FINANZGERICHT DÜSSELDORF 3 K 7318/00 E f Im Namen des Volkes URTEIL In dem Rechtsstreit - Kläger - Prozessvertreterin: gegen - Beklagten - wegen Einkommensteuer 1994 hat der 3. Senat in der Besetzung: Vorsitzende Richterin am Finanzgericht Richter am Finanzgericht Richter am Finanzgericht ehrenamtliche Richterin ehrenamtliche Richterin auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25.2.2003 für Recht erkannt: Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1994 vom 23.01.2001 wird die Steuer auf 69.699 Euro herabgesetzt. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
2 Gründe: Streitig ist, ob ein Betrag in Höhe von 144.000 DM als Entschädigung i.s.d. 24 Nr. 1 Einkommensteuergesetz EStG- tarifbegünstigt nach 34 Abs.1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung zu versteuern ist. Der Kläger schloss am 13.10.1989 einen Anstellungsvertrag mit der F-GmbH, auf den Bezug genommen wird. Im Vertrag heißt es unter anderem:... 10... (3) Ab der Bestellung von Herrn M (Anm.: Kläger) zum Geschäftsführer beträgt die Kündigungsfrist für beide Seiten 6 Monate zum Quartalsschluß.... 11 Abfindung Bei Beendigung der Tätigkeit für die Gesellschaft aus Gründen, die nicht in der Person des Geschäftsführers liegen, erhält dieser eine Abfindung von vier Monatsgehältern zuzüglich ein Monatsgehalt für jedes ab dem 1.1.1991 angefangene Jahr. Die Abfindung beträgt jedoch höchstens ein Jahresgehalt. Am 27.7.1994 trafen der Kläger und die F-GmbH eine von ihnen so bezeichnete Abwicklungsvereinbarung, auf die Bezug genommen wird. Darin heißt es unter anderem:... 1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung von F (Anm.: F-GmbH) aus betrieblichen Gründen zum 30.9.1994 beendet wird.... 4... Die Abfindung gemäß 11(Anm.: des ursprünglichen Arbeitsvertrages) beträgt vier Monatsgehälter zuzüglich vier Monatsgehälter für die vier angefallenen Jahre der Tätigkeit und wird am 30.9.1994 ausgezahlt.
3 Die für das Jahr 1994 anfallende Tantieme beträgt 9/12 von drei Monatsgehältern, zahlbar am 30.9.1994. Der Kläger erhielt im Streitjahr 168.000 DM als Abfindung und 246.130 DM als laufenden Arbeitslohn. Die Abfindung behandelte die F-GmbH ausweislich der Lohnsteuerkarte des Klägers in Höhe von 24.000 DM als gem. 3 Nr. 9 EStG steuerfrei, in Höhe von 144.000 DM als ermäßigt zu besteuernde Entschädigungsleistung. Der Kläger deklarierte in seiner Einkommensteuererklärung 144.000 DM als ermäßigt zu besteuernde Entschädigung. Der Steuererklärung war neben Unterlagen, die andere Sachverhalte betrafen, die Lohnsteuerkarte beigefügt. In einer Anlage hatte der Kläger unter dem Punkt allgemeine Erläuterungen angegeben, er sei von seinem Arbeitgeber gekündigt worden, deshalb sei ihm eine Abstandssumme gezahlt worden. Der Beklagte hatte wegen anderer Sachverhalte, nicht hingegen wegen der Abfindung Rückfragen und behandelte die 144.000 DM im Steuerbescheid vom 26.9.1996 erklärungsgemäß, ohne zuvor weitere Unterlagen anzufordern. Nach einer Lohnsteueraußenprüfung bei dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers vertrat der Prüfer die Auffassung, die Steuerermäßigung gem. 34 EStG sei zu versagen, weil die Abfindungszahlung bereits im Anstellungsvertrag vereinbart worden sei. Er teilte dies dem Beklagten mit und fügte den Anstellungsvertrag des Klägers vom 13.10.1989, die Abwicklungsvereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber vom 27.7.1994, ein Schreiben des Arbeitgebers des Klägers vom 19.7.1994 sowie eine Stellungnahme des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu den Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung bei. Wegen des Wortlautes der Schreiben wird auf die in den Steuerakten befindlichen Kopien Bezug genommen. Der Beklagte machte sich die Feststellungen des Prüfers zu eigen und änderte den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 durch Bescheid vom 20.8.1999. In dem Bescheid war ausgeführt, die Änderung erfolge gem. 172 Abs.1 S.1 Nr. 2 Abgabenordnung AO-, die gewährte Steuervergünstigung werde rückgängig gemacht, da die Voraussetzungen des 34 EStG nicht erfüllt seien. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren, in dem der Beklagte erläuterte, die Änderung des Bescheides sei nach 173 Abs.1 AO erfolgt, hat der Kläger Klage erhoben. Während des Klageverfahrens erging am 23.01.2001 ein Änderungsbescheid, den der Kläger gem. 68 Finanzgerichtsordnung FGO- in der im Jahre 2001 geltenden Fassung zum Gegenstand des Verfahrens machte.
4 Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor: Eine Änderung des Steuerbescheides wegen der Entschädigung habe nicht erfolgen dürfen, weil dem Beklagten keine Tatsachen nachträglich bekannt geworden seien, denn in der Steuererklärung sei die Entschädigungszahlung angegeben worden. Aufgrund der Erläuterung und der eingereichten Lohnsteuerkarte habe der Beklagte gewusst, dass die Zahlung aufgrund der Beendigung des Dienstverhältnisses geleistet worden sei. Der Beklagte habe seine Ermittlungspflichten nicht erfüllt, wenn er die zur Beurteilung des Sachverhaltes erforderlichen Unterlagen nicht anfordere. Deshalb sei er an einer Änderung des Steuerbescheides nach Treu und Glauben gehindert. Der Beklagte habe den Steuerbescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. 164 AO erlassen und dadurch zu erkennen gegeben, dass er den Sachverhalt abschließend geprüft hat. Die Tarifermäßigung sei zurecht gewährt worden, denn die Entschädigungszahlung sei aufgrund einer neuen Rechtsgrundlage geflossen. Der Kläger beantragt, den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 vom 23.01.2001 dahingehend zu ändern, dass die Entschädigungszahlung in Höhe von 144.000 DM ermäßigt besteuert wird. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen. Zur Begründung trägt er vor: Er sei zur Änderung des Bescheides berechtigt gewesen, denn der Inhalt der Verträge sei erst nach der Einkommensteuerveranlagung des Klägers bekannt geworden. Die Abwicklungsvereinbarung sei keine neue Rechtsgrundlage Die Klage ist begründet. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. 100 Abs.1 S.1 Finanzgerichtsordnung FGO-).
5 Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte zu einer Änderung des Steuerbescheides gem. 173 AO berechtigt gewesen ist, ist der Steuerbescheid jedenfalls deswegen rechtswidrig, weil es sich bei den 144.000 DM um tarifbegünstigte außerordentliche Einkünfte im Sinne von 34 EStG handelt. 1. Der Kläger hat Einkünfte erzielt, die in 34 Abs. 2 aufgezählt sind, denn die erhaltene Abfindung ist eine Entschädigung im Sinne des 24 Nr. 1 a EStG. Unter diesen im Gesetz selbst nicht definierten Begriff fallen alle Leistungen, die unmittelbar dazu bestimmt sind, einen finanziellen Schaden auszugleichen, der dem Steuerpflichtigen dadurch entsteht, dass Einnahmen wegfallen, mit denen er rechnen konnte oder die er zumindest mit Wahrscheinlichkeit erwarten durfte (Horn in Hermann/Heuer/Raupach 24 Rz. 15). Bei Arbeitsverhältnissen ist zusätzlich erforderlich, dass die Leistung wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstvertrages und aufgrund einer neuen Rechtsgrundlage erfolgt. (Horn in Hermann/Heuer/Raupach 24 Rz.41). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt: Dem Kläger, der einen unbefristeten Weiterbeschäftigungsanspruch gehabt hätte, ist statt des künftigen Arbeitslohnes eine einmalige Zahlung zugewendet worden. Die F-GmbH hat ausweislich Nr.1 der Abwicklungsvereinbarung das Arbeitsverhältnis auf eigene Veranlassung aus betrieblichen Gründen aufgehoben. Der Kläger hat gem. 11 des Anstellungsvertrages nur dann einen Anspruch auf eine Abfindung gehabt, wenn die Tätigkeit aus nicht in seiner Person liegenden Gründen beendet wird. Anhaltspunkte dafür, dass die F-GmbH 168.000 DM Entschädigung gezahlt haben könnte, obwohl sie dazu nicht verpflichtet gewesen ist, weil der Kläger selbst die Auflösung des Arbeitsverhältnisses betrieben hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Zahlung der Abfindung ist aufgrund einer neuen Rechtsgrundlage erfolgt. Das Tatbestandsmerkmal neue Rechtsgrundlage bezweckt, die als Gegenleistung für die Arbeit erdienten (ordentlichen) Einnahmen von denjenigen abzugrenzen, die als Entschädigung für die Aufgabe des Arbeitsplatzes zufließen. Verhindert werden soll, dass laufender Arbeitslohn durch eine andere Bezeichnung in das Gewand einer Entschädigung i.s.v. 24 Nr. 1 a EStG gekleidet werden kann. Demzufolge kommt es für das Tatbestandsmerkmal der neuen Rechtsgrundlage nicht darauf an, ob die Entschädigungsregelung bereits im Anstellungsvertrag oder erst später getroffen worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofes BFH- vom 30.10.1981 III R 164/80 nicht amtlich veröffentlicht; Urteil des BFH vom
6 13.8.1975 VI R 164/71, Bundessteuerblatt BStBl. II 1976,38; Schreiben des Bundesministerium der Finanzen vom 18.12.1998 IV A 5 S 2290-18/98 BStBl. I 1998,1512, Tz.I.3). Vielmehr ist zu prüfen, ob der Entschädigungsanspruch erst als Folge der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden und deshalb neu ist. Im Streitfall hat der Kläger aufgrund des Arbeitsvertrages Anspruch auf Arbeitslohn bis zum Ende der Kündigungsfrist sowie auf eine zeitanteilige Tantieme gehabt. Diese Gelder sind dem Kläger als laufender Arbeitslohn zugeflossen und steuerlich auch so behandelt worden. Erklärt wurden 246.000 DM ordentliche Einkünfte, darin sind neun Monatslöhne zu 21.000 DM (189.000) und die anteilige Tantieme in Höhe von 9/12 von drei Monatsgehältern (9/12 von 63.000 DM = 47.250 DM) enthalten. Die zusätzlich gezahlten 168.000 DM hat sich der Kläger nicht durch seine Arbeit erdient. Der Entschädigungsanspruch ist erstmals aufgrund der durch den Arbeitgeber veranlassten Aufhebung des Arbeitsverhältnisses entstanden. Der Kläger hätte nämlich bei gleicher Dauer seines Arbeitsverhältnisses im Falle einer von ihm veranlassten Kündigung aus dem Arbeitsvertrag ebenso wenig einen Anspruch auf Entschädigung gehabt, wie wenn das Arbeitsverhältnis wegen Erreichen der Altersgrenze beendet worden wäre. Sind aber, wie im Streitfall, alle nach dem Anstellungsvertrag entstandenen Ansprüche des Arbeitnehmers abgefunden, nimmt allein der Umstand, dass die Abfindungsmodalitäten bereits im Anstellungsvertrag festgelegt wurden, der Zahlung nicht den Charakter als Entschädigung. Vom wirtschaftlichen Ergebnis her betrachtet wäre es auch unverständlich, die Zubilligung des ermäßigten Steuersatzes für eine Schadensersatzleistung davon abhängig zu machen, ob die Höhe der Ersatzleistung im Anstellungsvertrag festgelegt oder erst anlässlich der Abfindungsvereinbarung ausgehandelt wird (ebenso BFH vom 30.10.1981 III R 164/80, a.a.o.). 2. Die Entschädigung ist gemäß 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigt, denn sie führt zu einer Zusammenballung von Einnahmen (vgl. zu diesem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal des 34 EStG Urteil des Bundesfinanzhofes -BFH- 4 März 1998 XI R 46/97 BStBl. II 1998,787 mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung). Der Kläger hat infolge der Abfindungszahlung im Jahre 1994 deutlich höhere Einkünfte erzielt, als er bei normalem Lauf der Dinge erhalten hätte. Seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit hätten ohne die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses 315.000 DM brutto betragen (12 x 21.000 DM Grundgehalt = 252.000 DM zuzüglich drei Monatsgehältern Tantieme = 63.000 DM). Durch die Auflösung des Dienstvertrages hat er neben
7 den 246.130 DM laufendem Arbeitslohn weitere (nach Abzug des gem. 3 Nr. 9 EStG steuerfrei belassenen Betrages i.h.v. 24.000 DM) 144.000 DM erhalten, so dass im Streitjahr insgesamt 390.130 DM zugeflossen sind. 3. Die Steuerberechnung ergibt sich aus der dem Urteil beigefügten Anlage. 4. Die Revision war gem. 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Rechtsfrage, unter welchen Umständen eine bereits im Anstellungsvertrag aufgenommene Regelung der Modalitäten einer Abfindung die Steuervergünstigung nach 34 EStG ausschließt, grundsätzliche Bedeutung hat. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs.1 FGO.