Kurzfassung. Abstract. 1 Einleitung. 2 Netzentgelte



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Transkript:

Intelligentes Netzlastmanagement mit variablen Netzentgelten als indirektes Steuerungsinstrument für Verteilnetzbetreiber Intelligent grid management with variable grid fees as indirect control system for Distribution System Operators Stephan Engel, David Nestle, Patrick Selzam, Philipp Strauß Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik, Kassel, Germany, Tel.: (0561) 7294-303, Fax: (0561) 7294-200, e-mail: patrick.selzam@iwes.fraunhofer.de Kurzfassung Variable Netzentgelte sind ein Anreizsystem um die Netznutzer zu motivieren, ihren Stromverbrauch den Anforderungen des Verteilnetzes anzupassen. Der Verteilnetzbetreiber kann so Netzlastspitzen reduzieren, fluktuierend einspeisende erneuerbare Erzeuger besser integrieren und die Netzlastprognose verbessern. Im Vergleich zu variablen Netzentgelten, die sich gerade im Forschungsstadium befinden, sind Leistungspreise ein bereits existierendes Anreizsystem. Der Vergleich dieser zwei Anreizsysteme soll aufzeigen, welches System die Anforderungen eines nachhaltigen Energiesystems besser unterstützt. Im E-Energy-Projekt Modellstadt Mannheim wird derzeit ein Vorschlag zur transparenten Berechnung von variablen Netzentgelten entwickelt und eine mögliche technische Lösung erarbeitet. Abstract Variable grid fees are an incentive system to motivate the grid customers to adjust their energy consumption to the requirements of the distribution grid. Therefore, the Distribution System Operator can reduce grid peak load, improve the integration of fluctuating renewable power producers and optimize the grid load prediction. Compared to variable grid fees which are just in the research stage, peak power demand prices are an existing incentive system. The comparison between these two incentive systems demonstrates which system can support more efficiently the requirements of a sustainable energy system. In E-Energy-Project Modellstadt Mannheim, a proposal for a transparent calculation of variable grid fees will be developed and a technical solution deployed. 1 Einleitung Der Ausbau der fluktuierenden erneuerbaren Energien (Wind- und Solarenergie) führt dazu, dass die Volatilität an den Spotmärkten sukzessive zunimmt. Das macht die Nutzung von variablen Tarifen zur Steuerung des Energieverbrauchs zunehmend interessant. Dies wurde von der Politik erkannt und findet Ausdruck im EnWG 40 Abs. 3: Energieversorgungsunternehmen haben, soweit technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar, spätestens bis zum 30. Dezember 2010 für Letztverbraucher von Elektrizität einen Tarif anzubieten, der einen Anreiz zur Energieeinsparung oder Steuerung des Energieverbrauchs setzt. Tarife im Sinne von Satz 1 sind insbesondere lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife. In Anlehnung an EnWG 40 Abs. 3 werden derzeit auch variable Netzentgelte (vnne) als indirektes Steuerungsinstrument für den Verteilnetzbetreiber diskutiert. Im Projekt Modellstadt Mannheim [1] wird ein Vorschlag zur transparenten Berechnung von variablen Netzentgelten entwickelt und eine mögliche technische Lösung erarbeitet. 2 Netzentgelte Für den Energielieferpreis des Energielieferanten werden derzeit verschiedene Tarifvarianten angedacht, von statischen Hochzeit-/Niedrigzeit-Tarifen bis zu an die Spotmarktpreise der European Energy Exchange (EEX) gekoppelte Stromprodukte (progressive variable Tarife). Der Strompreis besteht aber neben dem Energielieferpreis noch aus den Preiskomponenten Netznutzungsentgelte und Steuern/Abgaben. Die Netznutzungsentgelte werden von den Netzbetreibern festgelegt und müssen von der Bundesnetzagentur (BNetzA) genehmigt werden. Netznutzungsentgelte beinhalten einen fixen durchschnittlichen Arbeitspreis (ct/kwh) pro Jahr. Lastganggemessene Netzkunden zahlen zusätzlich einen Leistungspreis ( /kw), der aufgrund des höchsten Viertelstundenleistungswert pro Jahr berechnet wird. Der Leistungspreis ist ein Anreizinstrument für die Netzbetreiber, um die Netzkunden zu einem netzkonformen Stromverbrauch zu animieren. Variable Energielieferpreise dienen zur indirekten Verbrauchssteuerung der Kunden und werden gegenwärtig im Rahmen diverser Forschungsprojekte (E-Energy) weiter-

entwickelt. Das heißt für den Netzbetreiber, dass es eine weitere Variable beziehungsweise Unsicherheit für die Prognose der Netzlast gibt. Außerdem führt der Ausbau der Photovoltaik schon heute partiell zu Mittagssenken in der Netzlast oder sogar zu einer Rückspeisung bis zur zulässigen Netzbelastung, die durch variable Tarife noch verschärft werden könnte. In Anlehnung an EnWG 40 Abs. 3 werden derzeit als zusätzliches Anreizsystem variable Netzentgelte diskutiert. In einer Studie [2], die im Auftrag der Bundesnetzagentur durchgeführt wurde, heißt es dazu: Eine weitere Möglichkeit zur Forcierung von Tarifmodellen im Sinne von 40 Abs. 3 EnWG besteht darin, die Idee der Vorschrift auf die Gestaltung der Netzentgelte zu übertragen, die der Netzbetreiber gegenüber den Netznutzern in Ansatz bringt. Denkbar wäre es, dass der Netzbetreiber seine Netznutzungstarife ebenfalls zeitlich variabel gestaltet, in einfacher Form z. B. ein HT/NT- Tarifsystem mit festen Zeitabschnitten. Für den Lieferanten ergäbe sich zum Vorteil der Letztverbraucher hieraus ein zusätzlicher finanzieller Spielraum für die preisliche Gestaltung von Tarifen im Sinne von 40 Abs. 3 EnWG. Variable Netzentgelte sind ein Instrument für Verteilnetzbetreiber um den Stromverbrauch der Netznutzer in netzlastschwache Zeiten zu verlagern, Netzlastspitzen zu reduzieren und die Netzlastprognose zu verbessern. Dieser Paradigmenwechsel in der Netzentgelt-Systematik erfordert organisatorische und technische Maßnahmen. Haushaltskunden erhalten statt eines Leistungspreises einen erhöhten fixen Arbeitspreis (ct/kwh) pro Jahr. Auch diese Kunden könnten ein variables Netzentgelt erhalten, wenn sie mit einem Stromzähler gemäß EnWG 21b Abs. 3b ausgestattet sind. Dieser sogenannte intelligente Stromzähler oder Smart Meter kann allerdings erst dann für progressive variable Tarife eingesetzt werden, wenn auf Wunsch des Kunden der tatsächliche Lastgang statt eines durch den Verteilnetzbetreiber vorgegebenen Standardlastprofils abgerechnet werden darf. Hier besteht noch gesetzlicher Anpassungsbedarf. Folgend wird das derzeit praktizierte Anreizsystem des Leistungspreises analysiert und ein Vorschlag zur Variabilisierung des Arbeitspreises der Netznutzung in Form von variablen Netzentgelten als Alternative vorgestellt. 2.1 Anreizsystem Leistungspreis Leistungspreise dienen in der heutigen Netzentgelt- Systematik als Anreiz für den Netznutzer, um möglichst gleichmäßig Strom abzunehmen. Wie Bild 1 zeigt, zahlt ein Netzkunde mit einer Jahresbenutzungsdauer von 8760 Stunden die niedrigsten durchschnittlichen Netzentgeltkosten pro abgenommener kwh. Je geringer die Jahresbenutzungsdauer des Netznutzers ist, desto größer sind die Netzentgeltkosten pro abgenommener kwh. Die Netzentgeltkosten des Netznutzers werden über statistische Gleichzeitigkeitsgrade und somit unabhängig von der zeitlichen Auslastung des Netzes berechnet. Bild 1 Durchschnittsentgelte der heutigen Netzentgelt- Systematik [3] Hintergrund dieser Anreizlogik ist, dass die Transportkapazitäten beziehungsweise der Leitungsdurchschnitt der Versorgungsleitungen möglichst optimal genutzt werden sollte. Übertragen auf den Energielieferanten müsste ein Stromkunde dann den günstigsten Strompreis erhalten, wenn er über die maximale Jahresbenutzungsdauer verfügt und so die Erzeugungskapazitäten optimal nutzt. Dies ist aber nicht richtig, weil Kunden gemäß Spotmarktpreisen dann einen sehr günstigen Strompreis zahlen, wenn Sie in verbrauchsschwachen Zeiten (an der EEX werden diese OffPeak genannt) Strom abnehmen. Daraus abgeleitet ergeben sich folgende Kritikpunkte für Leistungspreise: Es gibt es keinen Anreiz für Netznutzer ihren Verbrauch in netzlastschwache Zeiten zu verlagern. Die Berechnung des Leistungsentgelts erfolgt anhand der Jahreshöchstleistung. Die Erstellung der Jahresabrechnung für den Netznutzer kann erst nach vorliegen der Jahreshöchstleistung, also Anfang des Folgejahres erfolgen. Die Möglichkeit zur gezielten Vermeidung von Netzverlusten durch die Verteilung von Netzlastspitzen (Valley Filling) wird nicht berücksichtigt. Außerdem wird die Integration fluktuierender Erzeuger wie Windenergie oder Photovoltaik, den Verbrauch in Zeiten mit hoher Einspeisung durch fluktuierende Erzeuger zu verlegen, nicht belohnt. 2.2 Variable Netzentgelte Basierend auf der Kritik der Leistungspreise beziehungsweise der erhöhten fixen Arbeitspreise für Haushaltskunden (mit Stromzähler gemäß EnWG 21b) und der Annahme, dass die Energielieferanten progressive variable Tarife gemäß EnWG 40 Abs. 3 anbieten, wird folgend das alternative Anreizsystem der variablen Netzentgelte vorgestellt.

Nutzer Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Ausgewählte Interessierbrauchsgerätzer Verte Netznut- Veröffentlichungszeitpunkt Vor dem Nutzungstag (dayahead) Entgeltstufen Frei variabel (z. B. EEX- Preise) Entgelthöhe Durch deren Einführung sollen die folgenden zum Teil aufeinander aufbauenden Ziele besser erreicht werden: Verursachungsgerechte Entgeltgestaltung; Reduzierung von Lastspitzen; Reduzierung von Netzverlusten; Investitionen in Netzausbau verzögern oder vermeiden; Integration fluktuierend erneuerbarer Erzeuger verbessern und deren Abschaltung vermeiden. Mit der Einführung variabler Netzentgelte sind tiefgreifende Änderungen in der StromNEV und damit in der heutigen Netzentgelt-Systematik notwendig. Um diese Änderungen transparent und für alle Beteiligten Netzbetreiber und Netznutzer nachvollziehbar vornehmen zu können, erscheint es notwendig diesen Paradigmenwechsel in mehreren Stufen vorzunehmen. In Tabelle 1 wird ein Vorschlag für eine stufenweise Einführung vorgestellt. Vor dem Nutzungsjahr Hoch- / Niedrigtarif Fixe Entgeltvorgaben Hoch- / Mittel- / Niedrigtarif Obere Entgeltgrenzen (price-cap) Alle Netznutzer 12 Stunden vor der Nutzung (intraday) Transparenter Berechnungsalgorithmus Tabelle 1 Stufenweise Einführung von variablen Netzentgelten Die Genehmigung der variablen Netzentgelte und der Berechnungsalgorithmen sollte durch die Bundesnetzagentur erfolgen. Die detaillierte Ausgestaltung der variablen Netzentgelte sollte in einem separaten Diskussionspapier als Vorschlag für die Bundesnetzagentur konkretisiert werden. Der transparente Berechnungsalgorithmus für die variablen Netzentgelte sollte basieren auf den Prognosen der Netzlast und der fluktuierenden Erzeuger im Netzgebiet. Der transparente Algorithmus ist notwendig, weil die Netzbetreiber über ein natürliches Monopol verfügen und somit eine wettbewerbliche Preisbildung nicht möglich ist. Die Entwicklung des transparenten Algorithmus sollte in Zusammenarbeit von Netzbetreibern und Forschungsinstituten erfolgen. 2.3 Vergleich Anreizsystem Leistungspreis mit variablem Netzentgelt Um einen Vergleich zwischen der heutigen Netzentgelt- Systematik und dem variablen Netzentgelt darstellen zu können, wurden sieben Kundengruppen gebildet [4]. Folgende Vereinfachungen für die Lastprofile der Kundengruppen werden definiert: Die Lastprofile werden im Stundenformat angegeben, d. h. alle vier 15 min-leistungswerte entsprechen dem Stundenwert. Das Jahr hat 365 Tage. Alle Tage entsprechen dem dargestellten Tageslastgang. Ausreißer im Lastgang wie sie in der Praxis vorkommen, sind damit nicht möglich, wodurch die Leistungspreiskosten hier niedriger ausfallen. Das Tagesentgeltprofil für das variable Netzentgelt gilt für alle 365 Tage. Die Lastgänge sind alle auf 1 kw Höchstlast normiert; somit entsprechen die Benutzungsstunden auch der Jahresenergiemenge. Die Lastprofile sind lediglich schematisch dargestellt (es gibt nur die Ausprägungen 1, 0,5 und 0 kw pro Stunde) um die Systematik der Veränderungen in der Entgeltbildung veranschaulichen zu können. Außerdem werden beispielhaft in Tabelle 2 die Entgelte nach heutiger Systematik und in Tabelle 3 die variablen Netzentgelte für die Kundengruppenanalyse vorgegeben. Leistungspreis /kwa Jahresbenutzungsdauer < 2.500 h/a 2.500 h/a Arbeitspreipreis Leistungs- ct/kwh /kwa Arbeitspreis ct/kwh 7,53 4,36 62,91 2,15 Tabelle 2 Beispiel Netzentgelte nach heutiger Systematik [5] 1 12 Uhr 13 24 Uhr Zeit vnne vnne Zeit (ct/kwh) (ct/kwh) 1 2 13 8 2 2 14 3 3 2 15 3 4 2 16 3 5 2 17 3 6 3 18 8 7 3 19 8 8 3 20 8 9 3 21 3 10 3 22 3 11 8 23 3 12 8 24 2 Tabelle 3 Beispiel Tages-Entgeltprofil variable Netzentgelte

Die Berechnung der variablen Netzentgelte erfolgt nach folgender Formel: vnne = vnne LG EP i 24 i=1 24 LG i EP i i=1 LG i Durchschnittliches variables Netzentgelt Lastgang Entgeltprofil Indexangabe Stundenwert Die Entgelte wurden so gewählt, dass die Summe aller sieben Lastgänge in beiden Systematiken zu den gleichen Erträgen führen. Für die verschiedenen Kundengruppen wurden jeweils das Netzentgelt nach heutiger Systematik und das variable Netzentgelt berechnet. Die Ergebnisse der Berechnung stellen Bild 2 und Tabelle 4 dar. Bild 2 Darstellung der Tageslastgänge der Kundengruppen und die Auswertung von Gewinnern und Verlierern nach variablen Netzentgelten [3] Erwartungsgemäß profitieren bei den variablen Netzentgelten besonders die Kundengruppen, die Ihren Verbrauch den Bedürfnissen des Netzbetreibers anpassen können. Bezeichnend für die verfehlte Anreizwirkung der heutigen Netzentgelt-Systematik ist das Kühlhaus, das sich den Bedürfnissen des Netzbetreibers anpasst und dafür durchschnittliche Netzentgeltkosten von 3,48 ct/kwh zahlt. Wenn das Kühlhaus über den ganzen Tag die gleich bleibende Menge Strom abnimmt, zahlt es lediglich durchschnittliche Netzentgeltkosten von 2,87 ct/kwh. Wenn Betreiber von Kühlhäusern also Netzbetreiber unterstützen und bei hohen Netzlasten ihre Kühlhäuser abschalten, werden sie bei der heutigen Systematik mit höheren Netzentgeltkosten bestraft. Die Ergebnisse zeigen, dass variable Netzentgelte zu verursachungsgerechteren Netzentgelten führen und gegebenenfalls den Netznutzer zu einem netzkonformen Nutzungsverhalten motivieren. Ob die variablen Netzentgelte eine Steuerungswirkung auf das Verbrauchsverhalten des Netznutzers tatsächlich entwickeln hängt davon ab, inwiefern die preislichen Anreize der variablen Netzentgelte wirken. Wichtig ist aber festzustellen, dass Kunden ihre Netznutzungskosten senken können, wenn sie sich netzkonform verhalten und höhere Netznutzungskosten zahlen müssen, wenn sie die Bedürfnisse der Netzbetreiber ignorieren (Verursachungsgerechtigkeit). 3 Umsetzung des variablen Netzentgelts Die Übermittlung und Umsetzung eines variablen Netzentgelts bei den Stromkunden ergibt nicht unerhebliche technische Herausforderungen. Im Projekt Modellstadt Mannheim [1] wird ein Vorschlag zur transparenten Berechnung von variablen Netzentgelten entwickelt und eine mögliche technische Lösung erarbeitet. Dazu wird pro Verteilnetzbereich ein Server vorgesehen, auf dem jeweils ein vom Fraunhofer-IWES entwickeltes OGEMA- Software-Framework [6] installiert ist. Wie Bild 3 zeigt, laufen dort als Applikationen Markt- und Netzagenten um die variablen Energielieferpreise und die variablen Netzentgelte zu berechnen. Nr. Kunde vnne NNE Diff. 1 Diskothek 2,33 4,70-2,37 2 WP/E-Kfz 2,50 3,59-1,09 3 EMS Kühlhaus 2,77 3,48-0,71 4 Kühlhaus 4,00 2,87 1,13 5 Büro 5,38 3,79 1,59 6 Industrie 4,88 3,23 1,65 7 Kantine 7,00 5,19 1,81 Tabelle 4 Durchschnittsentgelte [ct/kwh] Bild 3 OGEMA Netzlastmanagement-Framework [6] Die genannten Applikationen ermitteln die notwendigen Verbrauchs- und Erzeugungsprognosen und berechnen die Kundenpreisprofile, die dann an die Energiemanagementsysteme der einzelnen Haushalte versendet werden.

In der vorgeschlagenen Stufe 1, in der die variablen Netzentgelte für ein ganzes Jahr im Voraus bekannt sind, kann gegebenenfalls eine fixe Programmierung von Lasten und Erzeugern erfolgen, ähnlich wie dies heute z. B. bei bekannten HT/NT-Stromtarifen erfolgt. Sofern allerdings täglich oder sogar zwischentäglich neue Vorgabeprofile an den Kunden zu übermitteln und dort zu verarbeiten sind, ist eine automatisierte Lösung mit technischer Kommunikation und Fahrplanoptimierung der Geräte unumgänglich. Für variable Stromkosten generell wurden solche Lösungen auch bereits umgesetzt und erprobt [7][8]. Generell erfordert ein derartiges Management verschiedene Hard- und Softwarekomponenten: Standardisierte Kommunikation zwischen der Leitstelle eines Netzbetreibers und den Geräten des Kunden beziehungsweise einem Energiemanagement- Gateway, das die Einsatzplanoptimierung der Geräte vornimmt. Hierbei müssen die Netznutzungsentgelte des neuen Veröffentlichungszeitraums übermittelt werden. Automatische Steuerung, Überwachung und kommunikative Einbindung von Geräten innerhalb der Liegenschaft des Kunden, die im Sinne des intelligenten Netzes beeinflusst werden sollen. Eine Komponente zur Einbindung von intelligenten Zählern (Smart Meters), die geeignete Lastganginformationen zur Abrechnung und Analyse zur Verfügung stellen. Außerdem müssen Mess- und Zähldaten sowie gegebenenfalls weitere Informationen zur Abrechnung an den Messstellenbetreiber übermittelt werden, der diese in geeigneter Form, unter Wahrung datenschutzrechtlicher Anforderungen, an den Netzbetreiber weitergeben muss. Geeignete Hard- und Software beim Kunden, um das Energiemanagement (Gateway-Rechner oder entsprechende Software-Erweiterung bei den zu steuernden Geräten) durchzuführen. Nutzerschnittstelle (interaktives Display). Diese Komponenten können neben einem Energiemanagement auch für zahlreiche andere Anwendungen verwendet werden, beispielsweise für die Berücksichtigung von Kostenvariationen des Energieversorgers beziehungsweise des Energiehandels, Erbringung weiterer Netzdienstleistungen, Analyse von Zähler- und Messdaten zur Unterstützung von Investitionsentscheidungen des Kunden in Energiesparmaßnahmen [9]. Um dies zu ermöglichen, wurde vom Fraunhofer-IWES ein Software- Framework für ein Energiemanagement-Gateway entwickelt, das es ermöglicht, Anwendungen unterschiedlicher Hersteller zu installieren. Das Framework ist im Rahmen der Open Gateway Energy Management Alliance (OGE- MA) [2] als offene Spezifikation und Open Source- Referenzimplementierung verfügbar. 4 Zusammenfassung und Ausblick Der Vergleich der Anreizsysteme Leistungspreis und Variables Netzentgelt hat aufgezeigt, dass variable Netzentgelte die Anforderungen eines nachhaltigen Energiesystems besser unterstützen. Variable Netzentgelte motivieren den Kunden zum Stromkosten einsparen, unterstützen den Verteilnetzbetreiber Netzspitzenlasten zu reduzieren, Netzausbaukosten zu vermeiden oder zumindest zeitlich hinauszuzögern und schützen die Umwelt durch eine verbesserte Integration von fluktuierend erneuerbare Erzeuger und die so vermiedenen CO 2 -Emissionen. In dem Projekt Modellstadt Mannheim [1] wird derzeit eine technische Umsetzung für die Nutzung von Variablen Netzentgelten entwickelt, die eine möglichst automatisierte und komfortable Lösung für Kunden und Energieversorger darstellen soll. Aus Evaluationsgründen ist geplant, im Feldtest ein dreistufiges Entgelt zu testen, um das Lastverschiebungspotential besser analysieren zu können. Langfristig sollten variable Netzentgelte aber variabler ausgestaltet sein und nach einem transparenten Algorithmus berechnet werden. Die neue Systematik der Entgeltbildung wird bei den Netzbetreibern eine Gewöhnungszeit erfordern, da nicht vorhersehbar ist, inwieweit sich der Netznutzer nach den preislichen Anreizen des Netzbetreibers richten wird und wie sich somit die Ertragssituation der Netzbetreiber entwickelt. Deshalb ist zu empfehlen, den Paradigmenwechsel in der Netzentgelt-Systematik stufenweise vorzunehmen. So wird den Netzbetreibern und auch den Netznutzern die Möglichkeit gegeben, sich langsam mit den variablen Netzentgelten vertraut zu machen und Erfahrungen zu sammeln. Anfangs werden vermutlich viele Netznutzer mit geringen zusätzlichen Kosten für die Netznutzung rechnen müssen, allerdings kann jeder Netzkunde durch netzkonformes Nutzungsverhalten auch aktiv die Netznutzungskosten senken. Langfristig werden aber alle Netznutzer von niedrigeren Netzentgelten gegenüber Netzentgelten nach heutiger Anreizsystematik aufgrund der eingesparten Netzausbaukosten profitieren. Darüber hinaus wird die gesamte Gesellschaft durch vermiedene Umweltkosten profitieren. 5 Förderhinweis Diese Arbeit wurde mit Unterstützung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) unter dem Förderkennzeichen: 0325089C (Projekt Modellstadt Mannheim) erstellt. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. 6 Literatur [1] E-Energy Modellstadt Mannheim: moma Das Energiesystem wird intelligent [Online]. Verfügbar unter: www.modellstadt-mannheim.de [13.08.2011] [2] Ecofys: Einführung von lastvariablen Tarifen. 2009 [3] Selzam, P.; Engel, S.: Variable Netzentgelte (vnne). Internes Arbeitspapier. Kassel: Fraunhofer- IWES, 2011

[4] Hauser, E.; Klann, U.; Leprich, U.; Luxenburger, M.; Malina, A.; Schumann, D.; Kießling, A.; Rindchen, M.; Schwendicke, L.; Giebel, C.; Duscha, M.; Bödecker, J.; Selzam, P.; Engel, S.: Modellstadt Mannheim. Arbeitspalet 5, AS5.5. Untersuchung des technischen, energiewirtschaftlichen und regulatorischen Rahmens. 2011 [5] 24/7 Netze GmbH: Netzentgelte Strom der 24/7 Netze GmbH für das Netzgebiet Mannheim [Online]. Verfügbar unter: www.24-7-netze.de/cms/ 247_netze/media/medien/pdf/strom/preisbl_tter/2011 /20101217_24-7_Netze_Preisblaetter_Strom_ 20110101_MA.pdf [24.01.2011] [6] OGEMA Alliance: OGEMA [Online]. Verfügbar unter: http://www.ogemalliance.org [13.08.2011] [7] C. Bendel, V. Bühner, P. Funtan, T. Glotzbach, H. Hippmann, J. Kirchhof, G. Klein, S. Kleinlütke, S. Malcher, D. Nestle, M. Ries, E. Stachorra: Dezentrale regenerative Energieversorgungsanlagen. Technische und wirtschaftliche Integration in den Netzbetrieb und Anpassung von Rahmenbedingungen (DI- NAR). Kassel: Fraunhofer-IWES, 2008 [8] J. Ringelstein, D.Nestle, P. Selzam, H. Waldschmidt, A. Kießling, M. Khattabi: Demand Side Management im E-Energy Projekt Modellstadt Mannheim. Beitrag für VDI-Fortschrittsbericht. Kassel, Mannheim: 2010 [9] D. Nestle, J. Ringelstein, H. Waldschmidt: Open Gateway Architecture for Customers in the Distribution Grid. it - information technology, 02/2010, S. 83-89