Handeln gegen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gegen Zwangsprostitution

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Transkript:

Positionspapier Handeln gegen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gegen Zwangsprostitution (Juni 2015) www.gdp.de

Mit den Beschlüssen Handeln gegen Menschenhandel der Bundesfrauenkonferenz (März 2006) und des Bundeskongresses (November 2006) setzt sich die GdP seit Jahren für eine effektive Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ( 232 StGB) ein und macht konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Strafverfolgungsmöglichkeiten. Die Bundesregierung hatte sich bereits im Koalitionsvertrag der jetzigen Legislaturperiode (2013) darauf verständigt, das Prostitutionsgesetz von 2001 umfassend zu überarbeiten und ordnungsbehördliche Kontrollmöglichkeiten zu verbessern. Im Rahmen der Novellierung des Prostitutionsgesetzes (2014) beteiligt sich die GdP Bundesfrauengruppe erneut an einer Verbesserung der gesetzlichen Bedingungen für die Bekämpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Opfer stabilisieren und Strafverfolgung verbessern Grundlage dafür ist der sensible Umgang mit den Opfern des Menschenhandels und deren Gewinnung als (unverzichtbare) Zeuginnen; u.a. durch die Gewährung einer angemessenen Bedenkzeit, eine kontinuierliche medizinische und psychosoziale Betreuung und einen gesicherten Aufenthaltstitel wie sie auch in der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 eingefordert werden. Auch die qualifizierte Arbeit der Fachberatungsstellen ist finanziell abzusichern, denn sie leisten einen erheblichen Beitrag zur notwendigen Stabilisierung der Opfer. Zudem muss die Strafverfolgung durch gezielte Maßnahmen im Bereich der Polizeien von Bund und Ländern erleichtert werden, u.a. durch die Bildung von Schwerpunktdienststellen, die Verstärkung der Zusammenarbeit, den Abschluss von Kooperationsverträgen mit anderen Behörden und Einrichtungen und die Berücksichtigung des Themas in der Aus und Fortbildung. Die Novellierung des Prostitutionsgesetzes muss die Möglichkeiten der Strafverfolgung verbessern Eine generelle Bestrafung von Freiern erzielt aus Sicht der GdP nicht die von den Befürworterinnen erwünschten Effekte. Im Gegenteil, die Erfahrungen aus Schweden zeigten, dass Prostitution durch die Freier Bestrafung nicht einfach verschwindet, sondern ins Dunkelfeld verlagert wird. Es würden dabei nicht nur die Freier selbst kriminalisiert sondern auch die Prostituierten sind der Gefahr der Kriminalisierung ausgesetzt. So würde Prostitution erneut in nicht kontrollierbare Räume verlagert und die betroffenen Frauen schutzlos sowohl Freiern als auch Zuhältern ausgesetzt werden. Darüber hinaus tritt die GdP im Rahmen der Novellierung des Prostitutionsgesetzes dafür ein: dass die Verbesserung der Lebenssituation von Prostituierten herbeigeführt bzw. weiterentwickelt wird, u.a. durch die Anzeigepflicht der Prostitutionsausübung eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten mit klaren Vorgaben und Mindeststands gegeben ist. Frauen, die in der Prostitution arbeiten, Zugang zu Sozialversicherungen erhalten regelmäßige Gesundheits und Vorsorgeuntersuchungen verpflichtend sind das Mindestalter für Prostituierte auf 21 Jahre festgelegt wird (wenn Prostitution unter 21 J. erlaubt werden soll, sind zwingend kürzere Anmeldungs und Beratungszeiträume vorzusehen, damit gewisse "Schutzmechanismen" greifen) eine bundesweit geltende Kondompflicht einzuführen ist. 2

Umsetzung der EU Opferschutzrichtlinie unzureichend Große Hoffnungen setzten Strafverfolger und Opferschutzorganisationen in die Novellierung des Asyl und Ausländerrechtes, mit der im Sommer 2007 elf EU Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden sollten. Darunter war auch die so genannte Opferschutzrichtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29.4.2004, die aber im deutschen Recht sehr restriktiv umgesetzt wurde. Lediglich im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) hat der Gesetzgeber seit dem 26.11.2011 in 59 VII Satz 2 AufenthG (bisher 50 IIa AufenthG) für ausreisepflichtige Opfer von Menschenhandel eine Ausreisefrist von mindestens drei Monaten (vor dem 26.11.2011: ein Monat) vorgesehen. Nach Auffassung des KOK (Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.v.) erscheint auch dieser Drei Monats Zeitraum als Erholungs und Bedenkzeit zu kurz, zumal die gesetzliche Ausreisefrist daran gekoppelt ist. Alternativ wäre denkbar, diese Erholungsund Bedenkzeit als Erlaubnisfiktion nach Art von 25 I Satz 3, 81 III AufenthG zu regeln und damit einen sofort eintretenden legalen Aufenthaltsstatus zu regeln. Eine Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates erfolgte seitens des Gesetzgebers in Deutschland bis zum heutigen Tage nicht. Es wurde versäumt, die Vorgaben aus Brüssel gesetzlich zu verankern. Hierfür wurde die Bundesregierung Deutschlands bereits durch die EU "getadelt". Für die Strafverfolgung im Deliktsbereich Menschenhandel, die ohne die Identifikation und die Aussage von Opferzeugen unmöglich ist, hat das Konsequenzen: Opfer von Menschenhandel werden weiterhin nach dem Asylbewerberleistungsgesetz versorgt. Der besondere Bedarf an medizinischer und psychologischer Unterstützung, den Menschen nach durchlittener (sexueller) Gewalt haben, wird dabei nicht berücksichtigt. Dabei ist eine solche Versorgung von entscheidendem Vorteil für die Kooperationswilligkeit von Opfern. Bisher wurden unerlaubt eingereiste Ausländer nach einem bundesweiten Verteilersystem den Sammelunterkünften zugewiesen. Auch nach dem neuen Aufenthaltsgesetz sind Opfer von Menschenhandel hiervon nicht ausgenommen. Potentiellen Opferzeuginnen fehlt es in diesen Unterkünften nicht nur an Schutz vor ihren Peinigern, sondern auch an bedarfsgerechter Unterstützung und spezifischer Beratung, die unerlässlich sind für ihre Stabilisierung und Aussagebereitschaft. Durch die Änderung des Aufenthaltsgesetzes wird die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für kooperationswillige Opferzeuginnen ins Ermessen der Behörde gestellt. Dabei ist die Sicherheit eines grundsätzlichen und rechtmäßigen Aufenthaltsstatus häufig von ausschlaggebender Bedeutung für die Entscheidung des Opfers zur Aussage im Strafverfahren. Die erhofften Erleichterungen bei der Verfolgung von Straftaten im Bereich des Menschenhandels blieben bis heute aus, denn noch immer wird die Gewinnung von Opferzeuginnen durch den Mangel an medizinischer und psychologischer Unterstützung, deren Unterbringung in Sammelunterkünften, und eine restriktive Aufenthaltserteilung erschwert. 3

Die GdP setzt sich daher ausdrücklich für eine dringend erforderliche Nachbesserung bei der Umsetzung der EU Opferschutzrichtlinie ein, um Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, die nicht aus Deutschland oder der EU stammen, zu stabilisieren, als Zeuginnen zu gewinnen und eine effektive Strafverfolgung zu ermöglichen. Opfer kommen aus Deutschland und EU Staaten 1 Allerdings stammen die meisten Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution derzeit aus den osteuropäischen Staaten der EU und Deutschland. Die Zahl der deutschen Opfer, die mit 16,6 Prozent auf Platz drei der Statistik steht, ist deutlich gesunken. Wie in den Vorjahren stammt der Großteil (87 %) der Opfer aus Europa. Zwei Drittel aller Opfer stammen aus Ost und Südosteuropa, vor allem aus Bulgarien und Rumänien. Dieses dürfte auf die wirtschaftliche Lage in den genannten Staaten zurückzuführen sein. Da sowohl die deutschen als auch die osteuropäischen Opfer aufgrund ihres Status als EU Bürger dem Freizügigkeitsrechten der Europäischen Union unterliegen, ergeben sich für die Strafverfolgungsbehörden große Schwierigkeiten, die Opfer des Menschenhandels zu identifizieren und entsprechende Ermittlungen einzuleiten. Schlüssel zum Milieu muss angepasst werden Nicht das Prostitutionsgesetz, wohl aber die EU Osterweiterung und die damit einhergehenden Freizügigkeitsrechte haben der Polizei die Kontaktaufnahme zu Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution deutlich erschwert. Aus der EU Osterweitung haben sich somit stark veränderte Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Erkennung und Gewinnung von Opferzeuginnen ergeben. Um dieser Situation gerecht zu werden, müssen auch die Strafverfolgungsbehörden ihre Strategien anpassen. Dementsprechend ergaben Befragungen von Polizistinnen und Polizisten dass sie dringend auf neue Zugangswege zu den Opfern angewiesen sind. Favorisiert werden der verstärkte Einsatz von Milieuaufklärern und zusätzliche Kontrollwege über Behörden Forderungen, die von der GdP nachdrücklich unterstützt werden. Polizeiliche Milieupräsenz, u. a. im Rahmen von Kontrollmaßnahmen, ist nach wie vor von großer Bedeutung für die Identifizierung von Opfern und die Aufhellung des Dunkelfelds beim Menschenhandel. Die Polizei kann diesem Phänomen jedoch nicht allein begegnen. Entscheidend ist ein vernetzter Ansatz von Sicherheitsbehörden, Justiz und kommunalen Behörden im Sinne einer ganzheitlichen Bekämpfung des Menschenhandels. 2 Besonders sinnvoll sind zusätzliche behördliche Kontrollen nach Einschätzung der befragten Kolleginnen und Kollegen, wenn sie gemeinsam von den unterschiedlich zuständigen Ämtern durchgeführt werden. Dabei befürworten mehr als zwei Drittel die Zusammenarbeit mit den Gewerbe und Finanzämtern sowie die Kontrolle sozialversicherungspflichtiger Arbeit. Die aktuelle Gesetzesinitiative zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU mit wesentlichen Änderungen im Prostitutionsgesetz, aber auch im Strafrecht wird Einfluss auf die künftige Lageentwicklung des Menschenhandels in Deutschland haben. 1 vgl. Bundeslagebild Menschenhandel 2013 des BKA 2 vgl. Bundeslagebild Menschenhandel 2013 des BKA 4

Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten und weitere Formen des Prostitutionsgewerbes unverzichtbar Durch das Prostitutionsgesetz wurden rechtliche Interventionsmöglichkeiten abgebaut, deren Wegfall sich auf andere Rechtsbereiche (z.b. Gaststättenrecht, Gewerberecht) auswirkt. Der Gesetzgeber hatte einen rechtlichen Rahmen für die Ausübung von Prostitution eröffnet, aber keine einheitlichen Regelungen für dessen Umsetzung geschaffen mit dem Ergebnis, dass sich die Praxis der Verwaltungsbehörden sogar innerhalb der einzelnen Bundesländer stark unterscheidet. Dies führt zu großer Unsicherheit bei den Strafverfolgungsbehörden ebenso wie bei Prostituierten und Betreibern von Prostitutionsstätten. Vergleicht man die gegenwärtige Rechtslage für Prostitutionsstätten mit der für andere Gewerbe geltenden Regelungsdichte wird angesichts des Gefahrenpotentials, das von Betrieben des Rotlichtmilieus ausgeht, die Regelungslücke deutlich. Dieser Regelungsbedarf besteht nicht nur aus Sicht der Polizei, sondern auch aus der Perspektive der Finanz, Gesundheits und Baubehörden sowie des Arbeitsschutzes. Daher sind Spezialvorschriften für bordellartige oder sonstige prostitutionsnahe Betriebe unumgänglich. Eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten könnte - die Einführung verbindlicher Auflagen (Hygiene, Arbeitsschutz u.ä.) für deren Betrieb ermöglichen; - den Ordnungs und Strafverfolgungsbehörden bundeseinheitlich Zugriffs und Kontrollrechte gewähren; - Bordellbetreibern eine klare Rechtsgrundlage für die von ihnen vorgehaltene Dienstleistung bieten; - Rechtsicherheit für Prostituierte, Bordellbetreiber, Ordnungsbehörden und Strafverfolgung schaffen. Die Einführung einer bundeseinheitlichen Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten kann außerdem dazu beitragen, - die Situation der Prostituierten zu verbessern, weil sie in jeder Hinsicht legal arbeiten könnten; - die Betreiber von Prostitutionsstätten persönlich in die Verantwortung zu nehmen für die organisatorischen Abläufe in ihren Betrieben; - das Verhältnis von Prostituierten und Bordellbetreibern zur Polizei zu normalisieren, weil ihrer Tätigkeit eine klare rechtliche Regelung zu Grunde liegt; - das legale Gewerbe zu stärken und eine klare Trennung zwischen legaler und illegaler Prostitutionsausübung herbeizuführen; - das Anzeigeverhalten von Prostituierten und Bordellbetreibern zu verändern, weil sie gemeinsam mit der Polizei gegen Straftaten und illegale Betriebe vorgehen können; - die Aufklärung milieutypischer Straftaten zu erleichtern sowie die Transparenz des Milieus zu erhöhen, weil Beteiligung und Zusammenarbeit von Prostituierten, Bordellbetreibern, Polizei und Ordnungsbehörden Vertrauen schaffen; Dadurch würde die Identifizierung von Opfern des Menschenhandels, ihre Gewinnung als Opferzeuginnen und die effektive Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution erheblich erleichtert. 5

Eckpunkte zur Ausgestaltung einer Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten und weitere Formen des Prostitutionsgewerbes Derzeit sind die Behörden in den einzelnen Bundesländern sehr zurückhaltend hinsichtlich verwaltungsrechtlicher Konsequenzen aus der rechtlichen Anerkennung der Prostitution. Im Gegensatz zum erklärten Willen des Bundesgetzgebers halten Gewerbe und Gaststättenrecht in weiten Teilen an der Sittenwidrigkeit der Prostitution fest. Zudem sieht der Bund Länder Ausschuss Gewerberecht in der Prostitution eine höchstpersönliche Dienstleistung, die nicht als Gewerbe gewertet werden könne. Daher stellen aus seiner Sicht auch die Möglichkeiten des Gewerberechts kein geeignetes Instrumentarium dar, die Kontrolle gewerblicher Betätigung im Zusammenhang mit sexuellen Dienstleistungen effizienter zu gestalten. Dagegen geht der Europäische Gerichtshof in einem Urteil vom 20.11.2001 davon aus, dass die selbständig ausgeübte Prostitutionstätigkeit als eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung angesehen werden kann. 3 Dem stehen auch die Erfahrungen einiger Kommunen entgegen, die den Rechtsrahmen des Prostitutionsgesetzes nutzen und die Ausübung der Prostitution in ihrem Verantwortungsbereich reglementieren, indem sie deren selbstständige Ausübung als Gewerbe behandeln und für Prostitutionsstätten eine Anmeldung beim Ordnungsamt verlangen wie z.b. im sogenannten Dortmunder Modell. Eine solche Genehmigung zur Ausübung der Prostitution ist dann mit Auflagen verbunden, deren Einhaltung durch die unterschiedlichen Ordnungsbehörden kontrolliert wird. Die Erlaubnisvoraussetzungen können nur auf Grundlage einer klaren gesetzlichen Definition des Begriffes der Prostitutionsstätte und gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet werden auch um Mindeststandards einzuführen. In jedem Fall berücksichtigt werden sollten - bauliche Auflagen, wie Vorgaben zu Brandschutz, Schallschutz, Raumgrößen, Rettungswege, Notrufsysteme u.a.; - hygienische Auflagen, wie Vorgaben zu sicheren Sexualpraktiken und Gesundheitsfürsorge sowie zur Reinigung der Räumlichkeiten und des Mobiliars, zur sanitären Ausstattung, zur Trennung von Wohn und Arbeitsstätte, zu Desinfektionsmöglichkeiten, u.a. Die Sicherung der Arbeitnehmerrechte, die Geltung der Arbeitsstättenverordnung sowie die Einhaltung vertraglicher Vereinbarungen müssen ebenfalls gewährleistet werden. Einschlägig Vorbestrafte müssen als Betreiber von Prostitutionsstätten ausgeschlossen werden. Bundeseinheitlich sollten auch Betretungsrechte für Prostitutionsstätten geregelt werden, damit sowohl Polizei als auch Ordnungsbehörden aber auch Institutionen der Fürsorge und Fachberatungsstellen Zugang erhalten. Ohne einen rechtlichen Rahmen ist die Prostituierte auf andere Beschützer angewiesen. Diesen Schutz stellt ihr die Infrastruktur des Milieus Zuhälter, Bordellbetreiber usw. zur Verfügung. Im Milieu gelten aber keine rechtlichen Regeln, sondern es folgt den Gesetzen des Stärkeren, deren Willkür die Schwachen die Prostituierten schutzlos ausgeliefert sind. Die Illegalität, in die die Rechtsordnung die Prostituierten abdrängt, kann von den Zuhältern als zusätzlicher Disziplinierungsdruck genutzt werden. 4 3 EuGH C-268/99 4 Reglementierung von Prostitution: Ziele und Probleme Gutachten im Auftrag des BMFSFJ vorgelegt von Prof. Dr. Joachim Renzikowski (Januar 2007) 6

Bundesgeschäftsstelle Berlin Stromstraße 4, 10555 Berlin Telefon 030 399921-0 Telefax 030 399921-200 gdp-bund-berlin@gdp.de Bundesgeschäftsstelle Hilden Frauengruppe (Bund) Forststraße 3a, 40721 Hilden Telefon 0211 7104-107 Telefax 0211 7104-4107 annette.terweide@gdp.de www.gdp.de