Pressekonferenz, 21. März 2011, Berlin Statement Dr. Hans-Peter Klös Geschäftsführer Institut der deutschen Wirtschaft Köln Es gilt das gesprochene Wort.
1. MINT-Qualifikationen sind das Rückgrat des Geschäftsmodells Deutschland. Das technische Know-How bildet das Fundament der Erfolge und die Kernkompetenz des Geschäftsmodells Deutschland. In den Hochtechnologiebranchen ist der MINT(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik)-Anteil an allen Akademikern sehr hoch. So haben 78 Prozent der Akademiker im Maschinen- und Fahrzeugbau einen MINT-Abschluss, in der Elektroindustrie sind es 75 Prozent, in der Forschung und bei der Datenverarbeitung sind rund 7 von 10 Akademikern MINT-Absolventen (Tabelle 1). In diesen 4 Branchen ist auch der Anteil der MINT-Akademiker an allen Erwerbstätigen sehr hoch, zudem ist er seit dem Jahr 2000 deutlich gestiegen. Seither hat sich die Zahl erwerbstätiger MINT-Kräfte pro Jahr durchschnittlich um 61.600 auf inzwischen rund 2,2 Millionen erhöht. Selbst bei Banken und in der Kreditwirtschaft ist der Anteil der MINT- Fachkräfte an allen Erwerbstätigen deutlich gestiegen. 2. MINT-Akademiker sind in vielen Berufen erwerbstätig. MINT-Qualifikationen sind nicht nur in den klassischen MINT-Berufen, sondern inzwischen auch in vielen anderen Berufen gefragt. So arbeiten knapp 5 Prozent der MINT-Absolventen als Lehrer und Hochschullehrer, rund 10 Prozent sind in wirtschaftswissenschaftlichen Berufen tätig - beispielsweise als Geschäftsführer und leitende Angestellte in Maschinenbauunternehmen oder sonstigen innovativen Branchen (Tabelle 2). Knapp 25 Prozent arbeitet in sonstigen Berufen, so etwa als Berater. 2
3. MINT-Hochqualifizierte werden gesucht. Die MINT-Lücke vergrößert sich rascher als jemals zuvor. Die Zahl offener Stellen erreicht trotz einer noch geringeren Auslastung der Wirtschaft als im letzten Boom fast wieder Rekordstände. Die weiter steigende Nachfrage hat den Arbeitsmarkt für MINT-Fachkräfte bereits nahezu leergefegt: Im Februar 2011 fehlten mehr als 117.000 MINT- Akademiker (Abbildung 1). Gegenüber dem Vormonat nahm die Lücke um 21.000 Personen zu das ist die höchste Zunahme binnen eines Monats seit dem Jahr 2000. Die Arbeitslosigkeit unter MINT- Hochqualifizierten ist im Gegenzug in den letzten Jahren deutlich gesunken und heute noch nicht einmal halb so hoch wie 2004. 4. MINT-Akademiker konnten ihre Lohnprämien deutlich steigen. Die Knappheit an MINT-Kräften hat sich auch für die Akademiker in MINT-Berufen ausgezahlt. Diese konnten ihre Lohnprämie gegenüber Gering- und Mittelqualifizierten seit dem Jahr 2000 deutlich steigern. So hat sich die Lohnprämie eines Akademikers in einem MINT-Beruf gegenüber einem Nicht-Akademiker von 55 Prozent im Jahr 2000 auf 66 Prozent im Jahr 2009 deutlich erhöht. Außerdem konnten Akademiker in MINT-Berufen ihre Lohnprämie gegenüber sonstigen Akademikern im gleichen Zeitraum von 15 auf 25 Prozent erhöhen. 5. Demografisch bedingt wird der Bedarf an MINT-Kräften in den kommenden Jahren weiter deutlich zunehmen. Die günstigen Trends für MINT-Fachkräfte dürften sich in der Zukunft fortsetzen, denn allein demografisch bedingt wird der Bedarf an MINT- 3
Akademikern in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Allein für den Ersatz der aus Altersgründen ausscheidenden MINT-Akademiker werden in den kommenden Jahren jährlich rund 52.000 MINT- Hochschulabsolventen benötigt. Zusätzlich dazu stieg in der letzten Dekade die Erwerbstätigkeit der MINT-Akademiker jährlich um knapp 62.000 Personen der sogenannte Expansionsbedarf. Der jährliche Gesamtbedarf liegt damit bereits heute deutlich höher als 100.000 und wird weiter steigen. Alles in allem ergibt sich somit ein Gesamtbedarf, der immer noch deutlich höher als die Zahl der aktuellen Hochschulabsolventen aus Deutschland ist. 6. Das Angebot an Hochschulabsolventen ist in den letzten Jahren aber bereits deutlich gestiegen. Die positiven Arbeitsmarktsignale tragen im Zusammenwirken mit vielen Initiativen aus Wirtschaft und Politik zu einer Trendwende im Studierverhalten bei. Die Zahl der MINT-Studienanfänger ist im Jahr 2010 um 6,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Das Angebot an Hochschulabsolventen hat sich deutlich erhöht: Die Zahl der MINT- Erstabsolventen der deutschen Hochschulen ist von rund 58.000 im Jahr 2000 auf rund 95.000 im Jahr 2009 gestiegen. Die Dynamik kommt dabei vor allem von einer gestiegenen Studierneigung insgesamt. Der Anteil eines Altersjahrgangs, der ein Studium ablegt, ist von rund 17 Prozent im Jahr 2000 auf rund 29 Prozent im Jahr 2009 gestiegen. Der Anteil der MINT-Kräfte an allen Absolventen hat im selben Zeitraum aber nur leicht zugenommen. Die MINT-Absolventenzahl ist also vor allem deshalb gestiegen, weil die Absolventenquote von Akademikern insgesamt gestiegen ist. 4
7. Zudem gibt es auch Fortschritte im Nachwuchsbereich. Deutschland schneidet bei den mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen der Schüler inzwischen signifikant besser ab als der OECD-Durchschnitt. Seit der ersten PISA-Erhebung im Jahr 2000 haben sich die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen der deutschen Schüler stetig verbessert (Abbildung 4). Besonders deutlich haben die naturwissenschaftlichen Kompetenzen zugelegt. 8. Bei Frauen gibt es noch unerschlossene Potenziale. Weniger Fortschritte gibt es beim Anteil der Frauen an den MINT- Akademikern. Frauen stellen deshalb ein Potenzial dar, welches im MINT-Segment in vielen Bereichen noch nicht erschöpft ist. Im Jahr 2009 erwarben rund 29.800 Frauen an deutschen Hochschulen einen Erstabschluss in einem MINT-Fach. Gegenüber dem Vorjahr entsprach dies einem Zuwachs von fast 9 Prozent, und auch zwischen 2000 und 2009 nahm der MINT-Frauenanteil kontinuierlich um insgesamt fast 5 Prozentpunkte zu. Dennoch ist der Anteil weiblicher MINT-Absolventen an allen MINT-Absolventen mit 31,4 Prozent im Jahr 2009 noch vergleichsweise gering (Abbildung 3). 5
Tabelle 1: MINT: Grundlage des Geschäftsmodells Deutschland Soviel Prozent der erwerbstätigen Akademiker und der Erwerbstätigen insgesamt haben im Jahr 2008 einen Hochschulabschluss in Mathematik/Informatik/ Naturwissenschaften/Technik in folgenden Branchen Anteil an Akademikern Forschung und Entwicklung 72,1 40,3 Datenverarbeitung und Datenbanken 68,7 30,3 Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten, und einrichtungen; Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik 75,2 15,4 Maschinen- und Fahrzeugbau 78,3 12,7 Energie- und Wasserversorgung 66,0 13,2 Sonstige wissensintensive Dienstleistungen 37,9 10,0 Chemie 60,9 9,3 Baugewerbe 81,4 5,8 Gesamt 32,5 5,7 Verkehr und Nachrichtenübermittlung 41,0 3,6 Kredit- und Versicherungsgewerbe 20,6 4,1 Metall 64,1 3,5 Übrige Branchen 13,7 3,8 Sonstiges verarbeitendes Gewerbe 32,0 2,5 Handel- und Gastgewerbe 32,5 2,2 Land- und Fortwirtschaft, Fischerei, Fischzucht, Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 29,5 1,8 Anteil an allen Erwerbstätigen Ursprungsdaten: FDZ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus, Erhebungsjahr 2008 6
Tabelle 2: Erwerbstätige MINT-Akademiker nach ausgeübten Berufen 2008, in Prozent Beruf Anteil Ingenieure 38,9 Physiker, Datenverarbeitungsfachleute, Mathematiker 12,9 Sonstige MINT-Berufe (z. B. Chemiker) 3,9 Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter 1,8 Lehrberufe außerhalb der Hochschule 2,7 Wirtschaftswissenschaftliche Berufe 9,9 Sozial-, geistes-, rechtswissenschaftliche Berufe 5,2 Sonstige Berufe 24,6 Quelle: FDZ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus, Erhebungsjahr 2008, eigene Berechnungen Abbildung 1: Fachkräftelücken im MINT-Segment Quellen: eigene Berechnung auf Basis von Bundesagentur für Arbeit, 2011; IW- Zukunftspanel, 2009 7
Abbildung 2: : MINT-Kompetenzen in Deutschland in PISA-Punkten Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Klieme et al., 2010; PISA-Konsortium Deutschland, 2003, 2006; Stanat et al., o. J. Abbildung 3: MINT-Frauenanteil in Deutschland in Prozent aller MINT-Erstabsolventen MIN: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften; T: Technik/Ingenieurwissenschaften Quelle: Eigene Berechnung auf Basis von Statistisches Bundesamt, 2006, 2007a, 2008, 2009a, 2011 8