Predigt zu Ex 3,1 15 von Pfarrerin Annette Mehlhorn

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Transkript:

Letzter Sonntag nach Epiphanias Gottesdienst am 5.2. in der All Saints Kirche Angerufen Leitvers: Über dir geht auf der HERR und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (Jesaja 60, 2), Fokus: Mit diesem Sonntag endet der Weihnachtsfestkreis. Zum letzten Mal singen wir Epiphaniaslieder. Jesus Christus, das Licht der Welt wird besonders in unseren Blick gerückt. Sein Licht soll auch weiter unseren Alltag durchstrahlen. Wir rufen uns in Erinnerung, was uns jeden Tag mit Jesus Christus verbindet: Unsere Taufe. Sie eint uns als Christenheit. Sogar dort, wo anderes uns zwischen den christlichen Konfessionen trennt. Erste Lesung: 2Korinther 4,6-10 Evangelium: Matthäus 17,1-9 Predigt zu Ex 3,1 15 von Pfarrerin Annette Mehlhorn Wurzeln und Flügel Heute hier morgen dort. Bin kaum da, muss ich fort. viele unserer Zeitgenossen scheinen nach diesem Prinzip zu leben mal gezwungenermaßen, mal aus freien Stücken. Wo können wir aber wurzeln, wenn wir ständig unterwegs sind? Was gibt uns Kraft, immer neu aufzubrechen? Und woher kommt Trost, wenn die Stürme des Lebens uns beuteln? Vor kurzem haben wir uns auf Bali zur Regionalkonferenz der deutschsprachigen evangelischen Seelsorger in Asien versammelt. Mobilität war diesmal unser Thema. Wie so oft wurde klar: Die Bibel ist DAS Buch für Expats. Viele der wichtigsten Texte der Bibel handeln vom Aufbrechen und Unterwegssein. Zugleich ist gerade dieses 3000 Jahre alte Buch, das in alle Sprachen der Welt übersetzte ist auch ein Zeugnis großer Kontinuität. Sich der Traditionen vergewissern in die Freiheit und Ungewissheit aufbrechen: Zwischen diesen beiden Tendenzen pendeln sehr viele biblische Texte hin und her. Wurzel ziehen und Flügel ausbreiten - Darin liegt sozusagen die Balanceübung, zu der uns die Bibel einlädt. Auch der Predigttext für den heutigen Sonntag. Er führt uns zu einem Beduinenstamm am Rande der arabischen Wüste. Ein Flüchtling aus Ägypten hat hier eine Einheimische geheiratet. Ihr Vater ist Priester der ansässigen Religion. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass dieser Flüchtling (obwohl er eigentlich andere religiöse Wurzeln hat) den ortsüblichen religiösen Praktiken, Festen und Bräuchen folgt. Wie so viele, die in die Fremde gehen. Man versucht eben, sich anzupassen, damit man irgendwie dazugehört. In Ägypten war er allerdings auch ein Zugewanderter. Dort wird sein Volk vom Pharao als rechtlose Fremdarbeiter ausgebeutet und misshandelt. Weil ihm das nicht passte, musste dieser Mose fliehen. Nun lebt er also sein doppeltes Expatriat-Dasein unter Nomaden in der Wüste. Exodus (2. Mose) 3,1 15 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. 2 Und der Engel des Herrn erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.

3 Da sprach er: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. 4 Als aber der Herr sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. 5 Er sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! 6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. 7 Und der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. 8 Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. 9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Drangsal gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, 10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst. 11 Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? 12 Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott dienen auf diesem Berge. 13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? 14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen:»ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt. 15 Und Gott sprach weiter zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der Herr, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name auf ewig, mit dem man mich anrufen soll von Geschlecht zu Geschlecht. Resonanzraum In der Einsamkeit der Wüste findet der Expatriat Mose zu seinen religiösen Wurzeln zurück. Ist es die Stille und Abgeschiedenheit der Wüste, die ihn neu für diese Begegnung öffnen? Segen braucht Zeit erklärt der Seelsorge-Berater bei der Regionalkonferenz die meisten Menschen haben heute keine Zeit mehr am Stück. Darum machen sie nur noch Instant-Erfahrungen. Ihnen fehlt die Weite, die sie brauchen, um in die Tiefe zu gehen. Mose jedenfalls findet in der Abgeschiedenheit der Wüste einen Ort, an dem sich seine Seelen- Räume neu weiten und öffnen. Er wird zum neugierig Schauenden und zum neu Hörenden. Er sieht, wie etwas brennt, ohne zu verbrennen. Und er hört, wie Gott ihn ruft. Zwei Mal ruft Gott ihn beim Namen Mose! Mose! Hier bin ich. Was für eine Begegnung! Kein Wunder, dass Mose erschrickt. Auch ich erschaudere, wenn ich mir vorstelle, wie er nun seine Schuhe auszieht. Wie er barfuß in den Raum des Heiligen eintritt. Wie er hört: Ich bin der Gott deiner Vorfahren.

Mose, der wurzellose Flüchtling und Expatriat, heute hier, morgen dort, verhüllt in tiefer Ehrfurcht sein Gesicht. Ruf zur Freiheit Was nun folgt ist eine Ode an die Freiheit und eine große Verheißung: Aufbruch in ein Land, in dem Milch und Honig fließt soll es geben. Gott ruft Mose, damit er das Volk dorthin führt. Ruf und Berufung. Das Wort steckt noch in unserem alltäglichen Begriff Beruf. Auch bei der Wahl eines Berufes ist es ja in der Tat wichtig, gut zuhören und wahrzunehmen: Was passt zu mir? Welche Begabungen sollte ich entfalten? Gibt es besondere Bedingungen, die nach mir und diesen Begabungen rufen? Trotzdem ist der Ruf, den Mose hier hört etwas anderes, als solch eine Berufswahl. Der Ruf, den Mose hört, gilt einem Auftrag, der seine Kräfte und Begabungen übersteigt. Genauso, wie viele Berufene vor und nach ihm wehrt er diesen Auftrag erst mal ab: Wer bin denn ich? Das kann ich nicht. Und ähnlich, wie viele Berufene vor und nach ihm bekommt er zu hören: Du brauchst das nicht aus eigener Kraft zu tun. Ich bin bei dir. Nun kommen die Zweifel und Einwände. Wie soll ich wissen, dass das stimmt? Ist, was ich höre, vielleicht nur frommer Wahn? Woher kommt Gewissheit? Ich brauche etwas, woran ich mich festhalten kann, einen Anker. Im alten Orient gaben Namen solche Gewissheit: Wer etwas benennt, begreift es auch, macht es umgänglich. Also fragt Mose Gott nach seinem Namen. Was nun kommt gehört zum Schönsten und Berührendsten, was das erste Testament zu bieten hat. In ihm liegt zugleich ein Grundmoment der Verbindung zwischen jüdischem und christlichem Glauben. Ich werde sein, der ich sein werde hy<+h.a,( rv<åa] hy<ßh.a, (ehije asher ehije) antwortet Gott auf die Frage des Mose. Dieser Name ist also eigentlich kein Name, wie etwa Vishnu oder Guanying. Nichts, was man festhalten und dingfest machen kann. Ehije asher Ehije bezeichnet Leben in Bewegung und Veränderung pur. Weil das so ist, darf der Name Gottes im Judentum nicht ausgesprochen und nicht berührt werden. Diesen Namen gibt es nämlich durchaus, er setzt sich aus Buchstaben zusammen, die in Ehije asher Ehije enthalten sind. Luther übersetzt den Gottesnamen mit dem groß geschriebenen HERR das entspricht dem jüdischen Brauch, Adonaij zu sagen, wo der Gottesname steht. Es gibt aber noch viele andere Möglichkeiten, dort, wo in der Bibel der Name Gottes steht, etwas zu beschreiben ohne den Namen selbst auszusprechen. Name aller Namen zum Beispiel, Lebenskraft oder einfach Ich bin da. Wichtig ist allein: Der Gott, dem Mose hier begegnet, will und kann nicht festgeschrieben werden. Kein Bild, keine Form, kein Begriff, kein Ritus oder theologisches Konzept kann ihn fassen. Die größte Kraft dieses Ich werde sein der ich sein werde liegt in seiner oder, um die Idee konsequent weiterzuverfolgen in ihrer Wandelbarkeit. Sie erweist sich in der Geschichte des Volkes Israel als die ewige und lebensspendende Kraft, die mit den Menschen mitgeht. Manchmal geht sie vor dem Volk her, wie in der Wolken- oder Feuersäule in der Wüste. Andere Male spendet sie Lebenskräfte, zum Beispiel als die Israeliten Angst haben zu verhungern und zu verdursten. Oder einer begegnet ihr im leisen Säuseln des Windes, wie der Prophet Elia. Darin liegt die Kraft zur Freiheit der biblischen Expatriats: Sie wissen, wo sie herkommen. Sie schließen an die Tradition und Gottesbegegnungen ihrer Vorfahren an. Zugleich erleben sie einen Gott, der mit ihnen unterwegs ist. Der sich in jeweils anderer und neuer Weise zeigt.

Ich bin der Gott, der dich aus der Sklaverei geführt hat wird dann später eine der Umschreibungen sein, die Gott für sich selber wählt. Ich löse alle Fesseln, damit du frei wirst. Wurzeln ziehen und Flügel ausbreiten darin liegt die Balance. Berufene Gottes werden Mehr als 3000 Jahre alt sind die ersten schriftlichen Zeugnisse, die Menschen von ihrer Begegnung mit Ich werde sein der ich sein werde hinterlassen haben. Seit damals hat es immer wieder neue Erfahrungen und Begegnungen mit diesem mitgehenden, lebensspendenden Gott gegeben. Eine der Wichtigsten und Grundlegendsten war die, die die ersten christlichen Gemeinden dazu veranlasste, sich aus dem jüdischen Zusammenhang zu lösen. Sie waren Gott neu begegnet. Als Mensch. Zum Anfassen. Weiterhin mitgehend, nun aber mit einem Körper aus Fleisch und Blut, der lachen und weinen, leiden und sterben kann. In dem Gott sich dennoch derselbe Gott zeigt und als stärker erweist, als der Tod. Der weitere Aufbrüche in Bewegung setzt. Die Kräfte des Wandels und der Bewegung, symbolisiert in Wind und Feuer ( Heiliger Geist ) werden mit ihm noch mehr in Schwung gebracht. Zum Beispiel, wenn Menschen aufbrechen, nur um den neuen Glauben weiter zu verbreiten, wie Prisca und Aquilla aus der frühen christlichen Gemeinde. Die Verbindung zu Israel und den Vorfahren bleibt davon erzählt die Evangeliumslesung des Sonntags: Dort, wo die neue Existenz Gottes in Jesus Christus auftaucht, wird der Bogen zu denen geschlagen, die vorher waren: Moses und Elia. Darum hören wir bis heute auf diesen alten Text aus dem Ersten Testament von der Berufung des Mose. Wir lesen ihn heute auch mit unserer christlichen Brille. Uns begegnet Ich werde sein, der ich sein werde im Mitgehen Gottes in Jesus Christus und im Feuer des Heiligen Geistes, das ebenfalls brennt, ohne zu verzehren. Im weiteren Verlauf der christlichen Geschichte gibt es immer wieder Menschen, die sich als Angerufene und Berufene erleben, wie Mose. Die sich aufgefordert sehen, das Volk in eine neue Freiheit zu führen, weil der mitgehende Gott das so will. Viele Heilige gehörten dazu. Oft machen sie sich auf den Weg um für ihren Glauben einzustehen trotz vieler Gefahren, in die sie dadurch kommen. Heute, nach 500 Jahren kann man sicher sagen, dass Martin Luther ebenfalls solch ein Gerufener war, sonst wäre die Geschichte des christlichen Glaubens nicht nach seiner Berufung anders weitergeschrieben worden. Der Ruf zur Freiheit wurde zu seiner Zeit gebraucht und gehört. Auch von katholischen Vorkämpfern des Neuaufbruchs, wie Thomas Morus und Ignatius von Loyola. Inzwischen machen sich also außer katholischen auch evangelische Berufene auf den Weg, um Menschen in die Bewegung des mitgehenden Gottes hineinzunehmen. Dieses Kirchengebäude legt davon lebendiges Zeugnis ab. Wir können nun also fragen: Worin liegt unser Ruf als Expats deutscher Sprache in China? Als Mitglieder einer ökumenischen Gemeinde? Als Einzelne in der Taufe in die Gemeinschaft mit Jesus Christus gerufene: Conny, Burkhard, Jürgen, Sabine, Michael, Christian, Titus, Thomas und wie ihr sonst noch heißen mögt? Diese Frage kann ich nur für mich beantworten. Es ist gute evangelische Tradition, davon auszugehen, dass Gott jeden einzelnen beim Namen ruft und anspricht, wie in der Geschichte von Mose. Dass wir auch als Gemeinschaft und Gemeinde der Berufenen uns zusammenraufen müssen, um den jeweils eigen gehörten Ruf aufeinander abzustimmen, damit wir einen gemeinsamen Weg gehen können. Fertige Antworten habe ich also nicht. Aber ich kann etwas darüber sagen, was ich als Ruf aus der Geschichte von der Berufung von Mose mitnehme: Wach sein, lebendig bleiben, sich

achtsam öffnen für das, was mir heute begegnet dazu fordert diese Geschichte auf. Sei behutsam, sagt sie, respektiere, dass dort, wo jemandem etwas Heilig ist es um sehr Kostbares und Verletzliches geht. Nimm wahr, was geschieht. Sieh. Höre. Lass dich rufen und antworte. Warten, Sehen, Hören das ist die Haltung, die Mose am Dornbusch eingenommen hat. Diese Haltung tut Begegnung und Dialog gut. Sie stärkt, macht lebendig und hilft, Brücken zu bauen. All das brauchen wir besonders, wenn wir uns ökumenisch auf den Weg machen wollen. Gott kommt auf die Erde. Am Ende des Weihnachtsfestkreises vergegenwärtigen wir uns diesen bemerkenswerten Schritt des Ewigen ins Zeitliche. Er macht es zur Chefsache, die Welt zu gestalten und zu verändern. Ein Feuer soll brennen und leuchten, das ansteckt ohne zu verzehren. Es könnte sein, dass damit Abschiede und Aufbrüche verbunden sind. Wo Ich werde sein der ich sein werde dabei ist, brauchen wir keine Angst zu haben.