Einzelbetreuung? 22

Ausgewählte Ergebnisse: Wünsche nach Einzelbetreuung? Nach JVAen 30 Wünsche nach (muttersprachlicher) Einzelbetreuung (EB) nach JVA 26 Anzahl der Gefangenen 25 20 15 10 5 0 21 20 20 18 17 16 15 9 9 8 8 8 8 7 6 6 6 6 5 4 3 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 23 JVA Wünsche nach EB EB in Muttersprache

4. Perspektiven auf ehrenamtliche Mitarbeit Im Sinne der Angleichung unverzichtbar aber oft ausgebremst Ehrenamtliche Mitarbeit da ist viel möglich: Erfahrungen gelebter Normalität, von Alltäglichem aber auch Nicht-Alltäglichem Wenn einer einen gefangenen Menschen, von dem der Rest der Welt, incl. seiner Familie, Verwandtschaft und Freunde nichts mehr wissen möchte, besucht man sichergehen kann, dass da draußen einer ist, der zu einem hält trotz der großen Schuld, die man auf sich geladen hat man diesem Menschen vertrauen kann die Interessen sich überschneiden auch noch die Chemie stimmt dann ist das einfach der Wahnsinn, dass es solche Menschen gibt. (Eindrücke eines Gefangenen aus der JVA Heimsheim über seinen ehrenamtlichen Betreuer, zit. nach Höll 2017)

5. Schlussbemerkung & Fragen Resozialisierung ist ein langer Vorgang. Wenn aber die Skepsis übermächtigwird, wenn der Streit über Wesen, Sinn und Möglichkeit der Resozialisierung das Feld beherrscht, kann die unbestreitbare Chance verspielt werden, die in dem Versuch der Resozialisierung liegt (EKD Denkschrift 1990, S. 16f.) Ausgangsfrage: Angleichung des Strafvollzugs an die Lebensverhältnisse in Freiheit (wie) geht das? Es geht nur, wenn wir die Skepsis nicht übermächtigwird wenn viele gemeinsam dagegen halten (Fachkräfte, Ehrenamtliche, Politik ) Fragen: 1. Wo sehen Sie zentrale Schwierigkeiten vor Ort? 2. Wo / inwiefern erleben Sie Spielräume? 3. Wo gibt es Bündnispartner/innen für Veränderungen? 4. Angleichungsaufgaben weiter gedacht jenseits des Gefängnisses?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Literatur: Cornel, H./Kawamura-Reindl, G./Sonnen, B. R. (Hrsg.) (2018): Resozialisierung. Handbuch. 4. Auflage. Baden- Baden. Evangelische Kirche Deutschland (EKD) 1990 (Hrsg.): Strafe: Tor zur Versöhnung? Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Strafvollzug, Gütersloh Graebsch, Christine 2016: Gesundheitsfördernde Behandlung von Tätern und Täterinnen im Strafvollzug? In: Ochmann, N. u.a. (Hrsg.): Healthy Justice, S. 21-64 Höll, Hilde 2017: Profession und Ehrenamt in der Resozialisierung, in: Bewährungshilfe, Heft 4, 2017, S. 337-341 Janßen, Andrea/Schneider, Sabine 2017a: Wünsche nach ehrenamtlicher Unterstützung im Strafvollzug. In: Forum Strafvollzug 1/2017, S. 55-59 Janßen, Andrea/Schneider, Sabine 2017b: Ehrenamtliche Einzelbetreuungen im Strafvollzug eine Chance für den Übergang? Perspektiven inhaftierter Männer in Baden-Württemberg. In: Bewährungshilfe, Heft 4, 2017, S.325-336 Kawamura-Reindl, Gabriele/Schneider, Sabine 2015: Lehrbuch Soziale Arbeit mit Straffälligen. Weinheim/Basel: BeltzJuventa Leiter der Vollzugsanstalt Moabit (Hrsg.) 2015: Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit. Berlin Laubenthal, K. (2015): Strafvollzug. 7. Auflage. Berlin und Heidelberg. Schüler-Springorum, H. (1998): Strafvollzug in 20 Jahren Hoffnungen und Befürchtungen. In: Kawamura, G./Reindl, R. (Hrsg.): Wiedereingliederung Straffälliger. Eine Bilanz nach 20 Jahren Strafvollzugsgesetz. Freiburg, S. 144 157. Stöver, H./Jacob, J. Schriftenreihe Gesundheitsförderung im Justizvollzug diverse Bände Thomas, Jürgen/Stelly, Wolfgang 2006: Die Reintegration jugendlicher Mehrfachtäter. In: ZJJ 1/2006, S. 45-51 Will, Hans-Dieter 1992: Vom Feigenblatt zum Lorbeerblatt. Ehrenamtliche in der Straffälligenhilfe. In: Müller, S./Rauschenbach, Th. (Hrsg.): Das soziale Ehrenamt, 2. Aufl., Weinheim/München, S. 171-183