Neue Planungskultur einer strategischen Zwischennutzung von Stadtbrachen Potentiale des Fallbeispiels Revaler Viereck, Berlin unter Berücksichtigung des Modellvorhabens Kabelwerk, Wien Bearbeitet von Dipl.-Ing. Kathrin Steimle Masterthesis im Masterstudiengang Stadtplanung Fachhochschule Stuttgart Hochschule für Technik Vorgelegt im April 2005 Betreuer: Prof. Dr. Joachim Frowein Prof. Dr. Detlef Kurth
Inhaltsverzeichnis Neue Planungskultur einer strategischen Zwischennutzung von Stadtbrachen Potentiale des Fallbeispiels Revaler Viereck, Berlin unter Berücksichtigung des Modellvorhabens Kabelwerk, Wien Inhaltsverzeichnis Vorwort... 1 Abkürzungsverzeichnis... 2 Kurzfassung... 3 Abstact... 5 1 Einführung und Relevanz des Themas...6 1.1 Untersuchungsgegenstand...6 1.2 Methodik...7 1.3 Ziele...8 2 Stadtbrachen als Entwicklungspotenzial...10 2.1 Brachflächenentwicklung...10 2.2 Nachhaltige Entwicklung von Brachflächen...11 2.2.1 Innenentwicklung...11 2.2.2 Chancen künftiger Stadtentwicklung...12 2.3 Planungskonzepte...12 2.3.1 Konzeptionelle Strategien...13 2.3.2 Beispielhafte Umsetzung...15 2.4 Folgerungen...16 3 Künftige stadtplanerische Herausforderungen...18 3.1 Urbanes Stadtleben...18 3.1.1 Kontroverse Stadtmodelle...18 3.1.2 Anforderung an städtisches Leben...19 3.1.3 Dynamik städtischer Nutzungen...20 3.2 Planungsprozesse im Wandel...21 3.2.1 Projektorientierte Strategie...21 3.2.2 Planungskultur als Prozess...22 3.2.3 Stellenwert heutiger Leitbilder...23 3.3 Flexible Planungsinstrumente...24 3.3.1 Städtebauliche Instrumente...24 3.3.2 Temporäres Baurecht...26 3.4 Folgerungen...27 I
Inhaltsverzeichnis 4 Temporäre Nutzung als Bestandteil der Revitalisierung...29 4.1 Entstehung temporärer Nutzung...29 4.1.1 Begriff, Typologie, Nutzerprofil...29 4.1.2 Chancen und Hemmnisse...31 4.2 Stimulierende Brachflächenentwicklung mittels temporärer Nutzung...31 4.2.1 Strategische Zwischennutzung...32 4.2.2 EU Forschungsprojekt: Urban Catalyst...33 4.2.3 Weitere Zwischennutzungsprojekte...35 4.3 Best Practice: Kabelwerk Wien...36 4.3.1 Räumlicher Kontext...37 4.3.2 Kooperative Planungsstrategie...37 4.3.3 Standortfaktor: Temporäre Nutzung...39 4.4 Rahmenbedingungen temporärer Nutzung...41 4.4.1 Temporär genutzte Möglichkeitsräume...41 4.4.2 Administrative, planungsrechtliche und finanzielle Möglichkeiten...41 4.4.3 Nutzungsmanagement...43 4.5 Kriterien temporärer Revitalisierungsstrategien...44 5 Revaler Viereck pulsierende Brachfläche im Berliner Spreeraum...49 5.1 Entwicklung Berlins nach der Wende...49 5.2 Strategische Entwicklungsvorschläge Spreeraum...51 5.2.1 Leitbilder und Konzepte...51 5.2.2 Lokale Besonderheiten: Friedrichshain-Kreuzberg...54 5.3 RAW Gelände - Revaler Viereck...57 5.3.1 Historische Entwicklung des Reichsbahn-Ausbesserungswerks...57 5.3.2 Standortmerkmale und Gebietscharakter...58 5.3.3 Gebietsentwicklung durch RAW-tempel e.v. und Partner...59 5.4 Planungsprozess...62 5.4.1 Gutachterverfahren...63 5.4.2 Ideenaufruf...66 5.4.3 Bebauungsplanentwurf...67 5.4.4 Weitere Entwicklung...71 6 Anspruch und Wirklichkeit Revaler Viereck...73 6.1 Kriterienprüfung temporärer Revitalisierungsstrategien...73 6.2 Schlussfolgerung und Handlungsempfehlungen...82 7 Ergebnisse und Übertragbarkeit...85 Quellenverzeichnis... 86 Abbildungsverzeichnis... 97 Anhang... 98 II
Vorwort Vorwort Die Bearbeitung der vorliegenden Masterthesis zum Thema Neue Planungskultur einer strategischen Zwischennutzung von Stadtbrachen war für mich persönlich eine große Herausforderung und Motivation für das künftige Praxisfeld als Stadtplanerin. Hier war es mir möglich meine bis dato gewonnen Erkenntnisse, im Besonderen durch meinen Masterstudiengang Stadtplanung an der Fachhochschule für Technik in Stuttgart, auszubauen und diese in die Erstellung der Arbeit einfließen zu lassen. Es ist mir ein Anliegen, mich bei all denjenigen zu bedanken, die mich bei der Anfertigung der Arbeit unterstützt haben. Besonderer Dank gebührt zunächst Herrn Prof. Dr. Joachim Frowein und Herrn Prof. Dr. Detlef Kurth von der Fachhochschule für Technik in Stuttgart für die Unterstützung bei der Konkretisierung der Fragestellung und der Begleitung des Arbeitsprozesses. Auch möchte ich mich bei allen Interviewpartnern aus Berlin und Wien für die sehr offenen und informativen Gespräche bedanken. Daher ist mir wichtig, sie an dieser Stelle persönlich zu benennen: Herrn Dr. Franz Schulz, Bezirksstadtrat Stadtplanungsamt Friedrichshain-Kreuzberg; Frau Dipl.-Ing. Regina Obermann, Stadtplanungsamt Friedrichshain-Kreuzberg; Herrn Dipl.-Ing. Peter Hauck, Studio UC Berlin; Frau Dipl.-Ing. Ines Rudolph, tx: büro für temporäre Architektur - Ideenaufruf Berlin; Herrn Dipl.-Ing./MBA Joachim Wolf, Vivico Real Estate GmbH Berlin; Herrn Dipl.-Ing. Frank Vettel, Hochbauserviceleiter Friedrichshain-Kreuzberg; Frau Frauke Hehl, Workstation - Ideenaufruf Berlin; Herrn Andreas Vornehm, RAW-tempel e.v. Berlin; Frau Dipl.-Ing. Jutta Kleedorfer, Magistratsabteilung 18 Wien; Herrn Dipl.-Ing. Volkmar Pamer und Herrn Dipl.-Ing. Herbert Buchner, Magistratsabteilung 21 Wien; Herrn Dipl.- Ing. Rudolf Kohoutek, Stadtforscher Wien; Herrn Dipl.-Ing. Manfred Wasner, Bauträger GmbH Kabelwerk Wien. Insbesondere möchte ich mich zudem bei Herrn Martin Hassa, Frau Juliane Conrad, Herrn Klaus Schmidt-Bucher und Frau Ulrike Wirth für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und ihre wertvollen Hinweise bedanken. 1
Kurzfassung Kurzfassung Angesichts der eingeschränkten öffentlichen Haushaltslage der vorwiegend auf Wachstum ausgerichteten Städte und des gesellschaftlichen Wandels mit veränderten Anforderungen steht die Planungskultur vor neuen Herausforderungen. Der ökonomische Umbruch reißt zudem große Lücken ins Stadtgefüge, was viele Städte zum Umbau brachgefallener Flächen bewegt. Bei einem ökologisch wie ökonomisch beschränkten Handlungsspielraum gewinnt daher deren Nutzung an Bedeutung. Der Entwicklung von Stadtbrachen kommt hier eine Sonderstellung zu, da sie aufgrund ihrer zentralen Lage im Stadtgefüge, besonders im Sinne der nachhaltigen Innenentwicklung, zu aktivieren sind. Aufgrund einer häufig schwierigen Vermarktungssituation und großer Hemmnisse bei der Entwicklung von Brachflächen, wie die Altlastensanierung, die Schaffung des erforderlichen Baurechts etc., entwickeln sich diese Gebiete meist nur zögerlich. Es bedarf daher einer strategischen Neuorientierung im Umgang mit Brachen, die die bestehenden Handlungsoptionen sinnvoll ergänzt. Zu beobachten ist, dass sich auf Stadtbrachen zunehmend kleinteilige temporäre Potentiale entwickeln, die oftmals den Nährboden für unerwartete Aktivitäten bilden. Gerade die spezifischen Schlüsseleigenschaften dieser Gebiete, wie Zentralität, Flächen- und Objektparameter, das vorhandene Milieu etc., führen häufig zur Ansiedlung innovativer Nutzergruppen, die zur Stärkung einer vielfältigen Stadtstruktur beitragen können. Die vorliegende Arbeit untersucht die Fragestellung, ob dieses temporäre Potential die Chance bietet, bewusst zur Revitalisierung von Stadtbrachen eingesetzt zu werden. Neben den bekannten stadtplanerischen Strategien könnte damit der Weg in Richtung einer Experimentellen Stadtentwicklung geebnet werden, in der neue planerische Zielfindungsprozesse im Kleinen ausprobiert werden, ohne dem Risiko der Irreversibilität ausgesetzt zu sein. (Altrock 1998: 33) Wie uns das Modellvorhaben des Kabelwerks in Wien beispielhaft zeigen wird, ist eine Planungsstrategie unter Einbezugnahme temporärer Aktivitäten erstrebenswert. Darüber hinaus verdeutlicht es, dass temporäre Aktivitäten nicht nur ein Phänomen stagnierender Wirtschaftssysteme sind, sondern dass sie generell bei der Gebietsentwicklung die Chance bieten, den Transformationsprozess eines Geländes einzuleiten und diesen nachhaltig zu stützen. In Berlin stößt derzeit die konventionelle Projektentwicklung trotz zahlreicher Konzepte angesichts einer schwierigen Vermarktungssituation an ihre Grenzen. Das Leitbild Spreeraum sieht daher ein zukunftsfähiges und vielschichtiges Nutzungs- und Gestal- 3
Kurzfassung tungsprofil vor, in das sich auch Einzelvorhaben einfügen lassen und das quartiersbezogene Entwicklungsmöglichkeiten zulässt. Zusehends werden hier die Potentiale auf den zahlreichen Brachflächen erkannt und es wird daher ein entwicklungsförderlicher kreativer Umgang mit ihnen gefordert. Wie das untersuchte Fallbeispiel des Revaler Vierecks zeigt, entwickeln sich hier oftmals endogene temporäre Potentiale, die dem Ort ein eigenes markantes Profil verleihen. Auf dem Gelände ist längerfristig die Entstehung eines urban gemischten Stadtquartiers vorgesehen, wobei derzeit aufgrund mangelnder Nachfrage nicht abzuschätzen ist, wann dessen Umsetzung stattfindet. Umso wichtiger erscheint daher, wie in dem Ergebnis des Gutachterverfahrens gefordert, dass das bestehende temporäre Potential in eine prozesshafte Entwicklung involviert wird. Vorgesehen sind unterschiedliche Entwicklungspfade, um variabel auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können. Diese Arbeit untersucht anhand des Revaler Vierecks, welche Qualitäten die bestehenden temporären Nutzungen im Einzelnen besitzen, wie die Auswirkungen auf das Gebietsimage zu beurteilen sind, ob die Standortqualität durch das Nutzungsangebot verbessert und ob bestehende Defizite des Umfeldes ausgeglichen werden konnten. Des Weiteren folgt die Frage, inwiefern dieses Potential insgesamt Einfluss auf die Entwicklung des Areals hat und welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einbeziehung temporärer Strategien gegeben sein müssen. Vertieft wird hier das mit der neuen Novelle des Baugesetzbuches eingeführte Baurecht auf Zeit untersucht und auf dessen Möglichkeiten zur Gebietsentwicklung des Revaler Vierecks überprüft. Schließlich wird in einer abschätzenden Bewertung analysiert, ob sich die gefundenen Ergebnisse auf andere Praxisfelder übertragen lassen. 4
Abstract Abstract In the presence of the limited public household situation of those towns manly being focused on growth and viewing society's change with different requirements, the culture of town-planning is facing new challenges. The radical economical changes create big gaps in the townscape, leading many towns and cities to reuse fallow areas. The benefit of the latter gains in meaning when taking ecological and economically limited capacities into consideration. The development of fallow areas in towns here reaches an exceptional status as they are worth being activated for their central position in the urban area, particularly in the sense of effective inner development. Based on an often difficult marketing situation and massive obstacles in the development of fallow land, such as rehabilitation of dangerous waste residues, the establishment of necessary building regulations etc., those areas only develop hesitatingly. There is need for a strategically renewed orientation in handling fallow land, adding meaningfully to existing manners of procedure. The increasing development of minor temporary potentials in fallow areas often creating the soil for unexpected activities is being observed. Especially the key attributes of these areas, such as central position, area- and object- parameters, the environment given etc., often lead to the establishment of innovative groups of users, which can add to strengthening of a manifold town structure. The paper at issue investigates the problem whether the present potential offers the chance of being employed to revitalise fallow town areas. Alongside the known town planning strategies the way to an 'Experimental town planning' could be opened, in which "new planners aims might be tested in small scale without the risk of irreversibility" (Altrock, 1988; pg. 33) As the model of "Kabelwerk Wien" (Cable factory Vienna) will show, an operation strategy including temporary activities is desirable. Moreover it illustrates that temporary activities are not simply a phenomenon of stagnating economical systems, but generally offering a chance in the areas' development to trigger off the process of transformation and support this effectively and lastingly. Despite numerous concepts and facing a difficult marketing situation, at present conventional project development in Berlin is reaching its limits. The model area "Spreeraum" ("Spree Area") therefore intends a promising and complex profile of use and design, in which particular projects can easily be inserted and district-related chances of development are being allowed. The potentials of the numerous fallow 5
Abstract areas are being recognized and therefore a development-friendly and creative treatment is required. As the case-study "Revaler Viereck" shows, endogenous temporary potentials often develop, which give characteristic profile to the place. In the long term the creation of an urban mixed town district in this area is intended, whereas at present the realization cannot be foreseen because of low demand. So it appears even more important to involve the temporary potential into the process-like development, as required in the result of the experts' opinions. Provided are different paths of development to react variably to changing conditions. On the basis of the "Revaler Viereck" this survey asks which qualities the present ways of usage contain, how the influences on the area's image can be discussed, whether location quality might be improved by offers in usage and whether existing deficits of the environment can be leveled out. The question to follow will be in how far the potential given shows influences on the development of the area and which prerequisites have to be set up to successfully include temporary strategies. In detail the recently introduced amendment of the building- and construction regulations (BauGB) - the "temporary regulation of building and constructing" (Baurecht auf Zeit) is being investigated on the basis of its possibilities concerning areadevelopment of the "Revaler Viereck".Finally an estimating valuation analyses, if research results are able to be put into being in different practical fields. 6