Anwendung und Regulierung der neuen Pflanzenzüchtungstechniken aus deutscher Sicht. Hans-Jörg Buhk Quedlinburg, 18.06.2014



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Transkript:

Anwendung und Regulierung der neuen Pflanzenzüchtungstechniken aus deutscher Sicht Hans-Jörg Buhk Quedlinburg, 18.06.2014

New Techniques Working Group Einrichtung: Auf Vorschlag von national zuständigen Behörden gemäß der Richtlinie 2001/18/EC (Freisetzung) und der Richtlinie 2009/41/EC (contained use) eingerichtet im Oktober 2007 Auftrag: Bewertung von Neuen Techniken für genetische Veränderungen und Züchtung im Kontext der EU-Richtlinien zur Gentechnik Mitglieder: Zwei Experten aus jedem der 27 EU-Länder Durchführung: Europ. Kommission, DG Environment /DG Sanco Sitzungen: 9 mal in Brüssel, Dez. 2008 bis April 2011; umfangreiche e-mail-korrespondenz Abschlußbericht: Dezember 2012 3. Juli 2014 2

WGNT WGNT Mandat: - Auf wissenschaftlicher Grundlage bewertet, ob die einzelnen der 8 Techniken und weitere Untergruppierungen in den Geltungsbereich von RL 2001/18/EG und RL 2009/41/EG fallen. - the finding of the WG may be referred to the EFSA for opinion 3. Juli 2014 3

Neue Techniken 1. Oligonucleotide Directed Mutagenesis (OdM) 2. Zinc Finger Nuclease Technology (ZFN) (comprising ZFN-1, ZFN-2 and ZFN-3 as defined in the report) 3. Cisgenesis (comprising Cisgenesis and Intragenesis) 4. Grafting 5. Agro-infiltration plus floral dip 6. RNA-dependent DNA methylation (RdDM) 7. Reverse breeding 8. Synthetic Genomics 3. Juli 2014 4

NTTF Report Scope (JRC, Ispra) Having in mind that enforcement becomes more difficult if the resulting genetic modifications cannot be distinguished from those produced by conventional breeding techniques or by natural genetic variation, the NTTF discussed and differentiated the concepts of detection and identification. DETECTION: detection of a genetic modification means that it is possible to determine the existence of a change in the genetic material of an organism (for instance at the level of DNA through the presence of a novel DNA sequence) by reference to an appropriate comparator. IDENTIFICATION: identification of a genetic modification means that it is possible not only to detect the existence of a change in the genetic material of an organism (see before) but it is also possible to identify the genetic modification as intentionally introduced into the recipient. 3. Juli 2014 5

NTTF Report (JRC, Ispra) Eine Veränderung eines einzelnen Basenpaares im Genom eines bestimmten Organismus kann detektiert werden. Aber solche Detektion gibt keinen Hinweis, ob diese Änderung zufällig oder absichtlich eingeführt wurde 3. Juli 2014 6

NTTF Report (JRC, Ispra) Die Task Force on Detecting and Identifying Crops Produced with the New Plant-Breeding Techniques (NTTF) hat in ihrer Stellungnahme zum Ausdruck gebracht, dass eine genetische Modifikation mindestens 20 Nukleotidpaare (NP) umfassen muss, um die Identifizierung des resultierenden Organismus auf der Grundlage der Modifikation zu erlauben. 3. Juli 2014 7

NTTF Report (JRC, Ispra) Eine spezifische Sequenz von 20 NP innerhalb einer Nukleotidsequenz mit einer zufälligen Verteilung der NP erscheint statistisch einmal in 4 20 NP (1,1 x 10 12 NP). Folglich sind bestimmte Sequenzen von weniger als 20 NP in großen Genomen wie z.b. von Mais (das haploide Genom umfasst 2,5 x 10 9 NP), mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten. 3. Juli 2014 8

NTTF Report (JRC, Ispra) Eine absichtliche Änderung von weniger als 20 NP kann von dem zufälligen Vorkommen dieser Sequenz nicht hinreichend sicher unterschieden werden. Bestimmte Sequenzen von weniger als 20 NP können zwar nachgewiesen werden, eignen sich jedoch nicht zur Bestimmung ihrer Herkunft. Sie sind nicht von den durch konventioneller Mutagenese oder natürliche Mutation entstandenen genetischen Veränderungen (zufälliges Vorkommen) zu unterscheiden. Die durch Mutagenese-Verfahren induzierten Mutationen gelten gemäß 3 Nr. 3b. Satz 2 Buchst. A GenTG nicht als gentechnische Veränderungen. 3. Juli 2014 9

NTTF Report (JRC, Ispra) In den sequenzierten Genomen von 80 Isolaten der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) aus verschiedenen Regionen wurden 810.467 Insertionen bzw. Deletionen von ein bis 20 NP gefunden (Cao et al., 2011). 3. Juli 2014 10

NTTF Report Summary Table NTTF OUTCOME SUMMARY TABLE New Plant Breeding Technique Name Identification Possibility Identification Possibility With Prior Knowledge Without Prior Knowledge Zinc Finger Nuclease (ZFN) ZFN-1 NO NO ZFN-2 NO NO ZFN-3 YES NO Oligonucleotide Directed Mutagenesis (ODM) NO NO Cisgenesis Cisgenesis YES NO Intragenesis YES NO RNA-dependent DNA methylation NO NO Grafting NO NO Reverse Breeding NO NO Agro-infiltration Agro-infiltration NO NO Agro-inoculation NO NO Floral dip YES NO 3. Juli 2014 11

3. Juli 2014 12

3. Juli 2014 13

Offers the European GMO Regulation possibilities for deregulation of cisgenic crops? cisgenesis of plants should not be under the GMO Regulation, like selfcloning. In support, we mention the definition of a GMO in Annex 1A of the GMO Directive 2001/18/EC, which says that a GMO should contain a novel combination of genetic material. Cisgenic plants do not contain novel combinations of genetic material compared to conventional breeding, and therefore should not be regarded as GMOs according to Annex 1A of 2001/18/EC. We conclude that cisgenic plants without foreign DNA should not be regarded as GMOs, and therefore should not be covered by the GMO Regulation. White Paper / www.cisgenesis.com 3. Juli 2014 14

Richtlinie 2001/18/EG ANHANG I A VERFAHREN IM SINNE VON ARTIKEL 2, NUMMER 2 TEIL 1 Verfahren der genetischen Veränderung im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe a) sind unter anderem: 1. DNS-Rekombinationstechniken, bei denen durch die Insertion von Nukleinsäuremolekülen, die auf unterschiedliche Weise außerhalb eines Organismus erzeugt wurden, in Viren, bakterielle Plasmide oder andere Vektorsysteme neue Kombinationen von genetischem Material gebildet werden und diese in einen Wirtsorganismus eingebracht wurden, in dem sie unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen, aber vermehrungsfähig sind; 2. Verfahren, bei denen in einen Organismus direkt Erbgut eingeführt wird, das außerhalb des Organismus zubereitet wurde, einschließlich der Mikroinjektion, Makroinjektion und Mikroverkapselung 3. Zellfusion 3. Juli 2014 15

3 Nr. 3a. GenTG Sind Verfahren der Veränderung genetischen Materials in diesem Sinne [...] insbesondere a. Nukleinsäure-Rekombinationstechniken, bei denen durch die Einbringung von Nukleinsäuremolekülen, die außerhalb eines Organismus erzeugt wurden, in Viren, Viroide, bakterielle Plasmide oder andere Vektorsysteme neue Kombinationen von genetischem Material gebildet werden und diese in einen Wirtsorganismus eingebracht werden, in dem sie unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen, b. Verfahren, bei denen in einen Organismus direkt Erbgut eingebracht wird, welches außerhalb des Organismus hergestellt wurde und natürlicherweise nicht darin vorkommt, einschließlich Mikroinjektion, Makroinjektion und Mikroverkapselung, c. Zellfusionen oder Hybridisierungsverfahren 3. Juli 2014 16

3 Nr. 3 GenTG Gentechnisch veränderter Organismus ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind. 3. Juli 2014 17

Empfehlungen der gemeinsamen Stellungnahme (acatech, Leopoldina, DFG): 1. die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) zu beauftragen, ein Wissenschaftliches Monitoring durchzuführen, um die aktuellen Entwicklungen sachverständig und kritisch zu begleiten 2. 3. eine Kontaktstelle mit einer standardisierten Datenbank zur Überprüfung der DNA-Sequenzen einzurichten, an die sich Unternehmen bei fragwürdigen Bestellungen wenden können 4. 5. 3. Juli 2014 18

3. Juli 2014 19

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kontakt: Hans-Jörg.Buhk@bvl.bund.de 3. Juli 2014 Seite 20