Versuch 5 NC-Programmierung Fertigung eines Drehteils



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Praktikum Automatisierungstechnik SS 2012 Versuch 5 NC-Programmierung Fertigung eines Drehteils SS 2012 Seite 1

TEIL 1: NC-PROGRAMMIERUNG 1 Programmierung von NC-gesteuerten Fertigungseinrichtungen 1.1 Numerische Steuerungen Die Bearbeitung eines Werkstücks auf einer numerisch gesteuerten Werkzeugmaschine wird durch das Werkstückprogramm, auch NC-Programm genannt, beschrieben. Die NC-Programme können dabei über verschiedenste Datenträger (Diskette, CD usw.) eingelesen werden. NC- Steuerungen verfügen zudem meist über eine serielle V.24-Schnittstelle, mit deren Hilfe die Daten an die Steuerung übertragen werden können. Zudem ist in der Regel eine Handeingabe des NC-Programms möglich. Die Steuerung ist dazu mit Funktionstasten entsprechend komfortabel gestaltet. Überdies ist meist ein NC-Programmspeicher vorhanden, der es ermöglicht, bereits eingelesene NC-Programme über das Bedienfeld zu verändern bzw. zu korrigieren. Die eingegebenen Informationen des Werkstückprogramms und die zu verarbeitenden Korrekturen werden in der Steuerung dekodiert und getrennt nach geometrischen und technologischen Daten weiterverarbeitet. Geometrische Daten sind alle Angaben über die zu verfahrenden Werkzeugwege, aus denen die gewünschte Geometrie des Werkstücks entsteht. Technologische Informationen sind die Schaltfunktionen für z. B. Vorschubgeschwindigkeit, Spindeldrehzahl, Werkzeugwechsel, Kühlmittelschaltung usw. Die Programmierung der zu erzeugenden Kontur erfolgt durch die Angabe von Konturendpunktkoordinaten und der Art der Verbindungen zwischen jeweiligem Anfangs- und Endpunkt als Wegbedingung (z. B. Gerade, Kreisbogen, usw.). Je nach Verlauf der Bewegung sind Steuerungen unterschiedlicher Komplexität für deren Realisierung geeignet. Man unterscheidet diesbezüglich zwischen Punkt-, Strecken- und Bahnsteuerungen. 1.2 Aufbau eines NC-Programms 1.2.1 Allgemeines Bei der NC-Programmierung wird die Folge der einzelnen Steuerinformationen festgelegt, die für die Bearbeitung eines Werkstücks auf einer NC-Maschine erforderlich ist. Zur rationellen Programmierung werden heute unterschiedliche rechnerunterstützte Programmierverfahren angewandt, deren Einsatz von der Maschinenart, dem Schwierigkeitsgrad der Werkstückbearbeitung Seite 2

und von der Ausrüstung des Anwenderbetriebes abhängt. Das NC-Programm wird in einer definierten Form auf einem Datenträger gespeichert und in die Steuerung der betreffenden Maschine eingegeben. Das NC-Programm besteht aus einer Anzahl von Sätzen, die jeweils einem Bearbeitungsschritt entsprechen. Die Bearbeitungsanweisungen in einem Satz werden durch so genannte "Wörter", einer Kombination aus Kennbuchstaben bzw. Adresse und Ziffernfolge (mit oder ohne Vorzeichen) verschlüsselt. Die Bedeutung und die Anordnung dieser Wörter ist im Programmschlüssel der jeweiligen NC-Steuerung festgelegt, dem üblicherweise die DIN 66025 (entsprechend ISO 6983) zugrunde liegt. Im Folgenden sind die in der DIN 66025 festgelegten Adressbuchstaben, Zusatzfunktionen und Wegbedingungen tabellarisch aufgelistet. Alle nicht genannten Adressbuchstaben, Zusatzfunktionen und Wegbedingungen sind nicht belegt und frei verfügbar. Darüber hinaus besteht aber auch keine zwingende Bindung an die Norm. Abwandlungen von Steuerungs- und Maschinenherstellern sind verbreitet. N5 G97 V100 X20 T0505 M04 M08 M41 Ziffernfolge Adreßbuchstabe bis zu 3 M-Anweisungen Programmwort max. 1 G-Anweisung in einem Programmsatz Satznummer Bild 1: NC-Programmsatz am Beispiel der Traub TX-8D Steuerung Adressbuchstaben A Winkelmaß um X-Achse N Satznummer B Winkelmaß um Y-Achse O Offset (Achsparalleler Werkzeugversatz) möglichst nicht verwenden C Winkelmaß um Z-Achse P Dritte Eilgangbegrenzung D Winkelmaß um Zusatzachse oder Q Zweite Eilgangbegrenzung frei verfügbar E Winkelmaß um Zusatzachse oder R Erste Eilgangbegrenzung frei verfügbar F Vorschubgeschwindigkeit S Hauptspindeldrehzahl Seite 3

G Vorbereitende Wegbedingungen T Werkzeugnummer, evtl. mit Korrekturwert H Werkzeuglängenkorrektur U Zweite Achse parallel zur X- Achse I J K Hilfsparameter für Kreisinterpolation oder Gewindesteigung parallel zur X-Achse Hilfsparameter für Kreisinterpolation oder Gewindesteigung parallel zur Y-Achse Hilfsparameter für Kreisinterpolation oder Gewindesteigung parallel zur Z-Achse V Zweite Achse parallel zur Y- Achse W Zweite Achse parallel zur Z- Achse X Erste Hauptachse L frei verfügbar Y Zweite Hauptachse M Maschinenbefehle, Schaltfunktionen Z Dritte Hauptachse Zusatzfunktionen Zusatzfunktionen werden durch den Adressbuchstaben M und eine Nummer gekennzeichnet. Sie stellen in der Regel Befehle dar, um spezielle Funktionen ein- und auszuschalten. M 00 Programm HALT; Spindel, Kühlmittel und Vorschub AUS; erneuter Start über die Taste "Start" M 01 Wahlweiser Halt, wirkt wie M 00, wenn Schalter "Wahlweiser Halt" auf EIN steht M 13 M 14 Spindel EIN, Rechtslauf und Kühlmittel EIN Spindel EIN, Linkslauf und Kühlmittel EIN M 02 Programm ENDE M 19 Spindel STOP in bestimmter Werkzeuglage M 03 Spindel EIN, Rechtslauf M 30 wie M00, zusätzlich Lochstreifen zurückspulen M 04 Spindel EIN, Linkslauf M 31 Verriegelung aufheben M 05 Spindel STOP M 40 Getriebestufen-Umschaltung M 45 M 06 Werkzeugwechsel ausführen M 50 Kühlmittel 3 EIN M 07 Kühlmittel 2 EIN M 51 Kühlmittel 4 EIN M 08 Kühlmittel 1 EIN M 60 Werkstückwechsel M 09 Kühlmittel AUS M 68 Werkstück spannen M 10 Klemmung EIN M 69 Werkstück entspannen M 11 Klemmung AUS Seite 4

Wegbedingungen Wegbedingungen werden durch den Adressbuchstaben G und eine Nummer gekennzeichnet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Funktion immer einen Bezug zur Bewegung und der Beschreibung des aktiven Koordinatensystems als Grundlage der Bewegung hat. Ebenso wie die Zusatzfunktionen haben die Befehle der Wegbedingungen einen selbsthaltenden Charakter. Das heißt, dass die Funktionen nach einmaligem Aufruf so lange aktiv bleiben, bis sie deaktiviert oder von einem anderen Befehl ersetzt werden. G 00 Gerade im Eilgang G 54 Nullpunktverschiebung G 59 G 01 Gerade im Vorschub G 60 Einfahrtoleranz 1 G 02 G 03 Kreisinterpolation, im Uhrzeigersinn Kreisinterpolation, gegen den Uhrzeigersinn G 61 G 62 Einfahrtoleranz 2, auch Schleife fahren Schnelles Positionieren, nur Eilgang G 04 Verweilzeit G 63 Vorschub 100% setzen, z. B. Gewindebohren G 17 Ebenenauswahl XY G 64 Vorschub- und/oder Drehzahlwechsel G 18 Ebenenauswahl XZ G 70 Z-Achse in Ausgangsposition fahren G 19 Ebenenauswahl YZ G 73 Programmierter Vorschub - Achsvorschub G 33 G 34 G 35 G 40 G 41 G 42 G 46 G 53 Gewindeschneiden mit konstanter Steigung Gewindesteigung mit zunehmender Steigung Gewindeschneiden mit abnehmender Steigung Löschen aller abgerufenen Werkzeugkorrekturen Werkzeugradiuskorrektur, Versatz nach rechts Werkzeugradiuskorrektur, Versatz nach links Schneidenradiuskompensation EIN Löschen der abgerufenen Nullpunktverschiebung G 74 G 75 G 80 G 81- G 89 G 90 G 91 G 92 G 94 G 95 Referenzpunkt anfahren der 1. und 2. Achse Referenzpunkt anfahren der 3. und 4. Achse Löschen der abgerufenen Zyklen Festgelegte Bohrzyklen Bezugsmaßeingabe Relativmaßeingabe Programmierte Bezugspunktverschiebung Vorschub in mm pro Minute Vorschub in mm pro Umdrehung Seite 5

1.2.2 Koordinatensysteme und Bezugspunkte Die Festlegung von Koordinatensystemen und Bezugspunkten im Arbeitsraum der Werkzeugmaschine ist eine notwendige Voraussetzung für die Beschreibung der Bearbeitungsbewegungen. Anzahl und Art der Achsen sind dabei maschinenabhängig. Es wurden folgende allgemeingültige Festlegungen getroffen: Verwendet wird ein rechtshändiges, rechtwinkliges Koordinatensystem mit den Achsen X, Y und Z, das auf die Hauptführungsbahnen der Maschine ausgerichtet ist und sich auf das in der Maschine eingespannte Werkstück bezieht. Die Z-Achse liegt parallel zur Achse der Arbeitsspindel bzw. ist mit dieser identisch. Die positive Richtung der Z-Achse verläuft vom Werkstück zum Werkzeug bzw. bei Drehmaschinen von der Arbeitsspindel zum Werkstück. Die X-Achse ist die Hauptachse in der Positionierebene. Sie liegt grundsätzlich parallel zur Werkstückspannfläche und verläuft möglichst horizontal. Sind Koordinatenachsen parallel zur X-, Y- oder Z-Achse vorhanden, so werden diese mit U, V und W bezeichnet. Die Buchstaben A, B und C kennzeichnen Drehachsen, wie z. B. Drehtische, die den X-, Y- und Z-Koordinaten zugeordnet sind. Der positive Drehsinn ist nach der Rechtsschraubenregel festgelegt. Im Arbeitsraum der Maschine sind eine Reihe von Null- und Bezugspunkten angeordnet, die in den Bildern 2 und 3 am Beispiel der CNC-Drehmaschine TNS-60 der Fa. Traub dargestellt sind. Diese Maschine ist am IWF vorhanden und soll in diesem Versuch programmiert werden. R M W T M = Maschinennullpunkt W = Werkstücknullpunkt R = Referenzpunkt T = Werkzeugträgerbezugspunkt Bild 2: Nullpunkte und Bezugspunkte bei einer CNC-Drehmaschine Seite 6

Maschinennullpunkt und -koordinatensystem: Der Maschinennullpunkt ist ein Punkt auf der Spindelachse in Höhe der Anlagefläche des Spannmittels. Er ist der Nullpunkt des Maschinenkoordinatensystems, in dem die Lage aller anderen Bezugspunkte angegeben wird. Werkstücknullpunkt: Der Werkstücknullpunkt liegt ebenfalls auf der Spindelachse der Maschine. Er wird vom Programmierer bzw. Maschinenbediener durch die Angabe seines Abstandes zum Maschinennullpunkt definiert. Dieser Abstand berechnet sich aus Futter und Backenhöhe plus der Rohteillänge, minus dem rechten Aufmaß bei einem Werkstücknullpunkt auf der vorderen Werkstückkante (Regelfall), plus dem linken Aufmaß bei einem Werkstücknullpunkt auf der hinteren Werkstückkante. Je nach Werkstückform und Bearbeitungsstrategie können auch verschiedene Werkstücknullpunkte sinnvoll sein. Der Werkstücknullpunkt stellt ein Hilfsmittel zur Vereinfachung der Programmierung dar. Innerhalb eines NC-Programms erfolgt eine Nullpunktverschiebung. Diese entspricht einer Koordinatentransformation durch Verschieben des Maschinennullpunkts in den aktuellen Werkstücknullpunkt. Durch diese Maßnahme wird es möglich, die Werkstückabmessungen, gegeben durch Zeichnung oder CAD-Modell, direkt zur Beschreibung der Bearbeitung innerhalb des NC-Programms heranzuziehen. Abweichende Rohteilmaße können so z. B. durch Änderung der Nullpunktsverschiebung einfach korrigiert werden, ohne den Rest des Programms überarbeiten zu müssen. Unterschiedliche Befehle zur Nullpunktverschiebung gestatten die Angabe von Offsets innerhalb der Maschinenkonfiguration oder direkt im NC- Programm. Erstere sind ideal zur Einbeziehung von Spannvorrichtungen, welche sich selten ändern. Letztere erlauben eine schnelle Korrektur, z. B. bei ständig schwankenden Rohteilabmessungen. Werkzeugbezugspunkt: Der Werkzeugbezugspunkt bezeichnet einen definierten Punkt an der Werkzeugaufnahme des Revolvers. Die Maschinensteuerung kann die Lage des Werkzeugbezugspunktes jederzeit über das maschineneigene Messsystem feststellen. Für die Bearbeitung der Werkstückkontur ist jedoch die Lage der Werkzeugspitze entscheidend. Da der eigentliche Bezugspunkt immer fest mit der Werkzeugaufnahme verbunden ist, Werkzeuge aber ganz unterschiedliche Abmessungen haben können, sind für jedes Werkzeug die Werkzeugabmessungen X und Z in der Maschinensteuerung einzugeben. Hieraus berechnet die Steuerung die für die Konturbearbeitung richtigen Verfahrbewegungen des Revolvers. Mit Auswahl des Werkzeugs werden auch die entsprechenden Abmessungen des Werkzeugs aktiviert. In der Praxis verfügen Maschinen für jedes Werkzeug über zwei Speicher, deren Inhalte Seite 7

addiert werden. Der erste nimmt dabei die erwähnten Werkzeugabmessungen auf, der zweite kann einen Werkzeugverschleiß in Form von Korrekturdaten berücksichtigen. Referenzpunkt: Der Referenzpunkt bezeichnet eine durch Nockenschalter fest definierte Position des Kreuzschlittens (Die im Bild angegebenen Koordinaten sind nur beispielhaft und maschinenabhängig!). Da Maschinensteuerungen die Position der Schlitten oft inkrementell, d. h. durch ein Abzählen von Impulsen, erfassen, ist es nach jedem Ein- bzw. Aus- und Wiedereinschalten der Maschine bzw. der Steuerung erforderlich, einen fest definierten Punkt anzufahren. Diese Maßnahme ist in den meisten Fällen vom Bediener auszulösen. Die Steuerung kann erst nach dem Anfahren des Referenzpunktes mit dem Messsystem arbeiten und Positionswerte in das Maschinenkoordinatensystem übertragen. Maschinenkoordinatensystem X Aufmaß Werkstücklänge Aufmaß Spindel Fertigteil Z Maschinennullpunkt Rohteil Werkstücknullpunkt hinten 159-03-00 Futter- und Backenhöhe Rohteillänge nach: IFAO Bild 3: Maschinen- und Werkstücknullpunkt, Maschinenkoordinatensystem Das Bild 4 zeigt ein Beispiel für ein NC-Programm zum Einbringen zweier Bohrungen in eine Stahlplatte. Seite 8

MNP Werkzeug 15.742 R 0 15 23 Z Y X Spitzenwinkel: Seitenspanwinkel: Werkzeugaufnahme: Einstellmaß Z: 0 21 14 WNP Technologie-Stammdaten Werkzeugdatei IDENT-NR.: 15.742R Text: SPIRALBOHRER BOHRERTYP W ANSCHLIFF B MIT MITNEHMER 130 Grad 35 Grad MultiBore 2 112.0 mm 8,85 MM RECHTS NACH DIN 1412 2 1 8,9 Programm Nr. 768 N10 G54 T01 (Verschiebung des Werkstücknullpunktes) Aufruf von Werkzeug Nr. 1) D01 (Korrekturwert für Werkz.) (Anfahren einer Vorposition, Sicherheitsabstand 1mm): N20 G00 X23 Y14 Z13 (Koordinatenwert) F50 (Vorschub 50mm/min) S800 (Drehfreq. d. Spindel in 1/min) N30 G01 (Arbeitsvorschub) Z-2 (Bohren bis Z = -2 mm) N40 G01 Z13 (Rückzugsbewegung des Bohrers) N50 G00 X15 Y21 N60 G01 Z-2 159-08-00 N70 G01 Z13 N80 G53 (Abwahl der Werkstücknullpunkt-Verschiebung) M30 (Programmende mit Rücksetzen) nach: F. Wagner Bild 4: Beispielprogramm 1.3 Methoden der NC-Programmierung 1.3.1 Manuelle Programmierung nach DIN 66025 Es existieren derzeit vier grundsätzliche Methoden der NC-Programmerstellung (Bild 5). Bei der manuellen Programmierung (Bild 6) erstellt ein Programmierer ein Teileprogramm nach DIN 66025. Die Programmierung kann an der Maschine oder einem externen Programmierplatz erfolgen. Der Programmierer muss zunächst die Bauteilgeometrie aus der Fertigungszeichnung herauslesen und im Programmiersystem neu beschreiben. Dazu muss er sich das fertige dreidimensionale Bauteil vorstellen und die einzelnen zweidimensionalen Schnitte und Ansichten gedanklich einander zuordnen. Dieser Prozess stellt eine der Schwierigkeiten der manuellen Programmierung dar. Seite 9

Methoden Manuell Maschinell Grafisch interaktiv % N0001G91G00X0Y0Z0 S79 T01 M03.. N009 G01 X28214 Y19754.. N015 G00 N016 M30 PARTNO TEST.. L1 = LINE/0,0,10,0 L2 = LINE/10,0,10,10.. GOLFT/L1,PAST,L2.. FINI grafische Werkstattprogrammierung NC-Programmierung mit CAD/CAM 159-09-01 nach: Grabowski Bild 5: Methoden der NC-Programmerstellung Zeichnung Spannmittelkartei Maschinen- Kartei Ermittlung der Maschine und der Arbeitsfolge Arbeitsplan Zerspanungsrichtwerte Programmablaufplan Werkzeugkartei Stückliste Festlegung der Werkstückspannung und Werkzeugwege Detaillierung des Arbeitsablaufs Bestimmung der Schnittwerte Programmablaufskizze Programmieranleitung Verschlüsselung der Arbeitsgänge zu Programmsätzen Programmliste Erstellen und Prüfen des Informationsträgers 159-10-00 NC Programm (DIN 66025) Ablaufzeichnung Einrichteblatt Programmblatt Aufspannblatt Werkzeugplan Bild 6: Manuelle NC-Programmerstellung Seite 10

Bei sehr komplexen Bauteilen, die häufig eine Programmierzeit von insgesamt mehr als 40 Stunden haben, kann der Zeitanteil für das Eindenken in das Bauteil bis zu 20% der gesamten Programmierzeit betragen. Die zeilenweise Neudefinition der bearbeitungsrelevanten Geometrie ohne die Möglichkeit einer Überprüfung der errechneten Geometriewerte ist eine Hauptursache für fehlerhafte NC-Programme. Simulationsabläufe anhand der erstellten Programme erleichtern zwar die Fehlersuche und verhindern Komplikationen bei der Programmerprobung, können aber die Verursachung von Fehlern nicht verhindern. 1.3.2 Maschinelle (rechnergestützte) Programmierung Zur Erleichterung der Programmerstellung setzt sich mit dem Verfügbarwerden geeigneter Systeme in den letzten Jahren immer mehr die grafisch interaktive Programmierung durch. Die Definition des Roh- und Fertigteils erfolgt dabei im grafisch interaktiven Dialog oder durch Übernahme von Geometriedaten aus einem CAD-System. Ein wichtiger Schritt, nämlich die Übertragung der Teilegeometrie in die Bearbeitungsgeometrie, wird so vom System geleistet und entlastet den Bediener deutlich. Werkstattprogrammierung Der Begriff Werkstattprogrammierung umfasst alle Programmierverfahren, die in der Werkstatt durchgeführt werden. Darunter fallen CNC-interne aber auch CNC-externe Programmierverfahren in der Werkstatt. Die CNC-interne Programmierung erfolgt direkt an der Steuerung der CNC- Maschine in der Werkstatt. In Abhängigkeit von der CNC-Rechnerleistung besteht die Möglichkeit zur textuellen oder grafisch-interaktiven Programmeingabe. Die textuelle Programmeingabe ist mit der manuellen Programmierung vergleichbar. Das Steuerprogramm wird im Handeingabebetrieb über das Bedienfeld der Maschinensteuerung eingegeben. Moderne CNCs vereinfachen diese Programmierung bereits durch interaktive Bedienerführung und Eingabemasken. So können z.b. steuerungsspezifische Zyklen und Konturzüge aufgerufen werden. Die grafisch-interaktive Programmeingabe wird dabei als WOP (Werkstattorientierte Programmierung) bezeichnet. Nach H. B. Kief ist darunter "ein durchgängiges Konzept für die rechnergestützte, dialoggeführte und grafisch unterstützte Programmierung numerisch gesteuerter Werkzeugmaschinen zu verstehen [Kief, 1993]. Zur Ausstattung einer CNC-Steuerung mit WOP gehören u. a. eine interaktive Bedienerführung, ein Grafikbildschirm für die Eingabe-, Hilfs- und Simulationsgrafik sowie ein Bedienfeld mit Softkeys, die unterhalb des Bildschirms angeordnet sind und denen die Software verschiedene Funktionen zuweist. Der Programmiervorgang an einer CNC- Drehmaschine mit integrierter WOP sieht z. B. wie folgt aus: Seite 11

1. Erstellung der Roh- und Fertigteilkontur, der Geometrie des Werkstücks, mit Hilfe der Zeichnung und der Eingabegrafik, 2. Eingabe des Arbeitsablaufs, der Technologie mit Hilfe der Eingabe- und Hilfsgrafik, 3. Darstellung der Werkzeuge und Simulation des Bearbeitungsablaufs. Im Gegensatz zur DIN-Programmierung werden bei der WOP nicht die Werkzeugbewegungen, sondern die Roh- und Fertigteilkontur programmiert. Erst im Anschluss daran erfolgt die Festlegung der Technologie. Die Ziele der werkstattorientierten Programmierung werden in [Kief, 1993] folgendermaßen definiert: 1. gleiche Programmierung mit einheitlichen Dialogen für alle Fertigungstechnologien, 2. getrennte Programmierung der Geometrie und Technologie, 3. grafisch-dynamische Simulation des Bearbeitungsprozesses, 4. gleiches Vorgehen bei der Programmerstellung und -änderung, 5. gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Bildschirmmasken, 6. Programmierung während der Bearbeitung, 7. "fehlerfreie" Programme zur direkten Bearbeitung (kein Probelauf erforderlich), 8. Ein- und Ausgabemöglichkeit der Quellprogramme, Grafiken, Arbeitspläne etc., 9. Integration in ein CIM-Umfeld mit der Möglichkeit zur CAD-Datenübernahme. Als Vorteile der werkstattorientierten Programmierung werden von den Anwendern eine schnelle Reaktionsfähigkeit der Werkstatt, ein geringer Verwaltungsaufwand und eine Aufwertung des Arbeitsplatzes an der Maschine genannt. Zu den Schwachstellen der WOP gehört die derzeit sehr unterschiedliche Realisierung des Konzepts. Die mit einem WOP-System erstellten Steuerprogramme sind häufig auf anderen CNC-Maschinen nicht lauffähig. Neben der CNC-internen Programmierung existiert die Möglichkeit der Programmierung an einem externen CNC-Programmiergerät. Dieses maschinenspezifische, werkstattgeeignete Programmiergerät ist wie das CNC-Bedienfeld mit einer Symbol- und Funktionstastatur sowie grafischer Unterstützung ausgestattet und an den CNC-internen Rechner angeschlossen. Die Programmeingabe kann textuell oder grafisch-interaktiv erfolgen und hat den Vorteil, dass nicht stehend an der Maschine programmiert werden muss. Seite 12

CAD-interne Programmierung Die heutigen Funktionen der CAD-Systeme umfassen alle Vorgänge zur rechnergestützten Herstellung von Werkstückzeichnungen, Stücklisten, Arbeitsplänen und Steuerinformationen für NCbzw. CNC-Werkzeugmaschinen. Mit Hilfe eines CAD-internen NC-Moduls können aus geometrischen, rechnerinternen Modellen direkt Teileprogramme für die Fertigung erzeugt werden. Das Vorgehen ist identisch mit der maschinellen grafisch-interaktiven Programmierung. Der Vorteil der CAD-internen Programmierung liegt in der Reduzierung der unternehmensinternen Schnittstellen. Generierte Steuerprogramme können der Fertigung direkt zur Verfügung gestellt werden. Dabei sind aber die hohen Arbeitsplatzkosten des CAD-Systems und die meist vorhandenen Kommunikationsprobleme zwischen Konstruktion und Fertigung zu beachten. CAD-CAM-Kopplung Die CAD-CAM-Kopplung ist die informationstechnische, rechnergestützte Verbindung zwischen dem CAD- und CAM-System. Sie hat die Rationalisierung des Informationsflusses von der Produktentwicklung bis zum fertigen Produkt als Ziel und wird auch als "CAE" (Computer Aided Engineering) bezeichnet. Ein wichtiger Aspekt der CAD-CAM-Kopplung besteht in der datentechnischen Verbindung zwischen dem CAD- und dem NC-Programmiersystem. Aufgabe dieser Verbindung ist die Übertragung von Geometriedaten und deren Umsetzung in NC-Programme für die Fertigung. Der Datentransfer muss so realisiert werden, dass kein Verlust und keine Verfälschung der CAD-Daten auftritt. Sie gewährleistet den Informationsaustausch miteinander kommunizierender Systeme oder Systemkomponenten durch die Definition fester Regeln und Bedingungen für den Datentransfer. Für die Kopplung von CAD- und NC-Programmiersystemen fungieren Schnittstellen somit als Übersetzerprogramme, die den Datenaustausch ermöglichen. Zu den standardisierten Schnittstellen auf dem Gebiet gehören: DXF (Drawing Interchange Format) zur Übertragung technischer Zeichnungen, IGES (Initial Grafics Exchange Specification) zur Übertragung von technischen Zeichnungen und Drahtmodellen, SET (Standard d Echange et de Transfert) zur Übertragung geometrischer Daten, STEP (Standard for the Exchange of Product Model Data) zur Übertragung von geometrischen, technologischen und verwaltungstechnischen Daten, VDAFS (Verband der deutschen Automobilindustrie Flächenschnittstelle) zur Übertragung von beliebigen Freiformflächen. Seite 13

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine CAD-CAM-Kopplung zu realisieren, die im Bild 7 gezeigt werden. CAD- System mit NC- Modul CAD- System mit NC- Modul CAD- System CADsystem CAD- System CAD- System Quellprogramm genormte Schnittstelle individuelle Schnittstelle NC-Programmiersystem NC-Programmiersystem NC-Programmiersystem NC-Programmiersystem CLDATA (DIN 66125) Postprozessoren Steuerprogramm (DIN 66025) Bild 7: Möglichkeiten der CAD-NC-Kopplung Programmerstellung mittels Programmiersprache Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle noch die Möglichkeit erwähnt werden, ein NC- Programm mit Hilfe einer höheren Programmiersprache zu erstellen. Beispielhaft wäre an dieser Stelle EXAPT zu nennen, das eine Weiterentwicklung von APT darstellt: EXAPT - EXtended Subset of APT (erweiterte Untermenge der Programmiersprache APT), APT - Automatically Programmed Tool (selbsttätig programmiertes Werkzeug). Mit der Entwicklung von APT wurde 1955 in den USA begonnen, um Flugzeugteile mit komplizierten Formen rationell bearbeiten zu können. Das seit 1964 entwickelte Programmiersystem EXAPT ermöglicht im Gegensatz zu APT und den APT-ähnlichen Systemen umfangreiche technologische Ermittlungen. EXAPT ist ein modular aufgebautes Programmiersystem für alle NC- Bearbeitungen wie NC-Drehen, NC-Bohren, NC-Fräsen, NC-Nibbeln, NC-Brennschneiden und NC-Drahterodieren. BASIC-EXAPT, Grundbaustein des EXAPT-Systems, kann für alle NC- Programmieraufgaben eingesetzt werden. Seite 14

Das Prinzip der maschinellen Programmierung mittels EXAPT ist in Bild 8 dargestellt. Durch entsprechende Konverter-Programme (Postprozessoren) kann auch hieraus das spezifische NC- Programm für die jeweilige Steuerung generiert werden. Mit Einführung der grafisch interaktiven Programmierung haben Programmiersysteme wie EXAPT an Bedeutung verloren. Im Gegensatz dazu hat trotz immer leistungsfähigerer Systeme zur grafisch-interaktiven Programmierung die manuelle Erstellung von Programmen noch nicht überall ihre Bedeutung verloren. In Bereichen, in denen die Programmerstellung einen großen Kostenfaktor der Produktion darstellt, z. B. in der Einzelteilfertigung, kann manuell nicht mehr wirtschaftlich programmiert werden. In der Massenfertigung, in der ein Programm für größte Stückzahlen über lange Zeiträume genutzt wird, ist der Anteil der Programmerstellung von untergeordneter Bedeutung. Hier bietet sich die manuelle Programmierung gegebenenfalls sogar an, da das spezifische Know-how von Programmierern unter Umständen höher optimierte NC-Programme liefert, als es durch die schematischen Algorithmen eines Programmiersystems möglich wäre. Bild 8: Prinzip der maschinellen Programmierung Seite 15

1.4 Ausgewählte NC-Befehle Beispielhaft werden in der Folge einige NC-Befehle vorgestellt, deren Wegbedingungen auch im genormten Befehlsumfang enthalten sind. 1.4.1 Gerade im Eilgang G00 G00 N5 G97 X/U.. Z/W.. V100 I/A.. X20K.. T0505 F.. S.. M04 B.. M08 T.. M.. M41 für Abwahl SRK Koordinaten des Zielpunktes im Bezugs- oder Kettenmaß M-Anweisungen Werkzeugaufruf B-Anweisungen Drehzahl oder Schnittgeschwindigkeit Vorschub, nur R-Achse Startpunkt U+ Z Zielpunkt W U W- Startpunkt U- W+ X Durch die G00-Anweisung wird das Werkzeug (Schneidenspitze) im Eilgang, d. h. mit größtmöglicher Geschwindigkeit, an den programmierten Zielpunkt gefahren. Die Werkzeugbahn wird von der CNC-Steuerung durch Geradeninterpolation ermittelt, d. h. der Verfahrweg verläuft in gerader Linie (kürzeste Verbindung zwischen Start- und Zielpunkt). Dabei überwacht die Steuerung die maximal zulässige Eilganggeschwindigkeit für jede Achse. Die Höhe der Eilganggeschwindigkeit lässt sich in den Maschinendaten der CNC-Steuerung verändern. Durch Eingabe der Adressen X und Z wird der Zielpunkt der Schneidenspitze programmiert. Die Adresse T (Werkzeugaufruf) sollte während einer G00-Bewegung nicht zum Schwenken auf eine andere Werkzeugstation verwendet werden, sondern lediglich zum Umschalten auf eine eventuell vorhandene zweite Werkzeugspitze (z. B. bei einem Einstechwerkzeug). Die G00-Anweisung bewirkt automatisch Genauhalt (G9). Bei Seite 16

G0 Praktikum Automatisierungstechnik SS 2012 Programmierung von G00 bleibt der (eventuell vorher) unter F programmierte Vorschub erhalten und wird z. B. mit G1 wieder wirksam. Beispiel: Programmzeile: G0 X20 Z2 M8 (M8=Kühlmittelein) X+ 2 Schneidenspitze 20 Zielpunkt 1.4.2 Gerade im Vorschub G01 G01 N5 X/U.. G97 Z/W.. V100A.. X20 D/R.. T0505 F.. E.. M04 S.. B.. M08 T.. M41 M.. Vorschub Übergangsfase Übergangsradius Winkelangabe Koordinaten des Zielpunktes im Bezugs- oder Kettenmaß M-Anweisungen Werkzeugaufruf B-Anweisung Drehzahl oder Schnittgeschwindigkeit Vorschub Übergangselemente Seite 17

U Zielpunkt A Startpunkt X W Z Durch die G1-Anweisung wird das Werkzeug (Schneidenspitze) in Vorschubgeschwindigkeit an den programmierten Zielpunkt gefahren. Die Vorschubgeschwindigkeit wird mit F (FEED-RATE) programmiert bei rotierender Hauptspindel in [mm/u] (siehe G95), bei stillgesetzter Hauptspindel in [mm/min] (siehe G94). Die Vorschubgeschwindigkeit F ist modal (selbsthaltend), d. h. wenn sie einmal programmiert wurde, bleibt sie solange wirksam, bis ein neues F programmiert wird. Die Werkzeugbahn wird von der CNC-Steuerung durch Geradeninterpolation ermittelt, d. h. der Verfahrweg verläuft in gerader Linie. Es können achsparallele und konisch verlaufende Bewegungen ausgeführt werden (siehe Beispiele). Mit den Adressen X und Z wird der Zielpunkt der Schneidenspitze im Bezugsmaß programmiert. Die Programmierung des Zielpunktes im Kettenmaß geschieht mit den Adressen U und W. Beispiel: Programmzeile: G1 Z-15 F0.2 (Vorschub 0.2 mm/u) Zielpunkt X+ G1 Schneidenspitze 20 W Z+ 15 Achsparallele Bewegung Programm mit G0: G0 X20 Z2; G1 Z-15 F0.2; G1 X40 Z-25 Seite 18

Zielpunkt X+ 40 G1 20 W Z+ 15 25 Konische Bewegung 1.4.3 Kreisbogen G02/G03 G02/ X/U.. Z/W.. I.. K.. D/C.. H.. F.. E.. S.. B.. M.. G03 P.. Q.. N5 G97 V100R.. X20 T0505 M04 M08 M41 B-Anweisung Drehzahl oder Schnittgeschwindigkeit Vorschub Übergangselemente Vorschub Schnittpunktangabe Übergangsfase Übergangsradius M-Anweisungen Kreismittelpunktangabe (I/K = Kettenmaß, P/Q = Bezugsmaß, R = Radius) Koordinaten des Zielpunktes im Bezugs- oder Kettenmaß Seite 19

I+ R K I Startpunkt X K- K+ I- Z P+ Q X P Q- Q+ P- Z Seite 20

TEIL 2: FERTIGUNGSTECHNIK 2 Einführung in die Zerspanungstechnologie 2.1 Grundlagen zum Drehen Drehen ist ein spanabhebendes Verfahren mit rotatorischer Hauptbewegung (Schnittbewegung). Beim Drehen rotiert das Werkstück, während das Werkzeug die Vorschubbewegung ausführt. Nach DIN 8589 Teil 1 wird das Drehen nach den Ordnungsgesichtspunkten erzeugte Oberfläche, Werkzeugform und Kinematik des Zerspanvorgangs unterteilt. Die Orientierung des Schneidteils zum Werkstück hängt davon ab, ob die Vorschubrichtung parallel (Längsdrehen) oder senkrecht zur Werkzeugachse (Plandrehen) liegt (Bild 1). 343-75-00 Bild 1: Bewegungen und Schnittgrößen beim Drehen Die Verfahren Plan- und Längsdrehen unterscheiden sich hinsichtlich der Zerspankräfte durch die vertauschten Richtungsvektoren der Passivkraft F p und der Vorschubkraft F f. Die Schnittkraft F c liegt stets senkrecht auf der Werkzeugbezugsebene P r (Zeichnungsebene). Zerspankräfte werden sowohl durch das Werkzeug wie auch durch das Werkstück in der Aufspannung aufgenommen. Abhängig von der jeweiligen Anordnung existieren für das Werkstück unterschiedliche Spannprinzipien (Bild 2). Seite 21

Spannprinzipien für rotationssymmetrische Werkstücke 1 fliegend 1.1 2.1 2 zwischen Spitzen l l w ohne Querkraft Kraft von außen nach innen 1.2 Kraft von innen nach außen 1.3 2.2 Mitnahme über Drehherz zusätzliche Abstützung mit Lünette 2.3 2.4 F n Stirnmitnehmer l w ohne Querkraft mit Querkraft Axialkraft gegen Referenzfläche l Selbsttätiger Mitnehmer 344-28-00 Bild 2: Spannprinzipien beim Drehen Für das Plandrehen existieren zwei unterschiedliche Varianten. Dabei wird entweder die Schnittgeschwindigkeit v c oder die Werkstückdrehzahl n konstant gehalten. Beim Plandrehen mit konstanter Drehzahl fällt die Schnittgeschwindigkeit zur Rotationsachse hin ab. Bei der Variante mit konstanter Schnittgeschwindigkeit steigen Werkstückdrehzahl n und Vorschubgeschwindigkeit v f mit abnehmenden Radius bis zur Drehzahlgrenze an (Bild 3). Seite 22

r r n = konst. v = v c c, max konst. d a d i v (r) c n (r) v c, min v, n c n min v, n c 344-21-00 v c, max n max v (r) = n (r) f Bild 3: Verlauf von Schnittgeschwindigkeit und Drehzahl über Werkstückradius (Plandrehen) 2.2 Orthogonaler Zerspanprozess mit geometrisch bestimmten Werkzeug Bei einem orthogonalen Prozess spannen Schneide, Schnittgeschwindigkeit und Zustellung ein rechtwinkliges Koordinatensystem auf (Bild 4). Die Hauptschneide ist identisch mit dem Wirkprofil. Nebenschneiden existieren beim orthogonalen Zerspanprozess nicht. Schnittgeschwindigkeit v c (x- Achse) und Zustellung h D1 (y-achse) stehen senkrecht auf der Schneidkante (z-achse) Seite 23

positiver Spanwinkel > 0 y h D2 y b D2 Werkzeug h D1 Wirkprofil WP bildet sich ab = Schneidprofil SP Metall > 0 x b D1 z Werkstück Spanwinkel = 0 h D2 Spanfläche v c h D1 Freifläche negativer Spanwinkel < 0 h D1 stark positiver Spanwinkel >> 0 y Auffederung infolge Elastizität 343-18-00 Holz x nach Saljé Bild 4: Spanen im Orthogonalprozess Der Schneidkeil dringt mit der Schnittgeschwindigkeit v c in den Werkstückstoff ein. Während des Spanbildungsvorgangs wird der Werkstückstoff in der Trennebene zunächst elastisch und anschließend plastisch bis hin zum vollständigen Fließen verformt. Der so verformte Werkstückstoff gleitet über der Spanfläche des Schneidkeils ab und bildet sich dabei zu einem Span aus. Bei allen spanabhebenden Fertigungsverfahren mit geometrisch bestimmter Schneide werden die Prozesskenngrößen (Spanbildung, Zerspankraft, Schneidenverschleiß und Arbeitsergebnis) we- Seite 24

sentlich durch die Geometrie des Schneidkeils beeinflusst. Beim Orthogonalprozess beschreiben der Freiwinkel und der Keilwinkel die Lage des Werkstückes zur Schneide. Keil-, Frei- und Spanwinkel ergänzen sich stets zu einem rechten Winkel, wobei der Spanwinkel positiv oder negativ eingestellt werden kann. Die Größe des Spanwinkels beeinflusst die Stabilität des Schneidkeils. Stark positive Spanwinkel können infolge erhöhter Schneidkeilschwächung zum Bruch des Werkzeuges führen. Als Vorteile eines positiven Spanwinkels sind geringere Zerspankräfte und bessere Werkstückoberflächen zu nennen. Das Werkstück kann beim Eindringen des Schneidkeils je nach E-Modul und Abmessung ausweichen und zurückfedern. Der Span läuft bedingt durch Stauchen, Deformieren und Brechen (instationärer Vorgang) diskontinuierlich auf der Spanfläche. Für das folgende Beispiel (Bild 5) wird vereinfachend angenommen, dass der Zerspanvorgang kontinuierlich abläuft (stationärer Vorgang) und ein Orthogonalprozess vorliegt. v v c v f z z v f x v c z a=b p D1 h D1 = f r = 90 v f Werkzeug- Hauptschneide x nach Saljé 343-19-00 Bild 5: Beispiel zum angenäherten Orthogonalprozeß: Abdrehen eines Rohres v f n h n f D1 A f a h b v D p D1 D1 c Dn Seite 25

2.3 Der Zerspanvorgang Beim Zerspanungsvorgang lässt sich die Spanentstehungsstelle in fünf Bereiche (a - e) aufteilen (Bild 6). Der Strukturverlauf im Werkstück (Bereich a) geht durch einfaches Scheren entlang der Scherebene in den Strukturverlauf des Spans (Bereich b) über. Bei der Zerspanung spröder Werkstoffe führt bereits eine geringe Verformung in der Scherebene zur Werkstofftrennung. Bei zäheren Werkstoffen erfolgt die Trennung unmittelbar vor der Schneidkante im Bereich e. Die Zugbelastung der Werkstückfasern unter gleichzeitig senkrecht wirkendem Druck und den hohen Zerspanungstemperaturen führen zu starken Verformungen des Werkstoffes auf der Schnittfläche und entlang der Spanfläche. 343-11-00 nach: König Bild 6: Die Spanentstehungsstelle 2.3.1 Spanarten Die Spanart (Bild 7) wird bestimmt durch die Vorgänge in der Spanentstehungsstelle. Sie ist abhängig vom Werkstückstoff, den Schnittbedingungen, insbesondere von der Schnittgeschwindigkeit und der Spanungsdicke, der geometrischen Gestalt des Schneidkeils und der Lage des Schneidkeils relativ zum Werkstück. Man unterscheidet: Reißspan, Scherspan, Wellenspan, Fließspan und Kontinuusspan. Seite 26

Reißspäne entstehen bei der Zerspanung von spröden Werkstoffen mit ungleichmäßigem Gefüge. Die Späne werden nicht exakt abgetrennt, sondern aus der Werkstückoberfläche (Schnittfläche) gerissen. Die Werkstückoberfläche weist kleine Ausbrüche auf und ist entsprechend rau. Scherspäne entstehen bei der Zerspanung von spröden Werkstoffen oder bei Werkstoffen bei denen der Zerspanvorgang eine Versprödung im Gefüge hervorruft. Ihre Form erhalten sie durch Spanteile, die in der Scherebene aufgetrennt und wieder zusammengeschweißt werden. Wellenspäne entstehen bei der Zerspanung von Werkstoffen mit ungleichmäßigem Gefüge oder bei schwankenden Zerspanungsbedingungen (z.b. infolge von Schwingungen). Fließspäne entstehen bei der Zerspanung von Werkstoffen mit guten Verformungseigenschaften und homogenem Gefüge. 343-23-00 Reißspan Scherspan Wellenspan Fließspan Kontinuusspan Bild 7: Spanarten 2.3.2 Spanformen Neben den Spanarten unterscheidet man Spanformen (Bild 8). Die Spanformen beschreiben die Gestalt des Spanes und sind abhängig von des Schnittbedingungen und den Eigenschaften des Werkstückstoffs. Die Spanformen werden unterteilt in: Bröckelspäne, Wendelspäne, Spiralspäne, Bandspäne, Wirrspäne und Spanlocken. Seite 27

Verformungsgrad des Werkstückstoffes Bandspäne 343-22-00 zyl. Wendelspäne Wirrspäne Lange Späne Spanlocken ungünstige Spanformen Spiral- (-Wendel) Späne Bröckelspäne Scherfestigkeit des Werkstückstoffes Kurze (gebrochene) Späne günstige Spanformen Bild 8: Spanformen Für einen störungsfreien Zerspanvorgang, insbesondere bei Automaten und NC-Drehmaschinen und zum Schutz des Maschinenbedieners ist eine günstige Spanbildung von großer Bedeutung. Üblicherweise werden möglichst kurze Späne angestrebt. Bei Wendelspänen besteht darüber hinaus die Gefahr, dass der rücklaufende Span die Schnittfläche beschädigt. Um die Späne möglichst kurz zu halten, haben sich in der Praxis Spanformer, Spanbrecher oder Spanstufen durchgesetzt. Dabei wird der Span soweit gekrümmt, dass er infolge Versprödung bricht. Spanstufen können auf den Schneidkörper aufgeklemmt oder aufgelötet werden. Häufiger werden heute jedoch Wendeschneidplatten mit eingeformten oder auch eingeschliffenen Spanleitstufen verwendet (Bild 9). Seite 28

343-12-00 nach: Sandvik Bild 9: Wendeschneidplatten mit eingeformter Spanleitstufe Von den Werkzeugherstellern werden Spanpläne mitgeliefert, die für jeden Wendeschneidplattentyp unterschiedlich sein können (Bild 10). Mit Hilfe des Spanplanes können die Schnittwerte bereits in der Arbeitsvorbereitung so festgelegt werden, dass beim Bearbeitungsvorgang ein kontrollierter Spanbruch gewährleistet wird. Ein Spanplan zeigt den Zusammenhang zwischen der Schnittiefe a p und der Spanungsdicke h D in seiner Wirkung auf die entstehende Spanform. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass während des Prozesses die Werkzeugschneide verschleißt und sich dabei die Schnittbedingungen, also auch die Spanformen ändern. 1,0 mm 0,8 0,7 Bröckelspäne Spanungsdicke h D 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 Bandspäne Bereich günstiger Spanformen Wirrspäne lange zyl. Wendelspäne 0,1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 mm Spantiefe a p 342-95-00 10 11 Bild 10: Spanformenempfehlung für Werkzeuge mit eingeformter Spanleitstufe (schematisch) Seite 29

2.4 Dreidimensionaler Zerspanprozeß mit geometrisch bestimmtem Werkzeug 2.4.1 Bezugssysteme zur Festlegung der Werkzeuggeometrie Begriffe und Bezeichnungen an spanabhebenden Werkzeugen sind im Normblatt DIN 6581 festgelegt (Bild 12). Schaft Spanfläche Nebenschneide Freiflächenfase der Nebenschneide Nebenfreifläche Schneidenecke mit Eckenrundung Hauptfreifläche Hauptschneide Spanflächen der Hauptschneide Freiflächenfase der Hauptschneide Vorschubrichtung Werkzeug- Schneidenebene P S angenommene Schnittrichtung P o Werkzeug- Orthogonalebene betrachteter Schneidenpunkt 338-60-00 P r Werkzeug-Bezugsebene, senkrecht zur angenommenen Schnittrichtung und parallel zur Auflageebene Bild 11: Werkzeugbezugssystem am Drehmeißel nach DIN 6581 Der Schneidkeil ist derjenige Teil des Werkzeuges, an dem durch Relativbewegungen zwischen Werkzeug und Werkstück der Span entsteht. Die Durchdringungslinien der den Schneidkeil begrenzenden Flächen sind die Schneiden. Der Schneidteil ist der wirksame Teil des Werkzeuges, an dem sich die Schneidkeile mit den Schneiden befinden. Seite 30

Die Spanfläche ist die Fläche am Schneidkeil, auf der der Span abläuft. Die Freifläche ist die Fläche am Schneidkeil, die der entstehenden Werkstückoberfläche zugekehrt ist. Die Hauptschneide ist die Schneide, deren Schneidkeil bei Betrachtung in der Arbeitsebene in Vorschubrichtung weist. Die Arbeitsebene ist eine gedachte Ebene, die durch den Schnittrichtungsvektor und den Vektor der Vorschubrichtung aufgespannt wird. Die Schneidenecke ist diejenige Ecke des Schneidteils, an der eine Haupt- und eine Nebenschneide mit gemeinsamer Spanfläche zusammentreffen. Der Eckenradius wird mit r bezeichnet. Der Werkzeug-Neigungswinkel ist der Winkel zwischen der Hauptschneide und der Werkzeug-Bezugsebene P r, gemessen in der Werkzeug-Schneidenebene P s. liegt immer so, daß seine Spitze zur Schneidenecke hinweist und ist positiv, wenn die Schneidenecke gegenüber den anderen Schneidenpunkten in Schnittrichtung vorauseilt. Der Werkzeug-Einstellwinkel r ist der Winkel zwischen der Werkzeug-Schneidenebene P s und der Arbeitsebene P f, gemessen in der Werkzeug-Bezugsebene P r. r liegt immer so, daß seine Spitze zur Schneidenecke hinweist und ist stets positiv. Der Eckenwinkel r ist der Winkel zwischen zusammengehörigen Haupt- und Nebenschneiden, gemessen in der Werkzeug-Bezugsebene. 2.4.2 Zerspankraftkomponenten beim dreidimensionalen Zerspanprozeß F Zerspankraft F = F c + F f + F p auf den Schneidkeil wirkende Gesamtkraft F a Aktivkraft Projektion der Zerspankraft auf die Arbeitsebene P f F c Schnittkraft leistungsverzehrend F f Vorschubkraft leistungsverzehrend F p Passivkraft Passivkraft nimmt mit r zu (Gefahr von Ratterschwingungen) Seite 31

Werkstück Passivkraft Vorschubkraft F p Werkzeug Schnittkraft F f Aktivkraft Arbeitsebene P f F c F a Zerspankraft F 343-20-00 Bild 13: Zerspankraftkomponenten und Arbeitsebene P f beim Längsdrehen Die Zerspankraft (Bild 13) ist ein wichtiger Beurteilungsmaßstab für die Zerspanbarkeit von Werkstoffen. Im Allgemeinen steigen die Zerspankräfte bei der Bearbeitung von schwer zerspanbaren Werkstoffen. Neben den Werkstoffeigenschaften ist die Zerspankraft auch von weiteren Faktoren abhängig. Die Schnittbedingungen und die Schneidteilgeometrie sind hier als wesentliche Einflussgrößen zu nennen. 2.4.3 Schnittenergie, Schnittleistung, Zeitspanungsvolumen, spezifische Schnittkraft Für die Auslegung von Fertigungsprozessen oder die Dimensionierung von Werkzeugmaschinen wird die Wirkleistung P e herangezogen. Sie ergibt sich aus den Zerspankraftkomponenten und den in ihrer Richtung wirkenden Geschwindigkeitskomponenten: P e = F c v c + F f v f Da die Vorschubgeschwindigkeit in der Regel sehr viel kleiner ist als die Schnittgeschwindigkeit kann in den meisten Fällen die Vorschubkomponente vernachlässigt werden: P e P c = F c v c Die Schnittenergie E c ergibt sich zu: E c = P c t c mit t c = Schnittzeit Das Zeitspanungsvolumen Q W ist das in der Schnittzeit t c abgespante Werkstoffvolumen V W : Q W V t W c mm s 3 Für das Drehen ergibt sich: Seite 32

Q W = A D v c =a p f v c = b D h D v c V W = f a p v c t c = Q W t c = A D v c t c Die spezifische Schnittkraft k c ist die auf den Spanungsquerschnitt bezogene Schnittkraft: k c F A c D Fc a f p Fc b h D D Schnittenergie Spanvolumen Schnittleistung Zeitspanungsvolumen h D f sin r b D a p sin r z Werkstück x b D1 r re = 0 R t f² / 8r a p D A D v f f r Schneidteil h D1 342-91-00 Bild 14: Schnitt und Spanungsgrößen beim Drehen Die spezifische Schnittkraft k c1.1 ist der Hauptwert der spezifischen Schnittkraft k c. Sie gibt die Schnittkraft an, die zum Abspanen eines Spans der Spanungsbreite b D = 1 mm und der Spanungsdicke h D = 1 mm erforderlich ist. Der Exponent m ist der Steigungsfaktor der Geraden k c = f(h D ) im doppeltlogarithmischen Diagramm. Die Zusammenhänge zwischen diesen Größen wurden erstmalig durch O. Kienzle beschrieben: k k h D c c11. m Seite 33

damit ist: F k b h D c c11. D 1m Hauptwert und Steigungsfaktor der spezifischen Schnittkraft können nur mit Einschränkung als Werkstoffkenngrößen angesehen werden. Die Gleichung von Kienzle erfasst nicht den Einfluss der Geometrie des Schneidkeils, der Schnittgeschwindigkeit und der Nebenschneide auf die spezifische Schnittkraft. Aus Tabelle 1 wird deutlich, dass die spezifische Schnittkraft k c und der Hauptwert der spezifischen Schnittkraft k c1.1 abhängig von den Schnittbedingungen, jedoch unabhängig von der Festigkeit des Werkstoffes sind. Werkstoff B k c1.1 k c [N/mm²] für h D [mm] k c1.1 / B m [N/mm²] [N/mm²] 0,06 0,1 0,25 0,4 St 50.11 520 1990 4200 3610 2830 2500 3,7 0,26 Ck 45 670 2220 3240 3040 2660 2500 3,3 0,14 16MnCr5 770 2100 4350 3830 3020 2660 2,7 0,26 42CrMo4 730 2500 5000 4500 4000 3550 3,4 0,26 Tabelle 1: Vergleich einiger Werkstoffkennwerte; Schnittbedingungen v c = 2 m/s, = 6 2.4.4 Wärmebeanspruchung des Schneidteils Verformungs- und Reibungsvorgänge wandeln den größten Teil aufgewendeter mechanischer Energie ( Schnittenergie E c ) in Wärme um. Der größte Teil der Wärme wird vom Span abgeführt (Bild 15). Der Hauptteil der mechanischen Energie wird unmittelbar in der Scherzone umgesetzt. Die an den einzelnen Entstehungstellen anfallenden Wärmemengen werden durch Wärmeleitung, Strahlung und Konvektion an die Umgebung abgeführt. Als Folge bilden sich im Werkstück und im Werkzeug Temperaturfelder aus, die sich bei der Zerspanung orts- und zeitabhängig solange verändern bis sich ein Gleichgewicht einstellt (stationärer Zustand). Bei zähen Werkstückstoffen wird die höchste Temperatur in der Regel hinter der Schneidkante gemessen. Der Span reibt auf der Spanfläche (erhöhte Kolkverschleißneigung). Bei spröden Seite 34

Werkstückstoffen wird die höchste Temperatur in der Regel unmittelbar an der Schneidkante gemessen. Der Span bricht an der Schneidkante (erhöhte Freiflächenverschleißneigung). Werkstück 5 % 2 % 18 % 75 % 380 C 130 80 500 30 650 700 300 310 600 400 450 500 Span 339-47-00 nach Kronberg und Vieregge 600 Werkzeug Bild 15: Wärme- und Temperaturverteilung in Werkstück, Span und Werkzeug 2.5 Schneidstoffauswahl Schneidstoffe haben die Aufgabe, Werkstoffe zu trennen. Dabei treten sie unmittelbar mit dem Werkstoff in Kontakt, schließen den Kraftfluss zwischen Maschine und Werkstück und übertragen somit die Prozesskräfte. Trennvorgängen liegen in der Regel Verformungs-, Reibungs-, Bruch- und Rissfortpflanzungsvorgänge zugrunde. Die damit einhergehenden Begleiterscheinungen wie innere Spannungen, hohe Prozesstemperaturen und chemische Reaktionen bilden zusammen mit der verfahrensspezifischen Kinematik und den Eingriffsverhältnissen für jeden Anwendungsfall ein spezielles Belastungskollektiv und legen damit ein Anforderungsprofil für einen Schneidstoff fest. Neben den geforderten mechanisch-physikalischen und chemischen Eigenschaften sind die Anforderungen an die Schneidteilgeometrie, die durch Bearbeitungsqualität und Schnittkräfte gegeben sind, für die Schneidstoffauswahl von großer Bedeutung. Interessierende Eigenschaften von Schneidstoffen sind u.a.: Härte und Druckfestigkeit, Biegefestigkeit und Zähigkeit, Kantenfestigkeit, Bindefestigkeit (innere), Warmfestigkeit, Zunderbeständigkeit, Diffusions- und Klebeneigung gegenüber Werkstückstoff, Wärmeleitfähigkeit, Wärmedehnung, Elastizitätsmodul. Gebräuchliche Schneidstoffe für die spanende Bearbeitung sind: Werkzeugstähle, Schnellarbeitsstähle, Stellite bzw. Hartlegierungen, Hartmetalle, Cermets, Sinteroxide wie kubisches Bornitrid, natürliche und künstliche Diamanten, polykristalline Diamanten. Bild 16 zeigt die Einteilung der Schneidstoffe für die Zerspanung mit definierter Schneide. Seite 35

Bild 16: Einteilung der Schneidstoffe für die Zerspanung mit definierter Schneide Zwei wichtige Eigenschaften der Schneidstoffe, Verschleißfestigkeit (Warmhärte) und Zähigkeit, sind gegenläufig, d.h. es besteht eine umgekehrt proportionale Abhängigkeit dieser beiden Haupteigenschaften. Ein idealer Schneidstoff vereint jedoch höchste Warmfestigkeit mit höchster Zähigkeit und ist chemisch inert gegenüber dem zu bearbeitenden Werkstückstoff. Durch Verbundwerkstoffe versucht man seit einigen Jahren, sich dem idealen Schneidstoff zu nähern. Auf zähe Grundkörper werden verschleißfeste Schichten (z.b. Titankarbid TiC und Titannitrid TiN) aufgebracht. Dieses Prinzip wurde zunächst mit Erfolg bei Hartmetall angewendet. Durch eine stetige Weiterentwicklung der Beschichtungsverfahren lassen sich heute auch Schnellarbeitsstähle problemlos beschichten. Wie die beschichteten Schneidstoffe, gewinnen auch andere nichtmetallische Schneidstoffe wie Cermets, Keramik, polykristallines Bornitrid (PKB) und polykristalliner Diamant (PKD) zunehmend an Bedeutung. Keramische Schneidstoffe und Cermets zeichnen sich gegenüber metallischen Schneidstoffen insbesondere durch größere Warmhärte aus. Mit ihnen sind daher grundsätzlich höhere Schnittgeschwindigkeiten möglich (Bild 17). Aufgrund ihrer hohen Härte und Sprödigkeit ist für einen wirtschaftlichen Einsatz der bei Schlagund Stoßbeanspruchung zu Ausbrüchen neigenden nichtmetallischen Schneidstoffe, eine besondere Abstimmung auf die Bearbeitungsaufgabe erforderlich, insbesondere eine Anpassung der Schneidkeilgeometrie (große Keilwinkel, z. T. negative Spanwinkel). Seite 36

Bild 17: Schneidstoffspezifische Schnittgeschwindigkeitsbereiche Eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit mit nichtmetallischen hochharten Schneidstoffen wird in erster Linie durch Erhöhung der Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit erreicht. Hierdurch ergibt sich eine Verkürzung der Hauptzeiten. Unter Beibehaltung konventioneller Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeiten kann durch die höhere Standzeit dieser Schneidstoffe eine wesentliche Einsparung an Nebenzeiten erzielt werden. Neben dieser theoretischen Betrachtung spielen bei der Schneidstoffauswahl in der Praxis noch andere Faktoren eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich ist bei der Auswahl eines Schneidstoffes eine entsprechende Prozeßsicherheit zu gewährleisten, mit der sich reproduzierbare Arbeitsergebnisse erreichen lassen. Dies gilt um so mehr, wenn die Fertigung automatisiert erfolgt. Als Grundregel gilt, abrasiver Verschleiß ist risikoärmer als Ausbrüche oder Schneidenbruch, da diese stochastisch auftreten. Die Bruchsicherheit ist daher im Gesamtgefüge der Anforderungen einer hochautomatisierten Fertigung an Schneidstoffe und Werkzeuge die wichtigste Eigenschaft. DIN/ISO 513 nimmt eine grobe Zuordnung von Anwendungsgebieten zu den einzelnen Schneidstoffen vor und legt eine normierte, klassifizierende Kurzbezeichnung für die verschiedenen Schneidstoffgruppen fest (Bild 18). Die bisher von den Hartmetallen und der Norm DIN 4990 bekannten Zerspanungshauptgruppen werden um die Werkstoffgruppen N, S und H erweitert. Die Schneidstoffbezeichnung kennzeichnet die Art und seine Hauptanwendung. Seite 37

Bild 18: Normkurzbezeichnung und Anwendungsgebiete der Schneidstoffe nach DIN/ISO 513 2.6 Ermittlung optimaler Schnittbedingungen Neben den Maßnahmen zur konstruktiven Optimierung von Werkzeugen ist es erforderlich, die Schnittwerte zu optimieren. Eine wichtige Einflussgröße ist dabei die Schnittgeschwindigkeit, die im Wesentlichen die Standzeit der Werkzeuge beeinflusst. Je höher die Schnittgeschwindigkeit v c, desto geringer ist in der Regel die Standzeit T. In einer doppeltlogarithmischen Darstellung von T über v c ergibt sich näherungsweise eine Gerade (Bild 19). Die Abhängigkeit der Standzeit von der Seite 38