WWF Faktenblatt Ozeane in Gefahr Überfischung

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WWF Faktenblatt Ozeane in Gefahr Überfischung Mit modernster Technik ausgerüstete Fangflotten plündern die Meere, unselektive Fangmethoden verursachen grossen Beifang, Grundschleppnetze richten Schaden am Meeresboden an, industrielle Fischzuchten verschmutzen ganze Küstenabschnitte der Mensch geht rücksichtslos mit den Meeren um. Inhalt: 1 Überfischung 2 Beifang 3 Ineffiziente Fischereipolitik 4 Illegale Fischerei 5 Das MSC-Label für umweltverträgliche Meeresfischerei 6 Fische und Meeresfrüchte aus Zuchten 7 Bio-Label für umweltverträgliche Fischzuchten 8 Fisch und Seafood in der Schweiz: Konsum, Trends und Folgen Entwicklung der weltweiten Fangmenge Millionen Tonnen 140 120 100 80 60 40 20 0 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 00 06 1 Überfischung Welt ohne China Quelle: FAO 2009, verändert 80% der kommerziell genutzten Fischbestände sind überfischt oder stehen kurz davor Gemäss FAO werden jährlich 82 Millionen Tonnen Fische und Meeresfrüchte 1 aus den Meeren gefischt. Dies ist viermal mehr als noch vor 50 Jahren. Rechnet man den Beifang und die Schätzungen der illegalen Fänge hinzu, kommt man auf 140 Millionen Tonnen Meerestiere, die jährlich den Ozeanen entnommen werden. 80% der kommerziell genutzten Fischbestände rund um den Globus sind schon überfischt oder stehen kurz davor und brauchen ein effektives und vorsorgendes Management 2. Schlecht steht es zum Beispiel um den atlantischen Heilbutt, den Seeteufel, den Rotbarsch oder den Schwertfisch. Viele grosse Raubfische wie der Rote Thun oder verschiedene Hai- und Rochenarten sind sogar vom Aussterben bedroht. China illegal gefangen Beifang Ob sich ein stark überfischter Bestand erholen kann, wenn der Fischereidruck nachlässt, ist nicht garantiert. Den Heringsschwärmen im Nordostatlantik ist es dank jahrelanger strenger Fangquotenregelungen gelungen. Der Kabeljau- Bestand an der kanadischen Ostküste hingegen hat sich trotz Einstellung der Fischerei seit 1992 nicht regenerieren können. Der Grund hierfür sind vielschichtige Wechselwirkungen und komplexe Verflechtungen innerhalb mariner Ökosysteme. Wird eine Fischart stark dezimiert, nimmt unter Umständen eine andere ihren Platz in der Nahrungskette ein und bringt so das ökologische Gleichgewicht unwiederbringlich aus den Fugen. 1 FAO 2009. 2 FAO 2009. WWF Faktenblatt überfischung Oktober 2009 1

Daher ist es wichtig, Fischereien in ein wirkungsvolles Fischereimanagement zu überführen, welches sowohl den aktuellen Bestand der befischten Art als auch den Einfluss der Fischerei auf die damit verbundenen Ökosystem-Komponenten berücksichtigt. Jährliche Fangmenge von Tiefseefischen Besonders gravierende Folgen hat die Überfischung für Tiefseefische Besonders gravierende Folgen hat die Überfischung der Tiefseefische. Der Fang von Rotbarsch, atlantischem Sägebauch, Leng und neuseeländischem St. Petersfisch hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Diese sind aufgrund ihrer spezifischen Biologie für Überfischung sehr anfällig. Sie weisen eine hohe Lebenserwartung auf, wachsen langsam, werden spät geschlechtsreif und haben eine tiefe Fortpflanzungsrate. 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 Atlantik und Mittelmeer Indischer Ozean Pazifischer Ozean Quelle: FAO 2005 2 Beifang 3 Davies, R.W.D. et al. 2009. 4 WWF International 2009. 5 WWF International 2009. 40 Prozent der weltweit gefangenen marinen Lebewesen sind Beifang Hohe Beifang-Raten durch wenig selektive Fangmethoden sind ein zentrales Problem der heutigen kommerziellen Fischerei. Fangschiffe sind in der Regel auf die Verarbeitung von einer oder wenigen Fischarten spezialisiert. Allerdings arbeiten Fischereien selten so selektiv, dass nur die gewünschte Zielfischart gefangen wird. 40% aller Fänge sind Beifang 3, d.h. sie werden entweder nicht genutzt oder gehören zu einer Fischart, die nicht gemanaged wird. Ein Grossteil dessen, was ungewollt in den Netzen hängen bleibt, wird tot oder verletzt direkt wieder über Bord geworfen. Beifang können andere Speisefische, aber auch Krustentiere, Weichtiere, Reptilien, Vögel und Meeressäuger sein. So verenden jährlich 300 000 Wale und Delfine, 100 Millionen Haie und 300 000 Seevögel als Beifang 4. Auf ein Kilo Crevetten kommen 5 bis 20 Kilo Beifang Die Menge an Beifang, welche in einer bestimmten Fischerei produziert wird, hängt sehr stark von der Fangmethode, der Zusammensetzung der Fangquoten des Fangbootes, dem Fanggerät und den Bedingungen im Lebensraum der Zielfischart ab. Während einige Fischereien kaum Beifang haben, kann dieser auch bis über hundert Prozent betragen. Für die grössten Beifangmengen ist die tropische Crevettenfischerei verantwortlich. Auf ein Kilo Crevetten kommen 5 bis 20 Kilo Beifang 5. Besonders hoch ist der Beifang auch bei allen Fischarten, die mit Baumkurren gefangen werden. Diese kommen vor allem beim Fang von Plattfischen wie Scholle / Goldbutt, Seezunge oder Steinbutt aber auch bei Seeteufel oder Kabeljau zum Einsatz. Für 450g handelbare Seezunge sterben 7kg marine Lebewesen. WWF Faktenblatt überfischung Oktober 2009 2

Fanggerät Typische Fischereien Beifang- Quote Grundschleppnetze Otter Trawls Grundschleppnetze Beam Trawls Plattfische, Seelachs, Kabeljau, Alaska-Seelachs, etc. 35% Plattfische und andere am Meeresgrund lebende Fischarten Pelagische Schleppnetze Seelachs, Alaska-Seelachs, Markrelen, Sardinen etc. 5% Ringwaden-Netze Thunfische, Markrelene, Sardinen 5% Kiemennetze (alle Typen) Küstenbewohnende Arten 15% Langleinen Pelagisch Thunfische und andere Raubfische 30% Langleinen Demersal v.a. Kabeljau, Seelachs 10% Einzel-Leinen Pelagische und am Meeresgrund lebende Arten 5% Grundschleppnetze Alle tropischen Garnelen 95% tropische Garnelen Grundschleppnetze Kaltwasser-Garnelen Kaltwassergarnelen der Gattung Pandalus 5% Quelle: FAO 2006 90% 3 Ineffiziente Fischereipolitik Nicht nur Grundschleppnetze gefährden Meeresleben, auch Langleinen verursachen viel Beifang Langleinen sind bis zu 100 Kilometer lange Angelschnüre mit bis zu 20 000 Köderhaken. Nebst Thun- und Schwertfischen, die typischerweise mit Langleinen gefangen werden, bleiben aber auch Meeresschildkröten oder Seevögel an den Haken hängen. So verfangen sich jedes Jahr mehr als eine Viertel Million Unechte Karettschildkröten und Lederschildkröten in den Langleinen und ertrinken im Meer 6. Es gäbe wirksame Methoden den Beifang zu reduzieren, wenn sie nur angewendet würden Auch für die heute gängigen Fangmethoden gäbe es Möglichkeiten, den Beifang massiv zu reduzieren. Insbesondere weitere Maschengrössen, Abschnitte mit Quadratmaschen anstelle von Rautenmaschen, Sortiergitter, Fluchtklappen für Meeressäuger, beschwerte und unter Wasser ausgebrachte Langleinen oder runde statt J-förmigen Haken würden einen massgeblichen Beitrag leisten. Der WWF engagiert sich gemeinsam mit Fischereien, Universitäten und Regierungen für die Entwicklung und Verbreitung von diesen Techniken. (siehe dazu www.smartgear.org) Fangquoten werden oft zu hoch angesetzt Mit modernsten technischen Hilfsmitteln wie Echolots, Ultraschallgeräten, elektronischen Navigationsgeräten, Helikoptern und Satellitenaufnahmen machen Fischer Fischschwärme auch in trüben Tiefen ausfindig und werfen gezielt ihre riesigen Netze aus. Hinzu kommt, dass einzelne Länder aus kurzsichtigen wirtschaftlichen Überlegungen verhindern, dass Fangquoten nach wissenschaftlich Empfehlungen festgelegt werden. Für viele Bestände werden die Fangquoten weit über dem angesetzt, was Wissenschaftler als Bestand erhaltend ansehen. Dass die Fischerei eine sehr starke Lobby hat, sieht man auch daran, dass viele Staaten unter ihnen auch die EU ihre Fangflotten massiv subventionieren. Weil die EU-Fischereipolitik es bisher verpasst hat, auf Bestand erhaltende Fangquoten zu setzen und wirkungsvolle Kontrollen einzuführen, sind die EU-Gewässer insbesondere der Nordostatlantik heute die am stärksten überfischten Regionen der Welt. Es gibt heute keinen Grund mehr zur Annahme, dass man den Ozeanen noch mehr Wildfische entnehmen kann. Die Fischereierträge ausgewählter Fischarten im Nordostatlantik sind seit Jahren rückläufig, obwohl der Fischereidruck nach wie vor zunimmt. 6 Lewison, R. et al. 2004. WWF Faktenblatt überfischung Oktober 2009 3

Um die wachsende Nachfrage nach Fisch und Meeresfrüchten zu stillen, weichen Importeure vermehrt auf andere Meeresgebiete und Fischarten aus. So kommt es, dass in unseren Fischtheken immer häufiger Fische aus entfernteren Regionen der Welt zu finden ist, wie z.b. Mahi Mahi, Goldmakrele aus dem Pazifik oder Senegalesiche Rotzunge. Ein grosser Teil des Seafoods auf europäischen Tellern stammt nicht aus EU-Gewässern, sondern aus Asien und Afrika. Mit dem Ausweichen auf andere Fanggründe werden die Probleme jedoch nicht gelöst, sondern ausgeweitet. 4 Illegale Fischerei 20 bis 25 % der Fische werden illegal gefangen Weil sich bei weitem nicht alle Fischer an die festgelegten Fangquoten halten, schwindet der Fischbestand weiter. Weltweit wurden rund 20% bis 25% der an Land gezogenen Fische illegal gefangen 7. Im Mittelmeer wird 40% des Blauflossentuns illegal gefangen Eines der am stärksten betroffenen Opfer der illegalen Fischerei ist der Rote Tunfisch im Mittelmeer. Das bis zu 700 Kilo schwere Tier auch unter dem Namen Blauflossen-Tun bekannt erzeugt auf dem Markt Höchstpreise. Der Fisch ist eine sehr beliebte Zutat für Sushi. Entsprechend gross ist die Versuchung für illegale Geschäftemacher. Schätzungen gehen davon aus, dass im Mittelmeer 40% des Roten Tuns illegal gefangen wird. 8 Oft wird der Fisch gleich direkt an Bord verarbeitet und auf grosse Kühlschiffe verladen. Diese transportieren die Beute dann aus dem Mittelmeer hinaus nach Japan oder in andere aussereuropäische Abnehmerländer, ohne die heikle Ware an einem EU-Hafen an Land zu bringen und zu registrieren. Ähnlich ergeht es auch dem Schwarzen Seehecht, welcher vor den Küsten der Antarktis und Südamerikas lebt. Strengere Kontrollen auf See als Lösung Das Beispiel Grossbritannien, welches einen kleinen Bestand entlang den Inseln von South Georgia bewirtschaftet, zeigt, dass mit strikter Fischereizulassung und strengen Kontrolltechniken auf See die illegalen Schwarzen Seehechtfänge unterbunden werden können. 5 Das MSC-Label für umweltverträgliche Meeresfischerei Das MSC-Label als verantwortungsbewusste Alternative für Fische und Meeresfrüchte aus Wildfang Bei Fisch aus Wildfang etablierte sich bisher als breit abgestütztes Label für eine nachhaltige Fischerei der Marine Stewardship Council (MSC) ein Programm, welches die Anforderungen an eine glaubwürdige und effektive Zertifizierung von gut bewirtschafteten Fischbeständen erfüllt. Zusammen mit Wissenschaftlern, Fischereiexperten und Umweltschutzorganisationen hat MSC einen Standard entwickelt, der auf folgen Prinzipien beruht: 1. Es darf nur soviel gefischt werden, wie wieder nachwächst. Wo eine Population bereits überfischt oder dezimiert ist, muss die Fischerei die Erholung des Bestandes ermöglichen. 2. Die Ausübung der Fischerei darf die Struktur, die Vielfalt und die Produktivität des betreffenden Ökosystems und aller mitbeteiligten Arten nicht beeinträchtigen. 3. Die betreffende Fischerei muss einen Managementplan ausarbeiten, der aufzeigt, wie die ökologischen, gesetzlichen und sozialpolitischen Anforderungen erfüllt werden. Im Rahmen des Zertifizierungsprozesses unterziehen sich die Fischereien einer umfangreichen wissenschaftlichen Analyse. Sie verpflichten sich zudem, einen Bestand längerfristig nachhaltig zu bewirtschaften und sofort aktiv zu werden, wenn wichtige Referenzgrössen nicht eingehalten werden. MSC-Fischereien und alle nachgelagerten Verarbeitungsbetriebe werden regelmässig durch unabhängige Kontrollstellen überprüft. In der Schweiz sind derzeit bereits über 153 Produkte mit dem MSC-Label erhältlich. 7 Agnew, D. J., et. al. 2009. 8 WWF International 2009. WWF Faktenblatt überfischung Oktober 2009 4

6 Fische und Meeresfrüchte aus Zuchten 47% der weltweit produzierten Fische und Meeresfrüchte stammen bereits aus Zuchten Um die hohe Nachfrage nach Fisch- und Seafood-Produkten zu decken, werden Fische und andere Meereslebewesen immer häufiger in Farmen gezüchtet. Die moderne Aquakultur ist der am schnellsten wachsende Lebensmittelproduktionssektor weltweit. 1970 stammten nicht einmal vier Prozent der verzehrten Fische, Krebse und Weichtiere aus Zuchtbetrieben, im Jahr 2006 waren es bereits 47 Prozent 9. Um ein Kilo Zuchtfisch zu produzieren, braucht man bis 5 Kilo Futterfische Produkte aus Aquakultur legten auch auf dem Schweizer Markt stark zu und machen heute mit 19 000 Tonnen pro Jahr ein Drittel der gesamten Menge an Fisch- und Seafood-Produkten aus 10. Durch die Fütterung mit Fischöl und Fischmehl in der Aquakultur entsteht die groteske Situation, dass in der konventionellen Zucht mehr Fische und Meeresfrüchte verbraucht als gewonnen werden. So werden pro Kilo Fisch und Krustentiere aus Zucht, immer noch bis zu 5 Kilo Fisch aus Wildfang verbraucht 11. Dies weil vor allem Raubfische gezüchtet werden. Vorwiegend oder ausschliesslich pflanzenfressende Fische wie Karpfen oder Tilapien schneiden diesbezüglich viel besser ab. Weitere Probleme konventioneller Aquakulturen sind: Nicht artgerechte Besatzdichten- und Haltungssysteme. Massiver Einsatz von Chemikalien und Antibiotika. Überdüngung natürlicher Gewässer durch Abwässer. Beeinträchtigung oder Zerstörung empfindlicher Ökosysteme (z. B. Mangrovenwälder) durch die Anlage von Zuchtbetrieben. Gefahr des Biodiversitätsverlustes in der Umgebung von Zuchtanlagen durch entweichende Zuchtfische, Keime und Parasiten. Aal-, Thunfisch- und Kabeljauzuchten werden mit Jungfischen aus der freien Wildbahn bestockt, welche nachher einfach gemästet werden 12. Dies dezimiert die Wildfischbestände zusätzlich und verhindert eine natürliche Vermehrung. 7 Bio-Label für umweltverträgliche Fischzuchten Zuchtfische mit dem Bio-Label als verantwortungsbewusste Alternative In wie weit eine Fischzucht mit oben genannten negativen Folgen verbunden ist, hängt vom Fischmehl- oder Fischölbedarf der Zuchtart, der Produktionsmethode und den gesetzlichen Rahmenbedingungen im Produktionsland sowie vom individuellen Betriebsmanagement ab. Auf Fischmehl wird man in Aquakulturen nicht verzichten können, denn die meisten Zuchtfische sind Raubfische, die dringend auf die im Fischmehl enthaltenen Proteine angewiesen sind. Nutzt man aber verstärkt Fischabfälle, könnten Zuchten umweltverträglicher gemacht werden. Auch der vermehrte Einsatz von Insekten anstelle von Fischmehl ist ein vielversprechender Ansatz, der aber noch weiter erforscht werden muss. Schon heute existieren aber Zuchtanlagen, welche die Kriterien für eine umweltgerechte, nachhaltige Fischhaltung erfüllen. So können alle Bio-Zuchtfische bedenkenlos gegessen werden. Zuchtfische mit dem Bio-Label garantieren für: Fischfutter aus nachhaltigen Quellen. Einsatz von Fischmehl nur aus Abfällen der Speisefischproduktion oder aus zertifiziert nachhaltiger Fischerei. Tiergerechte Haltung und Besatzdichten. Strenge Vorschriften im Umgang mit Medikamenten wie Antibiotika und Hormonen. Bei Crevetten sind Antibiotika verboten. Kein Einsatz von Gentechnologie. Möglichst geringe Beeinträchtigung der Umwelt. Schutz der umliegenden Ökosysteme wie z.b. Mangrovenwälder. Verbot von Aromazusätzen und Farbstoffen, Einschränkungen bei Konservierungsstoffen. 9 FAO 2009. 10 WWF Schweiz und Blueyou 2008. 11 Tacon, A.G.J., Metian, M., 2008. 12 FAO 2009. WWF Faktenblatt überfischung Oktober 2009 5

8 Fisch und Seafood in der Schweiz: Konsum, Trends und Folgen Appetit auf Fisch und Seafood wächst Fisch und Seafood liegen in der Schweiz im Trend: Kein anderer Lebensmittel-Sektor konnte in den vergangenen Jahrzehnten so kräftig zulegen. Die Menge der in der Schweiz konsumierten Fisch und Seafood-Produkte stieg seit 1988 um mehr als 20 Prozent auf heute über 66 000 Tonnen an. Damit beträgt der Schweizer pro Kopf Konsum 8,5 kg 13. Angebot schrittweise auf Fische und Meeresfrüchte aus nachhaltigen Quellen umzustellen. In der Schweizer Gastronomie, die 55 Prozent des Fischkonsums abwickelt, herrscht hingegen noch grosser Nachholbedarf. Zwar sind auch verschiedene Gastronomielieferanten Mitglied der WWF Seafood Group, doch zeigen Ergebnisse einer Umfrage des WWF bei 29 Gault Millau Spitzenköchen im Raum Genf und Zürich sowohl mangelnde Bereitschaft einen Beitrag zum nachhaltigen Fischkonsum zu leisten, als auch Unwissenheit über die Problematik und die möglichen Lösungsansätze. 13 Proviande 2008 resp. WWF Schweiz und Blueyou 2008 14 WWF Schweiz und Blueyou 2008. 15 WWF Schweiz und Blueyou 2008. Über 95% der Fisch- und Seafood-Produkte auf dem Schweizer Markt werden importiert Die Schattenseiten und Folgen des steigenden Fischkonsums offenbaren sich nicht in der Schweiz, sondern in den Ursprungsländern und auf den Weltmeeren. In keinem anderen Schweizer Lebensmittelsektor ist die Abhängigkeit vom Ausland grösser als bei Fisch und Seafood: Über 95 Prozent der Fisch- und Seafood-Produkte auf dem Schweizer Markt werden importiert. Der Konsum an einheimischen Fischen ist in den letzten 20 Jahren dagegen um fast ein Drittel zurückgegangen 14. Neue WWF-Zahlen belegen: das Angebot und der Konsum von Fisch und Seafood-Produkten in der Schweiz ist nicht auf nachhaltigem Kurs. Für die in der Schweiz konsumierte Fisch- und Meeresprodukte mussten insgesamt 250 000 Tonnen Meerestiere sterben. Zurückzuführen sind solche Zahlen zum grossen Teil auf den Beifang in vielen Fischereien und den Fischmehlbedarf in Aquakulturen 15. Mit Detailhändlern auf gutem Weg in der Gastronomie besteht aber noch grosser Handlungsbedarf Mit ihrem Beitritt zur WWF Seafood Group haben sich Coop und Migros die führenden Schweizer Detailhändler verpflichtet, ihr Literaturverzeichnis Agnew D.J., Pearce J., Pramod G., Peatman T., Watson R., et al., (2009). Estimating the worldwide extent of illegal fishing. PLoS one 4(2): e4570.doi:10.1371/jpurnal.pone.0004570. Davies, R.W.D., et al., (2009). Defining and estimating global marine bycatch. Marine Policy (2009). doi:10.1016/j.marpol.2009.01.003. FAO (2005). Fisheries and Aquaculture Departement. Food and Agriculture organization of the United States, Rome. Review of the state of world marine fishery resources. FAO Fisheries Technical Paper 457. Internet: http://www.fao.org/docrep/009/y5852e/y5852e09.htm#ch3.3. Stand 29. 8. 2009. FAO (2006). A global assessment of fisheries bycatch and discards. FAO Fisheries Technical Paper 339. FAO Rome 2006. FAO (2009). Fisheries and Aquaculture Departement. Food and Agriculture organization of the United States, Rome. The State of World Fisheries and Aquaculture, 2008. Lewison, R. et al. (2004). Quantifying the effects of fisheries on threatened species: the impact of pelagic longlines on loggerhead and leatherback sea turtles Ecology Letters, 15 vol. 7, 2004, pp. 221 231. Proviande (2009). Der Fleischmarkt im Überblick 2008. http://www. schweizerfleisch.ch/ medium.php?1=1&id=217390. Stand: 7.9.2009. Tacon, A.G.J., Metian, M., (2008). Global overview on the use of fish and fish oil in industrially compounded aquafeeds: Trends and future prospects, Aquaculture. doi:10.1016/j.aquaculture.2008.08.015. WWF International (2009). Factsheet Bycatch. Internet: http://assets. panda.org/downloads/ bycatch_factsheet.pdf. Stand 29. 8. 2009. WWF Schweiz und Blueyou (2008). Studie: Fisch und Seafood Schweiz, Aktueller Konsum, Trends und Folgen. WWF Schweiz Der WWF will der weltweiten Naturzerstörung Einhalt gebieten und eine Zukunft gestalten, in der die Menschen im Einklang mit der Natur leben. Der WWF setzt sich weltweit ein für: die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, die Eindämmung von Umweltverschmutzung und schädlichem Konsumverhalten. Hohlstrasse 110 Postfach 8010 Zürich Tel.: 044 297 21 21 Fax: 044 297 21 00 service@wwf.ch www.wwf.ch Spendenkonto: PC 80-470-3