Probleme und Schwachstellen der vier ältesten deutschen Atomkraftwerke



Ähnliche Dokumente
Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Welchen Nutzen haben Risikoanalysen für Privatanleger?

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Auszug aus der Auswertung der Befragung zur Ermittlung der IT-Basiskompetenz

Meinungen der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und Berlin zu einer Bewerbung um die Austragung der Olympischen Spiele

Security & Safety in einer smarten Energiewelt. Ergebnisse der Breitenbefragung Stand März 2013

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Überlege du: Wann brauchen wir Strom. Im Haushalt In der Schule In Büros/Firmen Auf Straßen

Gemeinsam können die Länder der EU mehr erreichen

Ihrer Kunden, auf die vorderen Suchmaschinenplätze zu bringen. Das hatten Sie sich

Tutorial: Homogenitätstest

Die Online-Meetings bei den Anonymen Alkoholikern. zum Thema. Online - Meetings. Eine neue Form der Selbsthilfe?

Mean Time Between Failures (MTBF)

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

mehrmals mehrmals mehrmals alle seltener nie mindestens **) in der im Monat im Jahr 1 bis 2 alle 1 bis 2 Woche Jahre Jahre % % % % % % %

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Übungsbuch für den Grundkurs mit Tipps und Lösungen: Analysis

10 Bundesverkehrsministerium verstößt gegen haushaltsrechtliche Vorschriften und unterrichtet den Haushaltsausschuss unzutreffend

Wie funktioniert ein Mieterhöhungsverlangen?

allensbacher berichte

Studieren- Erklärungen und Tipps

Kinderarmut. 1. Kapitel: Kinderarmut in der Welt

Bei Einbeziehung in die Pensionskasse haben Sie die Möglichkeit, sich für eines von zwei Modellen zu entscheiden.

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Psychologie im Arbeitsschutz

Berechnung der Erhöhung der Durchschnittsprämien

Im Folgenden werden einige typische Fallkonstellationen beschrieben, in denen das Gesetz den Betroffenen in der GKV hilft:

effektweit VertriebsKlima

Programm 4: Arbeiten mit thematischen Karten

Zuständigkeiten bei Problemen mit der Kanalhausanschlussleitung!

Was ist clevere Altersvorsorge?

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Markus Demary / Michael Voigtländer

Jedes Umfeld hat seinen perfekten Antrieb. Individuelle Antriebslösungen für Windenergieanlagen.

Anmeldung und Zugang zum Webinar des Deutschen Bibliotheksverbandes e.v. (dbv)

Bürger fordern mehr Investitionen in die Infrastruktur

Inhalt 1. Was wird gefördert? Bausparverträge

Studie Windkraft und Tourismus 2003 bis 2009

Nachhaltigkeit in der gewerblichen Wäscherei

Zwei einfache Kennzahlen für große Engagements

Ohne Fehler geht es nicht Doch wie viele Fehler sind erlaubt?

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Kapitalerhöhung - Verbuchung

Dow Jones am im 1-min Chat

Häufig wiederkehrende Fragen zur mündlichen Ergänzungsprüfung im Einzelnen:

Leitfaden zur Ermittlung der Anzahl der Sicherheitsbeauftragten im öffentlichen Dienst

Für sicherheitsrelevante Bauteile und Systeme sollte geschultes Fachpersonal eingesetzt werden. scha-de, scha-de,

Warum reicht Zähneputzen nicht?

PRIVATE VORSORGE. Sichern Sie sich und Ihre Lieben vor großen Lasten. R+V-Lösungen für den Ernstfall.

Qualitätsbedingungen schulischer Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung

FRAGE 39. Gründe, aus denen die Rechte von Patentinhabern beschränkt werden können

Durch Wissen Millionär WerDen... Wer hat zuerst die Million erreicht? spielanleitung Zahl der spieler: alter: redaktion / autor: inhalt:

Vorgestellt von Hans-Dieter Stubben

Deutschland-Check Nr. 35

Was mache ich mit den alten Meilern?

Aber zuerst: Was versteht man unter Stromverbrauch im Standby-Modus (Leerlaufverlust)?

Kulturelle Evolution 12

Speicher in der Cloud

Weltweite Wanderschaft

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

Ärzte befürchten Engpässe bei der Patientenversorgung

Jede Zahl muss dabei einzeln umgerechnet werden. Beginnen wir also ganz am Anfang mit der Zahl,192.

Presse-Information

Mobile Intranet in Unternehmen

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Danke, dass sie sich für die Infoliste der Moodleveranstaltung eingetragen haben.

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Partitionieren in Vista und Windows 7/8

Anmeldung und Zugang zum Webinar des Deutschen Bibliotheksverbandes e.v. (dbv)

1 MIO ÖSTERREICHISCHE SKIFAHRER SCHÜTZEN SICH BEREITS MIT HELM - UM MEHR ALS IM VORJAHR

Grundlagen der Informatik

RECHT AKTUELL. GKS-Rechtsanwalt Florian Hupperts informiert über aktuelle Probleme aus dem Beamten- und Disziplinarrecht

Tipp III: Leiten Sie eine immer direkt anwendbare Formel her zur Berechnung der sogenannten "bedingten Wahrscheinlichkeit".

Leitartikel Weltnachrichten 2 / 2016

Leitlinien. über die bei Sanierungsplänen zugrunde zu legende Bandbreite an Szenarien EBA/GL/2014/ Juli 2014

Leichte-Sprache-Bilder

Zwischenablage (Bilder, Texte,...)

Damit auch Sie den richtigen Weg nehmen können die 8 wichtigsten Punkte, die Sie bei der Beantragung Ihrer Krankenversicherung beachten sollten:

Eigenen Farbverlauf erstellen

Andreas Rühl. Investmentfonds. verstehen und richtig nutzen. Strategien für die optimale Vermögensstruktur. FinanzBuch Verlag

Greenpeace Energy und die Energiewende

Rechtswidrige Abschiebepraxis in Bremen? Umgehung amtsärztlicher Krankschreibungen mit Hilfe externer Mediziner

9 Auto. Rund um das Auto. Welche Wörter zum Thema Auto kennst du? Welches Wort passt? Lies die Definitionen und ordne zu.

HIER GEHT ES UM IHR GUTES GELD ZINSRECHNUNG IM UNTERNEHMEN

Handbuch ECDL 2003 Modul 2: Computermanagement und Dateiverwaltung Dateien löschen und wiederherstellen

Das RSA-Verschlüsselungsverfahren 1 Christian Vollmer

4. Das neue Recht der GmbH ein Überblick

Solar Dorf Projekt. Von. Arthegan Sivanesan & Tieu Long Pham

Alle gehören dazu. Vorwort

Risiken der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Pumpspeicherwerk? BI Kein Pumpspeicherkraftwerk im Blautal. Fragen zu Energiepolitik und -wirtschaft. Gemeindehalle Beiningen, 28.

Transkript:

- ZUSAMMENFASSUNG - Risiko Restlaufzeit Probleme und Schwachstellen der vier ältesten deutschen Atomkraftwerke August 2005 1.Einleitung Wer heute von Laufzeitverlängerungen für deutsche Atomkraftwerke redet, meint vor allem vier Atommeiler: Biblis A, Biblis B, Brunsbüttel und Neckarwestheim. Diese vier stehen in der nächsten Legislaturperiode zum Abschalten an. Vor dem geplanten Stopp aller weiteren Atomkraftwerke liegen noch mehrere Bundestagswahlen. Diese vier Atomkraftwerke gehören zu den ältesten und gefährlichsten in Deutschland. Deswegen legt Greenpeace eine Studie vor, die die Sicherheitsaspekte dieser vier Kraftwerke näher beleuchtet. 1.1. Allgemeine Vorbemerkungen Deutschlands Atomkraftwerke sind heute nicht sicherer als zu der Zeit, in der nach dem Super- GAU in Tschernobyl Hunderttausende gegen die Atomkraft demonstrierten. Vieles spricht sogar dafür, dass die Reaktoren in der letzten Zeit unsicherer geworden sind. Die Hauptgründe sind: Mit laufendem Betrieb werden die Anlagen nicht besser. Es kommt zu Alterungs- und Materialermüdungserscheinungen. Gerade im Reaktorkern sind die Bauteile extremsten Belastungen ausgesetzt. Die Liberalisierung auf dem Strommarkt und der damit verbundener Kostendruck führen zu Einsparungen bei Personal und Sicherheitsprüfungen. Durch den Atomkonsens sind Mechanismen in Gang gesetzt worden, die zu einem Absinken des Sicherheitsniveaus führen können. Teilweise sind große Investitionen in die Sicherheit nicht mehr getätigt worden, da das Ende der Laufzeit absehbar war. Prominentestes Beispiel ist hier Biblis A. Dort hat die Regierung mit RWE ein Sicherheitssystem light ausgehandelt. Als Gegenleistung für die Laufzeitbegrenzung hat sich die Regierung Schröder dazu verpflichtet, die Sicherheitsstandards für AKWs nicht weiter zu erhöhen. - 1 -

Wird jetzt über Laufzeitverlängerung geredet, kommen diese Sicherheitsmängel wieder auf den Tisch. Dabei ist zu beachten, dass die Nachrüstungen die Kraftwerksbetreiber zum Teil teuer zu stehen kommen. Prominentes Beipiel auch hier: Biblis A (s.u.).von zusätzlichen Gewinnen durch eine Laufzeitverlängerung wurde schon viel gesprochen, von zusätzlichen Kosten aber nicht. 1.2. Die Schiebereien mit der Reststrommenge Nach Berechnungen von Greenpeace müßten Biblis A und B, sowie Neckarwestheim-1 - sofern es keine ungeplanten Stillstandszeiten gibt laut Atomgesetz 2008 vom Netz gehen. Brunsbüttel könnte gemäß den Berechnungen noch bis 2009 laufen. Hauptsächlich wird RWE von den Abschaltungen betroffen sein, da sie zwei der vier abzuschaltenden Reaktoren betreibt. Neckarwestheim gehört der EnBW und wäre nach Obrigheim das zweite EnBW-Atomkraftwerk, welches vom Netz ginge. Brunsbüttel gehört 2/3 Vattenfall und 1/3 E.ON. Besonders E.ON wäre daher in der nächsten Wahlperiode kaum von den Abschaltungen betroffen. RWE verfügt allerdings noch über etwa 107 TWh Reststrommenge aus Mülheim-Kärlich. Auf Biblis A darf davon nichts mehr übertragen werden, der Reaktor galt der Schröder-Regierung dafür als zu unsicher. Auf Biblis B dürfen maximal 20 Prozent überschrieben werden. Das könnte dazu führen, dass Biblis B bis 2011 am Netz bleibt. E.ON und Vattenfall verfügen ebenfalls noch über eine Reststrommenge von 4,8 TWh aus dem AKW Stade, die sie theoretisch auf Brunsbüttel übertragen könnten. 1.3. Der Fall Biblis A Biblis A ist der offensichtlichste Fall was verminderte Nachrüstungen als Gegenleistung für verkürzten Laufzeiten angeht. Dieser Deal im Atomkonsens ersparte dem Betreiber RWE mehrere hundert Millionen Euro. Voraussetzung war eine Erklärung des Betreibers, auf eine Übertragung von Energiemengen auf Biblis A zu verzichten und die noch zu produzierende Energiemenge definitiv festzulegen. So wurde innerhalb von drei Monaten ein Nachrüstprogramm entschieden, dass sowohl den sicheren Betrieb gewährleistet als auch in angemessenem Verhältnis zur Restnutzung steht, so die Konsensvereinbarung. Die nachträglichen Auflagen wurden angepasst. Allein die nicht mehr geforderte eigene, verbunkerte Notstandswarte, die entgegen allen Risikoeinschätzungen nicht gebaut werden musste, ersparte RWE Zusatzkosten in Höhe von rund 450 Millionen Euro. - 2 -

2. Die Studien 2.1. Die Methodik In der vorliegenden Studie wurde in einem ersten Teil untersucht, welche Sicherheitsmängel bei allen vier Anlagen gemeinsam auftreten. Zusätzlich befasst sie sich mit den Schwachstellen der vier einzelnen Atommeiler. Dabei untersucht die Studie die Punkte: bauartbedingte Mängel Probleme und Pannen Unfallrisikio (PSA-Ergebnis) Betriebs-Indikator (BI) Erdbebensicherheit 2.2. Besondere Risiken aller vier Atommeiler Die vier alten Atomkraftwerke weisen alle besondere bauartbedingte Mängel auf, sind Spitzenreiter beim Unfallrisiko und sind besonders verwundbar bei Terrorangriffen. Biblis A und Brunsbüttel sind darüber hinaus noch Spitzenreiter beim Betriebs-Indikator (BI), in der Biblis B auch einen vorderen Platz einnimmt. Bauartbedingte Mängel Altanlagen wie die vier untersuchten sind aufgrund der bauartbedingten Mängel besonders anfällig für Störungen und Unfälle. Der Primärkreislauf, in dem Wasser durch Kernspaltung des Urans aufgeheizt wird, ist nur eingeschränkt prüfbar. Es gibt mehr Schweißnähte an wichtigen Komponenten als in neueren Anlagen. Das ist insofern problematisch, als dass Schweißnähte das größte Bruchrisiko aufweisen. Der Sicherheitsbehälter, der den Reaktorkessel einschließt, um im Falle eines Unfalls den Radioaktivitätsaustritt einzudämmen, weist bei Biblis A, Neckarwestheim-1 und Biblis B eine geringere Druck- und Temperaturfestigkeit auf als bei später gebauten Reaktoren. Im Falle von Brunsbüttel ist der Sicherheitsbehälter anfällig für rasches Durchschmelzen. In allen vier Fällen ist die Notstromversorgung suboptimal, da es teilweise an räumlicher Trennung der Notstromversorgung fehlt bzw. weniger parallele Stränge vorhanden sind. Diese Trennung ist aber wichtig, um im Falle eines Unfalles ein Versagen mehrerer Notstromstränge möglichst zu vermeiden. Unfallrisiko Die vier alten Reaktoren weisen ein drei- bis viereinhalbfach höheres Risiko eines schweren Unfalls aus verglichen mit neueren Atommeilern. Vergleicht man die gefährlichste Anlage Biblis A mit dem niedrigsten Risikowert der Neuanlagen, kommt man sogar auf ein neunfach höheres Unfallrisiko. Erfasst wird das Unfallrisko mit der sogenannten Probabilistischen Sicherheits-Analyse (PSA). Mit ihr wird versucht, die zu erwartende Eintrittshäufigkeit von schweren Unfällen zu ermitteln. Die resultierenden Zahlen liegen in Größenordnungen von 1 zu 100.000 pro Jahr. Viele Risikofaktoren, die zu schweren Unfällen führen können, wie beispielsweise Brände in der Anlage, Auswirkungen von Erdbeben oder gar Terrorangriffe werden jedoch durch die PSA nicht erfasst. Absolut gesehen sind sie deshalb nicht sehr aussagekräftig, erlauben aber einen Vergleich der Anlagen untereinander. - 3 -

Betriebs-Indikator (BI) Mit dem BI wird erfasst, wie störanfällig und problematisch die einzelnen Atomkraftwerke im realen Betrieb sind. Hier weisen die drei Reaktoren Biblis A, Biblis B und Brunsbüttel einen deutlich höheren Wert auf als alle übrigen Atomkraftwerke. In einzelnen Jahren erreichten Biblis A und Brunsbüttel extrem hohe Werte. Es sind Deutschlands störanfälligste Atomkraftwerke. Der BI beleuchtet die tatsächlich auftretenden Probleme der Reaktoren. Wie gefährlich ein Atomkraftwerk ist, hängt nämlich nicht nur von harten Faktoren wie der Konstruktion der Sicherheitssysteme oder dem Schutz gegen Einwirkung von außen ab, sondern auch davon, wie es betrieben wird. Greenpeace hat Indikatoren entwickeln lassen, mit denen die tatsächlich auftretende betriebliche Gefährdung erfasst werden kann. Sie beruhen auf öffentlich zugänglichen Informationen. Beachtet werden folgende Aspekte betrieblicher Sicherheit: Ungeplante Stillstandszeiten Häufigkeit meldepflichtiger Ereignisse (unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung) Strahlenbelastung der in der Anlage Beschäftigten Radioaktive Emissionen mit der Abluft Radioaktive Emissionen mit dem Abwasser Der BI zeigt, dass kein Atomkraftwerk in Deutschland sicher ist. Bei einer Technik mit derart verheerenden Auswirkungen dürften eigentlich gar keine erfassungsrelevanten Probleme auftreten. Sämtliche deutschen Atomkraftwerke sind nicht ausreichend gegen Terrorangriffe geschützt. Kein Atomkraftwerk würde den gezielten Absturz eines großen Verkehrsflugzeuges (Airbus 340, Boeing 747) überstehen. In keinem Fall ist ein Super-GAU auszuschließen. Biblis A und Brunsbüttel gehören zu den gefährdetsten Anlagen. Sie sind nur gegen den Aufprall eines langsam fliegenden Sportflugzeuges ausgelegt. Biblis B und Neckarwestheim-1 sind maximal gegen den Aufprall eines leichten Militärflugzeuges, wie einem unbewaffneten Starfighter, geschützt. Schon der Absturz einer kleinen Verkehrsmaschine (Airbus A 320) oder eine Phantom können zu einer kritischen Situation führen, die nicht mehr zu beherrschen ist. 2.3. Biblis A Allgemein Nach den Untersuchungen, die Greenpeace in Auftrag gegeben hat, gehört Biblis A zu den gefährlichsten Atomkraftwerken in Deutschland. Es weist den zweithöchsten BI-Wert auf. Die Werkstoffe, die beim Bau verwendet wurden, entsprechen nicht den Ansprüchen deutscher Sicherheitsphilosophie in Atomkraftwerken. Die Werkstoffe sollen möglichst bruchsicher sein, was allerdings auch bei neueren Werkstoffen nicht zu 100% gewährleistet werden kann. Diese - Basissicherheit genannten - Ansprüche an Werkstoffe in Atomkraftwerken wurde erst nach dem Bau von Biblis A eingeführt. Probleme und Pannen Im Dezember 1987 kam es in Biblis A beinahe zu einer nuklearen Katastrophe. Ein Kühlmittelverlust-Unfall konnte nur mit Glück beherrscht werden. Eine daraufhin eingeleitete Untersuchung des TÜV Bayern stellte erhebliche Mängel fest. Daraufhin erließ das hessische Umweltministerium (CDU) 1991 insgesamt 55 Auflagen zur Anlagensicherheit und Anlagensicherung. - 4 -

Im Jahre 2000 wurde erneut diesmal vom Bundesumweltministerium ein 20 Punkte umfassendes Nachrüstprogramm festgelegt. Dieses Nachrüstprogramm fiel nach dem Atomkonsens aber deutlich geringer aus als vorher beanstandet. Dabei wurde die Forderung nach einer eigenen, verbunkerten Notstandswarte nicht mehr gestellt. Der Atomreaktor Biblis A weist auch ein erhebliches Gefährdungspotential durch Terrorangriffe aus. Die Kuppel um den Reaktorkern besteht aus nur 60 Zentimeter dickem Stahlbeton, der bestenfalls einem langsam fliegenden Sportflieger standhält. Hier könnte sich die fehlende Notstandswarte katastrophal auswirken, da die Notsteuerung, die von Biblis B mitgenutzt werden soll, sehr leicht im Falle eines Angriffs in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, da die zwei Reaktoren nur 150 Meter auseinander liegen. Erdbebensicherheit Die schlimmste Schwachstelle ist allerdings der mangelnde Erdbebenschutz. Mittlerweile gehen Experten davon aus, dass in dieser Region auch mit deutlich stärkeren Erdbeben gerechnet werden muss, als beim Bau von Biblis A angenommen. 2.4. Biblis B Allgemein Biblis B liegt in der Risikobetrachtung mittels des BI-Wertes an dritter Stelle. Der Reaktor weist trotz sicherheitstechnischer Nachrüstungen und Modernisierung erhebliche Risikofaktoren auf, die nicht oder nur bedingt durch Nachrüstung zu beseitigen wären. Ein großes Problem ist die fehlende räumliche Trennung von Sicherheitssystemen. In Biblis sind jeweils zwei gleichartige Sicherheitssysteme in einem gemeinsamen Raum untergebracht. In neueren AKWs müssen alle vier redundanten Sicherheitssysteme räumlich voneinander getrennt werden. In Biblis B betrifft diese unzureichende Trennung der Sicherheitssysteme insbesondere das Not- und Nachkühlsystem. Dieses System dient der Verhinderung einer Kernschmelze im Falle eines Kühlmittelverluststörfalls. Probleme und Pannen In jüngster Zeit traten immer wieder Probleme beim Not- und Nachkühlsystem auf. Im Jahr 2000 ließ sich das System nicht vollständig in Betrieb nehmen, 2001 konnte bei einer Prüfung die Leitung, die im Notfall Kühlmittel von Block A nach Block B transportieren soll, nicht geöffnet werden, 2002 ließ sich eine zum System gehörende Armatur nicht öffnen, 2005 schloss ein Absperrventil im Not- und Nachkühlsystem nicht. Die Liste von Defekten kann endlos fortgesetzt werden. Auch wurden bereits 2003 Fehler an elektronischen Baugruppen festgestellt, die auf Alterungsprozesse zurückzuführen sind. Ein Notstromfall ist laut Deutscher Risikostudie Kernkraftwerke einer der gefährlichsten Störfälle, da die Leit- und Sicherheitstechnik von Atomkraftwerken ständig mit Strom versorgt werden muss. 2004 kam es in Biblis B nach einem Unwetter zu einem Notstromfall. Aufgrund eines Ausfalls des öffentlichen Stromnetzes standen weder Hauptnetzanschluss noch Reservenetzanschluss zur Verfügung. Gleichzeitig versagte die Eigenbedarfsversorgung durch den Hauptgenerator. Glücklicherweise sprangen die Notstromdiesel an, was auch nicht selbstverständlich ist. Nur ein halbes Jahr vorher gab es erhebliche Probleme mit den Notstromdieselanlagen. Erdbebengefahr Für Biblis B gelten grundsätzlich die gleichen Risiken und Mängel in Bezug auf die Erdbebenabsicherung wie bei Biblis A. - 5 -

2.5. Brunsbüttel Allgemein Brunsbüttel ist gemessen am Betriebs-Indikator (BI) das problematischste Atomkraftwerk in Deutschland. Summiert man alleine die Stillstandszeiten auf, die länger als ein Jahr gedauert haben, so kommt man auf rund sechs Jahre, die Brunsbüttel wegen Sicherheitsproblemen vom Netz genommen werden musste. Probleme und Pannen Gravierend sind nicht nur die Störfälle, sondern auch die Reaktion des Betriebspersonals auf diese Störfälle. Als es 2001 zu einer Knallgasexplosion kam, die eine Rohrleitung in unmittelbarer Nähe des Reaktordruckbehälters auf 2,7 Meter Länge zerstörte, führte dies nur durch ein Wunder zu nicht schlimmeren Folgen. Die Bedienmannschaft schätzte den Vorfall völlig falsch ein. Erst zwei Monate später wurde das ganze Ausmaß des Schadens bei einer Inspektion entdeckt. In den folgenden Untersuchungen wurden erhebliche Mängel im Bereich der technischen Diagnostik, der Arbeitsorganisation und der Anwendung von Vorschriften ermittelt. Im Sommer 2002, also nach 26 Jahren Betrieb, wurden Planungsfehler bzw. fehlerhafte Umsetzungen der Baupläne bei den Steuerungen der Notstromversorgung und den Not- und Nachkühleinrichtungen festgestellt. Diese Fehler hätten im Ernstfall dazu führen können, dass bei bestimmten Störfällen die Notsysteme teilweise oder total ausgefallen wären. Bauliche Risiken Neben der besonderen Störanfälligkeit und den Werkstoffproblemen, die vermutlich mit der Alterung der Anlage zunehmen, weist das AKW Brunsbüttel eine grundlegende Auslegungsschwäche auf. Die Bodenwanne des Containments würde im Falle einer Kernschmelze innerhalb weniger Minuten durchschmelzen, Radioaktivität würde sehr schnell freigesetzt werden. So ein Durchschmelzen würde in neueren Anlagen Tage brauchen. Die Verwundbarkeit gegenüber Terrorangriffen ist aufgrund der Bauart noch höher als bei Biblis A. Hinzu kommt, dass Brunsbüttel an einer der meistbefahrenen Wasserstrassen Deutschlands liegt. Alleine 1998 passierten mehr als 30.000 Schiffe den Standort. Dies vergrößert die potenzielle Bedrohungslage, weil das AKW von Terroristen auch vom Schiff aus angegriffen werden könnte. 2.6. Neckarwestheim-1 Sicherheitsrisiko Neckarwestheim-1 Verglichen mit Deutschlands zehn ältesten Anlagen liegt der BI von Neckarwestheim-1 eher im unteren Bereich. Bei Neckarwestheim-1 wird ein anderes Problem der Atomindustrie offensichtlich: In den letzten Jahren war immer wieder eine fehlende Sicherheitskultur, Betriebsverstöße und pure Schlamperei Anlass zur Sorge. 1997 stellte ein Ausschuss der Reaktorsicherheitskommission fest, dass zum Teil über Jahre hinweg gegen Vorgaben des Betriebshandbuches verstoßen wurde. 2002 wurde festgestellt, dass bei einer sicherheitstechnisch wichtigen Lüftungsanlage gepfuscht wurde. Ein Bauteil wurde falsch herum eingebaut und war damit funktionsuntüchtig. 2002 setzte ein Arbeiter ein Brennelement auf eine schon besetzte Position, wodurch der Räumungsalarm ausgelöst wurde. Eine spätere Untersuchung ergab vor allem Mängel in der Sorgfaltspflicht und Fachkunde sowie in der Arbeitsorganisation. Auch bei einem Leck der Verdampferanlage der nuklearen Abwasseraufbereitung wurden - 6 -

2003 bei der Ursachenanalyse menschliche Fehlhandlungen und Nichtbeachtung administrativer Vorgaben festgestellt. Diese Sicherheitskultur ist als äußerst bedenklich einzustufen. Unverständlich ist, dass trotz des massiven Einschreitens der Atomaufsichtsbehörden die Verstöße über Jahre weitergingen. Erdbebensicherheit In Neckarwestheim-1 wird das generelle Risiko eines Atomkraftwerkes noch durch die ungenügende geologische Eignung erhöht. Gesteinsaufbau und Grundwasserverhältnisse werden am Standort als ungeeignet bezeichnet, da sich immer wieder Hohlräume bilden. Nach 1995 wurden zwei Hohlräume auf dem Gelände des AKWs geortet, was von der Landesregierung allerdings erst 1999 zugegeben wurde. Ende 2002 gab es einen unerwarteten Erdeinbruch nur 4,5 Kilometer vom Kraftwerk entfernt. Der Einbruch reichte bis in eine Tiefe von 18 Metern. Darüber hinaus werden in einer aktuellen Studie die bisherigen Berechnungen zur Erdbebensicherheit des Standortes in Frage gestellt. Nach Ansicht des Seismologen Professor Jentzsch aus Jena ist der Untergrund nicht so stabil wie in den Betreiber-Gutachten angenommen wird. Terrorsicherheit ist am Standort Neckarwestheim-1 auch nicht gewährleistet. Der Stahlbeton der Kuppel ist maximal für den Aufprall eines nicht bewaffneten Starfighters ausgelegt. 3. Fazit Dass die CDU die Laufzeitendebatte angestoßen hat war überfällig. Nur kommt sie zu einem falschen und für die öffentliche Sicherheit gefährlichen Ergebnis: Laufzeitverlängerung. Betrachtet man die vier Atomkraftwerke, die in der nächsten Legislaturperiode zur Abschaltung anstehen, wird deutlich, dass die AKWs vom Netz müssen und zwar so schnell wie möglich. Jeden Tag, den die Kraftwerke länger laufen, bedeutet ein Tag Risiko mehr. Gemessen an der Häufigkeit von Gefährdungszuständen gehören die vier Atomkraftwerke, über die bei der nächsten Bundestagswahl entschieden wird, zu den problematischsten in Deutschland. Biblis A, Biblis B, Brunsbüttel und Neckarwestheim 1 sind die ältesten noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland. Sie sollten, so zeigt die Greenpeace-Studie, so schnell wie möglich vom Netz genommen werden. Weitere Informationen im Internet unter www.greenpeace.de/themen/atomenergie V.i.S.d.P. Thomas Breuer, Greenpeace e.v., Große Elbstraße 39, 22767 Hamburg, August 2005-7 -