Die erste Phase des Projekts Solvency II



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Transkript:

Dr. Karsten Füser, Stuttgart, Dr. Andreas Freiling, Frankfurt/M., und Dr. Bernhard Hein, Stuttgart Die erste Phase des Projekts Solvency II war im Frühjahr 2003 mit der Diskussion um das EU-Papier MARKT/2509/03 1 zu Ende gegangen. Nachdem mit dem Diskussionspapier MARKT/2543/03 2 der Grundstein für die viel zitierte Phase II des Projekts gelegt wurde, begann die Arbeit am Detail zunächst im April 2004 3, um dann mit einem Fahrplan für die kommende Arbeitsphase, einer Klärung der Beratungsmodalitäten und einer ersten Welle von Detailfragen im Juli 4 in die tatsächliche Entwurfsarbeit an der geplanten Rahmenrichtlinie einzusteigen. Im vergangenen November schließlich hat die EU-Kommission die zweite Welle von Konsultationsfragen verabschiedet 5, die nach Beratung mit dem EU-Versicherungsausschuss an die Europäische Konferenz der Versicherungsaufsichtsbehörden CEIOPS 6 gerichtet und dort bearbeitet werden sollen. Das zur Gesetzgebung im Projekt Solvency II verwendete Lamfalussy-Verfahren 7 sieht vor, dass nicht nur der CEIOPS bei der Beantwortung dieser Fragen eine wichtige beratende Funktion zukommt, sondern gibt auch interessierten Parteien aus der Branche ausdrücklich die Möglichkeit, sich einzubringen 8. Dass sich die EU im Entwurf der Details von Solvency II durchaus aktiv an bereits bestehenden Verfahren aus der Versicherungsbranche orientieren will, zeigt sich auch an anderen Stellen: In mehreren der neuen Konsultationsfragen ist der ausdrückliche Auftrag an CEIOPS enthalten, sich beim Erarbeiten von Problemlösungen auch bei Versicherungen zu informieren. Versicherungstechnische Rückstellungen CEIOPS soll über den Fortschritt seiner Arbeiten alle vier Monate berichten, wobei der erste Bericht zur zweiten Welle von Konsultationsfragen im Februar fällig ist. Der endgültige Ratschluss soll im kommenden Oktober bei der EU-Kommission eingereicht werden und geht dann in die Framework Directive (Rahmenrichtlinie) zu Solvency II ein. Die Detailtiefe seiner Nachforschungen soll CEIOPS danach selbsttätig steigern und weiterhin alle vier Monate berichten, um der Kommission bei der Vergabe von Mandaten für die Details der Implementation helfen zu können und um den Versicherungs-Unterausschuss über den Stand der Entwicklungen in Kenntnis zu setzen. Regelungen zu versicherungstechnischen Rückstellungen sind deswegen besonders wichtig, Die Arbeit an den Details von Solvency II ist in vollem Gange. Im Oktober 2004 hat der Unterausschuss Solvabilität über eine zweite Welle von Konsultationsfragen an CEIOPS beraten. Die sich abzeichnenden Veränderungen bedeuten für kleine und mittelgroße Versicherungsgesellschaften in der Umsetzung substanzielle Anstrengungen. Sie können aber auch den Vertrauensvorsprung verkürzen, den die großen Gesellschaften beim Kunden genießen. Keine Angst vor Solvency II Die Zeit bis zur Einführung nutzen und den Wettbewerb aufnehmen weil die Rückstellungen vermutlich die Grundlage für die Berechnung jedweder Eigenkapitalanforderung darstellen werden. Da sämtliche der geplanten Kapitalanforderungen EU-weit harmonisiert werden sollen, müssen also auch die Methoden zur Berechnung der Rückstellungen angeglichen werden, was bisher nicht der Fall war 9. Wenngleich für die Erarbeitung konkreter Formeln der Ausgang der Arbeiten des IASB zur Rechnungslegung abgewartet werden muss, so sind doch gewisse Zielrichtungen deutlich abzusehen. Die wohl wichtigste Tendenz in den Rückstellungen für Lebensversicherungen ist die Absicht, Risikomargen, wo immer sie auftreten, nur noch in explizit ausweisbarer Form zuzulassen. Da es sich hier um eine Auswirkung des Transparenzgrundsatzes handelt, der zu den Grundprinzipien des Solvency II -Projekts gehört, ist davon auszugehen, dass diese Regelungen tatsächlich zur Umsetzung gelangen werden. Beispielshalber sei hier der Neuvorschlag für Absatz 1.A.(iii) des Artikels 20 der Lebens-Richtlinie 2002/83/EG genannt. Dort wird für die Definition des Begriffs einer ausreichend umsichtigen Bewertung ( sufficiently prudent valuation ) ein best estimate -Verfahren im Sinne des expected present value explizit ausgeschlossen. Stattdessen wird für das neue Regime der explizite Ausweis einer Risikomarge vorgeschrieben, durch die das Risiko bedeckt wird, dass zur Berechnung der Rückstellungen relevante Faktoren nachteilig von gemachten Annahmen abweichen. An dieser Stelle ist der endgültige Text des call for advice sogar noch expliziter als die bereits im Oktober veröffentlichte Diskussionsgrundlage 10. Eine ganz analoge Formulierung gilt für den Bereich der Schadenversicherung. Der Transparenzgrundsatz wirkt sich auch in der vorgeschlagenen Änderung des Unterartikels 1. D. der oben genannten Richtlinie aus. Dort wird gewünscht, dass die Methoden zur Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen in Zukunft nicht mehr implizit, sondern nur noch explizit die im Vertrag angelegten Garantien bzw. zukünftigen Boni berücksichtigen sollen. Ferner werden die Regeln für die Zuteilung von Boni nach Vorstellung der Kommission in Zukunft offen gelegt werden müssen. Weitere Diskussionspunkte im Bereich Leben sind der Diskontsatz und das Risiko, das sich aus dem Zusammenspiel von Diskontsatz, tatsächlicher Marktzinskurve und gegebenen Zinsgarantien ergibt. Auch im Vertrag enthaltene Optionen sowie qualitativ andere Risiken, die mit dem Investitionsaspekt der die Rückstellungen bedeckenden Beträge zusammenhängen, sollen in Zukunft berücksichtigt und unter Umständen selbst mit Rückstellungen abgesichert werden. Berücksichtigung von Anlagerisiken Damit tritt ein weiterer, bereits bekannter wichtiger Grundsatz ins Blickfeld, der bisher im Zusammenhang mit Rückstellungen nur in Ansätzen Auswirkung zeigte: die Berücksichtigung von Anlagerisiken. Gab es bisher außer den Regeln über genehmigte Anlageklassen und deren Streuung und Mischung 11 keine Vorgaben vonseiten der EU, so ist davon auszugehen, dass in Zukunft letztlich die gesamte Palette der aus dem Umfeld von Basel II im Bankensektor bekannten Anlagerisiken auch bei den Anlagen im Versicherungssektor Berücksichtigung finden wird. Dazu gehören Marktrisiken und Zinsrisiken ebenso wie Liquiditätsrisiken und damit der angrenzende Bereich des Asset-Liability Managements. Neu ist im Bereich Nichtleben die Überlegung, nicht nur verschiedene versicherungsmathematische Verfahren zur Berechnung der Rückstellungen zuzulassen, sondern sogar die parallele Anwendung verschiedener Verfahren bei der Berechnung jeder Rückstellung zu fordern. Offen ist, was zu tun wäre, wenn aus der Anwendung unterschiedlicher Methoden tatsächlich divergierende Ergebnisse resultieren. Ebenso neu ist der Versuch, die Sensibilitäten der Modelle auf Umwelteinflüsse dadurch sicherzustellen, dass gewisse in die Berechnung eingehende Parameter in Abhängigkeit von solchen Versicherungswirtschaft Heft 2/2005 107

Einflüssen immer dann, wenn signifikante neue Information vorliegt (etwa schnelle Inflation oder Katastrophenereignisse) mindestens aber periodisch neu geschätzt und vorgeschrieben werden müssen. Kontrollniveaus Der Abschnitt solvency control levels, im zugrunde liegenden EU-Papier erst an neunter Stelle, stellt systematisch den Überbau zu den Beratungsfragen über Sicherheitsnetze und Solvabilitätskapital dar. Der Begriff der Solvabilität soll in Solvency II im weitest möglichen Sinne gefasst sein, also sowohl freies Vermögen als auch die Bedeckung von Verbindlichkeiten aus Versicherungsverträgen durch zulässige Anlageformen und außerbilanzielle Werte betreffen. Zur Wahrung der Interessen der Versicherungsnehmer sollen mehr als bisher vorhanden Solvabilitätskontrollniveaus (gemeint ist der durch die IAIS geprägte Begriff des solvency control levels 12 ) eingeführt werden. Per Definition sollen Aufsichtsbehörden einschreiten dürfen oder müssen, wenn das freie Eigenkapital eines Versicherungsunternehmens diese Kontrollniveaus im Abwärtsgang durchschreitet. Die IAIS schlägt vor, dass die an die Kontrollniveaus gebundenen Aufsichtsmaßnahmen geeignet sein sollten, die Situation eines Versicherungsunternehmens wieder zu normalisieren. Derzeit gibt es de facto bereits zwei explizite und ein implizites Kontrollniveau. Zunächst wäre dies die Mindestsolvabilitätsspanne 13, bei deren Unterschreiten der Aufsichtsbehörde ein Sanierungsplan zur Wiederherstellung gesunder Finanzverhältnisse zur Genehmigung vorzulegen ist 14. Droht nach Ansicht der Aufsicht eine weitere Verschlechterung der Lage, kann die freie Verfügung über Vermögenswerte eingeschränkt werden, bei Unfähigkeit zur Einhaltung des Plans droht der Entzug der Zulassung 15. Das zweite Kontrollniveau bildet bislang der Garantiefonds 16, bei dessen Unterschreiten ein kurzfristiger Finanzierungsplan vorzulegen ist. Die weitergehenden Regelungen entsprechen denen für die Mindestsolvabilitätsspanne, jedoch kann hier die freie Verfügung über die Vermögenswerte gänzlich untersagt werden. Implizit bildet auch die Bedeckung der technischen Rückstellungen durch zugelassene Anlagen ein solches Kontrollniveau. Auf den Bruch dieser Bedeckungs- und Anlagevorschriften bei Rückstellungen kann die Aufsicht mit Einschränkungen der Verfügung über Vermögenswerte reagieren. In manchen Staaten kann auch hier ein Sanierungsplan gefordert werden 17. Im neuen System soll CEIOPS die Anzahl und Definition der Kontrollniveaus und die damit assoziierten Konsequenzen (Eingriffe oder Sanktionen) vorschlagen und die Vorschläge mit Feldstudien flankieren. Ein mildes erstes Niveau von Kontrolle stellt die qualitative Anforderung an die technischen Rückstellungen und das Solvabilitätskapital (früher: Zielkapital) dar, nur mit zulässigen Anlageklassen bedeckt zu sein. Mindestens zwei quantitative, explizite Niveaus wird es in Zukunft mit Sicherheit geben. Zum ersten das Solvabilitätskapital SCR (solvency capital requirement), das zwingend höher als die jetzige Solvabilitätsspanne angesetzt werden soll. Bei Unterschreiten des SCR sollte die Aufsichtsbehörde im Wesentlichen nach eigenem Ermessen vorgehen (principlesbased approach). Ferner ein als Sicherheitsnetz bezeichnetes Mindestkapital MCR (minimum capital requirement), mit dessen Unterschreitung sofortige und durchgreifende Maßnahmen seitens der Aufsicht verbunden sind (rules based approach). Das MCR soll eine Untergrenze haben, die dem bisherigen Garantiefonds entspricht. Sicher ist auch, dass weitere Kontrollniveaus eingeführt werden, allerdings ist die Diskussion um diese Niveaus noch in stärkerer Bewegung. Noch im Diskussionspapier MARKT/2515/04 war lediglich ein solches Niveau vorgeschlagen worden, das je nach Kalibrierung des SCR über dem SCR oder zwischen MCR und SCR liegen sollte. Dieses Niveau ist jetzt als Frühwarninstrument definitiv über dem SCR angesetzt, soll aber nur dann umgesetzt werden, wenn der SCR nicht ohnehin genügend hoch liegt. Eine weitere spezielle Reserve sollte laut MARKT/2515/04 Prozyklizität vermeiden, indem sie in Zeiten hoher Profitabilität gefüllt und in schlechten Zeiten angegriffen werden konnte, ohne dass dadurch aufsichtliche Maßnahmen ausgelöst würden. Inhaltlich wäre diese Reserve mit einer Schwankungsrückstellung zu vergleichen gewesen: Sie sollte Risiken bedecken, die sich in längerfristigen Zeithorizonten abspielen als der Zeithorizont der Risikomessung, der in den Instrumenten des Risikomanagements zur Anwendung kommt. Anders als die bisherige Schwankungsrückstellung würde dieser Puffer aber nicht nur den Verlauf der Schadenregulierung sondern die gesamte Risikosituation eines Versicherungsunternehmens im Hinblick auf alle eingesetzten regulierten Kapitalinstrumente berücksichtigen. Auch hier ist der endgültige call for advice präziser als sein Entwurf. Statt der einen Reserve mit der Doppelaufgabe werden jetzt zwei neue Niveaus vorgeschlagen. Davon soll das eine den Ausgleich des Risikos der technischen Rückstellungen über einen längeren Zeithorizont leisten, während das andere als ausdrückliches countercyclicality tool mit variabler Höhe einzig dem Vermeiden von prozyklischem Verhalten dient. Für die Aufsicht über Gruppen von Versicherungsunternehmen ist ein zusätzliches Kontrollniveau in Planung, mit dem die Gesamtsolvabilität der Gruppe abgebildet werden kann. Mit diesem zusätzlichen Kontrollniveau soll ein Instrument für diejenigen Risiken geschaffen werden, die durch die Gruppensituation entstehen und für Einzelunternehmen nicht relevant sind. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit solchen Risiken findet sich im Abschnitt Gruppen- und sektorübergreifende Fragestellungen dieses Beitrags. Alle besprochenen Kontrollniveaus sind als minimum compulsory harmonized levels EUweit gleich. Eine qualitativ neue Seite in der gesamten Behandlung von Kontrollniveaus ist der Vorschlag, die Änderungsgeschwindigkeit der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens in die Regelungen einfließen zu lassen. Statt Maßnahmen der Aufsicht wie bisher nur an die Kontrollniveaus als absolute Werte zu koppeln, wird jetzt die Frage gestellt, wie schnell sich die Finanzsituation eines Versicherungsunternehmens bis zum Zeitpunkt der Niveauerreichung verändert hat. Ist der Abwärtstrend drastischer, so soll stärker reagiert werden, als wenn die Lage des Unternehmens nahezu stabil nahe beim betreffenden Niveau lag und es dann in einer weniger schnellen Bewegung leicht unterschreitet. Die Abstimmung ihrer Reaktionen auf diese Beobachtung könnte der nationalen Auslegungsfreiheit der Aufsichtsbehörden überlassen werden. Robuste und einfache Sicherheitsnetze (MCR) Die Mindestkapitalanforderung MCR soll vor allem robust und einfach zu berechnen sein. Weil die MCR auf bilanzielle Größen aufbauen soll, müssen gerade hier die Entwicklungen des IASB abgewartet werden. Technische Detailfragen zum MCR können daher noch nicht beraten werden. Diskutiert wird jedoch, ob dieser Ersatz für die bisherige Mindestsolvabilitätsspanne nicht wie bisher nur die technischen Rückstellungen ausschließlich in regulierten Anlageklassen stattfinden soll. Um sich nicht insgesamt der Gefahr von Überregulierung auszusetzen, wird allerdings zumindest erwägt, weitere Anlageklassen zuzulassen, falls die mit ihnen verbundenen Risiken in der Berechnung des höheren Solvency Capital Requirement SCR berücksichtigt werden. Dieser Vorschlag ersetzt die noch im Diskussionspapier MARKT/2515/04 enthaltene Überlegung, dass es statt einer Liste von genehmigungsfähigen Anlageinstrumenten unter Solvency II auch einen Katalog von untersagten Instrumenten geben könnte, um schneller auf Innovationen auf dem Kapitalmarkt reagieren zu können. Die Komplexität der aufsichtsrechtlichen Aufgaben wird durch die striktere Regelung deutlich reduziert, da beim bloßen Verbot einiger Finanzinstrumente im Wesentlichen durch jede Neuerung in der Palette der Anlageformen automatisch ein regulatorisches Vakuum entstanden wäre. Um der modularen Gesamtstruktur des Risikomanagements unter Solvency II und der Funktion des MCR als Sicherheitsnetz Rechnung 108 Versicherungswirtschaft Heft 2/2005

zu tragen, würden die komplexer zu quantifizierenden Risiken wie Anlagerisiko oder Währungsrisiko allerdings nicht in die Konzeption des MCR eingehen. Diese Risiken abzudecken fiele in den Aufgabenbereich des Solvabilitätskapitals. Standardmodell für das Solvabilitätskapital Das Solvabilitätskapital SCR ist eine Neuheit in der Gesetzgebung der EU und soll auf hohem Niveau die Sicherheit der Versicherungsnehmer garantieren. Dazu soll ein mathematisches Modell aller größeren Risiken entwickelt und kalibriert werden, denen ein Versicherungsunternehmen ausgesetzt ist. Die EU-weit zu bestimmenden Parameter sind das Risikomaß (die Ruinwahrscheinlichkeit) und der Zeithorizont. Auf nationaler Ebene müssten sich national unterschiedliche Risiken und Produkttypen abbilden lassen. In der Fachliteratur wurden bisher am häufigsten Fragen zum zugrunde liegenden Modellprinzip des Standardansatzes (Faktormodell, szenarienbasiertes Modell, probabilistisches Modell) diskutiert. Nun werden diese und andere Fragen von offizieller Seite in einem Katalog zusammengefasst. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Modellfragen geht es um die Erstellung der Risikoklassifikation, Quantifikation operativer Risiken, Modellierung von Risikokorrelationen Definition von Richtwerten und Indizes, an die die Modellparameter zu koppeln wären, Zeithorizonte des Modells, Aspekte mit sehr viel längeren Zeithorizonten (etwa wirtschaftliche Trendwenden) Freiräume für expert judgement und Parameter, die auf keinen Fall EU-weit harmonisiert werden sollten. Letztlich soll mittels des Standardansatzes ein Versicherungsunternehmen in der Lage sein, eine Solvabilitätskapitalanforderung zu bestimmen, die dazu führt, dass das Unternehmen mit nicht mehr als einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit in einem vorgegebenen Zeitraum außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Die erarbeiteten Standardmodelle sind für verschiedene Ruinwahrscheinlichkeiten 18 im Zeithorizont eines Jahres zu testen und ihre Parameter zu kalibrieren. Interne Modelle für das Solvabilitätskapital Die Möglichkeit interner Modelle erfordert eine weitgehende Harmonisierung hinsichtlich Validierung und Zulassung. Festgelegt werden müssen außerdem Maßstäbe für die Integration interner Modelle in Unternehmensabläufe und Managementstrukturen, IT-Infrastrukturen sowie qualitative Anforderungen an die verwendete versicherungsmathematische Modellbildung. Insbesondere wünscht der Versicherungsausschuss, dass die genehmigungsfähigen internen Modelle auch dort eine sinnvolle Abbildung von Risiken ermöglichen, wo das Standardmodell bereits an seine Grenzen stößt und daher der Modellfehler zu groß wird. Im Standardmodell muss dieser Modellfehler durch eine zusätzliche Risikomarge abgedeckt sein. In jedem Fall wird es bei den internen Modellen rigorose Anforderungen an die Transparenz geben. Modelle, die als black box lediglich bei gegebenen Eingangsgrößen einen Output produzieren, der seinerseits den Kriterien genügt, sind bereits in der Formulierung der Beratungsfrage kategorisch ausgeschlossen. Als Anreiz für den Umstieg auf interne Modelle könnte nach Ansicht des Versicherungsausschusses eine Regelung dienen, nach der eine nur partielle Anwendung interner Modelle zulässig ist, sofern garantiert bleibt, dass in jedem Teilbereich alle EU-weit harmonisierten Anforderungen durch das integrierte Modell erfüllt werden. Rückversicherung und andere Methoden zur Risikominderung Dass Rückversicherungseffekte und auch Hedging, so weit sie verlässlich quantifiziert werden können, in die Berechnung des SCR eingehen sollen, scheint festzustehen. Dies soll für interne Modelle ebenso wie auch für das Standardmodell gelten. Die angesprochene verlässliche Quantifizierung stellt sich jedoch als höchst komplizierte Aufgabe dar. Sie sollte zumindest das Rating des Rückversicherers, den Vertragstyp der Rückversicherung, das Risikominderungsverhalten in Extremfällen (tail behaviour) sowie Korrelationseffekte berücksichtigen. Andererseits zitiert der Versicherungsausschuss die IAA mit der Einschätzung, dass einfache, faktorbasierte Ansätze wahrscheinlich zu grobe Instrumente sind, um den Effekt von Rückversicherungen hinreichend präzise abzubilden, weswegen solche Modelle mit Vorsicht angewandt werden sollten, da die angemessene Behandlung von Rückversicherungseffekten tatsächlich einen (probabilistischen) Modellierungsansatz erfordere. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten aufsichtlicher Arbitrage zu minimieren: Die Kapitalanforderungen, die in anderen Teilen der Finanzbranche im Zusammenhang mit Produkten entstehen, die finanzielle Garantien enthalten, sollten sich nicht zu stark voneinander unterscheiden. Im Bewusstsein der technischen und theoretischen Komplexität der so entstehenden Probleme zieht sich der Versicherungsausschuss darauf zurück, in der Rahmenrichtlinie nur in sehr allgemein gehaltenen Worten auf die Risikominderung durch Rückversicherung und Hedging einzugehen. Jedenfalls hält sie den Entwurf eines legislativen Textparagraphen zum jetztigen Zeitpunkt für verfrüht. Quantitative Auswirkungsstudien Die EU-Kommission braucht Ergebnisse von quantitativen Auswirkungsstudien, um die Rahmenrichtlinie im Parlament vorschlagen zu können. Der Auftrag an CEIOPS lautet auf die Definition sämtlicher für eine entsprechende Auswirkungsstudie nötiger Größen einschließlich Datendefinition, Festlegung der Größen von Stichproben und zu testende Szenarien. Auch zur Arbeitsorganisation sowie Ablaufplanung für die Verfeinerung der Studie in einem zweiten Arbeitsgang soll CEIOPS beitragen. Befugnisse der Aufsichtsbehörden Durch Solvency II werden sich die Aufgaben der Aufsichtsbehörden grundlegend ändern. Folglich soll und muss CEIOPS auch die aufsichtsrechtlichen Befugnisse weitestgehend neu definieren. Selbstverständlich benötigt die Aufsicht unter Solvency II die Befugnisse, alle relevanten Informationen einschließlich derer über Risikomanagement und gegebenenfalls über interne Modelle zu erhalten. Sollten Risikomanagementaufgaben von Versicherungsgesellschaften an dritte Unternehmen ausgegliedert worden sein, bräuchte die Aufsicht diesen Dritten gegenüber gleichwertige Befugnisse 19. Außer der Informationsbefugnis wären Sanktionsrechte vonnöten, die dann in ihrer Verhältnismäßigkeit definiert werden müssten. Wenn also zum Beispiel ein Kontrollniveau mathematisch unter Bezugnahme auf einen bestimmten Zeithorizont (etwa für die Konkurswahrscheinlichkeit) definiert ist, so sollten die mit diesem Niveau assoziierten aufsichtlichen Maßnahmen und Befugnisse geeignet sein, innerhalb desselben Zeithorizonts Wirkung zu zeigen. Z.B. sollten etwa vorzulegende Sanierungspläne genau diesen Zeithorizont betreffen. Neben dem Recht, in Durchführung von Sanktionen die Kapitalanforderungen einzelner Versicherungsunternehmen zu erhöhen, steht vor allem eine wesentliche und brisante Neuerung zur Diskussion: Möglicherweise soll den Aufsichtsbehörden explizit das Recht eingeräumt werden, von einem Versicherungsunternehmen die Einführung eines internen Modells zu verlangen. Fit and proper Kriterien Unter der geltenden Gesetzgebung müssen das tatsächliche Management 20 und die (maßgeblichen) Anteilseigner 21 eines Versicherungsunternehmens so genannten fit and proper Kriterien genügen. Gleiches gilt für das Management von Zweigniederlassungen von EU Versicherungsunternehmen 22 und wird nach Ansicht des Versicherungsausschusses auch für den zu genehmigenden Hauptbevollmächtigten von Zweigniederlas- Versicherungswirtschaft Heft 2/2005 109

sungen aus Drittländern unterstellt 23. Fit bedeutet dabei qualifiziert und erfahren, proper heißt unbescholten und wird durch bestehendes Recht in der Form harmonisiert, dass als unbescholten gilt, wer ein polizeiliches Führungszeugnis oder ein gleichwertiges Dokument vorlegen kann 24. Weil diese Kriterien Schlüsselstellungen in der Corporate Governance innehaben und für die Vertrauensbildung der Versicherungsnehmer von großer Bedeutung sind, sollten die Begriffe präzisiert und gegebenenfalls ausgeweitet werden, um eine maximale Harmonisierung zu erreichen. Diese schon 2002 im Sharma-Report 25 für nötig erachtete Konvergenz kann in der Rahmenrichtlinie, in den Umsetzungsmaßnahmen (Level 2) oder durch Ausübung von supervisory guidance durch CEIOPS erreicht werden. Die in diesem Zusammenhang zu beratenden Punkte sind vielfältig und sollen hier nur der Information halber genannt sein. Die grundlegende Frage an CEIOPS ist zunächst, ob der Wortlaut der Direktiven verändert werden muss. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, sollen die Kriterien präzisiert werden. Eine präzise Definition des Anwendungsbereichs der ein Unternehmen wirklich leitenden Personen ist zu geben und an die Rechtsform des Unternehmens anzupassen. Es muss geklärt sein, ob die Definition von fit and proper die Unvereinbarkeit von Funktionen bzw. Interessenkonflikte enthält. Diese Frage stellt sich insbesondere auf dem Hintergrund von Merger & Acquisition-Prozessen sowie im Zusammenhang mit Versicherungsgruppen. Als Anschlussfrage bleibt gerade in diesem Zusammenhang das Harmonisierungsproblem. Letztlich müssen Kontrollprozeduren implementiert und aufsichtliche Sanktionen für den Fall von Verstößen festgelegt werden. Peer Reviews Unter einem peer review versteht das betrachtete EU-Papier die Begutachtung der Arbeit einer in der EU ansässigen Versicherungsaufsichtsbehörde durch die entsprechende Aufsichtsbehörde mindestens eines anderen Mitgliedstaats. Wenngleich die Ausübung der Aufsicht über ein Versicherungsunternehmen allein dem Mitgliedstaat zusteht, in dem sich der Hauptsitz dieses Unternehmens befindet 26, so ist es doch im Sinne der Stabilität, der Verhinderung von regulatorischer Arbitrage und der gegenseitigen Anerkennung wünschenswert, dass sich die Aufsichtsmethoden zwischen den Staaten nicht zu stark voneinander unterscheiden. Zur Erhebung und Verbreitung von best practice könnten Peer Reviews der Qualität der behördlich geleisteten Aufsicht dienlich sein und langfristig eine beträchtliche Schonung aufsichtlicher Ressourcen ermöglichen. Die Praxis solcher Peer Reviews wäre von CEIOPS zu tragen und für CEIOPS auch nicht prinzipiell neu, weil ähnliche Begutachtungen in Beitrittsländern bereits durchgeführt wurden. Auch die Anstrengungen, die vom International Monetary Fund und von der Weltbank im Umfeld des Financial Sector Assessment Program FSAP 27 unternommen wurden, könnten als Anstoß verwendet werden. Die Einzelheiten, die der Versicherungsausschuss zur Durchführung dieser Peer Reviews vorschlägt, sind an dieser Stelle nur von peripherem Interesse. Gruppen- und sektorübergreifende Fragen Mit den Marktbewegungen der 1990er sind neue Methoden des Risikomanagements und des Risikotransfers entwickelt worden. Naturgemäß ist aufgrund der damals fehlenden Harmonisierung die Tendenz zur Ausnutzung von aufsichtlichen Arbitragemöglichkeiten aufgekommen. Ein erster Schritt, seitens der EU-Legislative diese Möglichkeiten einzudämmen, bestand in der Direktive über die zusätzliche Beaufsichtigung der einer Versicherungsgruppe angehörenden Versicherungsunternehmen (IGD) 28. Sinn der bisherigen Direktive ist es, die Doppel- oder Mehrfachbelegung von Kapital zu vermeiden und, wo nötig, die Berechnungsmethode für die Solvabilitätsspanne entsprechend anzupassen. Bis zum 1. Januar 2006 soll die EU Kommission über die Anwendung der IGD vor dem EU Parlament berichten. Insbesondere soll dieser Bericht Aussagen über eventuell nötige weitere Harmonisierung der Umsetzung der Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten enthalten. Obwohl bereits Fragen zur Behandlung von Gruppen und zur Notwendigkeit der Änderung der Richtlinie IGD bestehen, ist sich der Versicherungsausschuss darüber im Klaren, dass die Aufsicht über Gruppen und Finanzkonglomerate im Grunde erst nach der Präsentation dieses Berichts in Angriff genommen werden kann. Trotz dessen soll CEIOPS bereits jetzt analysieren, welche Änderungen an der IGD nötig wären, um Solvency II in der Aufsicht von Einzelunternehmen einer Versicherungsgruppe praktikabel zu machen. Generell sind dabei Verbindungen mit Banktätigkeiten, sektorübergreifende Risiken und Spielräume für Kapitalarbitrage zu beachten. Letzteres gilt vor allem im Hinblick auf sich stark ähnelnde Finanzprodukte, die im Wesentlichen in der Versicherungsbranche und im Bankensektor angeboten werden. Neben technischen Fragen interessiert dabei den Versicherungsausschuss zum Beispiel die Frage, ob die Berechnungen zum SCR oder sogar schon zum MCR auf der Gruppenebene deswegen verändert werden müssen, weil die den Definitionen von SCR und MCR zugrunde liegenden Risikoprofile von Einzelunternehmen auf der Gruppenebene nicht mehr zutreffen. Das Papier nennt hier exemplarisch die mit der Diversifikation in der Gruppe einhergehenden Risiken bzw. Kosten und/oder Nutzen. Falls es solche zusätzlichen Risiken gibt, stellt sich die Frage nach einer gesonderten Behandlung von Gruppen automatisch auch auf dem Niveau der Säule 2, dem aufsichtsrechtlichen Überwachungsprozess. Falls auf Gruppenebene allerdings wegen eines anderen Risikoprofils auch andere interne Modelle zur Berechnung des SCR genehmigt werden, stellt sich die Frage, ob der Validierungsprozess aus der Solo-Situation auch für die Zulassung von Modellen auf Gruppenebene geeignet ist. Außerdem muss definiert werden, welche Aufsichtsbehörde die Aufsicht über die Gesamtgruppe übernimmt. Auch im Hinblick auf die Gesamtkonsistenz des verwendeten Modells stellen sich Fragen. Namentlich gilt es zu klären, ob innerhalb einer Gruppe im Falle der Genehmigung nur ein einziges Gruppenmodell Anwendung finden darf, oder ob vonseiten der Aufsicht innerhalb der Gruppe verschiedene Modelle bzw. eine gemischte Verwendung von Standardansätzen und internen Modellen zugelassen werden. Schlussbemerkung Gerade an der Tatsache, dass sich selbst zwischen dem ersten Entwurf der specific calls for advice from CEIOPS (second wave) und ihrer nun veröffentlichten zweiten Version noch wichtige Unterschiede finden lassen zeigt, dass es verfrüht wäre, über Details der Rahmenrichtlinie Solvency II zu spekulieren. Andererseits sind die eben erwähnten Änderungen nicht beliebig, sondern präzisieren den Grundgedanken des Projekts Solvency II, in dem sie die Risikoadjustiertheit und die Transparenz des gesamten Systems erhöhen. Für eine umfassende Analyse der Vor- und Nachteile von Solvency II sollte man sich daher noch Zeit lassen und gegebenenfalls abwarten, bis tatsächlich ein Richtlinienentwurf vorliegt. Gerade weil aber im Fluss der Diskussion eine so klar erkennbare Richtung liegt, bedeutet dies keinen Aufruf zum Abwarten, wenn es um die Entwicklung von Risikomanagement in Versicherungsunternehmen geht. Die Modellierung von Risiken ist sowohl mathematisch als auch wirtschaftlich ein so interessantes Phänomen, dass damit zu rechen ist, dass an Hochschulen oder in Grundsatzabteilungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften so zumindest im Hause Ernst & Young wichtige Beiträge zur Entwicklung von Modellen geleistet werden, die dann bereits bei der Einführung des neuen Systems den Status öffentlich zugänglicher interner Systeme haben könnten. Ein Beispiel in dieser Richtung ist sicher der in dieser Zeitschrift von Gründl und Schmeiser vorgestellte Vorschlag 29. Je stärker Versicherungsunternehmen die Chance wahrnehmen, diesen Entwicklungen frühzeitig und langfristig ihren eigenen Stempel 110 Versicherungswirtschaft Heft 2/2005

aufzuprägen, desto gelungener wird sich ihr Übergang in das neue aufsichtsrechtliche Regime darstellen. Die Autoren: Dr. Karsten Füser ist Partner und Head of Risk Advisory Services und Global Financial Services bei Ernst & Young. Dr. Andreas Freiling ist Partner und Head of Insurance bei Ernst & Young und Dr. Bernhard Hein ist Mitarbeiter von Dr. Füser. Anmerkungen 1 Vgl. das auch in deutscher Sprache verfügbare Dokument http://europa.eu.int/comm/internal_ market/insurance/docs/markt-2509-03/markt- 2509-03_de.pdf. 2 Vgl. http://europa.eu.int/comm/internal_market/ insurance/docs/markt-2543-03/markt-2543-03_ en.pdf. 3 Vgl. EU-Papier MARKT/2502/04, http://europa.eu. int/comm/internal_market/insurance/docs/markt- 2502-04/markt-2502-04_en.pdf. Eine Besprechung in dieser Zeitschrift findet sich bei Schubert/Grießmann: Solvency II Die EU treibt die zweite Phase des Projekts voran (II), in: VW 10/ 2004 S. 738 f. 4 Vgl. EU-Papier MARKT/2506/04, wegen der Detailfragen insbesondere den Anhang http://europa. eu.int/comm/internal_market/insurance/docs/com mittee/2004-06-30/markt-2506-04-annex2-specific _en.pdf. 5 Vgl. EU-Papier Annex 2 (sequel) an MARKT/ 2506/04 vom 15.November 2004, das Anfang Dezember 2004 der Öffentlichkeit unter http://euro pa.eu.int/comm/internal_market/insurance/docs/ 2004-markt-docs/markt-2506-04-annex2-second wave_en.pdf zur Verfügung gestellt wurde. Das Papier ist eine Weiterentwicklung des Entwurfs MARKT/2515/04 von Oktober 2004, erhältlich unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/insurance/docs/markt-2515-04/markt-2515-04_en. pdf. 6 Vgl. auch www.ceiops.org. Das Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors ist auf EU-Beschluss von November 2003 gegründet und hat seinen Sitz in Frankfurt. Ihren inneren Aufbau beschreibt die CEIOPS in einem ersten Zwischenbericht an die EU auf www.ceiops.org unter dem Link Publications submissions to the European Commission im dort veröffentlichten Progress report on Solvency II. 7 Das Lamfalussy-Verfahren ist bereits mehrfach dargestellt worden. Eingeführt und vor allem unter dem Blickwinkel der Abläufe beschrieben wurde das Verfahren von EU-Seite im Diskussionspapier MARKT/2519/02, http://europa.eu.int/comm/ internal_market/insurance/docs/markt-2519/ markt-2519-02-solv2-lamfalussy_de.pdf. Eine grafische Darstellung der Verhältnisse der beteiligten Institutionen gibt es im Artikel von Schubert und Grießmann, Solvency II Die EU treibt die zweite Phase des Projekts voran, in VW 7/2004 S. 470-472. 8 Die Stellungnahmen von Stakeholdern und von offiziellen Seiten werden auf http://europa.eu.int/ comm/internal_market/insurance/solvency/solven cy2-positionpapers_en.htm veröffentlicht. 9 Vgl. die von der EU in Auftrag gegebene Study into the methodologies to assess the overall financial position of an insurance undertaking from the perspective of prudential supervision (KPMG-Studie) http://europa.eu.int/comm/inter nal_market/insurance/solvency/solvency2-study_ en.htm. 10 Vgl. Annex 2 zu MARKT/2506/04, S. 7, wo in einem neuen Absatz festgelegt wird risk margins must be set in addition to expected values. 11 Im Bereich der Lebensversicherung siehe hierzu 2002/83/EG, Art. 22 24 und 26 bzw. entsprechende Regelungen im Bereich Nichtleben. 12 Vgl. IAIS, Solvency Control Levels Guidance Paper, Oktober 2003 http://www.iaisweb.org/185solvency 03.pdf. 13 Vgl. für den Bereich Leben die Richtlinie 2002/83/ EG, Art 28 und für den Bereich Nichtleben die Richtlinie 73/239/EG. 14 Bereich Leben siehe 2002/83/EG Art. 37, Nichtleben 73/239 Art 20. 15 Leben: 2002/83/EG Art. 39, Nichtleben entsprechend. 16 Leben: 2002/83/EG, Art 29, 37, 39, Nichtleben entsprechend. 17 In Deutschland ist VAG 81 b Abs. 4 in Verbindung mit 81 Abs. 2 Satz 2 zu entnehmen, dass kein solcher Sanierungsplan gefordert wird. 18 In der Diskussionsvorlage MARKT/2515/04 wird hier noch der Richtwert 1/200 genannt. 19 Eine Vorform dieser Anforderung findet sich z.b. im Bezug auf externe Vermögensverwalter im Rundschreiben 29/2002 der BaFin, (B) Abs. 3 a. 20 Leben: 2002/83/EG, Art 6(1)e) bzw. Nichtleben: 92/49/EWG Art. 5 (neu für 73/239/EWG Art. 8). 21 Leben 2002/83/EG, Art. 8, bzw. Nichtleben: Art. 8 92/49/EWG. 22 Leben: 2002/83/EG, Art. 40(3), Nichtleben: 92/49/ EWG Art. 32. 23 Leben: 2002/83/EG Art. 51, Nichtleben: 73/239/ EWG Art. 23. 24 Leben: 2002/83/EG Art. 61, Nichtleben: 73/240/ EWG Art. 3. 25 Vgl. http://www.fsa.gov.uk/pubs/occpapers/london _working_group_report.pdf. 26 Leben: 2002/83/EG Art. 10(1), Nichtleben 92/49/ EWG Art. 9. 27 Vgl. http://www.imf.org/external/np/fsap/fsap.asp 28 Vgl. die Richtlinie 98/78/EC, zu finden unter http: //europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l24022b.htm. 29 Gründl, H./Schmeiser H. (2004): Solvency II und interne Risikosteuerungsmodelle, in: VW 7 S. 473-474. Versicherungswirtschaft Heft 2/2005 111