Lifestyle Intervention für Brustkrebspatientinnen nur eine Modeerscheinung oder evidenzbasierte Medizin? Martin Kolben Praxis für FRAUENGESUNDHEIT Gräfelfing
Epidemiologie für Fortgeschrittene Jede 8. - 10. Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an einem Mammakarzinom : Diese Aussage gilt für ein Neugeborenes! Kumulatives Brustkrebsrisiko: 8-10% Absolutes Erkrankungsrisiko - 55 jährige Frau: 0,24% - 65 jährige Frau: 0,28% Das heißt: 2-33 von 1000 Frauen im Alter zwischen 55 und 60 Jahren erkranken an Brustkrebs!
Risikofaktoren Präkanzerosen (DCIS, LCIS) Familiäre Belastung BRCA1/2 - Mutationen verlängerte Östrogen - Exposition (frühe Menarche, späte Menopause, Hormonersatztherapie) Nulliparität Späte Erstgravidität (nach dem 30. Lebensjahr) Ernährung (Übergewicht!) Nikotin-, Alkoholkonsum
Beeinflussung des Erkrankungsrisikos Kumulatives Risiko /1000 Frauen 70 60 50 40 30 20 10 0 45 50 55 60 65 70 Alter [Jahre] keine Hormone 5 J. Hormone 10 J. Hormone Übergewicht Alkohol Sport NEJM 1997, JAMA 1997, JAMA 1998
Brustkrebs Einfluss der Ernährung auf die Häufigkeit H der Erkrankung Diet and breast cancer: A review of the prospective observational studies. Karin B. Michels et al., Cancer, 2007 Untersuchte Faktoren: Fett Obst und Gemüse Vitamine Antioxidantien Kohlenhydrate Milchprodukte Soya und Isoflavone Alkohol Signifikanter Zusammenhang: Übergewicht Gewichtszunahme Alkohol
Brustkrebs und Übergewicht Ätiologie: Mehr als 25% aller Brustkrebsfälle sind Folge von Übergewicht und mangelnder Bewegung A. McTiernan, Oncologist 2003 (Schätzung) Risiko: Übergewicht führt zu signifikanter Zunahme der Brustkrebsfälle EHBCCG, J Natl Cancer Inst 2003 Prognose: Übergewichtige Brustkrebspatientinnen haben eine höhere Rezidiv- und Mortalitätsrate C.L. Rock et al., J Clin Oncol 2002 C.H. Kroenke, J Clin Oncol 2005
San Antonio Breast Cancer Symposium 13. - 17. Dezember 2006 R.N. Chlebowski et al., J Natl Cancer Inst 2006
WINS - Studie Keine signifikanten Unterschiede zwischen Studien- und Kontrollgruppe (bei Studienbeginn) hinsichtlich (Angaben als Mittelwerte): Ernährung (jeweils 29,6% der Kalorien als Fette) Body Mass Index (27,6 bzw. 27,5 kg/m 2 ) Gewicht (72,7 bzw. 72,6 kg)
WINS - Studie Diät - Schulung: Initial 8 Sitzungen alle 2 Wochen (Dauer ca. 1 h) Folgekontakte alle 3 Monate (Besuch oder Anruf) optional monatliche Gruppensitzungen Diät - Überwachung: tägliche Dokumentation der zugeführten Fettmenge
WINS - Studie Relapse free survival: HR 0.79 (95% CI = 0.62-1.00) Overall survival: HR 0.78 (95% CI = 0.59-1.03)
Mammakarzinom und adjuvante Therapie WINS Trial RFS HR 0.79 95% CI = 0.62-1.00 ATAC Trial Anastrozol vs. Tam DFS HR 0.87 95% CI = 0.78-0.97 Henderson Trial CA vs. CA + T DFS HR 0.72 (ER-) 95% CI = 0.59-0.86 HR 0.91 (ER+) 95% CI = 0.78-1.07 R.N. Chlebowski et al., J Natl Cancer Inst 2006 A. Howell et al., Lancet 2005 I.C. Henderson et al., J Clin Oncol 2003
Der Kranke traut nur widerwillig dem Arzt, der's schmerzlos macht und billig. Lasst nie den alten Grundsatz rosten: es muss a) wehtun, b) was kosten. Eugen Roth
WHEL Studie (Women's Healthy Eating and Living Study) Pierce et al., JAMA 2007 Prospektiv randomisierte Studie, n = 3088 Studiengruppe: Telefonberatung Kochkurse Zusendungen ( newsletter ) Kontrollgruppe: Ergebnis: Kritikpunkte: Zusendung mit Informationen über gesunde Ernährung kein signifikanter Unterschied der Rezidivraten keine intensive Diätschulung keine Gewichtsreduktion
Brustkrebs, Ernährung und Sport Wirkmechanismen Fettreduzierte, ballaststoffreiche Diät und sportliche Betätigung reduzieren die Serumkonzentrationen von Insulin, IGF-1 und Östradiol A.J. Barnard et al., Nutr Cancer 2006 Leptin (im Fettgewebe produziert) aktiviert MAP-Kinase und NF-κB-Stoffwechselwege Apoptose-Resistenz P. Rouet-Benzineb et al., J Biol Chem 2004 Alpha-Linolsäure (ALA) unterdrückt die Überexpression des Her-2 Onkogens in vitro J.A. Menendez et al., Clin Transl Oncol 2006
Brustkrebs Risiko Frauen mit einem Geburtsgewicht > 3800 g haben im Vergleich zu Frauen mit einem Geburtsgewicht < 2500 g ein um 34% (signifikant) erhöhtes Risiko für ein prämenopausales Mammakarzinom K.B. Michels, Oxford Journals Online 2007
Karzinomentstehung genetische / perinatale Risikofaktoren Umwelteinflüsse Ernährung/Sport M.T. Williams, N.G. Hord, Nutr Clin Pract 2005 M. Luijten et al., Nutr Cancer 2004
Krebs und Übergewicht Übergewicht korreliert mit erhöhten Todesraten für alle Karzinomerkrankungen E.E. Calle, New Engl J Med 2003 Prospektive Kohortenstudie, n = 900 000
Brustkrebs und Rauchen Mädchen, die innerhalb von 5 Jahren nach der Menarche anfangen, zu rauchen, haben ein um 70% höheres Brustkrebsrisiko, als Nichtraucherinnen. P.R. Band, Lancet 2002 Umfrage, n = 648 Rauchen vor der ersten Geburt erhöht das Risiko für Brustkrebs deutlicher, als Rauchen danach. M. Ha, Am J Epidemiol 2007 Umfrage, n = 56 042
Brustkrebs und Rauchen Prospektiv randomisierte Studie in Canada weist eine Assoziation zwischen Zigarettenkonsum (Intensität, Dauer, Beginn in frühem Alter) und Brustkrebs-Risiko nach (n = 89 835). Y. Cui, Breast Cancer Res Treat 2006
Brustkrebs und Alkohol Alkoholkonsum führt über verschiedene Mechanismen zu einer Risikoerhöhung für Mammakarzinom: - vermehrte Östrogenproduktion - verminderte Östrogen-Clearance - Bildung von Acetaldehyd (karzinogen) R. Suzuki, J Natl Cancer Inst 2005 Prospektive Studie, n = 51 847
Brustkrebs und Alkohol EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) n = 274 688, Follow-up 6,4 Jahre 4 285 Fälle von invasivem Brustkrebs 35 75 Jahre Incidence Rate Ratio (IRR) 1,03 je 10 g/tag Alkoholaufnahme vs. Abstinenz 1,13 für mehr als 19 g/tag Tjonneland A et al.: Cancer Causes Control 2007; 18: 361 73
Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung Gesunde Ernährung: 60 % Kohlenhydrate 15 % Eiweiß 25 % Fett
Übergewicht als gesellschaftspolitisches Problem in Deutschland Kinder: Medienkonsum korreliert mit Übergewicht! Erwachsene: 30 % körperlich kaum aktiv 45 % treiben gar keinen Sport 13% sind 3x pro Woche 30 min sportlich aktiv!
Übergewicht als gesellschaftspolitisches Problem in Deutschland International Association for the Study of Obesity (IASO) 2007 Kinder und Jugendliche: Ca. 20 % übergewichtig, 7 8 % adipös Frauen: Ca. 60 % übergewichtig oder adipös Männer: Ca. 75 % übergewichtig oder adipös
Übergewicht als gesellschaftspolitisches Problem in Deutschland Folgen von Übergewicht: - Zunahme von Krebserkrankungen - Koronare Herzerkrankung (Stent, Bypass) -Hypertonie -Diabetes - Gelenkprobleme (Hüft-, Knieprothesen) - Psychosoziale Probleme (Depression, Partnersuche) Geschätzte Kosten für Übergewicht (2006): 10 20 Milliarden Euro!
Lebensstil und Brustkrebs was können wir tun? Gesunde Lebensführung: spart Geld! Übergewicht vermeiden Alkoholgenuss einschränken sportliche Betätigung nicht rauchen Fazit: Lifestyle Intervention bei Brustkrebspatientinnen ist zwar sehr in Mode gekommen, aber durchaus evidenzbasiert!
Prof. Dr. med. Martin Kolben Praxis für FRAUENGESUNDHEIT Bahnhofstrasse 9, Gräfelfing Tel.: 89 86 73 71 www.frauenarzt-graefelfing.de info@frauenarzt-graefelfing.de