Betreuungsrecht. Unterstützung statt Bevormundung



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Transkript:

MINISTERIUM DER JUSTIZ UND FÜR VERBRAUCHERSCHUTZ Betreuungsrecht Unterstützung statt Bevormundung für Erwachsene, die aufgrund psychischer Krankheiten oder körperlicher, geistiger oder seelischer Störungen ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst regeln können

MINISTERIUM DER JUSTIZ UND FÜR VERBRAUCHERSCHUTZ Betreuungsrecht Unterstützung statt Bevormundung für Erwachsene, die aufgrund psychischer Krankheiten oder körperlicher, geistiger oder seelischer Störungen ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst regeln können

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Liebe Bürgerinnen und Bürger! Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht nur ein Rechtsstaat, sie ist ein sozialer Rechtsstaat. Und was das bedeutet, zeigt sich vor allem im Umgang mit Menschen, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Dazu gehören Erwachsene, die aufgrund psychischer Krankheiten oder körperlicher, geistiger oder seelischer Störungen ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst regeln können. Für sie gilt das Betreuungsrecht, das am 1. Januar 1992 das frühere Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht abgelöst hat. Unterstützung statt Bevormundung das ist das Leitmotiv dieses Gesetzes. Im Vordergrund der Betreuung steht das persönliche Wohlergehen der Betroffenen. Sie sollen, soweit es möglich ist, selbst über sich bestimmen können. Nur wo sich die Betroffenen nicht mehr selbst helfen können, bietet das Gesetz die notwendige Fürsorge und den notwendigen Schutz. Der Staat alleine kann das natürlich nicht leisten. Nur wenn es gelingt, immer wieder genügend Personen zu finden, die als Betreuer mitarbeiten, kann die Reform dauerhafte Erfolge aufweisen. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die sich für diese Aufgabe mit großem Engagement zur Verfügung gestellt haben und dies hoffentlich auch weiterhin tun. Nur Sie können das Betreuungsrecht im Interesse der betroffenen Menschen mit Leben erfüllen. Die vorliegende Broschüre, die inzwischen in der neunten Auflage vorliegt, möchte Sie über die Grundzüge des Betreuungsrechts informieren und Ihnen bei Ihrer täglichen Arbeit helfen. 5

Hinweisen möchte ich an dieser Stelle auch darauf, dass das Ministerium der Justiz eine Musterformularsammlung herausgibt, die den ehrenamtlichen Betreuern und Betreuerinnen die Stellung von Anträgen beim Betreuungsgericht und den sonstigen Schriftverkehr einfach macht. Hilfestellungen geben Ihnen überdies die Betreuungsbehörden bei den Kreisverwaltungen und Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte, die Betreuungsvereine, deren Anschriften Sie am Ende dieser Broschüre finden. Natürlich sind Ihnen auch die Betreuungsgerichte behilflich. Ich hoffe sehr, dass Sie sich durch die Broschüre gut informiert fühlen. Ihr Prof. Dr. Gerhard Robbers Minister der Justiz und für Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz 6

Inhaltsverzeichnis Liebe Bürgerinnen und Bürger! 5 WORUM GEHT ES BEIM BETREUUNGSRECHT? 9 UNTER WELCHEN VORAUSSETZUNGEN WIRD EINe BETREUERin oder ein Betreuer BESTELLT?................ 11 Grundsatz der Erforderlichkeit bei der Betreuerbestellung............ 12 Notwendigkeit der Betreuung............................. 12 Umfang der Betreuung................................. 13 AUSWIRKUNGEN DER BETREUUNG 15 Einwilligungsvorbehalt................................. 15 Eheschließung und Errichtung von Testamenten, Wahlrecht........... 16 Dauer der Betreuung.................................. 16 AUSWAHL der Betreuerin oder DES BETREUERS 17 Wechsel der Betreuerin oder des Betreuers..................... 18 Welche Aufgaben hat der Betreuer oder die Betreuerin?............. 19 Persönliche Betreuung................................. 20 Wohl und Wünsche des oder der Betreuten..................... 21 SCHUTZ IN PERSÖNLICHEN ANGELEGENHEITEN 23 Allgemeines....................................... 23 Untersuchung des Gesundheitszustandes, Heilbehandlung, Ärztlicher Eingriff.......................... 24 Sterilisation....................................... 26 Unterbringung und ärztliche Zwangsmaßnahme................. 27 Unterbringungsähnliche Maßnahmen........................ 28 Wohnungsauflösung.................................. 30 7

TÄTIGKEIT DES BETREUERS IN VERMÖGENSRECHTLICHEN ANGELEGENHEITEN 31 Allgemeine Pflichten.................................. 31 Anlegung eines Vermögensverzeichnisses...................... 32 Rechnungslegung.................................... 33 Geldanlage und Geldgeschäfte............................ 34 Handlungen, die der Genehmigung durch das Betreuungsgericht bedürfen.. 35 WELCHE RECHTE KANN DER BETREUER oder die Betreuerin GELTEND MACHEN? 37 Ersatz von Aufwendungen............................... 37 Haftpflichtversicherung................................ 39 Vergütung........................................ 39 Hilfe für ehrenamtliche Betreuer und Betreuerinnen................ 41 GERICHTLICHES VERFAHREN 43 Verfahren der Betreuerbestellung........................... 43 Verfahren in Unterbringungssachen......................... 47 Kosten des Verfahrens................................. 47 Betreuungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches 49 Auszug.......................................... 49 Ansprechpartner 61 8

WORUM GEHT ES BEIM BETREUUNGSRECHT? Am 1. Januar 1992 ist das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz - BtG) in Kraft getreten. Es hat erhebliche Verbesserungen für erwachsene Mitbürger und Mitbürgerinnen gebracht, die früher unter Vormundschaft oder Gebrechlichkeitspflegschaft standen. Betreuung als Rechtsfürsorge zum Wohl der betroffenen Menschen ist an die Stelle von Entmündigung, Vormundschaft für Erwachsene und Gebrechlichkeitspflegschaft getreten. Das Wesen der Betreuung besteht darin, dass für eine volljährige Person eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt wird, der in einem genau festgelegten Umfang für sie handelt. Das Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Menschen soll dabei gewahrt bleiben, soweit dies möglich und seinem Wohl zuträglich ist. Seine Wünsche sind in diesem Rahmen beachtlich. Auch für die Betreuer und Betreuerinnen bringt das Betreuungsgesetz viele Vorteile. Betroffen sind Erwachsene, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können. Viele der Betroffenen sind alte Menschen. Denn im Alter nimmt die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Leben oft ab. Die Regelungen werden für sie zunehmend von Bedeutung sein. Der Anteil älterer Mitbürger an der Gesamtbevölkerung wird sich in den kommenden Jahren wesentlich erhöhen. So ist heute jeder vierte Bundesbürger älter als 60 Jahre und schon im Jahre 2030 wird es jeder 9

Dritte sein. Für viele kann dies bedeuten, dass sie im letzten Abschnitt ihres Lebens auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Alle im Folgenden erwähnten gesetzlichen Bestimmungen des BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sind am Ende der Broschüre abgedruckt. 10

UNTER WELCHEN VORAUSSETZUNGEN WIRD EINe BETREUERin oder ein Betreuer BESTELLT? Eine Betreuerin oder ein Betreuer kann nur bestellt werden, wenn bei der betroffenen Person eine Hilfsbedürftigkeit vorliegt, die auf einer der folgenden im Gesetz ( 1896 Abs. 1 BGB) genannten Krankheiten oder Behinderungen beruht: Psychische Krankheiten Hierzu gehören alle körperlich nicht begründbaren seelischen Erkrankungen; ferner seelische Störungen, die körperliche Ursachen haben, beispielsweise als Folge von Krankheiten (z. B. einer Hirnhautentzündung) oder von Verletzungen des Gehirns. Auch Abhängigkeitserkrankungen (Sucht) können bei entsprechendem Schweregrad psychische Krankheiten sein. Dasselbe gilt schließlich für Neurosen oder Persönlichkeitsstörungen ( Psychopathien ). Geistige Behinderungen Hierunter fallen die angeborenen sowie die während der Geburt oder durch frühkindliche Hirnschädigung erworbenen Intelligenzdefekte verschiedener Schweregrade. Seelische Behinderungen Dies sind bleibende psychische Beeinträchtigungen, die als Folge von psychischen Erkrankungen entstanden sind. Auch die geistigen Auswirkungen des Altersabbaus werden hierzu gerechnet. 11

Körperliche Behinderungen Auch körperliche Behinderungen können Anlass für die Bestellung einer oder eines Betreuers sein, allerdings nur, soweit sie die Fähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten wenigstens teilweise aufheben oder wesentlich behindern. Dies kann etwa bei dauernder Bewegungsunfähigkeit der Fall sein. Zum Antragserfordernis in diesen Fällen siehe das Kapitel über das gerichtliche Verfahren (Seite 43 ff.). Zu der Krankheit oder Behinderung muss ein Fürsorgebedürfnis hinzutreten: Eine Betreuerin oder ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn die Betroffene Person auf Grund dieser Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht zu besorgen vermag. Es kann sich dabei etwa um Vermögens-, Renten- oder Wohnungsprobleme, aber auch um Fragen der Gesundheitsfürsorge oder des Aufenthalts handeln. Grundsatz der Erforderlichkeit bei der Betreuerbestellung Die Betreuung stellt eine wichtige Hilfe für die Betroffenen dar. Sie kann von ihnen aber auch als Eingriff empfunden werden, zumal wenn sie mit der Bestellung nicht einverstanden sind. Gegen den Willen der Betroffenen, sofern sie diesen frei bilden kann, darf eine Betreuerin oder ein Betreuer nicht bestellt werden ( 1896 Abs. 1a BGB). Für alle Bereiche des Betreuungsrechts gilt außerdem der Grundsatz der Erforderlichkeit. Dieser bezieht sich auf das Ob einer Betreuerbestellung, auf den Umfang des Aufgabenkreises der Betreuerin oder des Betreuers, auf die Auswirkungen der gerichtlichen Maßnahme, auf die Dauer der Betreuerbestellung. Notwendigkeit der Betreuung Eine Betreuerin oder ein Betreuer wird nur bestellt, wenn dies notwendig ist, weil eine Person ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr besorgen kann. 12

Dabei muss zunächst festgestellt werden, ob nicht Hilfsmöglichkeiten tatsächlicher Art vorhanden oder ausreichend sind, insbesondere die Unterstützung durch Familienangehörige, Bekannte oder soziale Dienste. Solche Hilfen sind vorrangig. Wichtig: Wenn es nur darum geht, dass jemand rein tatsächliche Angelegenheiten nicht mehr selbständig besorgen kann (etwa seinen Haushalt nicht mehr führen, die Wohnung nicht mehr verlassen usw.), so rechtfertigt dies in der Regel nicht die Bestellung einer Betreuerin oder eines Betreuers. Hier wird es normalerweise auf ganz praktische Hilfen ankommen (z. B. Sauberhalten der Wohnung, Versorgung mit Essen), für die man keinen gesetzlichen Vertreter braucht. Wenn darüber hinaus eine rechtsgeschäftliche Vertretung der betroffenen Person notwendig ist, reichen solche Hilfen nicht aus. Hier ist dann die Bestellung einer Betreuerin oder eines Betreuers notwendig. Eine Betreuerin oder einen Betreuer braucht auch derjenige nicht, der eine andere Person selbst bevollmächtigen kann und will oder bereits früher bevollmächtigt hat. Das gilt nicht nur in Vermögensangelegenheiten, sondern auch für alle anderen Bereiche, etwa die Gesundheitsangelegenheiten oder Fragen des Aufenthalts. Jeder kann in gesunden Tagen vorausschauend für den Fall der eventuell später eintretenden Betreuungsbedürftigkeit einer Person seines Vertrauens die Wahrnehmung einzelner oder aller Angelegenheiten übertragen. Einzelheiten zur Vorsorgevollmacht finden Sie in der ebenfalls vom rheinland-pfälzischen Justizministerium herausgegebenen Broschüre Wer hilft mir, wenn...?. Umfang der Betreuung Betreuerin oder Betreuer dürfen nur für die Aufgabenkreise bestellt werden, in denen eine Betreuung tatsächlich erforderlich ist ( 1896 Abs. 2 BGB). Bereiche, die die Betroffenen eigenständig erledigen können, dürfen den Betreuern nicht übertragen werden. Was die Betreuten noch selbst tun können und wofür sie einen gesetzlichen Vertreter benötigen, wird im gerichtlichen Verfahren festgestellt. 13

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AUSWIRKUNGEN DER BETREUUNG Die Bestellung einer Betreuerin oder eines Betreuers ist keine Entrechtung. Sie hat nicht zur Folge, dass der oder die Betreute geschäftsunfähig wird. Die Wirksamkeit der von ihm abgegebenen Erklärungen beurteilt sich wie bei allen anderen Personen alleine danach, ob er deren Wesen, Bedeutung und Tragweite einsehen und sein Handeln danach ausrichten kann. In vielen Fällen wird eine solche Einsicht allerdings nicht mehr vorhanden sein. Dann ist der oder die Betreute im natürlichen Sinne unabhängig von der Betreuerbestellung geschäftsunfähig ( 104 Nr. 2 BGB). Einwilligungsvorbehalt Von dem Grundsatz, dass das Betreuungsrecht keinen Einfluss auf die rechtliche Handlungsfähigkeit der Betroffenen hat, gibt es eine wichtige Ausnah me: Wenn das Gericht für einzelne Aufgabenkreise einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet hat, tritt hierdurch eine Beschränkung der Teilnahme am Rechtsverkehr ein. Die Betroffenen brauchen dann (von gewissen Ausnahmen, wie etwa bei geringfügigen Geschäften des täglichen Lebens, abgesehen) die Einwilligung ihrer Betreuerin oder ihres Betreuers. Einen Einwilligungsvorbehalt ordnet das Gericht an, wenn die erhebliche Gefahr besteht, dass der betreute Mensch sich selbst oder sein Vermögen schädigt. Die Maßnahme dient damit in erster Linie dem Schutz des oder der Betreuten vor uneinsichtiger Selbstschädigung. Ein Einwilligungsvorbehalt kann z. B. auch angeordnet werden, um zu verhindern, dass die oder der Betreute an nachteiligen Geschäften festhalten muss, weil im Einzelfall der ihm obliegende Nachweis der Geschäftsunfähigkeit nicht gelingt. 15

Eheschließung und Errichtung von Testamenten, Wahlrecht Betreute können heiraten, wenn sie nicht geschäftsunfähig sind; ebenso können sie ein Testament errichten, wenn sie testierfähig sind, d. h. wenn sie in der Lage sind, die Bedeutung ihrer Erklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Die Betreuerbestellung hat darauf keinen Einfluss. Einen Einwilligungsvorbehalt hierfür gibt es nicht. Der Zustimmung der Betreuerin oder des Betreuers für diese Handlungen bedarf es deshalb nie. Auch das Wahlrecht behalten Betreute, sofern nicht eine umfassende Betreuerbestellung für alle Angelegenheiten erfolgt ist. Dauer der Betreuung Die Betreuerbestellung und die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts dürfen nicht länger als notwendig dauern. Das Gesetz schreibt deshalb ausdrücklich vor, dass die Betreuung aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Die beteiligten Personen, insbesondere der oder die Betreute und die Betreuerin oder der Betreuer, haben daher jederzeit die Möglichkeit, dem Betreuungsgericht den Wegfall der Betreuungsbedürftigkeit mitzuteilen und so auf eine Aufhebung der Betreuung hinzuwirken. Ferner wird bereits in die gerichtliche Entscheidung das Datum des Tages aufgenommen, an dem das Gericht die getroffene Maßnahme überprüft haben muss. Spätestens nach sieben Jahren muss über die Aufhebung oder Verlängerung entschieden werden. 16

AUSWAHL DEr BETREUERin oder des Betreuers Der Betreuer oder die Betreuerin wird vom Betreuungsgericht bestellt. Dabei muss nach Möglichkeit eine einzelne Person ausgewählt werden ( 1897 Abs. 1 BGB). Dies kann eine der oder dem Betroffenen nahestehende Person, das Mitglied eines Betreuungsvereins oder eine sonst ehrenamtlich tätige Person, eine selbständige Berufsbetreuerin oder ein selbständige Berufsbetreuer aber auch die oder der Angestellte eines Betreuungsvereins oder die oder der Beschäftigte der zuständigen Betreuungsbehörde sein. Vorrangig ist eine Person auszuwählen, die die Betreuung ehrenamtlich führt ( 1897 Abs. 6 BGB). Das Gericht kann mehrere Betreuer bestellen, wenn dies zur Besorgung der Angelegenheiten nötig ist ( 1899 Abs. 1 BGB). Allerdings darf dann in der Regel nur eine Betreuungsperson die Betreuung berufsmäßig führen und eine Vergütung erhalten. Nur in bestimmten Fällen kann ein Verein oder die Betreuungsbehörde selbst mit der Aufgabe betraut werden und dies auch nur solange, bis die Betreuung durch eine Einzelperson möglich ist ( 1900 BGB). Durch diesen Vorrang der Einzelbetreuung soll erreicht werden, dass sich zwischen Betreutem und der Betreuungsperson ein Vertrauensverhältnis entwickeln kann. Bei der Auswahl der Betreuerin oder des Betreuers kommt den Wünschen der betroffenen Person große Bedeutung zu. Wird eine bestimmte Person vorgeschlagen, die bereit und geeignet ist, diese Aufgabe zu übernehmen, so ist das Gericht an diesen Vorschlag gebunden. Eine Ausnahme gilt nur dort, wo die Bestellung der oder des Vorgeschlagenen dem Wohl der oder des Betroffenen 17

zuwiderlaufen würde ( 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein volljährig gewordenes geistig behindertes Kind aus einer Augenblickslaune heraus eine dritte Person anstelle seiner zur Betreuung gut geeigneten Eltern vorschlägt. Lehnt der oder die Betroffene eine bestimmte Person ab, so soll hierauf Rücksicht genommen werden ( 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB). Diese Person darf dann nur bei Vorliegen besonderer Gründe zur Betreuerin oder zum Betreuer bestellt werden. Wird von den Betroffenen niemand vorgeschlagen, so ist bei der Auswahl der Betreuerin oder des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Beziehungen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, Kindern, Ehegatten oder Lebenspartnern, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen ( 1897 Abs. 5 BGB). Als Betreuerin oder Betreuer ist eine Person nur dann geeignet, wenn sie in der Lage ist, den Betroffenen in dem erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Dies kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein. Feststehende Kriterien hierfür gibt es nicht, da alle Fälle verschieden gelagert sind. Das Gericht wird aber darauf achten, einer Berufsbetreuerin oder einem Berufsbetreuer nicht unbegrenzt Betreuungen zu übertragen, weil dann eine persönliche Betreuung nicht mehr gewährleistet ist. Diejenigen Personen, die zu der Einrichtung, in der die oder der Betroffene untergebracht ist, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder einer anderen engen Beziehung stehen (zum Beispiel das Personal des Heimes, in dem eine betroffene Person lebt), scheiden wegen der Gefahr von Interessenkonflikten von vornherein als Betreuerin oder Betreuer aus ( 1897 Abs. 3 BGB). Die Betreuerbestellung ist erst möglich, wenn die ausgewählte Person sich zur Übernahme bereit erklärt hat. Jeder Bürger und jede Bürgerin ist verpflichtet, eine Betreuung zu übernehmen, wenn er oder sie hierfür geeignet und die Übernahme auch zumutbar ist ( 1898 Abs. 1 BGB). Allerdings kann das Gericht niemanden dazu zwingen. Wer jedoch die Übernahme einer Betreuung ohne Grund ablehnt, der ist für den Schaden verantwortlich, der der betroffenen Person durch die eingetretene Verzögerung entsteht. 18

Wechsel der Betreuerin oder des Betreuers Für den betroffenen Menschen kann es nachteilig sein, wenn seine Betreuerin oder sein Betreuer ausgetauscht wird und er sich an eine neue Person gewöhnen muss. Deshalb soll ein Wechsel in der Betreuung nach Möglichkeit vermieden werden. Allerdings kann eine Betreute oder ein Betreuter, wenn ihr oder ihm die Betreuung aufgrund neu eingetretener Umstände nicht mehr zugemutet werden kann, seine Entlassung verlangen. Erfolgt die Betreuung nicht sachgerecht, ist die Betreuerin oder der Betreuer vom Gericht zu entlassen. Schlägt die betroffene Person im Lauf der Zeit jemand anderen vor, der gleich gut geeignet und zur Übernahme der Betreuung bereit ist, so wird das Gericht dem folgen, wenn es dem Wohl der oder des Betroffenen dient. Eine Berufsbetreuerin oder ein Berufsbetreuer soll abgelöst werden, wenn die Aufgabe künftig von einer ehrenamtlich tätigen Person übernommen werden kann. Welche Aufgaben hat die Betreuerin oder der Betreuer? Die Betreuerin oder der Betreuer hat die Aufgabe, die Angelegenheiten in dem übertragenen Wirkungskreis rechtlich zu besorgen und die betreute Person hier zu vertreten. Je nachdem, welche Unterstützung für Betroffene im Einzelfall erforderlich ist, können der Betreuerin oder dem Betreuer einzelne, mehrere oder auch alle Aufgabenkreise übertragen werden. Mögliche Aufgabenkreise sind beispielsweise die Aufenthaltsbestimmung, Vermögensverwaltung oder Gesundheitsfürsorge. Für die übertragenen Aufgabenkreise (und nur für diese) hat die Betreuerin oder der Betreuer die Stellung eines gesetzlichen Vertreters; dies gilt auch, wenn im Namen des Betreuten Prozesse geführt werden ( 1902 BGB). Nur die Handlungen innerhalb des zugewiesenen Aufgabenkreises werden von der Vertretungsbefugnis erfasst. Wenn die Betreuerin oder der Betreuer feststellt, dass die betreute Person auch in anderen Bereichen Unterstützung durch einen gesetzlichen Vertreter braucht, darf sie oder er hier nicht einfach tätig werden. Er muss vielmehr das Betreuungsgericht unterrichten und dessen Entscheidung abwarten. Nur in besonders eiligen Fällen kann er als Geschäftsführer ohne Auftrag handeln. Auch alle anderen Umstände, die im Hin- 19

blick auf den Erforderlichkeitsgrundsatz eine Einschränkung oder Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung ergeben könnten, sind dem Betreuungsgericht mitzuteilen ( 1901 Abs. 5 BGB). Ist sich die Betreuungsperson nicht sicher, ob eine bestimmte Handlung in seinen Aufgabenbereich fällt, empfiehlt sich eine Rückfrage beim Gericht. Eine Kontrolle der Post sowie des Fernmeldeverkehrs der betreuten Person darf nur dann erfolgen, wenn das Gericht diesen Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen hat( 1896 Abs. 4 BGB). Wichtig Mit dem Tod des betreuten Menschen endet die Betreuung und damit auch die Tätigkeit der Betreuerin oder des Betreuers. Gewisse Aufgaben hat sie oder er jedoch noch zu erledigen. Die Benachrichtigung des Betreuungsgerichts und die Unterrichtung der Angehörigen muss erfolgen, unaufschiebbare Angelegenheiten sind zu regeln und nach Abwicklung aller Geschäfte ist ein Schlussbericht zu erstellen. Die Organisation der Beerdigung gehört dagegen nicht mehr zu den Aufgaben der Betreuerin oder des Betreuers. Diese obliegt den Angehörigen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die oder der Verstorbene festgelegt hat, dass die Betreuerin oder der Betreuer die Beerdigung in die Wege leiten soll. Wenn keine Angehörigen vorhanden sind, sollte die Betreuungsperson die Ordnungsbehörde einschalten, der regelmäßig eine Hilfszuständigkeit für die Durchführung der Bestattung zukommt. Persönliche Betreuung Die Betreuerin oder der Betreuer muss die betreute Person in ihrem Aufgabenbereich persönlich betreuen. Das heißt nicht, dass sie oder er selbst dem Betroffenen bei deren Pfle ge oder der Haushaltsführung zur Hand gehen soll. Es bedeutet vielmehr: Er darf sich nicht auf die Erledigung des anfallenden Schriftverkehrs beschränken. Ein wichtiger Teil seiner Aufgabe ist der persönliche Kontakt. Ist der betreute Mensch so stark behindert, dass Gespräche mit ihm nicht möglich sind, so muss die Betreuerin oder der Betreuer ihn gleichwohl von Zeit zu Zeit aufsuchen, um sich einen Eindruck von ihrem Zustand 20

zu verschaffen. Die Betreuerin oder der Betreuer kann im Rahmen der persönlichen Betreuung natürlich auch selbst helfen, etwa im Haushalt oder in der Pflege, muss dies aber nicht tun. Innerhalb seines Aufgabengebietes hat er aber dafür Sorge zu tragen, dass die erforderliche Hilfe für die Betreuten organisiert wird. Ferner ist dazu beizutragen, dass die den Betreuten verbliebenen Fähigkeiten gefördert und Rehabilitationschancen genutzt werden. Wird die Betreuung berufsmäßig geführt, hat die Betreuerin oder der Betreuer in geeigneten Fäller auf Anordnung des Gerichts zu Beginn der Betreuung einen Betreuungsplan zu erstellen, in dem die Ziele der Betreuung und die zu ihrer Erreichung zu ergreifenden Maßnahmen dargestellt werden ( 1901 Abs. 4 BGB). Mindestens einmal jährlich muss dem Betreuungsgericht über die Entwicklung der persönlichen Verhältnisse der betreuten Person berichtet werden. Dies kann schriftlich oder mündlich geschehen. Wohl und Wünsche des betreuten Menschen Die Betreuerin oder der Betreuer hat die ihm übertragenen Aufgaben so zu erledigen, wie es dem Wohl des Betreuten entspricht ( 1901 Abs. 2 BGB). Dazu gehört auch, dass nicht einfach über den Kopf der Betroffenen hinweg entschieden wird. Vielmehr müssen betreute Menschen mit ihren Vorstellungen ernst genommen werden. Es dient ihrem Wohl, wenn ihnen nicht etwas aufgezwungen wird, sondern wenn sie im Rahmen der noch vorhandenen Fähigkeiten und der objektiv gegebenen Möglichkeiten nach eigenen Wünschen und Vorstellungen leben können. Die Betreuerin oder der Betreuer muss sich durch regelmäßige persönliche Kontakte und Besprechung wichtiger anstehender Entscheidungen ein Bild davon machen, welche Vorstellungen der betreute Mensch hat, was er gerne möchte und was er nicht will. Dies ist in der Folge auch zu beachten, es sei denn, es liefe eindeutig dem Wohl der betreuten Person zuwider oder wäre für die Betreuerin oder den Betreuer selbst unzumutbar. Die Betreuerin oder der Betreuer darf eigene Vorstellungen nicht ohne zwingenden Grund an die Stelle derjenigen der betreuten Person setzen. Das Aufzwingen beispielsweise einer übertriebenen sparsamen Lebensführung, wenn ausreichende Geldmittel vorhanden sind, darf nicht erfolgen. 21

Auch Wünsche, die vor Eintritt der Betreuungsbedürftigkeit in Bezug auf die Person der Betreuerin oder des Betreuers oder die Lebensführung zum Ausdruck gebracht worden sind, sind zu beachten, es sei denn, dass die oder der Betroffene hat zwischenzeitlich seine Meinung geändert. Einzelheiten hierzu finden Sie in der bereits erwähnten Broschüre Wer hilft mir, wenn...?. Lassen sich die Wünsche der betreuten Person nicht feststellen, so sollte versucht werden, deren vermutlichen Willen herauszufinden. Hierfür sind Auskünfte nahestehender Personen nützlich. Anhaltspunkte dürften sich auch aus der bisherigen Lebensführung ergeben. 22

SCHUTZ IN PERSÖNLICHEN ANGELEGENHEITEN Ein besonderes Kennzeichen des Betreuungsrechts ist darin zu sehen, dass es die persönlichen Angelegenheiten der betroffenen Menschen gegenüber den Vermögensangelegenheiten in den Vordergrund gerückt hat. Das persönliche Wohlergehen des ihm anvertrauten Menschen darf der Betreuerin oder dem Betreuer unabhängig vom übertragenen Aufgabenkreis nie gleichgültig sein. Werden Aufgaben im Bereich der Personensorge übertragen, so wird es sich in den meisten Fällen um Angelegenheiten der Gesundheitsfür sorge oder der Aufenthaltsbestimmung handeln. Für besonders wichtige Angelegenheiten in diesem Bereich (Untersuchung des Gesundheitszustandes, Heilbehandlung, ärztlicher Eingriff auch Sterilisation, Unterbringung oder unterbringungsähnliche Maßnahmen, wie etwa das Festbinden altersverwirrter Menschen am Bett) enthält das Gesetz besondere Vorschriften, die das Han deln der Betreuerin oder des Betreuers an bestimmte Voraussetzungen binden und unter anderem verlangen, eine gerichtliche Genehmigung einzuholen. In diesem Zusammenhang gilt auch ein besonderer Schutz für den Fall der Wohnungsauflösung, die über den rein wirtschaftlichen Aspekt hinaus schwerwiegende Folgen für die persönlichen Lebensverhältnisse der oder des Betreuten haben kann (sie he Seite 28). Allgemeines Wurde die Gesundheitsfürsorge übertragen, sollte sich die Betreuungsperson als Erstes genau erkundigen, wie es mit dem Krankenversicherungsschutz der 23

betreuten Person bestellt ist. Auf alle Fälle sollte Kontankt mit der Krankenversicherung aufgenommen werden. Besteht eine Familienmitversicherung, sollte die Betreuerin oder der Betreuer bitten, informiert zu werden, wenn deren Voraussetzungen entfallen. Untersuchung des Gesundheitszustandes, Heilbehandlung, Ärztlicher Eingriff Schon lange ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ärztliche Maßnahmen nur zulässig sind, wenn die Patientin oder der Patient in ihre Vornahme wirksam einwilligt, nachdem eine hinreichende Aufklkärung über die Maßnahme und die mit ihr verbundenen Risiken erfolgt ist. Werden ärztliche Maßnahmen ohne wirksame Einwilligung vorgenommen, so stellen sie u. U. einen rechtswidrigen und strafbaren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Patienten dar. Auch wenn eine Betreuung angeordnet ist, kann nur der Patient selbst die Einwilligung erteilen, sofern er einwilligungsfähig ist, d. h. sofern er Art, Bedeutung und Tragweite der beabsichtigten Maßnahme erfassen und seinen Willen hiernach bestimmen kann. Eine Einwilligung der Betreuerin oder des Betreuers kommt dann nicht in Betracht. Aus diesem Grund muss sich die Betreuerin oder der Betreuer, auch wenn der übertragene Aufgabenkreis die betreffende ärztliche Maßnahme umfasst, vergewissern, ob der betreute Mensch in der konkreten Situation einwilligungsfähig ist und selbst entscheiden kann, ob er einwilligt. Zu beachten ist, dass im Hinblick auf unterschiedlich komplizierte Maßnahmen durchaus in einem Fall Einwilligungsfähigkeit vorliegen kann, im anderen Fall dagegen nicht. Bei fehlender Einwilligungsfähigkeit, hat die Betreuerin oder der Betreuer nach hinreichender Aufklärung durch Ärztin oder Arzt über die Einwilligung in die ärztliche Maßnahme zu entscheiden. Es gelten hier die allgemeinen Regeln: Wichtige Angelegenheiten sind vorher mit der betreuten Person zu besprechen, sofern dies ihrem Wohl nicht zuwiderläuft. Wünsche der oder des Betreuten (auch solche, die in einer Betreuungsverfügung festgelegt sind - siehe Broschüre Wer hilft mir, wenn...? ) sind zu beachten, soweit dies ihrem oder seinem Wohl nicht zuwiderläuft und der Betreuerin oder dem Betreuer zuzumuten ist. 24

Gemäß 1901 a Abs. 1 BGB hat der Betreuer einer schriftlich niedergelegten, den konkreten Fall treffenden Patientenverfügung Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, sind die Behandlungswünsche oder der mutmaßliche Wille des betreuten Menschen festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden ( 1901 a Abs. 2 BGB). Ausführliche Informationen zur Patientenverfügung finden sich in unserer bereits mehrfach erwähnten Broschüre Wer hilft mir, wenn...?. In bestimmten Fällen bedarf die Einwilligung der Betreuerin oder des Betreuers der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Dies ist dann der Fall, wenn die begründete Gefahr besteht, das der betroffene Mensch aufgrund der ärztlichen Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet ( 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Genehmigungsverfahren bezweckt in solch schwerwiegenden Fällen auch, Betreuerin oder Betreuer mit der Verantwortung nicht alleine zu lassen. Eine begründete Todesgefahr im Sinne der Vorschrift besteht etwa bei einer Operation, wenn das damit verbundene Risiko allgemeine Gefahren, wie sie mit der Narkose verbunden sind, übersteigt. Ein schwerer und länger dauernder gesundheitlicher Schaden ist z. B. im Falle des Verlusts der Sehkraft, bei der Amputation eines Beines oder bei drohenden nachhaltigen Persönlichkeitsveränderungen anzunehmen. Die Gefahr eines solchen Schadenseintritts muss konkret und nahe liegend sein; nur hypothetische oder unwahrscheinliche Gefahren lösen keine Genehmigungspflicht aus. Bei Zweifeln sollten sich Betreuerinnen oder Betreuer an das Betreuungsgericht wenden. Keine Genehmigungspflicht besteht in Eilfällen, wenn mit dem Aufschub der Maßnahme Gefahr verbunden wäre ( 1904 Abs. 1 Satz 2 BGB). Auch die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass die betreute Person auf Grund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Einer gerichtlichen Genehmigung bedarf es in all diesen Fällen nicht, wenn zwi- 25

schen Betreuerin oder Betreuer und behandelnder Ärztin oder behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach 1901 a BGB festgestellten Willen der betreuten Person entspricht ( 1904 Abs. 4 BGB). Sterilisation Die Sterilisation stellt einen schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Der dadurch herbeigeführte Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit kann oft nicht mehr rückgängig gemacht werden. Besonders problematisch ist der Eingriff, wenn über ihn nicht die Betroffenen selbst, sondern ein anderer in Vertretung entscheidet. Früher haben Sterilisationen bei einwilligungsunfähigen Menschen in einer rechtlichen Grauzone stattgefunden, weil es eine gesetzliche Regelung nicht gab und die Rechtsprechung uneinheitlich war. Das Gesetz enthält jetzt ein völliges Verbot der Sterilisation von Minderjährigen. Bei einwilligungsunfähigen Volljährigen bedürfen Betreuerinnen und Betreuer, wenn der Eingriff durchgeführt werden soll, hierfür der Genehmigung des Betreuungsgerichts, die nur unter ganz engen Voraussetzungen in einem sehr strengen Verfahren erteilt werden kann ( 1905 BGB). Um Interessenkollisionen auszuschließen, ist für diese Entscheidung stets eine besondere Betreuerin oder ein besonderer Betreuer zu bestellen ( 1899 Abs. 2 BGB). Zwangssterilisationen darf es nicht geben. Außerdem haben alle anderen Methoden der Empfängnisverhütung Vorrang. Die Sterilisation ist nur noch zur Abwendung schwerwiegender Notlagen, die mit einer Schwangerschaft verbunden wären, zulässig. Eine solche Notlage kann z. B. dann gegeben sein, wenn die Mutter von ihrem Kind getrennt werden müsste und dies für sie ein schwerwiegendes seelisches Leid zur Folge hätte. Unterbringung und ärztliche Zwangsmaßnahme Die Betreuerin oder der Betreuer kann den betreuten Menschen unter be- 26

stimmten Voraussetzungen mit gerichtlicher Genehmigung in einer geschlossenen Einrichtung (z. B. in einem psychiatrischen Krankenhaus) oder in einer geschlossenen Abteilung z. B. eines Krankenhauses oder eines Altenheimes unterbringen. Die Unterbringung ist allerdings nur unter den in 1906 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen zulässig, wenn bei Betreuten die Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Selbstschädigung oder gar Selbsttötung besteht oder wenn ohne die Unterbringung eine notwendige ärztliche Maßnahme nicht durchgeführt werden kann, mit der ein drohender erheblicher gesundheitlicher Schaden abgewendet werden soll. Auch in diesem Zusammenhang gilt: Gegen den freien Willen einer oder eines Erwachsenen darf eine Betreuerin oder ein Betreuer grundsätzlich nicht bestellt werden. Soweit eine volljährige Person ihren Willen frei bilden kann, umfasst das Recht zur Selbstbestimmung auch die Freiheit zur Krankheit. Nur um für den Erwachsenen eine von seinem Umfeld für erforderlich gehaltene Untersuchung oder Behandlung herbeizuführen, darf eine Betreuung nicht angeordnet werden. Eine Untersuchung und Behandlung gegen den Willen eines Erwachsenen sind nur unter den in 1906 Absatz 3 BGB genannten Voraussetzungen zulässig. Dazu zählt, dass die betroffene Person ihren Willen krankheitsbedingt nicht mehr frei bilden kann dass sie also wegen ihrer Krankheit die Notwendigkeit einer Untersuchung oder Behandlung nicht erkennen kann oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist stets das allerletzte Mittel. Zuvor muss mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks der ernsthafte Versuch unternommen werden, die betreute Person von der Notwendigkeit der Maßnahme zu überzeugen und ihn zur Aufgabe ihrer Ablehnung zu bewegen. Der betreuten Person muss ein erheblicher gesundheitlicher Schaden drohen, falls die Untersuchung oder Behandlung unterbleibt. Die Behandlung ist nur zulässig, wenn der drohende Schaden durch keine zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und ihr Nutzen zu erwartende Beeinträchtigungen deutlich überwiegt. Die Einwilligung der Betreuerin oder des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf stets der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Die Unterbringung einer oder eines Erwachsenen aus lediglich erzieherischen Gründen ist nicht zulässig. Im Rahmen einer Betreuung kann eine Unterbringung auch nicht deshalb erfolgen, weil die betreute Person Dritte gefährdet. 27

Solche Unterbringungen sind nicht Aufgabe der Betreuerin oder des Betreuers, sondern der nach den Unterbringungsgesetzen der einzelnen Länder zuständigen Behörden und Gerichte. Ohne vorherige Genehmigung sind Unterbringungen durch Betreuerin oder Betreuer nur ausnahmsweise zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist die Genehmigung muss dann aber unverzüglich nachgeholt werden ( 1906 Abs. 2 BGB). Betreuerin oder Betreuer haben die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen, z.b. die früher vorhandene Selbsttötungsgefahr nicht mehr besteht. Er bedarf zur Beendigung der Unterbringung nicht der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Bei Zweifeln kann er sich allerdings vom Betreuungsgericht beraten lassen. Wird die Unterbringung beendet, so ist dies dem Betreuungsgericht durch Betreuerin oder Betreuer anzuzeigen. Unterbringungsähnliche Maßnahmen Wenn betreute Menschen außerhalb geschlossener Abteilungen in Anstalten, Heimen oder sonstigen Einrichtungen leben, so ist dies an sich nicht genehmigungsbedürftig. Der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf es jedoch auch in diesen Fällen, wenn einem oder einer Betreuten durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll (sog. unterbringungsähnliche Maßnahmen, 1906 Abs. 4 BGB). Dies gilt auch dann, wenn die betreute Person bereits mit gerichtlicher Genehmigung in einer geschlossenen Abteilung oder Einrichtung untergebracht ist. Eine Freiheitsentziehung ist nicht anzunehmen, wenn Betroffene auch ohne die Maßnahme gar nicht in der Lage wäre, sich fortzubewegen oder wenn die Maßnahme ihn nicht an der willentlichen Fortbewegung hindert (Beispiel: Zum Schutz vor dem Herausfallen wird ein Gurt angebracht, den die oder der Betreute aber sofern gewollt öffnen kann). Eine rechtswidrige Freiheitsentziehung liegt auch nicht vor, wenn der oder die betreute Person mit der Maßnah- 28

me einverstanden ist und er die entsprechende Einwilligungsfähigkeit besitzt. Nur bei nicht einwilligungsfähigen Menschen entscheidet deren Betreuerin oder deren Betreuer (mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung ) über die Einwilligung in die unterbringungsähnlichen Maßnahme und beantragt deren Genehmigung beim Betreuungsgericht. Bei Zweifeln über die Genehmigungsbedürftigkeit sollte das Betreuungsgericht befragt werden. Wenn in Eilfällen zum Schutz der betreuten Person ohne vorherige Genehmigung gehandelt werden musste, ist die gerichtliche Genehmigung unverzüglich nachzuholen. Als freiheitsentziehende Maßnahmen kommen u. a. in Betracht: Bettgitter; Leibgurt im Bett oder am Stuhl; Festbinden der Arme und Beine; Abschließen des Zimmers oder der Station, wenn die Öffnung auf Wunsch der Bewohnerin oder des Bewohners nicht jederzeit gewährleistet ist; Medikamente, die in erster Linie die Ruhigstellung bezwecken (Gegenbeispiel: die Ruhigstellung ist Nebenwirkung eines zu Heilzwecken verabreichten Medikaments). In der Praxis am häufigsten sind Fixierungen. Dies sind aus der Sicht der Betroffenen ganz einschneidende Maßnahmen. Die Betroffenen werden quasi an das Bett oder an den Stuhl gefesselt und dies u. U. über mehre Stunden oder auch Tage. Zur Begründung wird meist darauf verwiesen, dass man Stürze verhindern will, bei denen sich die Betroffenen verletzen könnten. Nach heutigen Erkenntnissen aber sind die negativen Auswirkungen solcher Maßnahmen ganz erheblich. Die Betroffenen, die über längere Zeit fixiert waren, bewegen sich danach noch unsicherer; womit sich die Sturzgefahr sogar noch erhöht. Der Versuch, sich aus der Fixierung zu befreien, führt nicht selten zu Verletzungen bis hin zur Strangulierung. Auch verstärkte Inkontinenzprobleme treten als Nebenwirkungen auf. Deshalb wird seit einiger Zeit nach Alternativen zur Sturzprävention gesucht. In Betracht kommen hier ein Training zur Sturzprophylaxe, niedrigstverstellbare Betten, Hüftprotektoren, sturzsichere Gehhilfen. Nicht immer werden sich freiheitsentziehende Maßnahmen vermeiden lassen. Sie könnten jedoch entscheidend reduziert werden, wenn bei allen Beteiligten das Bewusstsein für die Schwere des Eingriffs gestärkt und alternative Handlungsweisen überlegt werden. Es muss klar sein, dass freiheitsentziehende Maßnahmen nur das letzte Mittel sein können. Hier sind auch Betreuerinnen und Be- 29

treuer gefordert. Sie sollen nicht quasi routinemäßig, wenn eine Fixierung im Raum steht, einen entsprechenden Genehmigungsantrag bei Gericht stellen, sondern diese Maßnahme hinterfragen und eingehend mit dem Pflegepersonal besprechen. Wohnungsauflösung Mit der Auflösung der Wohnung verliert die betreute Person ihren Lebensmittelpunkt, die vertraute Umgebung und vielfach auch den Bekanntenkreis. Er soll daher insoweit vor übereilten Maßnahmen geschützt werden ( 1907 BGB). Zur Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum, den Betreute (oder Betreuerin bzw. Betreuer) gemietet haben, ist die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich. Gleiches gilt für andere Erklärungen, die auf die Aufhebung eines solchen Mietverhältnisses gerichtet sind (z. B. Aufhebungsvertrag zwischen der Betreuerin oder dem Betreuer und der Vermieterin oder dem Vermieter). Treten andere Umstände ein, aufgrund derer die Beendigung des Mietverhältnisses in Betracht kommt (z. B. Kündigung durch die Vermieterin oder den Vermieter), so hat die Betreuerin oder der Betreuer dies dem Betreuungsgericht unverzüglich mitzuteilen, wenn sein Aufgabenkreis das Mietverhältnis oder die Aufenthaltsbestimmung umfasst. Soll der Wohnraum der betreuten Person auf andere Weise als durch Kündigung oder Aufhebung eines Mietverhältnisses aufgeben (etwa durch Verkauf der Möbel, während eines Krankenhausaufenthalts), so ist dies ebenfalls unverzüglich dem Betreuungsgericht mitzuteilen. Soll Wohnraum der betreuten Person vermietet werden, ist hierfür eine gerichtlichen Genehmigung notwendig. Dies gilt etwa, wenn Betreuerin oder Betreuer während eines Krankenhausaufenthaltes der betreuten Person dessen Eigenheim weitervermieten wollen. 30

TÄTIGKEIT DEr BETREUERin oder des Betreuers IN VERMÖGENSRECHTLICHEN ANGELEGENHEITEN Allgemeine Pflichten Sind der Betreuerin oder dem Betreuer Angelegenheiten aus dem Bereich der Vermögenssorge übertragen, so hat er bei allen Handlungen zu beachten, dass das Vermögen nicht im eigenen, sondern allein im Interesse der betreuten Person verwaltet und dabei vor unberechtigten Vermögensabflüssen zu schützen ist. Es gilt insbesondere die Pflicht, Geld der betreuten Person nicht für sich zu verwenden. Er hat daher darauf zu achten, dass eigenes und das Geld der betreuten Person auf getrennten Konten verwaltet wird. Außerdem dürfen Betreuerinnen und Betreuer im Namen der betreuten Person nur Gelegenheitsgeschenke machen, wenn dies deren Wunsch entspricht und nach deren Lebensverhältnissen üblich ist. Im Übrigen sind Geschenke aus dem Vermögen der betreuten Person unzulässig, es sei denn, es handelt sich um ein Geschenk, das der Anstand gebietet. 31

Wichtig: Gleich zu Beginn sollte durch Betreuerin oder Betreuer die Heimleitung oder sonstige Helfer, falls möglich auch die Betreuten selbst, befragt werden, ob Konten vorhanden sind. Bei den Banken sollten sich Betreuerin oder Betreuer unter Vorlage seines Betreuerausweises vorstellen. Auch mit der Arbeitsstelle der betreuten Person sowie mit den in Betracht kommenden Sozialbehörden (Agentur für Arbeit, Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung, Wohngeldstelle, Sozialamt, Integrationsamt) sollte erforderlichenfalls Verbindung aufgenommen werden, desgleichen mit Gläubigern und Schuldnern. Anlegung eines Vermögensverzeichnisses Ist eine Angelegenheit aus dem Bereich der Vermögenssorge übertragen, so ist zunächst ein Verzeichnis des Vermögens der betreuten Person zu erstellen. Der Stichtag (beim Gericht erfragen) ist auf dem Verzeichnis anzugeben (Beispiel: Stand 14. März 2015). Auch das Aktenzeichen der Sache ist einzutragen. Wenn das Gericht für die Erstellung ein Formular ausgehändigt hat, so sollte dieses verwendet werden, wobei unzutreffende Spalten mit Negativzeichen zu versehen sind. Beim Ausfüllen des Verzeichnisses ist zu beachten: Auch solche Ansprüche gehören zum Betreutenvermögen, die vor der Betreuerbestellung entstanden sind. Darauf sollte geachtet werden, vor allem im Hinblick auf die Zeit ab einer akuten Verschlechterung des Krankheitsbildes. Grundstücke sind mit ihrer Grundbuchbezeichnung anzugeben. Sie müssen zum Zweck der Wertangabe nicht amtlich geschätzt werden. Der Betreuer oder die Betreuerin kann den seiner Auffassung nach zutreffenden Verkehrswert angeben. Zu verzeichnen sind Giro- und Sparkonten. Nachweise sind beim Gericht mit einzureichen. Im Fall von Wertpapierangaben ist der Depotauszug 32

zum Stichtag in Ablichtung beizufügen. Bei Angaben zu Hausrat und Gegenständen des persönlichen Gebrauchs ist nur dann eine Einzelaufstellung erforderlich, wenn die Gegenstände noch einen wirklichen Wert haben. Ist das nicht der Fall, genügt eine Gesamtwertangabe, bei allgemeiner Wertlosigkeit ein Hinweis darauf. Einkünfte können durch Kontoauszüge, Verdienst- oder Rentenbescheide nachgewiesen werden. Rechnungslegung Nach Einreichung des Vermögensverzeichnisses wird vom Gericht der Abrechnungszeitraum für die Betreuerin oder den Betreuer festgelegt. Für die Abrechnung sollte der vom Gericht übersandte Abrechnungsvordruck verwendet werden. Der Anfangsbestand der Abrechnung berechnet sich aus dem Bestand des Vermögensverzeichnisses. Zwischenzeitliche Einnahmen und Ausgaben sind in die dafür vorgesehenen Spalten einzutragen, wobei wiederkehrende Beträge zusammengefasst werden können. Belege sind beizufügen; sie werden vom Gericht zurückgesandt. Für Sparbücher und Depotauszüge reichen Ablichtungen, die sich auf den Abrechnungszeitraum erstrecken, aus. Vor Einreichung ist die Abrechnung auf ihre rechnerische Richtigkeit zu überprüfen. Die Belege sind entsprechend den laufenden Nummern des Abrechnungsvordrucks zu kennzeichnen. Um Rückfragen zu vermeiden, sollten notwendige Hinweise schriftlich beigefügt werden. Falls Probleme mit der Rechnungslegung entstehen, kann Rat bei der Betreuungsbehörde oder beim Betreuungsgericht eingeholt werden. Wichtig: Der Abrechnung ist ein Bericht über die persönlichen Verhältnisse der betreuten Person beizufügen: Wo ist ihr Aufenthalt? Wie häufig sind die Kontakte zu ihr? Wie ist ihr Gesundheitszustand? Wird die Betreuung weiter 33

für nötig gehalten? Sollte der Wirkungskreis der Betreuung erweitert oder eingeschränkt werden? usw. Falls die Betreuung durch Vater, Mutter, Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmlinge der Betreuten erfolgt, besteht eine Pflicht zur laufenden Rechnungslegung nur dann, wenn das Gericht dies ausdrücklich angeordnet hat. Von der Rechnungslegung befreite Betreuerinnen und Betreuer müssen aber mindestens alle zwei Jahre eine Bestandsaufstellung des Vermögens beim Gericht einreichen. Im Übrigen sollte beachtet werden, dass die betreute Person selbst sowie im Falle ihres Todes deren Erben ein Recht auf Auskunft haben (Schlussrechnungslegung), weshalb es sich empfiehlt, über die Verwaltungsvorgänge Buch zu führen und Belege und Kontoauszüge aufzuheben. Geldanlage und Geldgeschäfte Das Betreutenvermögen ist wirtschaftlich zu verwalten. Geld, das nicht zur Bestreitung laufender Ausgaben benötigt wird, ist verzinslich und mündelsicher anzulegen. Mündelsicher sind alle Banken mit ausreichender Sicherungseinrichtung (dazu zählen alle Großbanken, Volksbanken und Raiffeisenkassen) und Kommunalbanken (Stadt- und Kreissparkassen). Das Geld soll mit der Bestimmung angelegt werden, dass es nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts abgehoben werden kann (sog. Sperrabrede). Auch die Geldanlage selbst muss vom Gericht genehmigt werden. Als Anlageform kommen auch Wertpapiere in Betracht, wenn diese mündelsicher sind (z. B. Bundes- oder Kommunalobligationen, Bundesschatzbriefe, Pfandbriefe deutscher Hypothekenbanken oder Sparbriefe von Banken). Der Anlagewunsch sollte dem Gericht vorher mitgeteilt werden. Dabei ist auch zu klären, ob und in welcher Weise eine Hinterlegung oder Verwahrung der Wertpapiere und gegebenenfalls die erwähnte Sperrabrede erforderlich sind. Geld kann von der Betreuerin oder dem Betreuer auch in Sachwerten angelegt werden, etwa in Gold. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ist hier aber besonders zu beachten. Kostbarkeiten sollten bei Banken deponiert werden; das Gericht 34

kann im Einzelfall die Hinterlegung anordnen. In jedem Fall ist eine Rücksprache mit dem Betreuungsgericht empfehlenswert. Anlagegenehmigungen sind nicht notwendig, wenn die Betreuung durch Vater, Mutter, Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmlinge der betreuten Person erfolgt, soweit das Betreuungsgericht nichts anderes anordnet. Abhebungen von gesperrten Konten müssen vorher genehmigt werden. Dies gilt auch für fälliges Festgeld oder fälliges Wertpapiergeld (falls Betreuerin oder Betreuer nicht Vater, Mutter, Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling der betreuten Person ist), weshalb das Betreuungsgericht benachrichtigt werden sollte, sobald die Geldfälligkeit von der Bank angekündigt wird. Für eine Abhebung oder Überweisung von einem (nicht gesperrten) Giro- oder Kontokorrentkonto ist dagegen keine gerichtliche Genehmigung mehr erforderlich; seit 1. September 2009 kann über das Guthaben auf einem solchen Konto genehmigungsfrei verfügt werden. Übersteigt das Guthaben auf dem Giro- oder Kontokorrentkonto den für die laufenden Ausgaben benötigten Geldbetrag, hat die Betreuerin oder der Betreuer den Überschuss aber ebenfalls verzinslich und mündelsicher anzulegen. Handlungen, die der Genehmigung durch das Betreuungsgericht bedürfen Grundstücksgeschäfte Hier bestehen umfangreiche Genehmigungserfordernisse, nicht nur beim Kauf und Verkauf eines Grundstücks der betreuten Person, sondern ebenso z. B. bei der Bestellung von Grundschulden und Hypotheken. Zur Genehmigungspflicht bei der Kündigung oder Aufgabe von Wohnraum des Betreuten siehe im Abschnitt über die Wohnungsauflösung. Weitere genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte sind z. B. Erbauseinandersetzungen Erbausschlagungen Kreditaufnahmen (dazu gehört auch die Überziehung eines Girokontos) 35