Interim Manager auf dem Vormarsch Experten für anspruchsvolle Herausforderungen Von Sibylle Kallwitz für faz.net Der Markt für Interim Management wächst. Ebenso die Reputation der Branche. Für viele Unternehmen ist der externe Manager Teil einer modernen Firmenphilosophie. Zugleich ziehen immer mehr Topmanager den flexiblen Jobeinsatz einer Festanstellung vor. Wirklich neu ist das Thema Interim Management nicht hierzulande gibt es die Manager auf Zeit seit Ende der 70er- Jahre. Dennoch handelt es sich um eine 'junge Branche', meint Rainer Nagel, Managing Partner beim Interim Provider Atreus: Jung, weil sie sich in den vergangenen sechs, sieben Jahren substantiell verändert hat und 'erwachsener' geworden ist. Infolge der deutlichen Professionalisierung der Anbieter und des ständigen Kommunizierens der Vorteile und Erfolge sei die Akzeptanz bei den Kunden gestiegen, so Nagel. Parallel dazu hat das Berufsbild auch für künftige Spitzenkräfte an Attraktivität gewonnen. Hierzu Sebastian Theobald, Relationship Manager beim Provider HANSE Interim: Auf den Kandidatenmarkt drängen verstärkt junge Menschen, die statt der Risiken die Chancen und Freiräume in der Selbstständigkeit sehen. Die aktuelle Umfrage der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management (DDIM) bestätigt den Aufwärtstrend: Die Branche erwartet einen Umsatzanstieg von 925 Millionen Euro in 2012 auf fast 1,2 Milliarden Euro in diesem Jahr. Im Jahr 2000 lag das Umsatzvolumen bei 80 Millionen Euro. Ende 2012 gab es bundesweit rund 5.500 professionelle Interim Manager bis Ende 2013 sollen es etwa 6.200 sein. Hinzu kommen 7.000 bis 8.000-1 -
Personen, die sich als Interim Manager bezeichnen, aber oftmals eher als Berater oder arbeitssuchend unterwegs sind. Vom Feuerwehrmann zum Optimierer Begleitet hat diese Entwicklung ein Imagewandel. Früher griffen Unternehmen überwiegend in Krisen, Sanierungs- und Restrukturierungsfällen auf die Feuerwehrleute der Wirtschaft zurück. Der Studie Interim Management in Deutschland 2012 der Ludwig Heuse GmbH zufolge sinkt der Bedarf an Krisenmanagern seit vier Jahren: Ging es 2009 in 32,6 Prozent der Einsatzfälle um besagte Situationen, waren es in 2012 noch 27,2 Prozent. Stattdessen würden Interim Manager immer häufiger ins Haus geholt, so Theobald, um die Optimierung gesunder Unternehmen voranzutreiben. Einen Anlass nennt Interim Manager Eckhart Hilgenstock: Bei meinen Mandaten geht es oft um Vakanzüberbrückung. Die Motivation einiger Unternehmen ist, das benötigte fachliche Know-how, das sie sich auf Dauer nicht leisten können, solange wie nötig einzukaufen. Die Einsatzdauer bewegt sich üblicherweise zwischen drei und 18 Monaten. Ob neue Geschäftsbereiche aufgebaut werden, ein Führungswechsel ansteht oder innovative Vertriebsstrukturen zu implementieren sind die Globalisierung und hohe Veränderungsgeschwindigkeit ziehen komplexe Projekte nach sich, die nicht immer von den internen Führungskräften abgedeckt werden können. Der entstehende Handlungsdruck fördert die Bereitschaft der Firmen, sich offen mit dem Interim Management als innovativem Werkzeug der Unternehmensführung auseinanderzusetzen, es zu nutzen und über die guten Erfahrungen zu berichten, erklärt Interim Manager Gerhard Röthlinger. Das führe dazu, dass das Bild vom Feuerwehrmann durch das vom Experten für anspruchsvolle Problemlösungen ersetzt worden sei. Zugleich etabliert sich die Erkenntnis, dass die Projektexperten für - 2 -
jedes Unternehmen und nahezu jede Tätigkeit in Betracht kommen: Nicht die Größe, allein der Bedarf entscheidet. Nach den Konzernen habe nun auch der Mittelstand das Interim Management entdeckt, sagt Röthlinger. Laut Heuse-Studie sind rund 30 Prozent der Auftragsgeber Firmen mit 1.000 oder mehr Mitarbeitern und 38 Prozent mit maximal 200. Zu den besonders wichtigen Einsatzgebieten zählt Nagel wettbewerbsintensive Branchen wie den Automotive-Sektor und die IT-Branche. Hier habe der Einsatz als CEO oder CFO einen weiteren Schub erfahren. Hinzu kämen neue Branchen, zum Beispiel aus den Bereichen Energie und Finanzdienstleistungen. Und auch beim Gang ins Ausland spielten Interim Manager, die das Zielland bestens kennen, eine wichtige Rolle. Mehrwert für die einen Mit erfahrenem Blick in einer Führungsposition der ersten oder zweiten Ebene spezifische Aufgaben zu lösen, die dem Unternehmen einen Mehrwert verschaffen, ist der zentrale Vorteil dieser Form von Zeitarbeit. Zu den weiteren zählt, dass die Helfer kurzfristig, oftmals innerhalb von zwei Wochen, bereitstehen; fixe Personalkosten teils variabel werden und die Frage der Anschlussverwendung entfällt. Außerdem gelangt ständig neues Know-how ins Unternehmen, das zur fachlichen Weiterentwicklung des Stammpersonals beiträgt, so Theobald. Zudem habe der externe Mitarbeiter einen objektiveren Blickwinkel auf die Unternehmensprozesse und könne auf Grund seiner Stellung unpolitischer agieren. und spannende Herausforderungen für die anderen Der gelernte Diplom-Betriebswirt Hilgenstock kam mit 50 Jahren durch Zufall auf den Geschmack. Nach diversen Festanstellungen in Führungspositionen bot ihm sein letzter Arbeitgeber 2009 an, ein Projekt freiberuflich zu übernehmen: Obwohl ich eine Selbstständigkeit nie geplant hatte, wurde mir schnell klar, dass dieses Berufsbild in dieser Lebensphase optimal für mich ist. - 3 -
Überzeugt haben ihn vor allem die spannenden Herausforderungen sowie die Möglichkeit, sein Leben frei zu gestalten und vor Ort mehr Einfluss zu nehmen: Als Externer habe ich mehr Hebel, um zum Erfolg beizutragen. Was ich sage hat mehr Gewicht und wird ernster genommen. Des Weiteren profitierten beide Seiten von dem gemeinsamen Lernprozess. Röthlinger hingegen entschied sich 2009 nach mehreren Postionen als angestellter Geschäftsführer gezielt für einen Wechsel. Selbst als hervorragender Festangestellter sind Sie spätestens nach zwei Jahren Bestandteil des Systems. Die einschläfernde Routine verhindert weiteren Erfolg. Also beschloss ich, als Selbständiger entsprechende Herausforderungen aktiv zu finden. Dank seiner Unabhängigkeit genießt er es, gemäß Auftrag des Mandanten frei von historischen oder politischen Aspekten zu agieren. Nur so kann ich den Blick für das Wesentliche schärfen und meine neutrale Expertise auch in schwierigen Situationen einbringen. Bei allen Vorteilen erfordert der Job eine hohe zeitliche und räumliche Flexibilität, betont Nagel: Da muss die Familie mitspielen. Zumal Interim Management immer Leadership sei: Sie müssen Verantwortung übernehmen, Stakeholder überzeugen und an den Erfolg glauben, sonst droht der Misserfolg. Als Nachteil empfunden würde auch, so Theobald, mitunter die Früchte der Arbeit nicht zu erleben: Der Interim Manager stellt zwar die Weichen, doch der nachhaltige Erfolg tritt meistens erst nach Verlassen des Unternehmens ein. Und dann gibt es noch den Aspekt Anschlussmandat. Die durchschnittliche Auslastung der Managernomaden betrug laut Arbeitskreis Interim Manager Provider (AIMP) 150 Tage im vergangenen Jahr. Das reicht für viele nicht aus, sagt Hilgenstock, der vom AIMP zum Interim Manager des Jahres 2012 ausgezeichnet worden ist. Um dem finanziellen Druck zu begegnen, bedürfe es einer professionellen Selbstvermarktung und eines stabilen - 4 -
Netzwerkes. Weniger Risiko, mehr Normalität Zentrale Erfolgsvoraussetzung, und somit ein Risiko für die Unternehmen, ist die Auswahl des richtigen Managers. Gerade wenn der Firma das fachliche Know-how im dem zu unterstützenden Bereich fehlt, so Theobald, hilft ein seriöser, auf den jeweiligen Bereich spezialisierter Provider, einen Kandidaten zu finden, der die Anforderungen zu 100 Prozent erfüllt. Um eine strukturierte Auswahl sicherzustellen, sind vorab diese Fragen zu klären, ergänzt Nagel: Warum brauchen wir jemanden? Was soll er konkret leisten? Welche Probleme könnten auftauchen? Und wie sieht die Zukunft des Interim Managements aus? Für Hilgenstock ist der Grad der Normalität im Umgang mit dem Instrument noch nicht erreicht. Hier sind die Verbände gefordert, noch gezielter über die Möglichkeiten und den Nutzen zu informieren. Die Notwendigkeit einer weiteren Professionalisierung sieht Röthlinger. Seine in 2012 unter 49 Interim Managern und Providern sowie 17 Unternehmen durchgeführte Umfrage führte unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Kundenorientierung und das Vertrauensverhältnis unter Interim Managern, Providern und Verbänden optimiert werden müsse. Zeichen: 8.355 Autor: Sibylle Kallwitz - 5 -